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Verena Begemann/Friedrich Heckmann/ Dieter Weber (Hrsg.)

Soziale Arbeit als angewandte Ethik

Positionen und Perspektiven für die Praxis

Verlag W. Kohlhammer

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1. Auflage 2016

Alle Rechte vorbehalten

© W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart

Gesamtherstellung: W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart

Print:

ISBN 978-3-17-030762-9

E-Book-Formate:

pdf: ISBN 978-3-17-030763-6

epub: ISBN 978-3-17-030764-3

mobi: ISBN 978-3-17-030765-0

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Inhalt

 

 

  1. Einleitung
  2. 1 Ethik, was ist das eigentlich?
  3. Friedrich Heckmann
  4. 1.1 Orientierungsnotwendigkeit Sozialer Arbeit
  5. 1.2 Was ist Ethik eigentlich? Oder: Wissen Sie, was Ethik ist?
  6. 1.3 Ethik ist Theorie vom menschlichen Handeln
  7. 1.4 Keine eindeutige Bestimmung des Begriffs »gut«
  8. 1.5 Eine weitere Antwort auf die Frage nach dem, was Ethik ist – oder: kleiner Ausblick auf die Ethik als philosophische Disziplin
  9. 1.6 Exkurs – zu den wichtigsten Begriffen der Ethik
  10. 1.7 Ethik ist vernünftig: Ethische Urteilsbildung realisiert sich durch vernünftige Überlegungen
  11. 1.8 Ist unser Intellekt, unsere Vernunft allein wichtig, um uns ethisch zu orientieren und zu entscheiden?
  12. 1.9 Aus Moral wird Ethos! Und Ethos bildet ein Mensch vernünftigerweise ein Leben lang aus
  13. 1.10 Soziale Arbeit braucht Ethik!
  14. Literatur
  15. 2 Verstehen der Lebensweise – zur Ethik als Haltung in sozialen Professionen
  16. Eric Mührel
  17. 2.1 Haltung
  18. 2.2 Verstehen der Lebensweise
  19. 2.3 Achtung des Anderen
  20. 2.4 Fazit
  21. Literatur
  22. 3 Ethische Prinzipien in der Sozialen Arbeit – die Berliner Erklärung des DBSH e.€V.
  23. Winfried Leisgang
  24. 3.1 Ausgangslage
  25. 3.2 Warum es eine Berufsethik braucht
  26. 3.3 Die Menschenrechte als ethischer Orientierungsrahmen
  27. 3.4 Berufsethisches Handeln – Rahmenbedingungen und konkrete Schritte
  28. 3.5 Zusammenfassung
  29. Literatur
  30. 4 Gelingendes Leben unter Berücksichtigung sozialräumlichen Handelns
  31. Michael Leupold
  32. 4.1 Einleitung
  33. 4.2 Gelingendes Leben – eine ethische Grundlage in der Sozialen Arbeit
  34. 4.3 Wohlbefinden – ein grundlegender Teilaspekt eines gelingenden Lebens sowie dessen Bedeutung für sozialprofessionelles Handeln
  35. 4.4 Sozialräumliches Handeln in der Klinischen Sozialarbeit im Sinne einer Befähigung zur Verbesserung von Wohlbefinden
  36. 4.5 Resümee
  37. Literatur
  38. 5 Ein Sinn für Ungerechtigkeit hält die soziale Gerechtigkeit lebendig
  39. Verena Begemann
  40. 5.1 Einleitung
  41. 5.2 Ungerechtigkeit zeigt sich in Selbstausbeutung und Ausbeutung von anderen
  42. 5.3 Einen Habitus der Gerechtigkeit entwickeln
  43. 5.4 Soziale Gerechtigkeit zeigt sich in Wahrnehmung von Bedürfnissen und Teilhabe an gesellschaftlichen Grundgütern
  44. 5.5 Zum glücklichen Leben gehört der Zugang zu Fähigkeiten
  45. 5.6 Die Bedeutung des professionellen Blicks in der Ausbildung eines Habitus
  46. 5.7 Fazit
  47. Literatur
  48. 6 Quality of Life – reloaded
  49. Norbert Rückert
  50. 6.1 Das Konzept Lebensqualität
  51. 6.2 Lebensqualität aus sozialwissenschaftlicher Sicht
  52. 6.3 Lebensqualität aus psychologischer Sicht
  53. 6.4 Lebensqualität aus philosophischer Sicht
  54. Literatur
  55. 7 Zur Freiheit bestimmt: Selbst- oder Fremdbestimmung? Eine Gratwanderung
  56. Dieter Weber
  57. 7.1 Zum Begriff der Willensfreiheit
  58. 7.2 Anerkennung als Grund der Selbstbestimmung
  59. 7.3 Die prekäre Freiheit oder der Zwang, sich selbst zu bestimmen in der Spätmoderne
  60. 7.4 Die Suche nach Orten der Anerkennung: Social Network Sites (SNS) und Smartphone
  61. 7.5 Der verborgene Zwang, man selbst sein zu müssen
  62. 7.6 Fazit: Freiheit des Willens – ein Dialog
  63. Literatur
  64. 8 Allen bin ich alles geworden – Selbstoptimierung, Selbstsorge und Selbstverständnis des Apostels Paulus
  65. Karin Lehmeier
  66. 8.1 Nacherzählung
  67. 8.2 Gelingendes Leben und die Frage nach dem Selbst
  68. 8.3 Paulus – Fragen von heute, Texte von gestern
  69. 8.4 »Allen bin ich alles geworden« – der Text im literarischen Kontext
  70. 8.5 Selbstsorge und Selbstbehauptung – der geistesgeschichtliche Horizont
  71. 8.6 Conclusio – gelingendes Leben in Ambivalenzen
  72. 8.7 Glaube und gelingender Beruf
  73. 8.8 Epilog
  74. Literatur
  75. 9 Achtung als Grundhaltung im pädagogischen Alltag verankern
  76. Ulrike Mattke
  77. 9.1 Diskriminierung und Missachtung
  78. 9.2 Achtung in der Theorie
  79. 9.3 Achtung in der Praxis
  80. 9.4 Fazit
  81. Literatur
  82. 10 Die Menschen, für die wir sorgen
  83. Manfred Hillmann
  84. 10.1 Einführung
  85. 10.2 Fürsorge und Gleichwertigkeit
  86. 10.3 Handlungs- und verstehensorientierte Fürsorge
  87. 10.4 Die Grundlage ist das Menschenbild
  88. 10.5 Sieben anthropologische Fundstücke
  89. 10.6 Üben
  90. 10.7 Schlusswort
  91. Literatur
  92. 11 Utopien als Leitbilder Sozialen Handelns
  93. Michael Brömse
  94. 11.1 Utopien sind nicht Teil der erfahrbaren Wirklichkeit. Sie haben keinen realen Ort
  95. 11.2 Utopien haben durchaus die erfahrbare Wirklichkeit zum Hintergrund. Ihre jeweilige Eigenart erklärt sich aus diesem Hintergrund
  96. 11.3 Die gedankliche Wahrnehmung von Utopien durch die hier lebenden Menschen ist – entsprechend ihrem jenseitigen Charakter – ein vermittelter, oft auch gebrochener Vorgang
  97. 11.4 Utopien als soziale Navigationsmittel sind wie der gestirnte Himmel: Sie dienen der Orientierung, sind aber unerreichbar
  98. 11.5 Utopien sind notwendig. Ihre Bedeutung wächst in dem Maße, in dem die realen gesellschaftlichen Verhältnisse sich zuspitzen und die Möglichkeit einer politischen Veränderung an den bestehenden Machtverhältnissen scheitert
  99. Literatur
  100. Die Autoren

 

Einleitung

 

 

 

Unser Buch ist aus der akademischen Lehre heraus entstanden und richtet sich in besonderer Weise an Studenten, Studentinnen und Lehrende der Sozialen Arbeit, die damit als Disziplin und Profession den Schwerpunkt auf die Bearbeitung sozialer Probleme und ethischer Spannungsfelder legt. Zugleich werden Ethik, Anthropologie und Berufsethik im Äquivalenzbereich des Curriculums auch von Religionspädagogen und Heilpädagoginnen belegt. Die Fakultät für Diakonie, Gesundheit und Soziales der Hochschule Hannover, bis 2007 in Trägerschaft der Ev.-luth. Landeskirche Hannover (EFH), besitzt aufgrund ihrer Tradition besondere Ethikkompetenz, die in der Hochschule fakultätsübergreifend, in der Landeshauptstadt, von der Ev. Landeskirche Hannover und der Region angefragt wird.

Darüber bietet das Buch ethische Orientierung für alle, die in verwandten Disziplinen studieren, in helfenden Berufen praktisch arbeiten oder sich einen Einblick darüber verschaffen wollen, was Ethik für ihr Fach und ihren Beruf bedeutet. Welche Hilfestellung können ethische Fragestellungen geben, aber auch welche ethischen Forderungen an die eigene Disziplin haben es verdient, dass ihnen nachgedacht werden sollte?

Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter sind in einer Vielzahl heterogener Arbeitsfelder tätig, wie z. B. Kinder- und Jugendhilfe, Behindertenhilfe, Sozialpsychiatrie, Drogen- und Suchtkrankenhilfe, Wohnungslosenhilfe, Bewährungshilfe, Altenhilfe oder in der Bewältigung von Migration und Armut. Die vom Deutschen Berufsverband Soziale Arbeit (DBSH) ausgewiesenen berufsspezifischen Funktionen (Beratung, Bildung und Erziehung, Schutz und Kontrolle, Öffentlichkeitsarbeit, Betreuung/Langzeitbegleitung, gutachterliche Stellungnahmen etc.) verdeutlichen die vielfältigen Spezifika. Gerade zur Bewältigung in unübersichtlichen und komplexen Problemlagen fundiert ethische Kompetenz, neben fachlich-methodischen Qualifikationen, professionelles Handeln. Methoden, die ohne personale Haltung, ethische Theorien und Begründungszusammenhänge angewandt werden, degenerieren zu Techniken, die weder Klienten und Adressatinnen noch den Akteuren Sozialer Arbeit gerecht werden. Ethik in der Sozialen Arbeit ist ohne Bezug auf konkrete soziale Problemlagen leer, Soziale Arbeit ohne Ethik aber ist blind.

Die vorliegenden Beiträge sollen zeigen, wie soziale Probleme als ethische Fragen wahrzunehmen und zu analysieren sowie Ansätze zur ethischen Entscheidungsfindung zu entwickeln sind. In der Sozialen Arbeit und in verwandten Disziplinen stellen wir die Fragen nach dem guten Leben und haben dabei unterschiedliche Mandate im Blick, die durch Zielgruppen, Institutionen, Gesellschaft und Professionsverständnis Spannungsfelder und Dilemmata erzeugen. Ethische Reflexionen in der Sozialarbeit, Religionspädagogik und Heilpädagogik weiten somit den Blick für die Interdependenz von konkreten Hilfemaßnahmen, Lebensqualität und Wahrung der Menschenrechte und der Menschenwürde. An der Schnittstelle zwischen Sozial- und Individualethik sind die Disziplinen gefordert, ihre Professionsethik zu vertreten. Als Akteure der Zivilgesellschaft mischen sie sich in das Alltagsleben von Menschen ein, die als Autoren ihrer Lebensgeschichte an die Grenzen ihrer Selbstbestimmung bzw. ihrer inneren und äußeren Freiheiten kommen.

Soziale Arbeit bietet als Disziplin und Profession Hilfe und Unterstützung zur Teilhabe an Verwirklichungschancen für eine gelingende Lebensführung. Ethikkompetenz in der Sozialen Arbeit bedeutet gemeinsam mit dem und der Anderen, dem Klienten, der Adressatin Sinn und das Ziel ihres/seines Weges zu erarbeiten. Es geht darum, nach dem Gelingen des Lebens aus der Perspektive der betroffenen Person zu fragen, die häufig an einer Vielzahl von Krisen, Verlusten und Scheitern leidet. Umso wichtiger ist es, an der eigenen Ethikkompetenz zu arbeiten. Dazu gehört die Aneignung ethischen Wissens, die Einübung von Haltungen, die Sondierung ethischer Problemlagen und sich vertraut zu machen mit anspruchsvollen ethischen Entscheidungsfindungen.

Im Wintersemester 2014/15 haben Lehrende im Bereich »Ethik und Anthropologie« eine Ringvorlesung durchgeführt, die Studierenden sowohl Verständnis als auch Reflexion der Ethik als Tiefendimension der Sozialarbeitswissenschaft vermitteln soll und eine kritische Reflexion von Menschenbildern und Menschenrechtsbegriffen eröffnet.

Mit unserer Ringvorlesung verfolgen wir eine gesellschaftsanalytische Skizzierung, die dringliche Probleme unserer Zeit und ihre Auswirkungen auf professionelles soziales Handeln aufgreift. So wirken z. B. die Phänomene der Individualisierung, Flexibilisierung, Beschleunigung und Ökonomisierung tief in Persönlichkeitsstrukturen ein, verändern unser Zusammenleben und betreffen damit auch dialogische Beziehungen, institutionelle Kontexte und gesetzliche Rahmenbedingungen der Sozialen Arbeit. Ausgehend von aktuellen Problembearbeitungen wollen wir Verhaltensalternativen erörtern und entwickeln, die nach inneren Qualitäten des richtigen Handelns fragen und damit den Habitus von Professionellen ansprechen. Im Habitus einer Person wird die Gesamtheit der erworbenen Haltungen spürbar, sichtbar und erfahrbar. Die Ausbildung eines professionellen Habitus, eben eines sozialarbeiterischen Ethos setzt eine reflektierte Haltung zu sich selbst voraus. Die Ringvorlesung fand im ersten Studienabschnitt statt und hat die Studierenden aus dem zweiten und dritten Semester in ethische Dimensionen Sozialer Arbeit eingeführt. Wir danken allen Mitwirkenden für Ihre Vorträge und schriftlichen Beiträge, mit denen wir Impulsgeber und Impulsgeberinnen im Rahmen der berufspolitischen und gesellschaftsanalytischen Diskussion sein wollen, analog dem Titel des dritten Bundeskongresses des Berufsverbandes DBSH: »Wir stehen für Ethik in der Sozialen Arbeit.«

Friedrich Heckmann leistet im ersten Kapitel grundlegende Klärungen zur ethischen Nomenklatur und zeigt die Orientierungsleistung, die Ethik für die individuelle Lebensgestaltung, das Berufsethos und die akademische Disziplin erbringt. Es geht darum zu erkennen, dass individuelles Handeln in sozialen Bezügen erfolgt. Heckmann zeigt, dass Professionellen im Alltag permanent die ethische Frage begegnet: »Was soll ich tun?«. Professionelles Handeln ist auf eine fundierte ethische Entscheidungsfindung angewiesen. Das Modell zur ethischen Urteilsbildung nach Heinz Eduard Tödt, das auf Vernünftigkeit von Argumenten setzt, wird dargestellt und als wichtige Methode erläutert, die zum Handlungsrepertoire jeder Sozial- und Religionspädagogin und jedes Heilpädagogen gehört. Die professionell begründbare Entscheidung ist zutiefst verwoben mit der Persönlichkeit des Entscheidungsträgers. Grundhaltungen prägen und bestimmen unser Handeln und sind deshalb mit Aufmerksamkeit und Sensibilität wahrzunehmen, einzuüben und lebenslang zu bilden.

Eric Mührel erläutert im zweiten Kapitel Ethik als Haltung in sozialen Professionen und konkretisiert sie durch Verstehen und Achtung. Aus einer Haltung des Verstehens für eigene und fremde Lebensweisen und Lebensumstände erfolgen Reflexionen, die für ethisches Handeln unverzichtbar sind. Mit Bezug zum spanischen Philosophen Ortega y Gasset erörtert Mührel ethische Dimensionen von Lebensweisen, die sich in Selbstverständnis, Selbstgestaltung und Lebensführung zeigen und häufig mit der Frage »Wer bin ich?« verbunden werden. Das gelingende Leben betrifft immer beide Seiten: Klienten und professionell Handelnde sind durch die Kunst des Gesprächs miteinander verbunden. Selbstverstehen und Selbstvergewisserung brauchen das Gespräch und somit die Begegnung und das Antlitz des Anderen. Diesem dialogischen Verstehen geht die bedingungslose Achtung des Anderen voraus. In der Verbindung von Verstehen und Achtung liegt ein besonderes Potenzial für Klienten und Adressatinnen, um sich verborgenes Lebensführungswissen zur eigenen Problemdeutung und -lösung mit Hilfe von Professionellen wieder neu anzueignen.

Winfried Leisgang schreibt im dritten Kapitel den Fachkräften der Sozialen Arbeit eine herausgehobene Verantwortung gegenüber Adressaten und einer ausdifferenzierten Gesellschaft zu. Anhand der berufsethischen Prinzipien des DBSH und der aktuellen »Berliner Erklärung« von 2014 verdeutlicht Leisgang, dass gute Soziale Arbeit auf eine Orientierung an einem humanistischen Menschenbild, einen ethischen Kodex und eine Idee eines gelingenden Lebens angewiesen ist. Besonderes Augenmerk legt Leisgang auf die Verbindung von ethischen und rechtlichen Normen und zeigt die Errungenschaften von Grundgesetz, Europäischer Grundrechte-Charta, Europäischer Menschenrechtskonvention, Sozialcharta der EU und Menschenrechtserklärung von 1948. Ohne Wahrung von Menschenrechten, die zur Konkretisierung menschlicher Würde beitragen und den Anspruch haben, humanitäre Grundbedürfnisse zu erfüllen, sind berufsethische Prinzipien durch professionelles Handeln nicht einzulösen. Dafür braucht es eine Mehrheit an Professionellen, die sich auf ethische Reflexion einlassen und ethische Kompetenz erwerben.

Michael Leupold weist im vierten Kapitel die geforderte Ethikkompetenz in Praxisbezügen nach, wenn er die normative Leitidee des gelingenden Lebens durch Wohlbefinden (well-being) konkretisiert. In der sozialräumlichen Sozialarbeit, die sich das gute Leben zum Ziel gesetzt hat, gilt es Potenziale und Ressourcen von Wohlbefinden zu kultivieren, zu realisieren und zu erweitern. Beim sozialprofessionellen Handeln in der Klinischen Sozialarbeit geht es im Idealfall stets um möglichst effektive Realisierung von professionsethischen Werten und Normen, somit auch um das Wohlergehen von Adressaten und Klientinnen. Leupold eröffnet Dimensionen der Sozialraumorientierung für »Gesundheit und Sport«, »Geselligkeit« und »Kunst und Kultur« und zeigt anhand von Praxisbeispielen, wie der berufsethische Anspruch nach Lebenskunst und Befähigungsgerechtigkeit – mit Hilfe eines gelungenen Freiwilligenmanagements – erfüllt und eingelöst werden kann.

Verena Begemann führt die Frage nach Gerechtigkeit im fünften Kapitel weiter, indem sie aus dem empfundenen Sinn für Ungerechtigkeit einen Wegweiser für gerechtes Handeln entwickelt. Der Sinn für Ungerechtigkeit lässt Menschen nicht zur Ruhe kommen, sondern nach besseren Lebensbedingungen, Ausgleich und Teilhabe streben. Zum Berufsethos gehört ein Habitus der Gerechtigkeit, der zum Engagement für Befähigungs- und Verteilungsgerechtigkeit motiviert. Es muss politisches Ziel Sozialer Arbeit sein, Menschen einen Zugang zu ihren umfangreichen Entwicklungspotenzialen zu ermöglichen, damit sie ein nachhaltiges und sinnvolles Leben führen können. Für die Sozialarbeitspionierin Ilse von Arlt war die Lebensfreude ein wichtiges Ziel professionellen Handelns, die sich einstellen kann, wenn Bedürfnisse von Menschen gestillt und Fähigkeiten realisiert werden können und Lebensqualität ganz konkret erfahrbar wird.

Norbert Rückert widmet sich im sechsten Kapitel dem Konzept der Lebensqualität aus sozialwissenschaftlicher Perspektive, wenn er das OECD-Konzept mit objektiven und subjektiven Indikatoren definiert und erläutert. Aus psychologischer Sicht zeigt er, dass Motivation, Selbstwertgefühl, Selbstwirksamkeit sowie Persönlichkeitsentwicklung im Sinne der eigenverantwortlichen Selbst- und Lebensgestaltung wesentlich für die Erfahrung von Lebensqualität sind. Aus philosophischer Perspektive ist Lebensqualität eng mit Wohlergehen verbunden. Rückert erläutert fünf bedeutsame Lebensziele als Inbegriff von Lebensqualität: 1. Bestreben von Lust und Vermeiden von Unlust, 2. Wohlstand, 3. Macht, 4. Ansehen der Person und 5. Selbstachtung, wobei Letztere nicht nur eine subjektive Aufgabe, sondern Aufgabe einer anständigen Gesellschaft ist. Erst wenn eine Gesellschaft Bedingungen schafft, in denen Menschen die Chance bekommen, sich selbst zu achten, wird Selbstachtung zum Merkmal von Lebensqualität.

Dieter Weber unternimmt im siebten Kapitel eine Gratwanderung zur Freiheit und weist nach, dass sich Willensfreiheit nur im dialektischen Prozess von Selbstbestimmung, Bestimmtsein und Anerkennung durch andere entwickeln kann. In der individualisierten und flexibilisierten Multioptionsgesellschaft sind Freiheit und Pflicht zur Entscheidung gleichermaßen vorhanden. Zugleich ist das Schwinden von Anerkennungsordnungen zu verzeichnen, die soziale Verbundenheit und Solidarität stiften. Das Individuum ist zutiefst auf Anerkennung angewiesen ist, um ein stabiles Selbst zu entwickeln, welches sowohl zunehmender Ökonomisierung Widerstand leisten kann als auch um das Bedürfnis nach Anerkennung weiß und somit nicht permanent der Gefahr der Selbstausbeutung unterliegt, wie sie sich z. B. in maßloser Arbeitsbelastung zeigt. Auf der Gratwanderung zur Freiheit werden fünf Etappen genommen: 1. Willensfreiheit, 2. Anerkennung als Grund der Selbstbestimmung, 3. Prekäre Freiheit oder der Zwang, sich selbst zu bestimmen, 4. Suche nach Orten der Anerkennung, 5. Der verborgene Zwang, man selbst sein zu müssen. Die vorgelegte sozialethische Analyse ist ein Aufruf an das politische Mandat der Sozialen Arbeit. Professionelle haben gesellschaftliche Lebensbedingungen anzumahnen, die Menschen in Entfremdung, Zwänge, Unfreiheit und Selbstausbeutung führen.

Karin Lehmeier wählt im achten Kapitel einen bibelexegetischen Zugang, um ethische Aspekte zu Selbstoptimierung und Selbstausbeutung sowie Selbstsorge und Selbstbehauptung im Rekurs auf den ersten Korintherbrief zu erläutern. Sie wählt dazu das Pauluswort »Allen bin ich alles geworden«, das die im Berufungsgedanken liegenden Ambivalenzen bereits erahnen lässt. Kann der Diakon und Missionar Paulus in seinem Selbstverständnis und Selbstbezug Vorbild oder abschreckendes Beispiel für soziale Professionen sein? Selbstbezug und Gottesbezug sind im biblischen Verständnis eines gelingenden Lebens aufeinander bezogen wie Freiheit und Selbstsorge in Foucaults Terminologie zur antiken philosophischen Lebenskunst, deren Texte in zeitlicher Nähe zu Paulus stehen. Inhalt der Selbstsorge sei die Selbsterkenntnis und die Selbstbemeisterung. Selbstsorge braucht Zeit, Muße, Freundschaften. Gerade im Rahmen kirchlicher und diakonischer Kontexte besteht oft ein hohes Maß an innerer Motivation und Identifikation. Der Blick auf Paulus hilft, die Ambivalenzen einer solchen Motivation auszuloten.

Ulrike Mattke verankert im neunten Kapitel Achtung als zentrale ethische und rechtliche Norm im Berufsalltag sozialer Professionen, um einen würdevollen Umgang und ein professionelles Selbstverständnis zu entwickeln. Als exemplarisches Arbeitsfeld wählt sie dafür das Arbeitsfeld der Behindertenhilfe. Eine repräsentative Studie von 2012 zeigt, dass Gewalterfahrungen von Frauen mit Behinderung zwei- bis dreimal häufiger als im Bevölkerungsdurchschnitt vorkommen. Achtung und Respekt wirken Diskriminierung und Gewalt entgegen. Hierbei handelt es sich nicht um einen freiwilligen Akt des Wohlwollens, sondern um ein Recht, das durch Grundgesetz und Menschenrechte geschützt ist. Interessen, Bedürfnisse und Wünsche sind zu achten und ihnen ist mit Verschwiegenheit und Takt zu begegnen. Die professionelle Haltung der Achtung ist die basale Voraussetzung für die existenzielle Erfahrung der Selbstachtung. Professionelle, die anderen Menschen mit Achtung begegnen, erweisen sich Selbstachtung. Auch für schwierige institutionelle Situationen der Behindertenhilfe erinnert Mattke mit Bezug zu Viktor E. Frankl an die geistige Freiheit eines jeden Menschen. Sie fordert diese letzte menschliche Freiheit auch angesichts von Zeitnot und Überlastung ein und zeigt Schritte für die Umsetzung im Alltag.

Manfred Hillmann setzt sich im zehnten Kapitel für die sinnvolle Verbindung von Fürsorge und Selbstsorge ein. Der/die professionell Handelnde ist auf die Haltung der guten Fürsorge angewiesen, um dem eigenen sozialen Wesen gerecht zu werden. Erst durch Fürsorge, die einen gut geschulten und weiten Blick für die Selbstbestimmung und Selbstverantwortung des Anderen hat, kann auch eine kluge und nachhaltige Selbstsorge entwickelt werden. Hillmann unterscheidet – mit Bezug zu Peter Bieri – zwischen einer handlungsorientierten und einer verstehensorientierten Fürsorge. So wichtig das Handeln in sozialprofessionellen Kontexten ist, muss auch Lassen und Nicht-Handeln Verständnis und Berücksichtigung finden. Als Orientierung dienen dafür Menschenbilder, wie sie beispielsweise von Frankl, Buber oder Montessori konkret formuliert werden. Es ist eine schöne und wichtige Übung im professionellen Alltag, eigene Bilder vom Menschen wahrzunehmen, einzuüben und sie von Zeit zu Zeit zu überprüfen, inwiefern die bewusste und fühlbare Auseinandersetzung mit inneren Bildern äußeres Handeln prägt und dieser zugute kommt.

Michael Brömse unterzieht im Schlusskapitel gesellschaftliche Utopien einer kritischen Analyse. Hierzu stellt er Thesen im Blick auf Wesensmerkmale von Utopien auf. Anhand von Beispielen, die von der Antike bis zur Gegenwart reichen, belegt er seine Thesen. Er weist dabei nach: Utopien sind notwendig, wenn trotz gesellschaftlicher Krisen politische Veränderungen scheitern. Leugnet man dabei allerdings den jenseitigen Charakter von Utopien und will sie in ungebrochener, unvermittelter Weise in die Wirklichkeit umsetzen, kehrt sich ihr humanistischer Impuls in ihr Gegenteil um. Dies gilt es für die Soziale Arbeit zu beachten, wenn sie selbst Utopien als »Leitbilder des Sozialen Handelns«, etwa als »Wege zur Gerechtigkeit, Wege zum Frieden, Wege zu einer Gesellschaftsform, in der die Würde des Menschen und die Menschenrechte maßgebliche Maxime sind«, heranzieht. Als Leitgestirn hat er dabei besonders die Idee der Menschenwürde und die daraus abgeleiteten Menschenrechte für die Soziale Arbeit ausgemacht. »Selbstverständnis und eine ethische Begründung des Sozialen Handelns [sind] ohne den Bezug auf die Dimension des Utopischen [insbesondere die Idee der Menschenwürde] gar nicht möglich.« Wird aber die »räumliche« Differenz von Ideal und Wirklichkeit aufgehoben, verlieren Utopien ihre orientierende Kraft und drohen zur Ideologie zu verkommen.

 

Wir wünschen allen Leserinnen und Lesern eine anregende und erkenntnisreiche Lektüre.

 

Hannover, Sommer 2016

Verena Begemann, Friedrich Heckmann, Dieter Weber

 

1          Ethik, was ist das eigentlich?

Friedrich Heckmann

 

 

Dieser Beitrag ist eine kleine Einleitung zu der Frage, warum menschliche Grundhaltungen eine unverzichtbare Voraussetzung ethischen Handelns sind. Es ist erst einmal sinnvoll, sich ganz grundsätzlich mit dem zu beschäftigen, was Ethik ist, und vor allem damit, welche Fragen Ethik an den oder die Einzelne und an die Gesellschaft stellt. Erst danach können wir uns damit beschäftigen, welche ethischen Grundlagen für soziale Professionen Relevanz haben. Fragen der Ethik sind es ja, die akademischen Disziplinen wie auch daraus hervorgehenden Berufen grundlegende Orientierung geben. Nicht nur die Soziale Arbeit, die Heilpädagogik und andere soziale Professionen haben grundlegenden Bedarf an ethischer Orientierung. Wie wir unser Leben gestalten wollen, eben auch unser Berufsleben, diese Frage ergibt sich daraus, dass Leben und berufliche Tätigkeit gelingen sollen. Es ist eine Frage, die sich zum einen individuell jeder Sozialarbeiter und jede Heilpädagogin stellen sollte, aber auch zum anderen die jeweilige Profession in ihren Standesorganisationen und Berufsverbänden und nicht zuletzt die Hochschulen, in denen Sozialarbeiterinnen, Heilpädagogen u. a. ihre akademische Bildung erwerben, die es ihnen ermöglicht, sich in ihren beruflichen Tätigkeiten gut auszubilden.

Darüber hinaus besteht insgesamt ein erheblicher Orientierungsbedarf der europäischen Gesellschaft angesichts der Probleme der wissenschaftlichen und technologischen Fortschritte, des wirtschaftlichen Verwertungsinteresses derselben und der kaum noch beherrschbaren Folgen von Globalisierung, ökonomischen und ökologischen Krisen. Die Auseinandersetzungen um kulturelle, religiöse und gesellschaftliche Werte gerade in der deutschen Gesellschaft sind deutliche Indizes. Naturgemäß kann die Ethik sich nicht auf das Moralische der individuellen Daseinsorientierung beschränken, sondern zielt auf die wirtschaftlichen und politischen, sozialen und gesellschaftlichen, die institutionellen und strukturellen Fragen, die der Orientierung bedürfen. In diesem breiten sozialethischen Spektrum suchen der Sozialarbeiter und die Heilpädagogin nach Orientierung bei den spezifischen Fragen, denen sich die sozialen Professionen gegenübersehen.

1.1       Orientierungsnotwendigkeit Sozialer Arbeit

Die Studierenden der Fächer der Sozialen Arbeit, der Heilpädagogik und verwandter Disziplinen fragen sich und uns immer wieder, was denn Ethik, Sozialethik oder Sozialphilosophie mit ihrem eigentlichen Fach, der Sozialen Arbeit oder der Heilpädagogik, zu tun haben? Für sie ist dieser Beitrag, ja das ganze Buch geschrieben worden.

Ich konfrontiere die Studierenden im Grundstudium in der Regel mit folgender Antwort auf die Frage nach Ethik und Moral: Soziale Arbeit braucht einen Kompass! Soziale Arbeit fragt nach Orientierung und Richtung. Das ist erst einmal eine These, die aber gleich an Plausibilität gewinnt, wenn wir weiterfragen: Woran orientieren sich Sozialarbeiter und Sozialarbeiterinnen, wenn sie sich in ihrem Feld, in einem weiten und nahezu unüberschaubaren Feld der Sozialen Arbeit bewegen? Was gibt ihnen Wegweisung, wenn sie an eine Weggabelung gelangen? Gehen sie rechts oder links? Oder vielleicht doch geradeaus – falls die Möglichkeit dazu besteht? Wie gehen Sozialarbeiter vor, wenn sie in Entscheidungsnöte geraten? Wie entscheiden sie in Dilemma-Situationen, wonach, nach welchen Kriterien und warum?

Sozialarbeiter und andere Vertreter sozialer Professionen sollten doch wohl bezogen auf ihre Arbeit und die soziale Ordnung dieser Gesellschaft ihre Kriterien benennen können, an denen sie sich in ihrem Handeln orientieren! Dies ist also die Frage, die wir in der Ethik der Sozialen Arbeit und der Ethik für die Soziale Arbeit immer wieder thematisieren und diskutieren. Wie und woran orientieren sich Sozialarbeiter in ihrer Praxis? Welchen Vorrat an Orientierungswissen bringen Sozialarbeiter in ihren Beruf mit? Welche reflexiven Fähigkeiten haben sie eingeübt, um mit Dilemmata und Dilemma-Situationen in der Sozialen Arbeit umzugehen? Das auf die spätere Praxis bezogene Studium, das dort gelehrte Fachwissen und die in Seminaren vermittelten Methoden bleiben zumeist an der Oberfläche der Orientierungskompetenz der zukünftigen Sozialarbeiter und Sozialarbeiterinnen.

Die Frage nach der Orientierungsleistung, die im Alltag Sozialer Arbeit notwendig wird, braucht einen Ort im Studium, in der Praxis und im Leben unserer Disziplinen und unserer sozialen Professionen. Darauf zielt vor allem die Berufsethik in der Sozialen Arbeit und in der Heilpädagogik. Darauf zielen die Ethik-Codices der Berufsverbände. Aber die Frage nach dem notwendigen Orientierungswissen richtet sich natürlich nicht nur an die berufsethische Existenz. Jede(r) von uns braucht Orientierung für sein Leben, benötigt Kriterien, nach denen er oder sie ihr Leben einrichtet: Wie kann mir ein gutes Leben gelingen? Wie kann uns ein gutes Leben gelingen? Und hier muss weitergefragt werden: Was sind Kriterien für ein gelingendes Leben? Was heißt »gut«, und wie beschreiben wir das Gute?

An dieser Stelle frage ich in meinen Lehrveranstaltungen in der Regel danach, ob die Studierenden ethische Kriterien haben, ob sie schon einmal darüber nachgedacht haben, was die Kriterien ihres Handelns sind? Spätestens dann sollte klar sein, dass wir mit der Frage nach den Kriterien für gutes Handeln schon mittendrin sind in einem ethischen Diskurs und dass es nun notwendig und möglich ist, zu klären, was genau wir unter Ethik verstehen.

1.2       Was ist Ethik eigentlich? Oder: Wissen Sie, was Ethik ist?

Soviel sollte aus dem Bisherigen klar geworden sein. Es geht bei dem, was wir bisher zu Lebensgestaltung und Orientierungswissen gesagt haben, um Ethik. Doch spätestens, wenn ein Gesprächsteilnehmer von sich sagt, dass er eine Ethik habe, muss im Dialog eine genauere Bestimmung versucht werden, denn gemeinhin wird darunter das moralische Handeln eines Einzelnen verstanden – und selbstverständlich ist es ein gutes Handeln!

Die Konfrontation mit Ethik als wissenschaftlicher Disziplin hinterlässt bei Studierenden der Sozialen Arbeit u. a. erst einmal Ratlosigkeit. Die Ratlosigkeit wird noch größer, wenn Ethik als die wissenschaftliche Beschäftigung mit dem Sittlichen definiert wird. Hilfreich ist es, sich klarzumachen, dass Ethik die wissenschaftliche Frage danach ist, wie menschliches Handeln sein sollte, welche sittlichen Haltungen Menschen haben sollten, ja, wie die Welt sein sollte. Der Fokus meiner ersten Versuche einer Antwort zielt auf das Sollen.

Zur Verdeutlichung des Gesagten gebe ich ein Beispiel aus der Lehre. Ich sage den Studierenden: Wenn Sie bei mir eine Modulabschlussarbeit schreiben wollen, dann sollen Sie kein Plagiat abgeben. Und ich weiß, dass Frau Kollegin Begemann und Herr Kollege Weber meiner Meinung sind. Aber warum sollen Sie das nicht dennoch tun, plagiieren? Eine weitergehende Antwort könnte sein: Wir halten das für falsch, und mit uns sind die meisten Lehrer und Hochschullehrer einer Meinung: Plagiieren ist eine schlechte Handlung. Es gilt jetzt, die Worte »falsch« und »schlecht« zu beachten. Das Gegenteil zu diesen Worten bilden die Worte »richtig« und »gut«. Die Interpretation der Worte »gut« und »schlecht« oder »gut« und »böse« gehört zur grundlegenden Beschäftigung der Ethik. Auch andere Disziplinen benutzen das Wort »gut«, aber nicht in dem absoluten Sinn wie die Ethik. Das Wort »gut« ist auch das Schlüsselwort des ethischen Gespräches. Wenn ich frage, was ist denn eigentlich wahrhaftig gut für die Studierenden, dann frage ich nicht danach, ob Ihnen Eiskonfekt Bauchgrimmen macht oder nicht. Ich frage Sie danach, ob Sie über das für Sie oder andere allgemeingültige Gute nachgedacht haben.

Ich will mich mit meinen Gesprächspartnern auf die Suche nach einem allgemeingültigen Maßstab, d. h. nach einem Maßstab begeben, der eben für alle gültig ist. Wir beschäftigen uns hier mit einem allgemeingültigen Maßstab für ein »gutes Leben«. Dieses gute Leben wird auch vielfältig als »gelingendes Leben« bezeichnet. Es geht um ein gutes oder gelingendes Leben, es geht um gute oder schlechte Handlungen, z. B. in der Sozialen Arbeit. Ethik beschäftigt sich also mit dem menschlichen Leben, wie es als ein »gutes« Leben auszusehen hat. Ethik beschäftigt sich mit dem menschlichen Handeln, wie ein gutes Handeln auszusehen hat. Wie kann unser Leben gelingen? Was zeichnet das gelingende Leben als ein gutes aus?

Es gibt eine weitere Antwort auf die Frage nach der Definition von Ethik. Ethik handelt wissenschaftlich von der Frage: Wie will ich, wie wollen wir leben? Da ist das Wollen im Blick, aber das Sollen hat nach wie vor Gültigkeit: Wie soll ich, wie sollen wir leben? Das Wollen und das Sollen beziehen sich in der Ethik immer auf das menschliche Handeln.

•  Wie handeln wir, um das Leben gelingen zu lassen?

•  Wie handeln wir, damit das Leben gut ist?

•  Wie kann menschliches Handeln überhaupt gelingen? Welche Handlungen in der Sozialen Arbeit können als »gute Handlungen« begründet werden?

1.3       Ethik ist Theorie vom menschlichen Handeln

Ethik ist keine Handlungstheorie im Allgemeinen so wie andere Handlungstheorien, die Sie in den Sozialwissenschaften u. a. lernen können. Es geht nur um Handlungen, die als »gut« oder »böse« bzw. »schlecht« qualifiziert werden können. Es geht nur um Handlungen, die das Leben gelingen oder misslingen lassen. Es geht also allein um Handlungen, die moralisch qualifiziert sind. Wir können auch sagen, es geht um das moralische oder sittliche Handeln – um Handeln gemäß der Unterscheidung von gut und böse.

Gegenstand der Ethik ist die Moral. Das ist im 21. Jahrhundert post Christum natum so, ebenso in der Philosophie nach der Aufklärung und war 400 Jahre vor Christi Geburt in der griechischen Philosophie auch so.

Die griechische Ethik war in einem gewissen Sinn empirisch und war normativ – wie etwas sein soll – zugleich. Von Ethik reden wir seit der griechischen Antike. Zur Erinnerung: Aristoteles wurde 384 v. Chr. geboren. Und im Unterschied zu vielen anderen historischen Prozessen ist die griechische Ethik immer noch aktuell. Wir denken sicherlich anders – und wir formulieren anders. Empirisch arbeiten wir mit Hilfe der Sozialwissenschaften, indem wir das, wie Menschen ihre Moral leben, genau beschreiben.

Eine empirische, deskriptive, d. h. beschreibende Ethik wird unterschieden von der normativen Ethik, die für die Menschen und ihr Handeln ein Sollen formuliert. Dieses Sollen erhebt Anspruch auf allgemeine Verbindlichkeit. Was wir als ein gutes Handeln erkannt haben – beispielsweise in der Sozialen Arbeit, in der Heilerziehung, aber auch in der Wirtschaft und Politik – erhebt Anspruch auf allgemeine Verbindlichkeit. So sollst Du im Gegenüber zu den Klienten handeln! Das ist ein gutes Handeln. Missbrauch im Handeln ist falsch, ist böse!

Der Gebrauch des Wortes »böse« im Handeln der Menschen ist, so scheint es mir manchmal, völlig aus der Mode gekommen. Und dennoch hat das Gute natürlich auch sein Gegenteil. Das Böse ist das schlechthin Verwerfliche. Das klingt jetzt sehr steil. Aber natürlich müssen wir, wenn wir über das Gute nachdenken, auch die Möglichkeit des Bösen mitdenken. Wir Menschen machen Fehler – auch Sozialarbeiter machen Fehler. Das ist Bestandteil des menschlichen Wesens, der Mensch ist zum Bösen fähig. Aber jenseits des menschlichen Willens zum Bösen, der möglich ist, gibt es natürlich auch einfach die menschliche Schwäche oder das schwache menschliche Handeln, aus dem Schlechtes entsteht.

Doch bleiben wir bei dem Guten. Wie kommen Menschen zu dem Guten?

1.4       Keine eindeutige Bestimmung des Begriffs »gut«

Ethisches Denken fragt und sucht nach einem allgemeingültigen Maßstab für ein »gutes Leben«. Das Nachdenken über die Frage nach dem Guten, das allgemein als Gutes anerkannt wird, ist so alt wie die antike Philosophie. Und doch wird es immer nur annäherungsweise bestimmbar sein, unterschiedlich zwischen Kulturen und Religionen. Dennoch gibt es immer wieder Versuche und Bemühungen, die universalistische und allgemeingültige Bedeutung ethischer Normen zu begründen. Hans Küng hat mit seiner Stiftung Weltethos versucht, einen Verständigungsprozess und Diskurs in Gang zu bringen, bei dem sich Religionsführer und Gelehrte vieler Religionen auf einen normativen ethischen Kanon im Sinne eines Mindeststandards zu verständigen suchten. Ein Beispiel ist das weitgehend anerkannte Tötungsverbot. Aber selbst hier schließt sich wieder die Frage nach den Kriterien an. Was oder auch wo sind die Kriterien für gutes Leben? Gehört nicht unter bestimmten Umständen auch die Tötung eines Menschen zum guten Leben, wenn ich damit »Schlimmeres« verhindere?

In der christlichen theologischen Ethik mag die Frage nach den Kriterien, warum etwas »gut« ist, im Gegensatz zur philosophischen Ethik etwas klarer sein – auch wenn die Auslegungstraditionen oft sehr unterschiedlich sind: »Es ist Dir gesagt Mensch, was gut ist« steht beim Propheten Amos in der hebräischen Bibel und ähnlich an anderen Stellen der biblischen Bücher. Und so sind Christen und Christinnen auf der Suche nach Kriterien an jenes Buch verwiesen, das wir Bibel nennen. In der christlichen Ethik ist der lebendige Gott selber das höchste Gut. Von ihm kommt alles Leben, gibt Sinn, und auf ihn läuft alles zu.

Das neuzeitliche Nachdenken über das Gute nimmt Abstand von der Begründung des Guten im Gehorsam gegenüber dem göttlichen Willen. Auch die Bibel als Orientierungshilfe wird zumindest in der westlichen Welt nicht mehr allgemein anerkannt. Mit der Aufklärung verändert sich der Ausgangspunkt. Anstelle der Personifizierung des höchsten Gutes mit Gott oder dem göttlichen Willen spricht der Mensch der Aufklärung sich und der menschlichen Vernunft die Fähigkeit zu, zu erkennen, was gut ist. Die Menschen, wenigstens die der europäisch-westlichen Hemisphäre, wollen ihr Schicksal selbst in die Hand nehmen – sie wollen selbst bestimmen, was gut ist und was böse, was richtig und was falsch, und sie glauben, dass sie es auch schaffen.

Einer von ihnen war Immanuel Kant, der Philosoph aus Königsberg (1724–1804). Er war ein Philosoph der Aufklärung und zählt zu den bedeutendsten Vertretern der abendländischen Philosophie. Seine neuzeitliche Ethik leitet einen Paradigmenwechsel ein. Er ist einer der Vordenker der autonomen Moral und einer allein auf die menschliche Vernunft gegründeten Ethik. Auch wenn Kant die Gottesbeziehung nicht in Frage stellt, bedarf es nicht des Glaubens an Gott, um moralisch zu handeln. Immanuel Kant benötigt Gott nicht zur Begründung des Nachdenkens über das Gute. In gewissem Sinn tritt die praktische Vernunft an die Stelle Gottes. Sie bestimmt das Nachdenken der Ethik über das Gute. Die Richtung des Nachdenkens hat Immanuel Kant vorgedacht:

»Es ist überall nichts in der Welt, ja überhaupt auch außer derselben zu denken möglich, was ohne Einschränkung für gut könnte gehalten werden, als allein ein guter Wille.« (Kant 1977b, S. 18)

Allein der gute Wille kann ethisch für gut gehalten werden! Das mag uns 230 Jahre später sehr idealistisch für eine Grundlegung der Ethik erscheinen, aber die Hochachtung der Vernunft und die Wertschätzung menschlichen Wollens bestimmen diese Phase der Geschichte der Philosophie und der Aufklärung. Für Kant ist der gute Wille des Menschen das Einzige, das uneingeschränkt für gut gehalten werden kann, und der gute Wille ist auch das »höchste Gut« (summum bonum). Nicht Gott, sondern der menschliche gute Wille hat für die Menschen den höchsten Wert oder sollte – normativ – den höchsten Wert besitzen.

Die Aufklärung ist die Phase in der menschlichen Geistesgeschichte, in der der Vernunft und der menschlichen Fähigkeit zu denken eine überragende Stellung eingeräumt wird. Damit wird der Vernunft auch faktisch die entscheidende Stellung im menschlichen Leben und in der Organisation von Gesellschaft, Politik und Wissenschaft eingeräumt. Die Ethik ändert sich also dank der Vorrangstellung der Vernunft – die moderne Ethik kommt ohne Gott aus. Wir geben uns selbst das oberste moralische Prinzip, der kategorische Imperativ Kants ist so eine oberste Norm. Gott ist nur noch als Garant dafür gedacht, dass sittlich gut handelnde Menschen auch glücklich werden. Immanuel Kants berühmter kategorischer Imperativ definiert die oberste Norm:

»Handle nur nach derjenigen Maxime, durch die du zugleich wollen kannst, dass sie ein allgemeines Gesetz werde.«

1.5       Eine weitere Antwort auf die Frage nach dem, was Ethik ist – oder: kleiner Ausblick auf die Ethik als philosophische Disziplin

Immanuel Kant erschließt die Philosophie durch vier Fragen und sucht diese zu beantworten:

1.  Was kann ich wissen? Die Frage nach Wissen und Wissenschaft.

2.  Was soll ich tun? Die Frage nach Moral und Ethik.

3.  Was darf ich hoffen? Die Frage nach dem Sinn des Lebens und der menschlichen Existenz.

4.  Was ist der Mensch? Die anthropologische Frage.

Im Zusammenhang mit unserer Einleitung in die Ethik ist die zweite Frage: »Was soll ich tun?« wohl die Frage, die Sozialarbeiter oder Heilpädagogen am meisten interessiert. Deren Handeln soll ja nicht nur einen Zweck erfüllen, weil es vom Gesetzgeber so vorgeschrieben ist oder der Träger einer Maßnahme es anordnet oder der Klient sich das dringend wünscht. Es geht um mehr. In dem, was beispielsweise Sozialarbeiter tun, soll die Vernunft praktisch werden. So würde Kant das vielleicht sagen. Nicht das, was getan wird, ist entscheidend, sondern wie und warum es getan wird. Mit dem Verweis auf das Sozialgesetzbuch oder bestimmte Gesetze im Allgemeinen ist es nicht getan. Damit kommen die sozialen Professionen auch nicht weiter. Angehörige dieser Professionen müssen sich fragen, ob das Sinn macht, was sie da tun. Was sollen wir tun? Das meint nicht (nur) die Verbindlichkeit solcher Vorschriften, sondern vor allem, ob der professionell Handelnde sein Tun für sich und andere begründen kann. Ob er reflektiert, was er tut, und ob das, was er dann tut, der vernünftigen Nachfrage standhält, ob es also im strengen und umfassenden Sinne vernünftig ist.

Ich will noch kurz auf zwei andere Grundfragen Kants hinweisen, weil durch die Beschäftigung mit ihnen auch die Frage nach dem, was wir tun sollen, deutlicher wird. Bei der Frage »Was darf ich hoffen?« geht es nicht um ein Sollen, nicht um eine Pflicht, sondern um ein Dürfen. Menschliche Hoffnung ist häufig irrational. Was darf ich hoffen, wenn ich das tue, was ich meine, dass ich es tun soll? Letztlich geht es um die Sinnfrage und damit um die Frage, warum und wozu ein Individuum auf der Welt ist. Diese »letzten« Fragen zielen bei Kant auf Gott und die Unsterblichkeit der Seele. Darüber können wir nichts wissen, sie können erst recht nicht bewiesen werden. Aber da die metaphysischen Fragen, wie wir die letzten Fragen besser nennen, nun einmal in der Welt sind, müssen wir sie als Postulate ernst nehmen. Hier kommt das Dasein, der Zweck der menschlichen Existenz ins Gespräch, der Sinn und das Ziel menschlichen Lebens. Und das sind Fragen, die auch der nichtreligiöse Mensch mitbedenken muss, wenn er der Frage nach dem, was er tun soll, gründlich auf den Grund gehen will. Kein Vertreter der helfenden Berufe wird seinen Klienten oder Patienten gerecht, wenn er diese Frage, was ich hoffen darf, außen vor lässt. Und die Fragen der Klienten nach der Hoffnung werden zu religiösen Fragen, wenn der Sinn des eigenen Lebens in der Autorität und dem Wirken Gottes seine letzte Begründung findet. 

Die letzte, die anthropologische Frage, was der Mensch tatsächlich ist, bündelt die anderen Fragen und fragt danach, was wir Menschen aus dem machen, was wir wissen können, was wir tun sollen und was wir hoffen dürfen. Es geht darum, dass wir Menschen vernünftiger und besser werden, damit unser Leben gelingen kann.1 Alles wissenschaftliche Wissen, etwa über die biologische und psychologische Beschaffenheit des Menschen, reicht nicht aus, die Frage nach der Identität und nach dem Wesen des Menschen zu beantworten. Gerade die Frage nach dem Wesen des Menschen interessiert uns Ethiker auch jenseits der Naturwissenschaften. Die moderne Welt wirkt in vielerlei Hinsicht identitätsbedrohend. Traditionelle und religiöse Selbstdeutungen, an denen Menschen sich orientiert haben, sind in der westlichen Welt in eine zunehmende Krise geraten.

Ich habe oben bei der Frage nach dem Tun behauptet, dass die Frage »Was sollen wir tun?« vor allem eine sozialarbeiterische und heilpädagogische Fragestellung ist. Deswegen gehe ich noch einmal auf diese ethische Frage Kants ein. Kants Frage ist die Frage nach der Möglichkeit von gutem Handeln. Das Handeln soll nicht nur einen Zweck erfüllen, sondern in ihm soll die Vernunft praktisch werden. Nicht das, was getan wird, ist entscheidend, sondern wie und warum es getan wird.

Mit der Frage »Was soll ich tun?« ist nicht bloß als ein Verweis auf jeweils geltende ethische Vorschriften einer Gesellschaft, Konventionen oder Gesetze gemeint. Das ethische Fragen sucht nach dem Sinn, der Verbindlichkeit solcher Vorschriften und deren Begründung. In der Ethik versuchen wir, die Frage zu beantworten, welche Normen, Werte und Ziele als Orientierungen menschlichen Handelns dienen sollen. Wir prüfen, ob der Geltungsanspruch von Gesetzen, von Traditionen oder auch einer bestimmten vorherrschenden Moral zu Recht besteht, ob er hinreichend begründet ist, um den Klienten auf seinem Weg auf eine gute Weise zu begleiten. Bei dieser Prüfung können weitere ethische Fragestellungen helfen, um zu einem gelingenden oder besser gelingenden Leben zu kommen.

1.6       Exkurs – zu den wichtigsten Begriffen der Ethik

Bevor ich mich im Weiteren mit der Vernunft – die Ethik betreffend – beschäftige, will ich zum besseren Verständnis einige Begriffe klären, die in der philosophischen und theologischen Ethik benutzt werden.

In der Ethik gibt es keine einheitliche Begriffsverwendung. Im Deutschen werden Begriffe aus drei Sprachen, aus der griechischen, lateinischen und deutschen, verwandt. Ich gebe ein Beispiel: ethos (vgl. Ethik), mos (vgl. Moral) und Sitte. Manche dieser Begriffe scheinen veraltet, aber sie tauchen dann doch immer wieder auf. Es sind z. T. einfach Übersetzungen, teilweise aber auch Differenzierungen. Auch wenn ein Begriff aus einem klaren semantischen Feld kommt, kann es sein, dass Alltagsgebrauch und Assoziationen manche Begriffe »verwaschen« haben und unscharf haben werden lassen.

•   Ethik meint das philosophische oder theologische Denken, mit dessen Hilfe die praktische Vernunft zu allgemeingültigen ethischen Prinzipien kommt. Sie ist also die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit der Moral und die Auseinandersetzung über die Moral der Menschen und der Gesellschaft.

•   Moral benutze ich im Sinne des Begriffes einer Alltagsmoral. Hier kommen moralische Grundsätze aus dem subjektiven Bewusstsein eines Menschen zur Geltung, die seine Lebenspraxis faktisch schon immer bestimmen. Ob die Traditionen, die Verhaltensnormen, die moralischen Pflichten, die sein Leben bestimmen, dabei bewusst sind oder nicht, spielt hier keine Rolle. Das moralische Verhalten ist nicht weiter begründet. Eine Person handelt zumeist so, wie sie es gewohnt ist.

•  Es gilt nun aber, aus der Moral der Sozialisation, der Familie, der Herkunft und der Erziehung, aus dem moralisch Selbstverständlichen (»das tut man eben so«) zu einer reflektierten Position der eigenen Haltungen zu kommen. Es geht nun darum, Ethos zu bilden. Ethos ist im Unterschied zur Ethik direkt mit dem Handeln verbunden – wie auch die (Alltags-)Moral mit dem Handeln eng verbunden ist. Ich bin es gewohnt, so oder so zu handeln. Im Unterschied zur Alltagsmoral aber hinterfragt das kritische Ethos eigenes Verhalten und Handeln und reflektiert die Bedingungen des Handeln.

Das bleibt als das Ergebnis meiner bisherigen Ausführungen festzuhalten: Es geht in meinem Beitrag, aber auch in den anderen Beiträgen dieses Buches primär darum, eine ethische Position aus der Tradition des Fragens nach dem guten Leben zu entwickeln. Es braucht das vernünftige Fragen, um sich ein vernünftiges Urteil bilden zu können, das jede(r) mit seiner Vernunft nachvollziehen kann!

1.7       Ethik ist vernünftig: Ethische Urteilsbildung realisiert sich durch vernünftige Überlegungen

Die ethische Urteilsbildung nach Heinz Eduard Tödt2 setzt auf die Vernünftigkeit der Argumente und der Methode. Tödt, der sich ethisch mit der friedlichen Nutzung der Kernenergie auseinandergesetzt hat, will mit seinem Schema der Urteilsbildung deutlich machen, dass die Ethik als Wissenschaft in der Lage ist, eine (problematische) Situation zu beurteilen, um daraus vernünftige Schlüsse zu ziehen, um das ethisch richtige Handeln zu ermöglichen. Das ist es, was die Ethik für die Soziale Arbeit so wichtig macht. Tödt führt aus: