XIAbkürzungsverzeichnis


a

Abschreibungsbetrag

Abs.

Absatz

AfA

Absetzung für Abnutzung

AfaA

Absetzung für außergewöhnliche technische oder wirtschaftliche Abnutzung

AfS

Absetzung für Substanzverringerung

AG

Aktiengesellschaft

AHK

Anschaffungs- oder Herstellungskosten

AK

Anschaffungskosten

AktG

Aktiengesetz

AO

Abgabenordnung

APB

Accounting Principles Board

Art.

Artikel

BewG

Bewertungsgesetz

BFH

Bundesfinanzhof

BilMoG

Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz

BilReG

Bilanzrechtsreformgesetz

BiRiLiG

Bilanzrichtlinien-Gesetz

BMF

Bundesministerium der Finanzen

BStBl.

Bundessteuerblatt

BT

Deutscher Bundestag

BW

Buchwert

CAP

Committee on Accounting Procedure

e.V.

eingetragener Verein

EAktG

Einführungsgesetz zum Aktiengesetz

EG

Europäische Gemeinschaften

EGHGB

Einführungsgesetz zum Handelsgesetzbuch

EHUG

Gesetz über elektronische Handelsregister und Genossenschaftsregister sowie das Unternehmensregister

EStDV

Einkommensteuer-Durchführungsverordnung

EStG

Einkommensteuergesetz

EStH

Einkommensteuer-Hinweise

EStR

Einkommensteuer-Richtlinien

EU

Europäische Union

F

Framework

FASB

Financial Accounting Standards Board

Fifo

First in – First out

FIN

FASB Interpretation(s)

GAAP

Generally Accepted Accounting Principles

GenG

Gesetz betreffend die Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften (Genossenschaftsgesetz)

XIIGKV

Gesamtkostenverfahren

GmbH

Gesellschaft mit beschränkter Haftung

GmbHG

Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbH-Gesetz)

GoB

Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung

GuV

Gewinn- und Verlustrechnung

GWG

Geringwertige Wirtschaftsgüter

H

Hinweise

HFA

Hauptfachausschuss

HGB

Handelsgesetzbuch

HK

Herstellungskosten

Hrsg.

Herausgeber

IAS

International Accounting Standard(s)

IASB

International Accounting Standards Board

IASC

International Accounting Standards Committee

IASCF

IASC Foundation

IDW

Institut der Wirtschaftsprüfer e.V.

IFRIC

International Financial Reporting Interpretations Committee

IFRS

International Financial Reporting Standard(s)

IFRS IC

International Financial Reporting Standards Interpretations Committee

InsO

Insolvenzordnung

InvZulG

Investitionszulagengesetz

KapAEG

Kapitalaufnahmeerleichterungsgesetz

KapCoRiliG

Kapitalgesellschaften- und Co.-Richtlinie-Gesetz

KG

Kommanditgesellschaft

KGaA

Kommanditgesellschaft auf Aktien

KonTraG

Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich

KWG

Kreditwesengesetz

Lifo

Last in – First out

N

Voraussichtliche Nutzungsdauer

NYSE

New York Stock Exchange

OHG

Offene Handelsgesellschaft

p

Prozentsatz

PublG

Publizitätsgesetz

R

Richtlinie

RechVersV

Verordnung über die Rechnungslegung von Versicherungsunternehmen

RFH

Reichsfinanzhof

RStBl.

Reichssteuerblatt

RW

Restwert

SEC

Securities and Exchange Commission

SFAC

Statements of Financial Accounting Concept(s)

SFAS

Statements of Financial Accounting Standard(s)

SIC

Standing Interpretations Committee

StGB

Strafgesetzbuch

TransPuG

Transparenz- und Publizitätsgesetz

XIIITz.

Textziffer

UKV

Umsatzkostenverfahren

US

United States (of America)

US-GAAP

US-Generally Accepted Accounting Principles

VAG

Versicherungsaufsichtsgesetz

Vol.

Volume

WpHG

Wertpapierhandelsgesetz

11 Allgemeine Grundlagen


1.1 Jahresabschluss als Teil des Rechnungswesens

Der Zweck eines Unternehmens besteht in der Erstellung und Verwertung von Gütern und Dienstleistungen zur Einkommenserzielung. Für die Erfüllung dieser Aufgabe müssen sowohl güterwirtschaftliche als auch finanzwirtschaftliche Prozesse ausgeführt werden. Die Steuerung und Überwachung dieser betrieblichen Abläufe erfordert vielfältige Informationen, auf deren Grundlage die Mitarbeiter des Unternehmens – insbesondere die Unternehmensleitung (Management) – erst die für eine ordentliche und gewissenhafte Aufgabenbewältigung notwendigen Entscheidungen treffen können.

So sind zur Fundierung unternehmerischer Entscheidungen z. B. Informationen über folgende Sachverhalte notwendig:

  1. Höhe und Struktur des betrieblichen Vermögens und der betrieblichen Schulden,
  2. Höhe des zu veröffentlichenden Jahresergebnisses,
  3. Höhe des Angebotspreises von Produkten (Kalkulation),
  4. Planung der Geschäftsfelder und des eigenen Angebots,
  5. Informationen über die relative Entwicklung des eigenen Unternehmens.

Die Ermittlung und Bereitstellung der für betriebliche Entscheidungen notwendigen Daten und Informationen ist die Aufgabe des Rechnungswesens. Als zentraler Bestandteil im Informationssystem des Unternehmens kommen ihm folgende grundsätzliche Aufgaben zu: Das betriebliche Rechnungswesen erfasst und dokumentiert zum einen die betrieblichen Strukturen und Prozesse wert- und mengenmäßig auf der Grundlage bestimmter Abbildungsregeln. Zum anderen werden die betrieblichen Strukturen und Prozesse nach zweckgerichteten Gesichtspunkten für die Informationsbedürfnisse verschiedener Adressaten aufbereitet und ausgewertet (vgl. Heinhold, 2010, S. 1; Eisele, 2011, S. 3).

Die Heterogenität der betrieblichen Entscheidungen bedingt eine detaillierte Ausgestaltung des Rechnungswesens. Daher lassen sich vier interdependente Teilbereiche des Rechnungswesens unterscheiden, die jeweils verschiedene Zielsetzungen bzw. Analyseschwerpunkte aufweisen. Die Teilbereiche erfordern folglich grundsätzlich voneinander abweichende Verfahrensweisen und besitzen eigenständige Anwendungsgebiete sowie Adressatengruppen. Dennoch sind die Bereiche eng miteinander verbunden und ergänzen sich gegenseitig. Im Einzelnen werden unterschieden (vgl. u. a. Heinhold, 2010, S. 1ff.; Falterbaum et al., 2010, S. 39ff.; Meyer, 2012, S. 1f.):

  1. (Finanz-)Buchführung und Bilanzierung (Jahresabschluss):
    Im Rahmen der (Finanz-)Buchführung und der Bilanzierung geht es um die Erfassung der Geld- und Leistungsströme des Unternehmens zum Nachweis des wirtschaftlichen Erfolges innerhalb eines Zeitraums. Neben der Aufgabe, den von der Gründung bis zur Liquidation erzielten Gesamt- oder Totalgewinn festzustellen, dient die Buchführung insbesondere der Ermittlung des Erfolgs bestimmter Abrechnungsperioden 2(Periodengewinn) (vgl. Wöhe/Kußmaul, 2010, S. 1ff.). Der Erfolg wird in der Gewinn- und Verlustrechnung als Saldo der dem Abrechnungszeitraum zugerechneten (periodisierten) Einnahmen (Erträge) und den dem entsprechenden Zeitraum zugewiesenen Ausgaben (Aufwendungen) ermittelt. Um den Stand und die Veränderungen des betrieblichen Vermögens und der Schulden sowie des Reinvermögens (= Vermögen abzüglich Schulden) fortlaufend und systematisch zu verzeichnen, müssen alle wirtschaftlichen und rechtlichen Vorgänge (Geschäftsvorfälle), die die Höhe des Vermögens und des Kapitals verändern, in Zahlen festgehalten werden. Erfasst die Buchführung die in der Abrechnungsperiode angefallenen Geschäftsvorfälle, bildet sie damit zugleich die Basis, um am Periodenende eine Bilanz und i.d.R. eine Gewinn- und Verlustrechnung aufstellen zu können. Der Jahresabschluss besteht aus der Bilanz und der Gewinn- und Verlustrechnung sowie aus einem Anhang. Bei Kapitalgesellschaften muss daneben noch ein Lagebericht aufgestellt werden. Es sei in diesem Zusammenhang aber darauf hingewiesen, dass der Kaufmann bei der Aufstellung des Jahresabschlusses nicht unumstößlich an die Zahlen aus der Buchführung gebunden ist. Vielmehr bestehen auch nach dem Wegfall zahlreicher Ansatz- und Bewertungswahlrechte infolge der an internationalen Standards orientierten Fortentwicklung des deutschen Handelsgesetzbuches (Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz (BilMoG) aus dem Jahre 2009) zahlreiche Möglichkeiten zur Bilanzpolitik.
  2. Kosten- und Leistungsrechnung:
    Die rein innerbetrieblich angelegte Kosten- und Leistungsrechnung ermittelt die einzelnen Beiträge der jeweiligen Teilbereiche zum (Gesamt-)Erfolg des Unternehmens. Zur Erreichung dieses Ziels werden alle innerbetrieblichen Kosten und Leistungen zunächst erfasst und nach der Art, dem Ort der Entstehung und der Zugehörigkeit zu bestimmten Kostenträgern verrechnet und ausgewertet. Die Kosten- und Leistungsrechnung dient als Grundlage für geschäftspolitische Entscheidungen des Managements, der Aufsichtsgremien sowie der anderen Mitarbeiter.
  3. Planungsrechnung:
    Gegenstand der (betrieblichen) Planungsrechnung ist die Vorwegnahme (= Planung) der mengen- und wertmäßigen Entwicklung der einzelnen Unternehmensbereiche. Wichtig ist, dass im Rahmen dieses Planungsprozesses Änderungen des makroökonomischen Umfeldes (z. B. Strukturwandel, Konjunktursituation etc.) explizit in der Rechnung Berücksichtigung finden müssen.
  4. Betriebliche Statistik:
    Die betriebliche Statistik ergänzt die anderen Bereiche des Rechnungswesens. Einerseits geht es zum Zwecke der Planung und Kontrolle um die zahlenmäßige Erfassung, die Verarbeitung und die tabellarische oder grafische Darstellung der betrieblichen Vorgänge. Andererseits werden die vorliegenden Informationen für zwischenbetriebliche Vergleiche anhand von Kennzahlen zweckentsprechend aufbereitet. Informationsempfänger sind das Management, die Aufsichtsgremien sowie alle anderen Entscheidungsträger im Unternehmen.

Je nachdem, an wen sich die in den einzelnen Teilbereichen des Rechnungswesens generierten Informationen richten, lassen sich das interne Rechnungswesen und das externe Rechnungswesen unterscheiden. Das interne Rechnungswesen soll allen Entscheidungsträgern innerhalb des Unternehmens die für geschäftspolitische Dispositionen 3(Kontroll- und Planungsaufgaben) erforderlichen Informationen liefern. Es umfasst die Kosten- und Leistungsrechnung, die Planungsrechnung sowie die betriebliche Statistik. Demgegenüber informiert das externe Rechnungswesen neben der Unternehmensleitung und den anderen betrieblichen Entscheidungsträgern auch alle außerhalb des Unternehmens stehenden Personenkreise. Dazu zählen u. a. die Gläubiger, die Anteilseigner, der Fiskus, die Öffentlichkeit (z. B. Wirtschaftspresse, potenzielle Investoren) oder aber auch die Konkurrenten des Unternehmens. Die Information der außenstehenden Adressaten erfolgt dabei über die Veröffentlichung des Jahresabschlusses sowie bei Kapitalgesellschaften ergänzend über den Lagebericht.

Neben den verschiedenen Informationsadressaten und den daraus folgenden unterschiedlichen Aufgaben lassen sich das interne und das externe Rechnungswesen noch bezüglich weiterer Kriterien voneinander abgrenzen. Beispielhaft sei dies anhand der Kosten- und Leistungsrechnung verdeutlicht.

So bestehen Unterschiede hinsichtlich der gesetzlichen Vorgaben zur Ausgestaltung der Rechnungen. Während der Aufbau des internen Rechnungswesens vom Unternehmen selbst bestimmt werden kann, müssen die externen Informationsadressaten durch gesetzliche Regelungen vor Falschinformationen geschützt werden. Entsprechende Vorschriften finden sich daher im Dritten Buch des Handelsgesetzbuches (§§ 238–342e HGB).

Als Zeitabschnittsrechnung beziehen sich die Buchführung und der aus ihr abgeleitete Jahresabschluss i. d. R. auf den Zeitraum der vergangenen 12 Monate. Demgegenüber erstreckt sich der Zeitraum der Rechnungserfassung bei internen Rechenwerken häufig nur auf 1–3 Monate. Neben vergangenheitsbezogenen werden dabei auch prognoseorientierte (zukunftsbezogene) Rechnungen aufgestellt.

In Bezug auf die inhaltliche Ausgestaltung gibt das Gesetz bzw. die Rechtsprechung beim externen Rechnungswesen zum einen die zu berücksichtigenden Vermögensgegenstände und Schulden sowie den Umfang der Aufwendungen und Erträge explizit vor. Zum anderen handelt es sich bei der Buchführung bzw. beim Jahresabschluss um pagatorische Rechnungen. Dies bedeutet, dass nur geleistete bzw. empfangene oder antizipierte Zahlungsvorgänge mit der Umwelt erfasst werden. Aufwendungen sind in einer externen Erfolgsrechnung daher nichts anderes als periodisierte Ausgaben. Erträge stellen periodisierte Einnahmen dar. Der Totalgewinn eines Unternehmens ist demnach ein Zahlungsüberschuss. Die Kosten- und Leistungsrechnung wird demgegenüber im Regelfall als eine kalkulatorische Rechnung ausgestaltet, die auf Realgüterbewegungen abstellt. Ansatzkriterium für Kosten ist der reale Güterverbrauch, wobei es unerheblich ist, ob dieser Güterverbrauch auch zu einer Ausgabe führt. So werden in der üblichen Form der Kostenrechnung beispielsweise für das eingebrachte Eigenkapital (fiktive) Zinsen verrechnet, auch wenn es zu keinem entsprechenden Zahlungsvorgang (Zinszahlungen an die Eigenkapitalgeber) kommen wird.

1.2 Aufgaben des Jahresabschlusses

Das für die Aufstellung des Jahresabschlusses grundlegende Handelsgesetzbuch (HGB) enthält detaillierte Bestimmungen zur Bilanzierung. Die handelsrechtlichen Vorschriften konkretisieren jedoch nicht explizit das Ziel, dem die Bilanzaufstellung eigentlich 4dient. Es fehlt ein geschlossenes Ziel oder Zielsystem (vgl. Coenenberg et al., 2012, S. 16). Auch die so genannte Generalnorm des § 264 (2) HGB, nach der der Jahresabschluss einer Kapitalgesellschaft „unter Beachtung der Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage zu vermitteln“ hat, kann wegen der sehr allgemein gehaltenen Formulierung nicht zur Lösung des Problems beitragen (vgl. Hoffmann/Lüdenbach, 2012, § 264 HGB, Tz. 14ff.). Die Diskussion um die Aufgabe(n) des Jahresabschlusses muss daher an grundlegenden ökonomischen Überlegungen über die entscheidenden Motive wirtschaftlichen Handelns ansetzen und dabei etwaige Interessenkonflikte im Unternehmen berücksichtigen.

Als entscheidendes Motiv ökonomischen Handelns gilt unstrittig die Einkommenserzielung (vgl. Schneider, 1993, S. 1ff.). Das Wissen um die jeweiligen Einkommensquellen ist jedoch unvollständig und häufig zwischen den Akteuren im Unternehmen und auf dem Markt ungleich verteilt. Dazu kommt, dass die Planung zukünftiger Entwicklung grundsätzlich mit Unsicherheit behaftet ist und daher wirtschaftliche Entscheidungen, die stets zukunftsbezogen sind, vor dem Hintergrund nicht eindeutig abschätzbaren Datenmaterials erfolgen müssen.

Die ökonomischen Aktivitäten hochentwickelter Volkswirtschaften sind neben der Arbeitsteilung in weiten Teilen auch durch eine Trennung von Kapitalbereitstellung und Kapitalverwendung gekennzeichnet (vgl. Ewert, 1990, S. 1; Dyck, 1992, S. 47; Potthoff, 1994, S. 77; Theisen, 1994, S. 810). Für die Kapitalgeber resultieren daraus Interessen-, Informations- und Kontrollprobleme, da sie die tatsächliche Mittelverwendung sowie die erzielten Ergebnisse nicht ohne Weiteres beobachten können. Grund hierfür ist der Informationsvorsprung der Unternehmensleitung gegenüber den Kapitalgebern. Dieser, in der asymmetrischen Informationsverteilung begründete Vorsprung eröffnet den Managern diskretionäre Handlungsspielräume, die diese zum Schaden der Kapitalgeber ausnutzen können. Für die Eigentümer ist es daher wichtig, das in dem Unternehmen verwirklichte Einkommen, das vereinfachend mit Gewinn umschrieben werden kann, zu erkennen und über die geplante Einkommensentwicklung möglichst zuverlässig informiert zu sein (vgl. Krag, 1997, S. 196). An dieser Stelle setzt die Aufgabe der Rechnungslegung an, die – allgemein formuliert – der Messung von Einkommensgrößen dient. In diesem Verständnis erfüllt die Rechnungslegung eine Steuerungs- und Kontrollfunktion. Aus der Sicht der Kapitalgeber geht es darum, den bzw. die Agenten (Manager) zu steuern und zu lenken, um die eigene Ausbeutung zu verhindern. Ohne die Verpflichtung zur Rechnungslegung wäre die Position der Eigentümer ausbeutungsoffen, so dass die Aufgabe des Jahresabschlusses darin liegt, Anreize zu schaffen, um eine Interessenangleichung zwischen beiden Gruppen zu bewirken. Die Manager sollen im Hinblick auf die Interessen der Eigner motiviert werden. Darüber hinaus dient das im Rahmen der Rechnungslegung generierte Mehr an Information aber auch der Verbesserung der Entscheidungsgrundlagen aktueller und potenzieller Investoren (Entscheidungsfunktion). Eng verbunden mit der zuvor genannten Aufgabe ist die Wohlfahrtsfunktion der Rechnungslegung, da durch die Publizierung von Jahresabschlüssen die Kapitalallokation auf den (Kapital-)Märkten verbessert oder u. U. sogar optimiert werden kann (vgl. zu den Aufgaben des Jahresabschlusses aus informationsökonomischer Sicht Ballwieser, 1985a, S. 21ff. und Ballwieser, 1991, S. 111ff.).

5Neben dem beschriebenen Konflikt zwischen Gesellschaftern (Eigenkapitalgebern) und Managern sind noch weitere Konflikte zwischen den Unternehmensbeteiligten denkbar. So existiert Konfliktpotenzial u. a. zwischen den folgenden Gruppen:

  1. Gesellschafter,
  2. Gläubiger,
  3. Manager,
  4. Arbeitnehmer und
  5. Fiskus.

Vor dem Hintergrund der Vielzahl möglicher Konflikte zwischen den verschiedenen Gruppen der Informationsadressaten einerseits und der Unternehmensleitung und den Informationsadressaten andererseits sowie wegen der an den Jahresabschluss geknüpften Rechtsfolgen kommt der Rechnungslegung als Bestandteil der Rechtsordnung die Aufgabe zu, Konflikte zwischen den widerstreitenden Interessengruppen zu schlichten (vgl. Coenenberg et al., 2012, S. 17). Der Jahresabschluss dient dem Interessenausgleich und stellt daher ein Vielzweckinstrument (vgl. Havermann, 1988, S. 613; Schildbach, 2009, S. 27ff.) dar, da es den Unternehmen nicht zuzumuten ist, für jeden Interessenten eine gesonderte Rechnung zu erstellen.

Besonderes Augenmerk wird im Zusammenhang mit dem angestrebten Interessenausgleich den Gläubigern und den Anlegern – vor allem den Minderheitsgesellschaftern – gewidmet. Wird unterstellt, dass es sich bei den Gläubigern nicht um (Groß-Banken handelt, bei denen im Regelfall davon auszugehen ist, dass sie ihre Interessen ohne Weiteres gegenüber dem Unternehmen durchsetzen können, dürfte aufgrund des häufig nur geringen wirtschaftlichen Einflusses von Gläubigern und Anlegern die Gefahr eines Vermögensverlustes für diese Gruppen besonders hoch sein.

Unternehmen suchen Gläubiger, da i.d.R. die Finanzierung mit Fremdkapital gegenüber der Finanzierung mit Eigenkapital steuerlich begünstigt ist. Gläubiger werden jedoch nur dann bereit sein, den Unternehmen Geld zu überlassen, wenn für sie die Risiken des Kapitaleinsatzes überschaubar sind bzw. wenn sie einen adäquaten Risikozuschlag erhalten (vgl. Schmidt/Terberger, 1997, S. 413). Insbesondere bei nur beschränkt haftenden Eignern erscheint das Risiko für die Fremdkapitalgeber besonders hoch. In dieser Situation haben die Eigner den Anreiz, besonders risikoreiche Investitionen durchzuführen, da etwaige Gewinne nur ihnen zufließen. Verluste hingegen sind von den Fremdkapitalgebern zu tragen (vgl. zur Darstellung dieser so genannten Agency-Problematik Fama, 1980, S. 288ff.; Fama/Meckling, 1983a, S. 301ff.; Fama/Meckling, 1983b, S. 327ff.; Schanze, 1987, S. 461ff.). In Bezug auf Kleinanleger, die nur einen relativ geringen Kapitalanteil an dem jeweiligen Unternehmen halten, und Minderheitsgesellschafter, die ihre Interessen nicht oder nur zufällig gegen die Mehrheit durchsetzen können, muss der Jahresabschluss schließlich dafür Sorge tragen, dass ihren Interessen gegenüber den Verwaltungsorganen bzw. den Mehrheitsgesellschaftern ausreichend Rechnung getragen wird. Um einer möglichen Benachteiligung der genannten Gruppen entgegen zu wirken, hat der Gesetzgeber versucht, den Gedanken des Gläubiger- und Anlegerschutzes in den gesetzlichen Vorschriften zum Jahresabschluss zu verankern (vgl. Wöhe/Mock, 2010, S. 45f.).

6Ein Interessenausgleich durch den Jahresabschluss kann nur gelingen, wenn in die Rechenwerke objektivierte (d.h. intersubjektiv nachprüfbare) Informationen eingehen, die naturgemäß weitestgehend vergangenheitsorientiert sind (Objektivierungsgrundsatz). Als relevante Informationsgrundlage kommen die Zahlungsvorgänge des Unternehmens in Betracht, da die Ziele der Unternehmensbeteiligten überwiegend an finanziellen Bindungen zum Unternehmen anknüpfen (vgl. Coenenberg et al., 2012, S. 18f.).

Als grundlegende Aufgabe des Jahresabschlusses lässt sich daher festhalten: Der Jahresabschluss soll als eine objektivierte (weitestgehend vergangenheitsbezogene) Darstellung des Unternehmensgeschehens den verschiedenen Informationsbedürfnissen der Jahresabschlussadressaten nachkommen und als Vielzweckinstrument zu einem Interessenausgleich zwischen den einzelnen Gruppen führen. Zur Erreichung dieses Zwecks bildet der Jahresabschluss die in einer Berichtsperiode entstandenen und verbrauchten Werte (Periodengerechte Gewinnermittlung) sowie den Wertbestand (Vermögen) am Ende der Periode unter Beachtung spezifischer (zweckentsprechender) Abbildungsregeln zahlungsorientiert ab.

Die zuvor abgeleitete „Basisaufgabe“ des handelsrechtlichen Jahresabschlusses lässt sich weiter differenzieren. Die Anzahl der in der Literatur zu findenden Systematisierungen ist groß. Im Folgenden sollen die Ausschüttungsbemessungsfunktion und die Informationsfunktion unterschieden und näher erläutert werden (vgl. dazu u. a. Egner, 1974; Schildbach, 1975; Baetge, 1976, S. 11ff.; Moxter, 1984a; Heinhold, 1996a, S. 7ff., Bitz et al., 2011, S. 41ff.).

1.2.1 Ausschüttungsbemessungsfunktion

In der Literatur und in der Rechtsprechung hat sich die Auffassung durchgesetzt, dass – insbesondere bei Aktiengesellschaften – das primäre Ziel der Jahresabschlusserstellung in der Ermittlung des ausschüttbaren Jahresüberschusses bzw. des Bilanzgewinns als Grundlage für die Bemessung ergebnisabhängiger Einkommenszahlungen wie Dividenden- oder Erfolgsbeteiligungen liegt. Unterschiedliche Zahlungsbemessungsinteressen können sich zwischen Gläubigern und Aktionären (Eignern) sowie zwischen Minderheitsaktionären, Mehrheitsaktionären und der Verwaltung ergeben.

Aufgrund der Haftungsbeschränkung von Kapitalgesellschaften ist in Bezug auf den Gläubigerschutz eine Begrenzung der an die Aktionäre ausschüttbaren Beträge notwendig, um die Erhaltung eines Mindesthaftungsvermögens zu gewährleisten. Diesem Aspekt trägt das Aktiengesetz (AktG) sowie das HGB durch die Kodifizierung verschiedener Ausschüttungssperren im Bereich der Gewinnentstehung und Gewinnverwendung Rechnung (Ausschüttungssperrfunktion).

Zugleich muss jedoch auch sichergestellt werden, dass die Eigenkapitalgeber für die Überlassung ihres Kapitals angemessene Dividendenzahlungen erhalten. Demnach ist eine überzogene Verkürzung der Ausschüttungen durch Bildung so genannter stiller Reserven (vgl. u. a. die Gliederungspunkte 3.2.1.5 und 3.3.4.1.4.3) zu verhindern. Im Hinblick auf den Aspekt des Anlegerschutzes sind insbesondere Minderheitsaktionäre vor Mehrheitseignern und die Aktionäre insgesamt vor den Verwaltungsorganen zu schützen (Mindestausschüttungsfunktion). Entsprechende Vorschriften finden sich daher ebenfalls im AktG, im Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbHG) sowie im HGB.

7Kommt es bei der Auslegung von Vorschriften zu Konfliktfällen zwischen dem Gläubiger- und dem Anlegerschutz, wird der Gläubigerschutz als wichtiger angesehen als das Schutzbedürfnis der Minderheitsgesellschafter.

1.2.2 Informationsfunktion

Die Versorgung der am Unternehmen beteiligten Gruppen mit entscheidungsrelevanten Informationen wird – wie bereits erläutert – als Informationsfunktion des handelsrechtlichen Jahresabschlusses bezeichnet. Zur Erfüllung dieser Funktion müssen die Ergebnisse des Wirtschaftens in der vergangenen Periode möglichst realistisch im Jahresabschluss abgebildet werden.

In Abhängigkeit vom jeweiligen Informationsempfänger kann die Informationsfunktion in weitere Teilfunktionen zerlegt werden. Es lassen sich folgende Funktionen unterscheiden:

  1. Dokumentationsfunktion,
  2. Rechenschaftsfunktion und
  3. Publizitätsfunktion.

Die Notwendigkeit der Dokumentation des Unternehmensgeschehens wurde bereits sehr frühzeitig erkannt. So weisen Tontafeln der Sumerer zu einer Zeit um 3500 v. Chr. auf die Erstellung eines Inventars hin. Die Ursprünge des Bilanzrechts finden sich zur Zeit des Merkantilismus in Frankreich. Dort wurde durch die Ordonnance de Commerce die Aufstellung eines Jahresabschlusses zum Selbstschutz des Kaufmanns vorgeschrieben.

§ 238 (1) HGB kodifiziert eine umfassende Buchführungspflicht für Kaufleute. Danach müssen alle Geschäftsvorfälle übersichtlich, vollständig und für Dritte nachvollziehbar aufgezeichnet werden. Die Dokumentation im Sinne eines vollständigen, richtigen und systematischen Festhaltens der Güterbewegungen und Zahlungsvorgänge ist wesentliche Grundlage des Jahresabschlusses und ermöglicht erst zusammenfassende Aussagen über die wirtschaftliche Lage des Unternehmens im Sinne der Entscheidungsfunktion der Rechnungslegung (vgl. Leffson, 1987, S. 157; Baetge et al., 2011, S. 92f.).

Neben der Dokumentation der wirtschaftlichen Lage des Unternehmens dient der Jahresabschluss als Beweissicherungsinstrument im Konfliktfall. Bei Verdacht auf Unterschlagungen durch Angehörige des Unternehmens erleichtern die Aufzeichnungen in den zu erstellenden Handelsbüchern die Klärung des Verdachts und wirken zudem präventiv. Die entsprechenden Vorschriften des HGB sichern daher Urkundentatbestände und belegen das Vorhandensein des Vermögens durch geeignete Aufzeichnungen.

In Kapitalgesellschaften – insbesondere in so genannten Publikumsgesellschaften mit einem breiten Anlegerkreis – ergibt sich durch die Trennung von Eigentum und Kontrolle die Notwendigkeit, periodisch über den Stand des Vermögens Rechenschaft abzulegen, um die ansonsten ausbeutungsoffene Position der Eigner durch Kontrolle bzw. die gezielte Schaffung von Anreizen für die Manager zu verbessern. Die Unternehmensleitung – als Verwalter des Vermögens der Eigenkapitalgeber – kommt dieser Rechenschaftspflicht durch die Aufstellung und Vorlage des Jahresabschlusses nach. Aus Sicht der Eigenkapitalgeber ist der Jahresabschluss ein wichtiges Instrument zur 8Beurteilung des Wertes ihres Kapitalanteils (vgl. dazu auch die Ausführungen zur Wohlfahrtsfunktion in Gliederungspunkt 1.2). Dies gilt insbesondere für den Fall einer beabsichtigten Weiterveräußerung des Anteils.

Schließlich richtet sich der Jahresabschluss an alle übrigen Personenkreise, die ein berechtigtes Interesse an Informationen über die wirtschaftlichen Verhältnisse des Unternehmens haben. In diesem Sinne kommt dem Abschluss eine Publizitätsfunktion zu. So liefert der Jahresabschluss den Fremdkapitalgebern (Gläubigern) u. a. Aussagen über die Höhe der hinterlegten Vermögenswerte und die Sicherheit ihrer Einlagen. Potenzielle Investoren können durch veröffentlichte Jahresabschlüsse sowie durch statistische Auswertungen (z. B. Kennzahlen) Anhaltspunkte für ein künftiges Engagement in dem Unternehmen bekommen (Entscheidungsfunktion). Finanzbehörden benötigen den Jahresabschluss u. a. als Grundlage für die Bemessung der Höhe der Steuerschuld und als Kontrollmittel. Lieferanten interessiert die Frage, ob bzw. inwieweit Forderungen gegenüber dem jeweiligen Unternehmen gefährdet sind. Die im Jahresabschluss aufgezeigte wirtschaftliche Lage des Unternehmens ist zudem für die Arbeitnehmer insofern bedeutsam, als sie die Sicherheit ihres Arbeitsplatzes besser einschätzen können.

Abschließend sei noch darauf hingewiesen, dass im Zusammenhang mit der Veröffentlichung von unternehmensbezogenen Informationen immer auch das Schutzbedürfnis des Unternehmens zu beachten ist (vgl. u. a. Moxter, 1984a). Gelangen veröffentlichte Informationen an Konkurrenten, die durch Ausnutzung dieser Informationen dem publizierenden Unternehmen wirtschaftlichen Schaden zufügen können, liegt dies nicht im Sinne der Interessengruppen des Unternehmens. Für den Gesetzgeber stellt sich das schwierige Problem, zwischen einem Mehr an Publizität und dem Schutzbedürfnis des Unternehmens abzuwägen. Um auch in dieser Hinsicht wiederum einen Interessenausgleich herbeizuführen, macht das Handelsgesetzbuch den Umfang an zu veröffentlichenden Informationen von der Rechtsform, der Größe und der Branche des Unternehmens abhängig.

1.3 Buchführung und Inventar

Der handelsrechtliche Jahresabschluss ist kein originäres Rechenwerk, sondern wird aus der Buchführung (§§ 238f. HGB) (vgl. Wöhe/Kußmaul, 2010, S. 21ff.) und dem Inventar (§§ 240f. HGB) abgeleitet (vgl. dazu Moxter, 1986, S. 5ff.). In Bezug auf die Buchführung steht dabei im Folgenden nicht die Technik im Mittelpunkt der Betrachtung. Die Ausführungen beziehen sich lediglich auf die Buchführungspflicht sowie auf die Konsequenzen, die aus der Nichtbeachtung der einschlägigen Vorschriften resultieren. Hinsichtlich des Inventars werden ebenfalls nur die gesetzlichen Vorschriften erläutert. Abschließend soll gezeigt werden, wie der Jahresabschluss aus der Buchführung und dem Inventar heraus zu entwickeln ist.

1.3.1 Grundzüge handelsrechtlicher Buchführungsvorschriften

Die Buchführung dient der chronologischen, systematischen, lückenlosen und ordnungsmäßigen Aufzeichnung aller in Zahlenwerten festgehaltenen, wirtschaftlich bedeutsamen Vorgänge (Geschäftsvorfälle), die sich im Zeitablauf zwischen der Gründung und der Liquidation des Unternehmens ereignen (vgl. Eisele, 2011, S. 15). Als 9Zeitabschnittsrechnung ermittelt die Buchführung den Erfolg einer bestimmten Abrechnungsperiode. Die primäre Aufgabe besteht folglich darin, dem Kaufmann zu jedem Zeitpunkt einen Überblick über den Stand und alle Veränderungen seiner Vermögensteile und Schulden zu gewähren (vgl. Ludolph et al., 1998, S. 9; Falterbaum et al., 2010, S. 46f.).

Grundlegende Vorschriften zur (Finanz-)Buchführung sind in erster Linie im Handels- und im Steuerrecht enthalten.

Die handelsrechtlichen Vorschriften zur Buchführung befinden sich in den §§ 238–263 HGB. Grundsätzlich unterliegen danach alle Kaufleute der Buchführungspflicht (§ 238 (1) 1 HGB) (vgl. ausführlich Adler et al., 1998, § 238 HGB, Tz. 2ff.; Küting et al., 2002, § 238 HGB, Tz. 4ff.; Wöhe/Mock, 2010, S. 62ff.; Hoffmann/Lüdenbach, 2012, § 238 HGB, Tz. 1ff.). Gemäß der §§ 1–3 und 6 HGB wird als Kaufmann jeder Gewerbetreibende (auch so genannte Dienstleister), dessen Gewerbebetrieb nach Art und Umfang einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordert (Handelsgewerbe § 1 HGB), definiert. Das Handelsgewerbe ist in das Handelsregister einzutragen.

Die handelsrechtliche Buchführungspflicht wird für Kleingewerbetreibende, deren Unternehmen nicht die Voraussetzungen eines Handelsgewerbes nach § 1 HGB erfüllen, eingeschränkt. Sie sind grundsätzlich nicht zur Buchführung verpflichtet, können aber durch eine freiwillige Eintragung ins Handelsregister die Kaufmannseigenschaft herbeiführen (§ 2 HGB). Eine weitere Einschränkung der handelsrechtlichen Buchführungspflicht begründet § 241a HGB (vgl. Beck’scher Bilanzkommentar, 2012, § 241a HGB, Tz. 1ff.; Hoffmann/Lüdenbach, 2012, § 241a HGB, Tz. 1ff.). Danach sind Einzelkaufleute, die an den Abschlussstichtagen von zwei aufeinanderfolgenden Geschäftsjahren nicht mehr als 500.000 € Umsatzerlöse und 50.000 € Jahresüberschuss erzielen, von der Pflicht zur handelsrechtlichen Buchführung und Erstellung eines Inventars befreit. Im Fall der Neugründung tritt die Befreiung bereits ein, wenn die obigen Voraussetzungen am ersten Abschlussstichtag nach der Neugründung erfüllt werden (§ 241a (2) HGB). Gleiches gilt darüber hinaus nach § 242 (4) HGB) auch im Hinblick auf die Verpflichtung zur Aufstellung eines Jahresabschlusses. Insgesamt entfalten diese Wahlrechte eine enorme deregulierende Wirkung, eröffnen sie doch Einzelkaufleuten die Möglichkeit, Buchführung und Bilanzierung im Verhältnis zum Umfang ihres Geschäftsbetriebes angemessen auszugestalten. Einzelkaufleute, die das Wahlrecht in Anspruch nehmen und auch nicht der steuerrechtlichen Pflicht zur Führung von Büchern unterliegen (§ 141 AO), können ihren Erfolg durch eine einfache „Einnahmen-Überschuss-Rechnung“ ermitteln (vgl. Beck’scher Bilanzkommentar, 2012, § 241a HGB, Tz. 10). Eine solche Rechnung, in der Einnahmen und Ausgaben unter Berücksichtigung der Regelungen für Abschreibungen (vgl. Gliederungspunkt 3.2.2.3.1) einander gegenüber gestellt werden, hat das Steuerrecht in § 4 (3) Einkommensteuergesetz (EStG) verankert.

Grundsätzlich sind Handelsgesellschaften (OHG, KG, GmbH, AG und KGaA) kraft Rechtsform Kaufleute (Formkaufmann § 6 HGB).

Die Buchführungspflicht (vgl. Meyer, 2012, S. 9) beginnt mit der Aufnahme des Handelsgewerbes bzw. bei Handelsgesellschaften mit der Gründung. Sie endet – in Abhängigkeit vom Einzelfall – mit der Einstellung des Handelsgewerbes, der Löschung im Handelsregister oder dem Ende der Abwicklung.

10Die steuerrechtlichen Vorschriften zur Buchführung bauen auf dem Handelsrecht auf. § 140 der Abgabenordnung (AO) begründet eine so genannte derivative Buchführungspflicht, die die handelsrechtliche Verpflichtung zur Führung von Büchern in das Steuerrecht übernimmt.

Für gewerbliche Unternehmer (Kleingewerbetreibende) sowie für Land- und Forstwirte sieht § 141 AO im Gegensatz zum Handelsrecht eine originäre steuerrechtliche Buchführungspflicht vor. Diese tritt ein, sobald eines der in § 141 AO genannten Kriterien vorliegt.

Zu den Regelungen der Buchführungspflicht gehört auch die Verpflichtung zur ordnungsmäßigen Aufbewahrung der erstellten Unterlagen und Dokumente. § 257 (1) HGB legt fest, welche Unterlagen bzw. Dokumente Kaufleute aufbewahren müssen. Die entsprechenden Aufbewahrungsfristen ergeben sich aus § 257 (4) HGB bzw. aus § 147 (3) AO.

Die Rechtsgrundlagen zur Buchführung sind recht allgemein gehalten. Hinweise zur konkreten Ausgestaltung fehlen (vgl. Adler et al., 1998, § 238 HGB, Tz. 33ff.). Der Gesetzgeber lässt den Kaufleuten an dieser Stelle bewusst erhebliche Freiheiten, um technische Entwicklungen im Bereich der Datenverarbeitung und -speicherung nicht zu behindern (vgl. Schildbach, 2009, S. 62f.). So wird lediglich verlangt, dass die Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung beachtet werden (§ 238 (1) 1 HGB). Die in einer „lebenden Sprache“ (§ 239 (1) HGB) abgefassten Handelsbücher und sonstigen Aufzeichnungen müssen darüber hinaus „einem sachverständigen Dritten innerhalb angemessener Zeit einen Überblick über die Geschäftsvorfälle und über die Lage des Unternehmens vermitteln …“ (§ 238 (1) 2 + 3 HGB). „Die Eintragungen in Büchern und die sonst erforderlichen Aufzeichnungen (müssen) … vollständig, richtig, zeitgerecht und geordnet vorgenommen werden“ (§ 239 (2) HGB). Um nachträgliche Manipulationen zu erschweren, muss nachvollziehbar bleiben, ob Eintragungen „ursprünglich oder erst später gemacht worden sind“ (§ 239 (3) HGB).

Mit der einfachen und der doppelten Buchführung existieren grundsätzlich zwei kaufmännische Buchführungssysteme (vgl. Falterbaum et al., 2010, S. 68f.; Wöhe/Kußmaul, 2010, S. 35ff.; Wöhe/Mock, 2010, S. 22ff.). § 242 (3) HGB fordert, dass der Jahresabschluss für alle Kaufleute mindestens aus der Bilanz und der Gewinn- und Verlustrechnung zu bestehen hat. Da es im System der einfachen Buchführung keine Gewinn- und Verlustrechnung gibt, ist dieses System handelsrechtlich (und damit auch steuerrechtlich) nicht zulässig. Die einfache Buchführung hat damit keine praktische Bedeutung. Vielmehr hat sich von den beiden kaufmännischen Buchführungssystemen das System der doppelten Buchführung durchgesetzt.

Etwaige Rechtsfolgen bei Verstößen gegen die Buchführungspflichten hängen von der Art und Schwere der jeweiligen Fehler ab (vgl. Leffson/Baetge, 1970, Sp. 318; Adler et al., 1998, § 238 HGB, Tz. 58ff.; Küting et al., 2002, § 238 HGB, Tz. 17f.; Schildbach, 2009, S. 79; Meyer, 2012, S. 41). Werden Fehler oder sonstige Ungenauigkeiten erkannt, sind diese nach den Vorschriften des Handelsrechts grundsätzlich auf der Grundlage von Belegen oder anderen Dokumenten zu korrigieren. Im Falle bereits rechtswirksam aufgestellter Jahresabschlüsse ist eine Korrektur zugunsten oder zu Lasten der Periode vorzunehmen, in der der Fehler entstanden ist. Darüber hinaus kann ein nicht den gesetzlichen Vorschriften entsprechender Jahresabschluss nach § 256 AktG nichtig 11sein. In diesem Zusammenhang gemachte falsche Angaben bzw. Darstellungen können für die Geschäftsleitung (Vorstand) und das Überwachungsorgan (Aufsichtsrat) einer Kapitalgesellschaft Straffolgen zur Konsequenz haben.

Die §§ 331ff. HGB sehen folgende Geldbußen oder Ordnungsgelder im Zusammenhang mit Verstößen gegen die Buchführung bzw. den Jahresabschluss für Kapitalgesellschaften und Kapitalgesellschaften & Co. (§ 264a i. V. m. § 335b HGB) vor:

  1. Die Verhängung von Geldbußen bis zur Höhe von 50.000 € ist möglich, wenn den bei der Aufstellung oder Feststellung des Jahresabschlusses in § 334 (1) HGB näher bezeichneten Vorschriften zuwidergehandelt wird (vgl. Hoffmann/Lüdenbach, 2012, § 334 HGB, Tz. 4ff.).
  2. Das Bundesamt für Justiz kann ein Ordnungsgeld zwischen 2.500 € und 25.000 € gegen Mitglieder des vertretungsberechtigten Organs einer Kapitalgesellschaft oder die Gesellschaft selbst auferlegen, wenn insbesondere die Pflichten zur Aufstellung oder zur Offenlegung des Jahresabschlusses und des Lageberichts nicht erfüllen werden (§ 335 HGB) (vgl. Hoffmann/Lüdenbach, 2012, § 335 HGB, Tz. 1ff.).

Auch das Steuerrecht enthält im Zusammenhang mit der Verletzung von Buchführungsvorschriften eine Verpflichtung zur Fehlerkorrektur. Bei Steuerordnungswidrigkeiten werden nach §§ 377ff. AO Bußgelder verhängt. Ferner ergeben sich strafrechtliche Konsequenzen aus Steuerstraftaten (§ 369ff. AO).

Grundsätzlich genießen Handelsbücher Urkundenschutz, da sie erhebliche Privaturkunden im Sinne des § 267 des Strafgesetzbuches (StGB) sind. Kommt der Kaufmann seiner Buchführungspflicht nicht nach, drohen ihm allein aus dieser Tatsache i. d. R. jedoch keine strafrechtlichen Konsequenzen. Strafen nach dem StGB drohen erst,

  1. wenn durch die Vernachlässigung der Buchführungspflichten Dritte durch Unterschlagung, Betrug, Untreue oder Urkundenfälschung geschädigt werden (§§ 246, 263, 266 und 267 StGB);
  2. wenn es zur Überschuldung oder zu drohender oder eingetretener Zahlungsunfähigkeit kommt und die Handelsbücher nicht oder unzureichend geführt wurden (§§ 283, 283a und 283b StGB);
  3. wenn bei Kapitalgesellschaften, bei Kapitalgesellschaften & Co., bei Genossenschaften oder bei Unternehmen, die nach dem so genannten Publizitätsgesetz (vgl. Gliederungspunkt 1.5) zur Rechnungslegung verpflichtet sind, aufgrund von Vorsatz oder bedingtem Vorsatz unrichtige Angaben gemacht oder die Verhältnisse des Unternehmens unrichtig wiedergegeben oder verschleiert werden (Bilanzfälschung oder -verschleierung) (§§ 331 HGB, 335b HGB, 147 GenG, 17 PublG).

1.3.2 Grundzüge handelsrechtlicher Inventurvorschriften

1.3.2.1 Grundlegende Begriffe

Voraussetzung einer jeden ordnungsmäßigen und damit aussagefähigen Buchführung ist eine vollständige Erfassung und eine sachgerechte Bewertung aller Vermögensgegenstände und Schulden des Kaufmanns am Anfang und am Ende eines Geschäftsjahres. Informationen über die tatsächlichen Bestände bilden des Weiteren die Grundlage für die Aufstellung des Jahresabschlusses, da für die Bilanz nicht die laufenden Werte der Buchführung (= Sollwerte), sondern vielmehr die Istwerte am Stichtag maßgeblich 12sind. Zuverlässige Bestandsaufnahmen gewährleisten somit die Nachprüfbarkeit der Bilanzansätze hinsichtlich Vollständigkeit und richtiger Bewertung und bilden die notwendige Grundlage für die Eröffnung und den Abschluss der Buchführung (vgl. hierzu und im Folgenden: Küting et al., 2002, § 240 HGB, Tz. 7ff.; Coenenberg et al., 2009, S. 59f.; Falterbaum et al., 2010, S. 73; Hüttche, 2010, S. 255f. Scherrer, 2011, S. 153ff.).

Mit Ausnahme der nach § 241a HGB von der handelsrechtlichen Buchführungspflicht befreiten Einzelkaufleute hat daher nach § 240 HGB „jeder Kaufmann … zu Beginn seines Handelsgewerbes seine Grundstücke, seine Forderungen und Schulden, den Betrag seines baren Geldes sowie seine sonstigen Vermögensgegenstände genau zu verzeichnen und dabei den Wert der einzelnen Vermögensgegenstände und Schulden anzugeben.“ Neben der Verpflichtung, zum Gründungszeitpunkt ein so genanntes Eröffnungsinventar aufzustellen, ergibt sich für den Kaufmann nach § 240 (2) HGB in der Folge des Weiteren die Pflicht, „demnächst für den Schluss eines jeden Geschäftsjahres ein solches Inventar aufzustellen“, d. h. das Gesetz fordert ein so genanntes Schlussinventar zum Abschluss eines jeden Geschäftsjahres (vgl. Hoffmann/Lüdenbach, 2012, § 240 HGB, Tz. 22ff.).

Die Tätigkeit der körperlichen Bestandsaufnahme aller Vermögensgegenstände und Schulden nach Art, Menge und Wert zu einem bestimmten Stichtag bezeichnet man als Inventur (vgl. Hoffmann/Lüdenbach, 2012, § 240 HGB, Tz. 2ff.). Dabei müssen qualitativ unterschiedliche Bestände zunächst erfasst und im Anschluss daran bewertet (d. h. in Geldeinheiten ausgedrückt) werden, um sie addieren und zu einem Gesamtbestand zusammenfassen zu können. Der Vorgang der Bewertung ist insbesondere dann problematisch, wenn keine zuverlässigen Bewertungsmaßstäbe existieren. In einem solchen Fall muss der Kaufmann auf der Grundlage von Schätzungen zu Näherungslösungen bestimmen. Nach dem Grundsatz der Vorsicht hat der Kaufmann diese Schätzungen vorsichtig vorzunehmen, um die Lage des Unternehmens nicht günstiger darzustellen als sie tatsächlich ist (vgl. Ludolph et al., 1998, S. 13).

In Abhängigkeit von der Art der Bestände lassen sich zwei Formen bzw. Arten der Inventur unterscheiden:

  1. Körperliche Inventur:
    Im Rahmen der körperlichen Inventur werden (vgl. Adler et al., 1998, § 240 HGB, Tz. 82ff.; Küting et al., 2002, § 240 HGB, Tz. 27ff.) die Bestände aller vorhandenen körperlichen Gegenstände (z. B. Edelmetalle) durch Messen, Zählen oder Wiegen zunächst ermittelt und anschließend einer Bewertung unterzogen.
  2. Buchinventur:
    Im Rahmen der buchmäßigen Inventur (vgl. Adler et al., 1998, § 240 HGB, Tz. 31ff.; Küting et al., 2002, § 240 HGB, Tz. 89ff.) werden alle nicht-körperlichen Gegenstände (z. B. Forderungen und Schulden) anhand von Urkunden, Belegen und den in der EDV gespeicherten Daten erfasst.

Bei der Inventur muss der Kaufmann nach dem Grundsatz der Vollständigkeit (vgl. Gliederungspunkt 1.3.2.2) alle zum Unternehmen gehörenden Gegenstände erfassen, auch wenn diese sehr alt sind und sie nur noch einen geringen Wert aufweisen. Damit unterliegen auch Gegenstände der Inventurpflicht, denen kein im Jahresabschluss auszuweisender Wert mehr beizumessen ist, da sie bereits vollständig (bzw. auf den 13symbolischen Erinnerungswert) abgeschrieben sind (z. B. ältere Firmenfahrzeuge). Konkretisiert wird das Gebot der Vollständigkeit durch das Prinzip der wirtschaftlichen Betrachtungsweise, nach dem – abweichend vom rechtlichen Eigentum – auch sämtliche dem Kaufmann wirtschaftlich zuzurechnenden Vermögensgegenstände und Schulden im Rahmen der Bestandsaufnahme zu erfassen sind. Das gilt z. B. für bestimmte geleaste Gegenstände, die zivilrechtlich dem Leasinggeber gehören, der aber nicht die wirtschaftliche Verfügungsgewalt („Tatsächliche Herrschaft“) über diese Gegenstände ausübt.

Im Sinne einer handelsrechtlich zulässigen Vereinfachungsregel aus dem Steuerrecht bestehen Ausnahmen von der Inventurpflicht lediglich im Hinblick auf so genannte „Geringwertige Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens“, deren Anschaffungs- oder Herstellungskosten nach § 6 (2) 1 EStG einen Betrag von 410 € nicht übersteigen dürfen. Diese Güter brauchen bei der Inventur nicht aufgenommen zu werden (R. 5.4 (1) Einkommensteuer-Richtlinien (EStR)). Sie sind jedoch bereits ab einem Wert von größer 150 € in einem besonderen Verzeichnis zu erfassen, sofern Angaben über den Tag der Anschaffung, Herstellung oder Einlage und die Anschaffungs- oder Herstellungskosten nicht aus der Buchführung ersichtlich sind. Alternativ besteht nach § 6 (2) 4 EStG das Wahlrecht, Gegenstände bis zu einem Wert von 1.000 € einem Sammelposten zuzuordnen. Ferner ist in Abweichung vom Grundsatz der Einzelbewertung (vgl. hierzu Gliederungspunkt 3.2.1.2) für bestimmte gleichartige Gegenstände die Anwendung von Sammelbewertungsverfahren (vgl. hierzu Gliederungspunkt 3.2.1.2) zulässig.

Inventar