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Dietmar Dath

Die Abschaffung der Arten

Roman

Suhrkamp

Umschlagfoto: © Pete Dine Photographie

Die Tiervignetten wurden von Daniela Burger gestaltet.

© Daniela Burger / Suhrkamp Verlag













ebook Suhrkamp Verlag Berlin 2010

© der deutschen Ausgabe Suhrkamp Verlag Frankfurt am Main 2008

Alle Rechte vorbehalten, insbesondere das der Übersetzung, des öffentlichen Vortrags sowie der Übertragung durch Rundfunk und Fernsehen, auch einzelner Teile. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotografie, Mikrofilm oder andere Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.



www.suhrkamp.de

Umschlag: Göllner, Michels, Zegarzewski

eISBN 978-3-518-73370-7

If you can't marry outside your religion
fool around outside your species.

Lord Julius of Palnu

In quella parte – dove sta memora
prende suo stato, – sì formato, – come
diaffan da lume

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Erster Satz: Contra Naturam
(Allegro moderato)

Iz: Also, wer sind wir, wer sind die Gente? Und was trennt uns von den Menschen? Abgesehen mal von der Gestalt ... das könnten ja auch Masken sein, Verkleidungen. Was ist die eindeutigste Veränderung, seit der Befreiung, das Handgreiflichste, Deutlichste?

Cy: Die Sache mit den Gerüchen, denke ich. Der Duft. Daß das überall ist, daß wir damit auf der ganzen Welt jederzeit wissen, was andernorts geschieht ...

Iz: Wegen der Nichtlokalität der Leitfelder des Pherinfonsystems.

Cy: Ja. Nur daß die Menschen natürlich schon von Nichtlokalität gewußt haben. Nimm zwei Elektronen, ein Paar. Sagen wir, ihr gemeinsamer Spin ist Null. Du weißt aber nicht, welchen Spin das einzelne Elektron hat. Die Quantentheorie, die schon die Menschen hatten, sagt, daß man das nicht wissen kann, bevor man es mißt. Also, man schießt sie auseinander, sagen wir, bis das eine so richtig weit weg ist vom andern, uneinholbar. Dann mißt du das eine. Und sobald du das tust, und das Elektron, das du mißt, in einen spezifischen Zustand gezwungen wird, entspricht der Zustand des anderen dem Gegenteil. Augenblicklich. Ohne Übertragung eines Signals. Schneller als Licht findet diese Anpassung statt, schneller als alles. Weil die beiden Elektronen Bestandteile eines verschränkten Systems sind. Der Ausgleich passiert also nichtlokal – es wird keine Strecke zurückgelegt, von irgendeinem Wissen, die Information ist sofort dort, wenn ihr Gegenstück hier ist.

Iz: Weil die beiden Dinger ... verschränkt sind.

Cy: Ganz recht. Und unser Kunstgriff war dann ... na, wir haben einen Weg gefunden, dieses Geschehen, weit unterhalb der Atomgröße normalerweise, an Molekülen sichtbar zu machen, die ...

Iz: An Botenstoffen. An etwas, das man riecht.

Cy: Genau. Schnupperquanten. So haben die Pherinfone angefangen.

Iz: Und heute nutzt man sie sogar für Astronomie, nicht?

Cy: Sicher. Es ist ja alles da, dort draußen ... sogar Alkohol ...

Iz: (lacht)



Aus den Löwengesprächen, IV/65

I.
DIE HEIMSUCHUNG DER DREI STÄDTE

1. Necken statt Helfen

Während das Rudel die Küste hinunterstrich, blieben vereinzelte Wölfe zurück und ruhten sich aus.

Vier oder fünf Raben, die eine Weile mit ihnen geflogen waren, fingen an, sie zu belästigen. Die Vögel stießen hinab auf den Kopf oder den Schwanz je eines der Wölfe. Der duckte sich erst weg und sprang dann nach ihnen.

Manchmal sah das nach Jagd aus: Die Raben flogen dicht über den Wolfsköpfen, dann hüpfte einer am Boden zu einem der ruhenden Wölfe, pickte nach seinem Schwanz und sprang geschickt zur Seite, wenn der Flinke nach ihm schnappte.

Sobald ein Wolf sich rächen wollte, dem jeweiligen Raben folgte und ihn belauerte, ließ der Vogel ihn auf wenige Meter herankommen und flatterte erst in die Höhe, wenn es fast zu spät war.

Dann landete er ein paar Fuß weit weg und wiederholte den Spaß.

2. Wer nicht hören will

»Wieso«, fragte die Libelle Philomena ihre liebste Freundin, die Fledermaus Izquierda, »ist den Menschen eigentlich passiert, was ihnen passiert ist?«

Das war im Sommer, als über den Hängen des größten Gebirges zwischen den drei Städten tagsüber wolkenlose Fernen blauten, nachts entlegenste Galaxien scharf umrissen blinkten und im Sumpf südlich von Landers wie aus dem Nichts Rohrgewächs emporschoß, obwohl es da vor lauter Hitze kaum noch feucht war.

Schilf ohne Wasser: ein Rätsel.

Während die Pelze der Dachse von der Hitze knisterten und die Schuppenhäute der Leguane schimmerten, als ob darunter Sterne steckten, fragten viele: Wieso war den Menschen passiert, was ihnen passiert war?



Einige, vor allem Affen, hatten noch im Frühjahr geglaubt, es hätte vielleicht etwas mit der Liebe zu tun gehabt: »Das hatten sie nämlich immer am Hals«, erklärte der Affe Stanz seinen Bewunderern vor einem Gemälde, das er zur Illustration dieses Sachverhaltes gemalt hatte, »diesen Schmus mit der Liebe. Nichts als Ärger. Uns plagt das, wenn ich's richtig sehe, nicht.«

Der Löwe hatte dem Affen auf allen Foren widersprechen lassen (durch die Libelle – er war sich längst zu wichtig geworden, selbst vor die Gente zu treten): »Wir haben Liebe, wie wir Sprache haben. Wir nennen's vielleicht anders – wobei die Wölfe es schon wieder Liebe nennen, und warum auch nicht? Es ist derselbe Zug zum Schönen, dieselbe Leidenschaft, derselbe lebensnotwendige, heilige Quatsch.«

Du lieber Himmel, das Schöne, richtig. Soviel mußte auch der Affe Stanz zugeben: Schönheit erzeugte in denen, die nun, nach den Menschen, die Erde besaßen, ganz dieselben blumigen, käsigen und kosmischen Empfindungen und Bewegtheiten, die sie schon in den Menschen erzeugt hatte. Es gab den Rausch der Schöpfung, das Bemühen um den Erhalt des Geschaffenen, die Wertschätzung, das Verlangen, den Drang nach Erwerb des Schatzes, sogar die Lust auf seine Vernichtung (denn die Werte selbst hatten ein Magnetfeld um sich, das auch die Zerstörung anzog).



Wenn es aber die Liebe nicht gewesen war, was die Menschen hatte scheitern lassen, warum war dann ihr lautes, stinkiges, sich alles aneignendes Weltbewohnen so blutig zu Ende gegangen? Hätte das, was sie waren, weiterwachsen können, nachdem die Grundlagen dafür verloren waren, gleichsam als Rohr, das gedieh, wo es nicht feucht war, als Schilf ohne Wasser? Noch stand es, blickte man in die Archive, in einer Art melancholischer letzter Blüte, als Erinnerung in Texten herum. Aber bevor man es ausschnitt, um es an sich zu nehmen, verdorrte es schon. Die Hoffnung der Menschen, das größte Talent der genialen Verwüster, war verloren, ihre Zuversicht war vergangen, ihr Ehrgeiz nur noch Spinnweb auf Büchern, die keiner mehr aufschlagen würde.

Sie hatten sich auf ihr Haus verlassen, aber es hatte nicht standgehalten. Sie waren voll Saft im Sonnenschein gestanden, und die Reiser ihrer Pflanzungen waren hinausgewachsen über ihren Garten. Über Steinhaufen hatten sich ihre Wurzeln geschlungen und sich zwischen Brocken festgehalten. Da man sie aber vertilgt hatte von ihrer Stätte, so verleugnete die sie nun und kannte sie nicht.



Die beste Freundin der Libelle roch nach Lorbeer und Aprikosen, dem damals üblichen Duftgemisch der Gelehrten in allen drei Städten. Ihre Flügel wirkten wächsern im weichen Dämmerlicht des Höhleneingangs. Ein silberner Lichtring spiralte um ihre kupfernen Krallen. Öligschwarzer Honig glänzte, wo die Augen guckten. Die schlaue Alte lächelte, zeigte ganz spitze Zähnchen. Dann rief sie an der Wandung der Kaverne einen kurzen, stummen Film auf, den sie der Libelle erläuterte, während er flimmerte: »Das da, dieses Blasige, erkennst du's? Das ist ein Schimmelpilz.«

»Sieht aus wie Schleim«, sagte die Libelle.

Sie war skeptisch: Was sollte da deutlich gemacht werden? Die Freundin schmatzte, setzte sich auf trockenen Flechten zurecht und sagte: »Ist es auch. Eine sehr besondre Sorte allerdings. Der alte Name lautet dictyostelium discoideum. Ein hochinteressanter Lebenszyklus, paß nur auf.«

Die Farben des Films sahen verlebt aus; was da so seltsam zuckte, wirkte zerlaufen, zerkocht. Die Libelle bsste leise: Skepsis wich vorsichtigem Interesse.



Unterhalb der wulstigen Höhlenschwelle machten sich Arbeiterinnen daran, Leitern und Trittflächen für Gente zu installieren, die nicht fliegen konnten. Man lag noch artig in der Zeit, die Einrichtung der Plattformen und Endstellen würde in wenigen Wochen abgeschlossen sein. Geübte Gruppen kleinster Krabbler hatten schon vor Monaten die Wespenfabrik zwischen Rispengrasfeld und höherem Wald demontiert, um die Träger fürs neue Baugerüst im Höhleninnern zu nutzen. Das machte sich jetzt bezahlt.

Fast alle Wespen waren unterdessen Richtung Landers fortgezogen.

Die Libelle Philomena hörte, während sie sich Izquierdas Film ansah, die Arbeiterinnen und Arbeiter, Molche und Erdmäuse bei der Arbeit lachen, auch singen, Witze reißen. Das hatte es früher nicht gegeben, in der ersten Zeit nach der Befreiung. Jetzt arbeitete man heiter; das war gut.

Es wurde überhaupt alles immer besser, bald sollte man vom Sonnenlicht allein leben können.

»Die Menschen«, fuhr die beste Freundin der Libelle fort, »haben das, was du hier siehst, erst spät entdeckt, gegen Ende ihrer Herrschaft. Verstanden haben sie es nie. Jetzt – schau hin, die Vergrößerung: Das ist die vegetative Phase des Lebenszyklus. Einzelne Zellen. Ein zufälliges Kollektiv unverbundener Monaden.«

»Sieht aus wie, ich weiß nicht ... wimmelnde Amöben?«

»So in etwa, ja. Die Menschen nannten es Myxamobae. Sie verputzen Bakterien. Solange es welche gibt, solange für diese Art Nahrung gesorgt ist, wachsen die Zellen und vermehren sich. Aber jetzt, schau – wir nehmen ihnen die Wimmelchen weg.«

»Hmmja. Oh ... he! Was ist denn das? Die ... diese Einzeller schuscheln und zittern aufeinander zu. Schieben sich ... sie verklumpen. Matschen aneinander.«

»Ja. Eigenartig, nicht? Sie bilden eine andre Masse. Gewebegleich. Die Menschen nannten das Pseudoplasmodium.«

»Es bewegt sich von allein! Ich kann ... ist das ein neues, eigenständiges Lebewesen?«

»Schwer zu sagen, Liebste. Einzeller, die sich organisieren ... wie nenne ich das Ergebnis? Ich kann's beobachten, dann erkenne ich schnell: Es sucht ganz offensichtlich selbständig nach Futter. Eine winzig kleine Schnecke. Sie wird vom Licht angezogen. Sie achtet auf Temperaturunterschiede, auf Feuchtigkeit ...«

»Besorgt sich was zum Fressen. Wie wir.«

»Ganz recht. Hier, und jetzt beschleunigen wir den Prozeß. Da, eine neue Nahrungsquelle. Sie frißt. Und dann ...«

»Noch 'ne Veränderung! Was wird's jetzt, eine Pflanze? Stiel, Stengel, oben eine Frucht ...«

»Eine Sporenkapsel. Und wenn die Sporen ausgeschüttet werden, beginnt der Zyklus von neuem. Wir sehen, weit ausgestreut ...«

»Wieder Myxamobae. Frische Einzeller.«

»Richtig. Verstehst du?«

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Die Libelle dachte einen stillen Augenblick lang nach. Die Facetten ihrer Augen leuchteten kribblig dabei, als wären sie winzige Sender von Lichtnachrichten. Dann sagte sie: »Weil sie so was nicht konnten. Die Menschen. Deshalb ist ihnen passiert, was ihnen passiert ist. Deshalb haben wir sie überwunden. Weil sie nicht konnten, was die Myxamobae ...«

Izquierda stellte die Ohren auf und schüttelte den Kopf: »Unsinn. Was sie besiegt hat, war nicht, daß sie keine Schnecke bilden konnten. Sondern daß sie's, ohne dazu gerüstet zu sein, dauernd versucht haben. Eine Verwechslung: Personen sind keine Myxamobae, egal, ob sich's bei den Personen um Menschen oder um Gente handelt.«

Der Film erlosch.

Die Libelle lachte leise; sie hatte verstanden.

Eine schlimme Erlösung war auf den Weg gebracht.

3. Kurz vor Esprit

Der Wind hatte sich hinter gekalkten Kühlwänden im Rücken riesiger Archivkathedralen zur Ruhe gelegt. Es war kein Akt des Protests; bloß das angemessene Verhalten für den inzwischen auf Jahrhunderte ausgedehnten Nachmittag des kostspieligen Friedens zwischen Natur und Vernunft.

So lange nach der Befreiung wollten alle nur noch ihre Ruhe – Gente, überlebende Menschen, alle, die Sprache hatten. Jedenfalls dachten sie das. Denken ist aber nicht Handeln; ein Wind weiß das.

In den Blechdosen rund um die Mündungen rostiger Regenrohre kicherten Knüttelfeuerchen. Die schmalen Wölfe küßten Schwäne, streichelten ihre Federn mit feuchten schwarzen Schnauzen und schliefen bei ihnen, wenn der Mond unverschämt pink über den Dachfirsten von Kapseits stand.

Niemand hatte vor Zähnen und Krallen noch Angst; Rudimenten von Unhöflichkeiten, die während der Langeweile vielleicht ihren kriegerischen Sinn gehabt haben mochten, jetzt aber zu nichts mehr taugten. Aus Rüstung wurde schließlich Schmuck, aus Schmuck bloße Schrulle.



Dachsbataillone versahen den Wachdienst an Grenzen, die allmählich keine mehr waren.

Sie patrouillierten gemächlich in den wenigen noch unzureichend befriedeten Außenbezirken, tatzten hier hin, rügten dort. Selektion hielt den Primat auf allen Schauplätzen. Gezinkte Riechzeichen, in Pherinfonen verschlüsselt, von Interferonen und Interleukinen getragen, sprachen den neuen Staat bis ins kleinste Gesetz aus, als großen Text aller lebenden Leiber. Es entstand so eine Ordnung, die zufrieden damit war, müde vor sich hin zu glänzen.

Gelassenes Schnuppern der Gente: Was wußten eigentlich Salbei, Flieder, schwarzer Holunder, Haschisch, Urin vom Menschenerbe, was wußten Bärlauch, brennender Reifengummi, metallischer Blutgeruch? In vielen tausend Liederblüten wartete böser Spätsommer, daß seine Stunde käme.



Was dachten hier die letzten Menschen?

Die dachten, weil sie kaputte Köpfe hatten: Kann nicht sprechen. Kann nicht reden. Kann nicht tun, was Gente wollen. Kann mich nicht verstecken. Kann nicht des Löwen Meinung ändern. Muß leben mit meiner Seele, die ist innen festgenäht. Kann nicht sprechen. Kann nicht reden. Kann nicht innehalten für meine Sache, die sich dreht, die schlingert und fällt, oder für Liebe. Ich hab ihnen alles darüber gesagt, was ich zu sagen hatte. Kann nicht reden, denn ich bin bereits verloren. Kann nicht denken. Kann nicht weinen. Warte stets auf meinen Selbstmord. Es ist so schwer. Ich kann es nicht vergessen. Ich werde mich auflösen, denn ich bin bereits tot. Kann nicht denken. Kann nicht träumen. Ist mir egal, ob ich lebe oder sterbe. Sprich nicht zu mir. Kann es nicht glauben. Ich werde mich auflösen, weil ich bereits tot bin. Kann nicht denken. Kann nicht träumen. Glaub nichts von dem, was ich sehe. Ich will's nicht haben. Ich muß hier weg, oder ich werde es bereuen. Kann nicht sprechen. Kann nicht lügen. Kann nirgendwo hingehen. Kann nicht denken. Kann nicht weinen. Denke stets an einen Selbstmord. Zitat Ende, Knochenschädel, Vater Danzig, Hafen in Flammen, Nummer Vier Schwarz. Gute Nacht. Gute Nacht. Gute Nacht. Shantih Shantih Shantih.

Die öffentliche Vorbereitung auf Esprit, den höchsten Feiertag der Hunde, zog als unfertige Freude in Spruchbändern, Umzügen, kleinen Krawallen um die Häuser.

Kleinste Welpen wollten mittun, ihre bunten Augen wurden feucht. Die schlappen Ohren der Älteren zitterten in einer aufziehenden bewegten Hitze, die aus unsicherer Zukunft herüberwehte. »Apokalypse«, sagten die Pherinfone, war der Name der Stunde, aber nicht die Nachricht vom Ende der Welt, sondern die von ihrem Anfang. Noch hatte die Schöpfung gar nicht begonnen; der Löwe würde alle unterrichten, wenn es soweit wäre.

Die Welpen spielten und sangen: »Wo steckt der Fuchs? Wo ist Ryuneke Nirgendwo, Ryuneke Überall? Wo steckt der Fuchs?«

Die Eltern, die das hörten, fürchteten sich heimlich vor den Kleinen.

Viele Gente, nicht nur die Hunde, erinnerten sich lebhaft ans Lösegeld, ans Tauschverfahren, an die ganze Kriegsökonomie der ersten Befreiungszeit, ans Wirtschaften im Medium stehender Wellen zeitoffener Prozesse. Die Rechnungen waren geschrieben, der Fuchs würde früher oder später kassieren, was ihm gehörte.

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Die florifaunische Zivilisation machte sich derzeit einen Widerspruch zur Hauptgrundlage ihres politischen Lebens: »Wißt ihr«, fragten die Lehrerinnen schlau, »daß gerade und krumm unter Umständen dasselbe sein können?«

Dieser Unterricht war der im Fach Geschichte.

Da kam alles auf Dokumente an.

Gesellig, aber ohne Schmus rückten auf verschwommenen Fotos der jüngsten Jahrgänge Amtsträger langsam aufeinander zu, deren Namen man allmählich nicht mehr nennen durfte. Sie hatten dem Fuchs und dem Löwen Ärger gemacht, jetzt wurde so getan, als habe es sie nie gegeben.

»Wo steckt der Fuchs?«

Die Abgesetzten hatten geschaffen, was die Gente heute bewohnten, die Epoche der drei Städte. Jetzt legten die Beseitigten auf den alten Bildern, wie im Totenschlaf, Arme oder Flügel umeinander.



Den aufmerksameren Gente wurde eben deutlich, daß die fuchsigen Langzeitkalküle aufgegangen waren. Das freute zumindest die Äffinnen im Hofstaat des Affen Stanz. Die fraßen Geschichte mit Lust und naschten immer gern am Statischen, auch am Dynamischen: Konfekt in den Geschmacksrichtungen »Erzeugung«, »Verteilung«, »Reichtum« und »Mangel«. Der Affe Stanz machte aus allen vieren Kunst. Damit schmückte man das Fest. Esprit hieß ja seit je: Kostümumzüge, Bacchanale, süßer Lärm, Verwandlungen.



»Wir Dachse mögen«, sprach die grüne Dachsin Georgescu, die im roten Sand vor dem Pielapielpalast der Schlafstadt saß, »zwar die Gewalt nicht. Aber wenn sie kommt, sind wir bereit.«

Man hatte den Palast noch nicht geweiht; sonst wären Gente, die so roh redeten wie Georgescu, wohl vom Vorplatz verscheucht worden. Die Dachsin, ein rein praktischer Kopf, dachte dabei an strategische, taktische und operative Aussichten auf einen erneuten Nachhutstreit mit homo sapiens sapiens.

Vertraute hatten ihr eröffnet, daß der Widerstand der Abgetanen bald wieder aufflammen werde. Die Nachricht war keine Überraschung gewesen; Georgescu traute grundsätzlich den Gefälligkeitsberichten nicht, die eine Welt malten, in der jeder Menschenwiderstand gebrochen war. Die Dachsin kannte alle Schmutzecken, Mantelfalten und Verschlußsachen der Schlachtfelder. Wenn es nach ihr gegangen wäre, hätte man die Tiefenreinigung der Ökotektur mit heißem Metall erledigt, den Rest in Sporenschauern fortgewaschen und Asche darüber verstreut.



Es gab sie immer noch, vielleicht auf lange Zeit: spreizfüßige Leute, stotternde Lotophagen mit Adapterbuchsen in den Hypothalami, arme Arschlöcher aus zersprengten Verbänden der letzten abendländischen Lage. Die Dachsin verwahrte ihre Ansichten dazu dicht unterm Herzen; ein goldenes Zeitalter ohne diese Plage, fand sie, stand nicht zu erwarten. Was sich so lange wider alle Vernunft gehalten hatte, würde der Ausrottung auch weiter widerstehen. Georgescu fragte sich manchmal, ob das nicht auch sein Gutes hatte: Der älteste Gott von allen würde, wie die Sache lief, irgendwann einmal wohl auch wieder Vater werden, genug Zeit vorausgesetzt, und bislang stand nicht fest, daß er mit den Abgetanen nicht noch etwas vorhatte.

Georgescu sah die Gente als Hebammenzivilisation, keineswegs als Endziel aller irdischen Entwicklung.



»Wir könnten«, sagte, weil er die Dachsin leicht durchschaute, der junge Wolf und Diplomat Dmitri Stepanowitsch, »Kügelchen streuen, an den Quellen.«

»Kügelchen?«

»Ja, Kügelchen. Besonderes Gift, da, wo sie ihr Wasser herholen.«

In diesen Perlen, erläuterte der Wolf der Generalin in wortlosem Pherinfoncode, ließen sich Schatten von Streßfaktoren unterbringen, die gestandenen Männern, also den Waffenträgern in den gelichteten Reihen, das Immunsystem zerfressen konnten.

»Zum Beispiel?« Georgescu sah nicht überzeugt aus.

»Tod des Ehepartners, Verletzung oder Krankheit, Verlust des ähm, wie heißt es ... Arbeitsplatzes. Schulden, Termindruck, Versagensängste, Familienstreit, Ärger mit dem Chef oder dem ... Internetprovider ... und öh ... die Schmach, die Unwert knickeknack Verdienst bereitet«, schlug Dmitri vor.

»Knickeknack?«

»Ich hab's aus der Literatur. Das Adjektiv ist vielleicht korrumpiert, jedenfalls unübersetzbar; es hat etwas mit ihrem Ehrenkodex zu tun.«

»Na schön. Und solche, wie sagst du ... Streßfaktoren ...«

»Die verplomben wir in vivanten Cytokinmantelkügelchen, ganz simpel. Wir hauchen unsern Arzneien falsches Leben ein, setzen sie in die Quellen, und wenn sie zehn, zwanzig Generationen später fliegen lernen, wenn sie krabbeln ...«

»Wenn sie krabbeln, wohin sie sollen, und nicht uns ins Fell!« maulte die grüne Dachsin. Sie hatte zu vieles erlebt, um den Enthusiasmus des Wolfes zu teilen.

»Wenn sie, sag ich«, fuhr Dmitri fort, jetzt mit stachlig gesträubtem Kragen, »fliegen und krabbeln gelernt haben, nach einer angemessenen Anzahl Reproduktionszyklen, dann finden sie die Menschenohren schnell, durch die sie an die Hirne gelangen, mit denen diese ziemlich ungeschützten ...«

»Ihre Hände wären mir lieber.« Das war der erste laut gesprochene Einwand der Libelle Philomena.

Die saß auf Dimitris Rücken und roch, fand der Wolf, wie ein leicht kartoffeliger Tatzenabdruck des Löwen, der sie geschickt hatte. »Man muß die Hände angreifen. Die trägen Hirne sind ... nicht von Belang.«

Dmitri Stepanowitsch überlegte kurz, blinzelte, bis seine Barthaare bebten, dann gab er ihr recht: »Stimmt wohl. Die Archive in den Kathedralen ... man hat schon Menschen gefilmt und gemalt, die ganz ohne Hirne trotzdem so glücklich und grausam waren, daß ... na ja, zum Davonlaufen.«

»Davonschwirren«, träumte Philomena schaukelnd. Sie nahm nichts ernst; der Wolf fand sie seit langem unheimlich.



Mehrere Espritgäste, die seit Wochen in Erwartung der Ausschweifungen bei der für die nächste Neumondnacht angesetzten Einweihung des Pielapielpalasts vor dem Gebäude kampierten, rochen an den Botschaften, die Dachsin und Wolf einander sandten, ringelten ihre Meinungen um rote Blutzellen und funkten den Bevollmächtigten des Löwen damit ins Gespräch. Der Preis der Souveränität: Die Gente kannten keine Geheimdiplomatie.

Schon das Siegel der neuen Forumsschlaufe war frech: »Abgedankte Alphatiere.«

»Wir hätten«, kritzelten die Espritgäste den Löwenbevollmächtigten auf die Pherinfonkörper, »im Klima der Urheimat verbleiben sollen. Da gab's den offenen Kampf, nicht diese Heimtücke hier, mit Kügelchen und Giften«, »und überall der optimale Phänotyp, statt Seuchen und Verheerung fremder Hirne oder Hände«, »damals war alles besser«, »auch die Musik«, »von der Ernährung ganz zu schweigen.«



Die Hinterköpfe dieser schmuddeligen Demokraten, matt speckig, waren mit dem je ersten Rückgratswirbel ihres archaischen Bauplans durch zwei mit geruchsverstärkendem Gel glasierte Gelenkstellen verbunden.

Daran erkannte der Dümmste, was das für Wesen waren: daß diese Strolche, so aus der Mode dergleichen sonst bei Gente war, Milchdrüsen zum Säugen ihrer Jungen besaßen und über diese Gemeinsamkeit hinsichtlich der Nachkommensversorgung zu übertriebenem Mitleid mit der Menschenart neigten.

Die Dachsin lachte sie aus: »Abgedankte Alphatiere ... pfäh. Das soll ich lesen, damit soll ich streiten? Wie wär's, ihr würdet eine Eingabe an den Löwen machen, für ein öffentliches Schutzgebiet, wenigstens einen Zoo? Den müßt ihr dann allerdings selber hegen, damit er uns nicht zur Last fällt, wenn ihr die Menschen so liebhabt.«

Darauf schwiegen die Forenschwätzer, um sich nicht in ärgeren Verdacht zu bringen. Demokratie gut und schön, offener Antileonismus aber wurde sehr scharf sanktioniert. Man sah sich in dieser Angelegenheit vor, wem man was erzählte, schließlich hatten die Dachse in der Schlafstadt die Polizeigewalt inne, wie in den andern beiden Städten.



»Ich warte auf dein Wort«, sagte der Wolf.

»Gut denn. Aber nicht die Hirne, sondern die Hände«, gab Georgescu auf halbem Weg nach; die Libelle hatte die Kompromißformel gefunden.

Dmitri Stepanowitsch zeigte Zunge, das kurze Hecheln war eine Art Respektsbekundung. In seinen Augen erkannte die Dachsin, was er dachte: Die Arbeit war getan, jetzt hieß es Pflanzenkost und Licht für die Libelle auf seinem Rücken besorgen, Fleischkost für ihn.

Georgescu hatte schon während seiner gerafften Präsentation eine Nachfrage an den militärischen Forschungsstab in der Schlafstadt gerichtet; jetzt rief sie das Ergebnis ab und unterrichtete davon den Wolf: »Meine Techniker meinen, wir müssen den Perlen ... ah ... den ... Kügelchen, sagst du, bevor sie, na: kampffähige Käfer werden, unbedingt ... Drüsen schenken, aus denen sie die Agenzien sprühen können, um ... wie heißt es? Unten an den Händen?«

»Handballen.«

»Um die Handballen der Aufständischen zu zerstören.«

»Ob diese paar letzten Menschen überhaupt noch Sprache haben, so wie wir?« fragte sich Philomena laut.

Niemand auf dem Platz vor dem Pielapielpalast, auch kein Forenwegelagerer, hätte mit ihr darüber streiten wollen. Sie war die einzige unter den unmittelbaren Helfern des Herrschers, deren Haut keine Kerbung aufwies, aber ihr Status war auch so bekannt: Sie fand Gehör beim Löwen; sie war auf allen wichtigen Beratungen der letzten hundert Jahre zugegen gewesen, in Landers, Kapseits und Borbruck.



Dmitri Stepanowitschs Blick schweifte ab, weil die Dachsin, die zum Attentat auf die Quellen zu überreden er hierhergekommen war, beide Augen geschlossen hatte und über Feldflüsterverbindung erneut mit ihren Kommandeuren redete.

Ob die Menschen noch Sprache hatten? Wir, die Gente, haben Sprache, also können neue Befehlsschlüssel ausgegeben werden, das zu wissen reicht mir. Ich will die Feinde nicht verstehen, nur besiegen. Tatsachen, nicht Vermutungen, entscheiden über alles, was passiert.

Philomenas Frage war ein rhetorischer Schnörkel gewesen; mehr nicht.



Der Wolf sah längs übern Platz hin zum schwarzen Isottatempel, wo junge Vestalinnen mit Habichtsköpfen in langen, rautig schattierten Gewändern aus Taubenfedern breite Treppen mit dem verdünnten Blut freiwilliger Opfer netzten.

Es verdampfte sofort, so heiß war das schwarze Gestein.



Hier also sind wir beisammen und entscheiden, was geschehen soll.

Ein sauberer, allseitig einsehbarer, nur von Gästen oder Bevollmächtigten zu betretender Ort, bedeckt von feinen Karmesinstaubspuren, zwischen schwarzem Tempel und Pielapielpalast, mitten im Zentrum von Kapseits: Dmitri hätte sich, jetzt, da sein Auftrag erfüllt war, gern mit ein paar Historikern unterhalten, um den schlechten Geschmack im Mund loszuwerden, wegen der nötigen Maßnahmen. Er hätte die Gelehrten darüber befragen wollen, ob sie eine Verbesserung wahrnehmen konnten, gegenüber früher und ganz früher, ob es ein hoffnungsstiftendes Zeichen war, wie hier wichtige Entscheidungen unter freiem Himmel getroffen wurden, nicht mehr, wie während der Langeweile, in geschlossenen Kammern, in abgestandener oder mit Intrigendunst schlecht befeuchteter Luft, unter niedrigen Decken, an platten Tischen, auf ungemütlichen Stühlen, wo einer den andern in der Runde fürchtete.



Die Langeweile: Allzuviel wußte er nicht darüber; aber genug, um zu verstehen: Die Einfalt jener Zeit, als die Menschen geherrscht hatten, war viel zu kompliziert gewesen, als daß sie irgendwer im nachhinein verstanden hätte. Das Wissen der Herrscher hatte keine Kraft gehabt, die Ordnung nichts festgehalten.

Die Dachsin und ihr Militär, der Wolf und die andern wandernden Sendboten des Löwen, die Libelle und ihre gläserne Gens: Das waren Freie, nie Gegängelte. So sollte es bleiben, und deshalb mußte man die übriggebliebenen Langweiler daran hindern, ihre unbegreiflichen und abscheulichen Bräuche wiederzubeleben.

Selbst die ärgsten Forumsnarren wußten, daß man den Menschen keine Konzessionen machen durfte; nicht ihren widerlichen Vorstellungen vom richtigen Eiweißgebrauch, ihrer plumpen Politik, ihren einfallslosen Wegen durch die Noosphäre: Der ganze Unrat durfte nicht noch einmal alle Kanäle verstopfen, auf denen die Schöpfung mit sich reden ließ.



Cyrus Iemelian Adrian Vinicius Golden, der Löwe, in dessen Namen alles geworden war, was in den drei Städten Bestand hatte, wollte das neue Äon festigen, das er gegründet hatte, um es eines Tages seiner Tochter Lasara zu übergeben. Sie stand für die vielen, die nach der Auslöschung der Langeweile geboren worden waren und nicht mehr erlebt hatten, wie schlecht zuvor alles eingerichtet gewesen war. Als letzte Aufgabe bei der Errichtung des rundum Vernünftigen fiel den Jüngeren daher zu, was dessen Urheber nicht von sich verlangen wollte: das tätige Vergessen der Besiegten.



Dmitri Stepanowitsch diente dem Löwen seit acht Jahren.

Die Aedile der drei Städte fanden ihn eifrig, mutig, ausdauernd, mit der richtigen Wut auf alle Hindernisse, scharfen biochemischen Werkzeugen und durchaus gefährlichen Ideen begabt.

Selbst Ryuneke Nirgendwo sollte sich, hieß es in vielen Foren, aus einem seiner zahllosen Verstecke lobend über Dmitri geäußert haben.

»Folg deinen Vögeln jetzt zurück nach Landers, junger Wolf«, sagte die Dachsin und öffnete die Augen wieder, »es ist beschlossen. Wir zerbrechen die Hände, wir vollenden die Arbeit.«

Dmitri nickte, wie er's im Osten gelernt hatte, und wandte sich grußlos ab.

Verdeckte Pfade lockten ihn in Schwierigkeiten.

4. Eselei

»Mal jaah auf! Mach jaahh mal auf!«

Geschrei, zerknautschter Schimpf. Der Wolf ärgerte sich über die anhaltende Dummheit der Sonne und hörte dem Lärm nur mit einem Ohr zu.

»Also jetzt mach jaaah halt auch mal auf!« wehklagte einer, der von sich meinte, er sei ein Esel.

Auf vier nicht sicheren Beinen – er war bis vor kurzem auf zweien gegangen, dann war ihm das zu äffisch vorgekommen – stand er vor einem ausgebrannten Panzer auf der schmutzigsten Straße von Kapseits, gleich hinterm breiten Getreidebankgebäude, auf halbem Weg zwischen Isottatempel und der Marktfront, die das Stadtinnere von den vierzehn Trabanten trennte.

Der Dummkopf, der brüllte, trat in seinem eigenen Kot herum und gab sein Letztes, die zerstörte Maschine aufzuwecken: »Mach mir doch auf, du hast jaahh bestimmt Früchte drinnen, oder hast baaah du denn vielleicht bitte mindestens Brot jaahhh parat? Kein Brot hast du bitte vielleicht jaaah? Und mach jetzt aber auch mal auf, jaaahhh für mich dann hier?«



Ein halbes Dutzend Dachse, deren Pelze so sicher mit Schutzfilm versiegelt waren, daß sie eher aussahen wie belebte Porzellanfiguren als wie atmende Wesen, umringte den vermeintlichen Esel.

Erst rang er blökend um Worte, dann stießen sie ihn, rüffelten und beschnüffelten ihn, daß er verstummte. Schließlich ließ er sich abführen, zur Ausnüchterung, sah sich aber bald hundertmal noch nach dem Panzer um, so daß es den Dachsen schließlich zu bunt wurde. Sie richteten dicke Strahlen Schaumwasser auf den Verstörten und trieben ihn unter Züchtigungsrufen in die gewünschte Richtung. Ein Schneller lief vor ihm her und schob ihm immer wieder Schnittblumen aus einer Beuteltasche ins halboffene Maul, die oft herausfielen, bis der Schreier endlich begann, darauf herumzukauen.



»Die Köpfchen dieser Blumen«, erinnerte Philomena den Wolf in maliziösem Tonfall, den sie sich bei den wissenschaftlichen Bekanntmachungen ihrer besten Freundin abgeguckt hatte, »sind von den Spezialistinnen unserer lieben Izquierda mit Stoffen tingiert, die dem Eselchen da und andern ... Halsstarrigen seines Schlags zu verbessertem Ortssinn verhelfen, hi hi.«

Dmitri schnaubte.

Die Libelle dozierte aufgeräumt weiter: »Zwei Sorten Eisenmineralien, die sich, wenn alles gutgeht, in subzellularen Ablagerungen unterhalb der Nasenlochränder jedes diesen Stoffen ausgesetzten ... Erziehungsbedürftigen sammeln, stellen eine neue Empfänglichkeit seines Sensoriums für spezifische Kräfte sicher, die zwischen den Eisenpartikeln wirken. Die Orientierung der am jeweiligen Ort gegebenen Aufwerfungen oder Senkungen des geomagnetischen Feldes, in dem der Delinquent herumirrt, wenn er, nun ja, sagen wir: mit aufgegebenen Waffensystemen der Besiegten anzubandeln versucht, etwa ausgebrannten Panzern ...«

»Du bist so ... das ist scheußlich selbstgefällig, Philomena.«

»...reguliert, wie soll ich's nennen ... mittelbar ... die Wahrscheinlichkeit der Öffnung oder Schließung mechanosensitiver Ionenkanäle in den jeweiligen Nasen. Oder Schnäbeln, wenn die Dummen Vögel sind. Auf diese Weise verhilft man den Verbesserungskandidaten zu biologischen Magnetometern, die ihnen günstigstenfalls in Zukunft das Sichzurechtfinden auf ... unvertrautem ... Gelände erleichtern und eventuellen Zeugen wie dir und mir den Anblick und Eindruck peinlicher Begebenheiten, die nach allen gültigen Gesetzen der Gesittung ...«

»Du wirst dich nochmal beim Plappern in deinem Satzbau verirren und dir aus Versehen den Arsch abbeißen.«

»Ich habe keinen Arsch, mein Freund«, wisperte die Libelle.

Der Wolf glaubte dabei ihre haarfeine Zunge über seine Stirn streichen zu spüren wie einen Laserpunkt.

Dmitri Stepanowitsch, der sich nicht provozieren lassen wollte, bleckte die Zähne und spuckte aus Höflichkeit etwas nanotischen Speichel, der im Sand zu einer Handvoll stäubchenkleiner schlauer Spinnen wurde, die sofort zurückliefen auf den großen Platz. Sie waren dazu bestimmt, der Dachsin Georgescu, zum Dank für Gastfreundschaft und Amtshilfe, ein paar Tage lang das Fell zu säubern.

Der Wolf neigte das Haupt recht förmlich. Er nahm die zur Antwort erhobene rechte Tatze Georgescus kaum wahr, trottete lieber schweigend weiter. Im Marktgürtel angekommen, von Käufern und Händlern umwuselt, reckte er den Hals, nach den Raben zu schauen, die ihn aus der Heimat hierher geleitet hatten und ihn jetzt neu ausrichten sollten.

Magnetometer.

Verbesserungsbedürftige.

Früchte, Brot.

Den Wolf befiel ein ihm bis dahin unbekannter Zweifel.

5. Heiße Stufen

»Was zitterst du«, fragte, selbst von verhaltener Wut bebend, die Älteste der Vestalinnen auf der Treppe des Isottatempels eine jüngere Schwester. »Du wußtest doch, daß sie sich hier treffen würden und ihre Kriegsgeschäfte besprechen?«

»Das Blut ... Ich mag's nicht, wenn man uns beim Vergießen zusieht«, erwiderte die andre. Sie hätte sich gewünscht, daß man das anders machte – bei Nacht, im Fackellicht, so heimlich und heilig, wie die Malerei an vielen der Fassaden entstanden war, die noch aus der Zeit unmittelbar nach der Befreiung stammte: das allgegenwärtige Bild der gefiederten Schlange, meist in Vinyltinte, die Tierwappen in geometrischen Formen, die Sterne und Zeichen.

»Lange wird von uns nicht mehr erwartet werden, daß wir das Blut ausgießen«, tröstete die Erfahrene das unzufriedene Mädchen. »Das Wetzelchen wird bald verkündet werden.«

Dann deutete sie mit zweien der sieben Finger ihrer Rechten auf die verbrannte Stadt rings und auf die Monumente. Mit ihren scharfen Habichtsaugen erkannten beide, daß in den Fenstern der Kaufhausruinen und des Telekomhochhauses neue Gräser wuchsen, Veilchen blühten. Das Versprechen des Löwen war keine Floskel gewesen: Wir werden Gärten gründen.

»Zurück, Kinder. Zur Reinigung, zur Vorbereitung«, mahnte aus dem Tempelinnern ein bläulicher Schatten.

Die Habichtsmädchen gehorchten; sie gingen in die Hocke und beugten die Oberkörper zu den Treppenstufen, um nach den Resten der letzten Wimmelgreuel zu picken, die den Zugang zum Tempel entweihten. Einsammeln, knacken, ausspucken: Selbst das Blut der Heiligen hatte diese winzigsten Splitter der letzten Auseinandersetzung um den Stadtbesitz nicht von den Stufen waschen können.

Manchmal halfen nur Schnäbel.

6. Gutes und Schönes

Auf der Landstraße, die nach den vierzehn Vorstädten von Kapseits durchs sonst feuchte, in diesem satten Sommer aber ausgetrocknete Umland ins Weite führten, lagen, als wären sie Holzscheite, in großen Stapeln tote Abgetane.

Pferdedamen aus der feinen Gesellschaft der Schlafstadt pißten, wenn sie hier Rast hielten, mit Vorliebe auf diese schauerlichen Reste und hörten dabei in den Raschelbewegungen der dichtbelaubten Äste ausgewachsener Fahlbäume das primitive Pherinfonradio der Menschen vor den vielen Kleinigkeiten warnen, die jenen Unglücklichen ihr Ende bereitet hatten: »Achtung, das Wasser ist zu meiden. Es wurde kompromittiert und kontaminiert. Zur Arbeit für den Feind gezwungen! Achtung, das Wasser ist zu meiden! Wer Perrhobakter darin findet, soll sich nicht vor Dämonen fürchten, sondern die Probe an die Auswertung bei der Abwehr weitergeben! Achtung, das Wasser ist zu meiden!«

»Die reden«, entrüsteten sich die vornehmen Rösser, »mit ihren Leuten, als wollten sie den Trennungsstrich nicht ziehen zwischen wissenschaftlicher Gefahrenabschätzung und abergläubischer Angst.« »Die können«, gaben ihnen ihre Leitraben recht, »gar nicht genug betonen, daß es mit den Perrhobakterplagen eine ganz diesseitige Bewandtnis hat, daß das unsere Waffen sind.«

»Achtung«, imitierten die Stuten aus Kapseits dann manchmal leise wiehernd das Gezeter (und zugleich die Sprache des Amtes für gentile Wehrwissenschaften unter Izquierda, um auch dem Löwen und seiner Regierung etwas Spott anzutun), »das Wasser ist zu meiden, aber pfffrhh das Bewußtsein davon ist auch immer wachzuhalten, daß, wenn der pfrrhhhh einzelne Perrhobakter, ein Ergebnis von Evolution aus ganz und gar physikalischen Voraussetzungen genannt zu werden verdient – und jede gegenteilige Annahme oder Behauptung, whrhpffrr, stellt eine grobe Verletzung des Evolutionsprinzips an sich dar –, wir auch sagen dürfen, Löwe hin, Löwe pfrrrh her, daß es sich bei so einem Perrhobakter letztlich um etwas durch sich selbst Erschaffenes und Erhaltenes handelt, das pffrrhh sich innerhalb der Grenzen des Erwartbaren bewegt und aufführt, mithin um ein Wesen, das nicht autonomer ist als, zum Beispiel, ein Kristall. Achtung, das Wasser ist zu meiden, rrrrha, während man den Merksatz aufsagt, daß eine recht alltägliche Sorte Selbstbestimmung im Werden des Kristalls allzeit pfrrhhaa so unmittelbar gegeben ist wie im Werden des Perrhobakters.«

Die Pferdedamen prusteten vor Abscheu, teils auch aus Mitleid.

Sie waren nicht so herzlos, wie sie schienen. Was sie den Menschen zugedacht hatten, wäre ihnen für Gente als eine unbegreifliche Grausamkeit erschienen. Anderen Untertanen des Löwen die Hilfe zu verweigern fiel ihnen nicht ein.

Oft trugen sie vielmehr kompakte, auf ganz bestimmte Gente zugeschnittene Cytokincocktails über Land, ihnen anvertraut von Ärmeren, die sich die Verschlüsselung guter Gaben für Verwandte in Pherinfonsequenzen nicht leisten konnten. Aus diesem karitativen Postwesen hatten die Einfallsreicheren unter den Pferden inzwischen sogar etwas wie eine neue Kunstgattung gemacht, die sie in ihren eigenen Foren den »Tanz der lokativen Barmherzigkeit« nannten.

Von Dachspatrouillen dafür oft zurechtgewiesen (»Wie sollen wir das verzollen, als Geschenke, Kunstwerke, Kommunikationsmittel?«), sagten sie: »Warum nicht Gutes tun und zugleich Schönes?«

Das war ein Zitat des Löwen und damit unangreifbar.

7. Ob man die Frauen schützen sollte

Post aus guten Wünschen statt aus Waren: Die Dachse kennzeichneten alles, man wußte bei jeder Fracht, woran man war. Personae dazu, amtlich bestätigte Absender und Empfänger, gab's für alle gratis – der Name »Pferd« zum Beispiel bezeichnete natürlich nicht dieselbe Sorte Wesen wie vor der Befreiung, sondern der neue Pferdekopf wies so gut wie jedes andere Haupt jedes anderen Geschöpfs, das Sprache hatte, Hominidenzüge auf.

Hinter allen Gentestirnen blühte Bewußtsein aus demselben ersten Funken, den der Löwe den Gente eingehaucht hatte. So war ein Muster aus glühfädchenziehenden Markern auf den Karten der Taxa entstanden.

Die Unterscheidungen zwischen den echten Spezies aber waren, da jedes Geschöpf nur mehr nach seiner je eigensten Art schlug und nahezu alle mit allen andern Nachkommen zeugen konnten, ebenso sinnlos geworden wie die Unterscheidungen zwischen den Menschenrassen von dem Augenblick an gewesen waren, da der homo sapiens sich die Natur erstmals so weit dienstbar gemacht hatte, daß nun auch seine Gesellschaft nach vernünftigem Plan hätte eingerichtet werden müssen. Nach der Befreiung und der darauf folgenden größten Explosion im terrestrischen genetischen Gesamtmaterial seit dem Kambrium verstand man Post zwischen den Artenadressen, grobmaterielle wie pherinfonische, ähnlich wie Reisen, als ein Mittel, überall Verbindungen umzubauen. Die wichtigste Sorte Post waren selbstverständlich die Nachrichten von den großen geschichtlichen Umwälzungen selbst.



Besonders aufmerksam wurden in Kapseits, Landers und Borbruck während des satten Sommers, als die Kügelchen an den Quellen ausgestreut wurden, jene Nachrichten beachtet, die davon berichteten, was jenseits des Ozeans im Südwesten geschah.

Dort, erfuhren die Gente, hatten sich denkende Automaten, von pulssicherer Keramik geschützt, aus dem Schutt erhoben, um ein eigenes Gemeinwesen zu gründen.

Sie hatten sich zwei Anführer gewählt, einen, den sie Katahomenduende nannten, und einen zweiten, der Katahomencopiava hieß.

Als Cyrus Iemelian Adrian Vinicius Golden diesen Geschwistern per Pherinfon, Glasmorsen, Ansible und Briefpost (von Möwen zugestellt) seine Unterstützung »in allen Fragen der Erschaffung einer lebendigen, kraftvollen, blühenden Zivilisation« zusagte, kam es zwischen den beiden zu einem Richtungsstreit.

Aus Blatthorn, Larvenprotein und den letzten nicht verschmorten Festplatten der Langeweile türmten sie im ehemaligen Stadtzentrum Brasilias, vertieft in komplizierteste Debatten, sich selbst höher und höher, bis sie je fünfhundert Meter hoch waren.

Dann begann die Hauptverhandlung.



Katahomenduende erklärte: »Laß uns nicht vorgehen wie der Löwe drüben. Laß uns auch nicht in Melancholie versinken wie seine Kollaborateure im Norden, wo die Vogelfrau wohnt. Laß uns statt dessen die Menschen, wo wir noch welche finden, nach Männern und Weibern trennen. Laß uns die Männer töten und die Weiber unter unsern Obsidianschwingen bergen. Sie sollen die Sonne nicht sehen, es sei denn hinter dem harten Glas, das sie vor den Satelliten des Löwen verbirgt. Laßt sie uns zu Hebammen für ein nächstes Leben ausbilden. Laß dafür sorgen, daß sie in unseren Keramikanlagen Generationen verbesserter Geschöpfe zur Welt bringen, Wespen, Termiten, Gespensterschrecken, von denen der Löwe sich fürchten wird und seine Arroganz bereuen. Laß die Dankbarkeit der Frauen, die wir schonen, als angenehmen Lohn der Güte zu, die wir heute üben müssen, um uns von Cyrus zu unterscheiden. Besser als Altes zu verwerfen ist der Erwerb des Guten daran, Besitz und Nutzen.«

Katahomencopiava widersprach: »Sprich nicht vom Guten, wenn du nur das Alte meinst. Sprich nicht vom Besitz, wenn du die Lasten meinst. Sprich nicht vom Nutzen, wenn du deine Neugier stillen willst. Ein Gehege einzurichten, in dem von uns erst noch zu züchtende Varianten der homines sapientes sich vor den Nachstellungen des Löwen sicher wissen, hat keinen andern Nutzen als einen ästhetischen. Und der ist mager. Was willst du? Daß ich dir helfe, Zierat anzuhäufen, der deiner Eitelkeit schmeichelt? Was wünschst du von den Menschenweibchen, als daß sie dich zum Gott wählen sollen, der ihnen Wolkenbilder vormacht?«

Katahomenduende erwiderte: »Du redest von Eitelkeit, meinst aber die wichigsten Fragen unserer Existenz. Du machst, das ist ein großer Denkfehler, beinahe schon ein moralischer, viel zuviel Aufhebens von ganz nachrangigen Unterschieden zwischen erstens den Tieren, zweitens den Menschen und drittens uns.«

Katahomencopiava sträubte sich: »Die Unterschiede sind nicht klein. Hebammen, sagst du, was noch? Menschen sind aus anderen Menschen zusammengesetzt, Tiere aus Lust, Wut und Gnade, wir aber aus unsern logischen Voraussetzungen. Sind das unwichtige Unterschiede?«

Katahomenduende gab Wärmewellen ab, da arbeitete etwas, schwer und langsam, dann folgte die Antwort, die der Auseinandersetzung eine neue Richtung gab: »Was du sagst, trifft zu. Aber ebendiese Unterschiede, die nicht unwichtig sind, geben gute Gründe her für meinen Plan. Diese Menschen, aus denen, wie du sagst, andere Menschen zusammengesetzt werden, sind ja, betrachtest du ihr Herkommen, wiederum Tiere, und die logischen Voraussetzungen, aus denen wir stammen, beschreiben bis ins Kleinste des Spiels zwischen Behauptung, Widerspruch und Schluß die Art und Weise, in der man, sagen wir: aus Tieren Menschen macht und aus Menschen wieder Tiere. Was uns verbindet, ist die Logik, aus der heraus es überhaupt so etwas wie Logik geben kann. Die Brücken sind nicht biologisch, sondern inferentiell.«

Katahomencopiava schloß sonder Mühen auf: »Ausbildung, Prüfung, Zulassung der Weiber zu unseren empfindlichsten Aufgaben, den Angelegenheiten der Sicherung und Fortentwicklung des keramikanischen Lebens – wie lange, denkst du, wird das in Anspruch nehmen? Und womit, außer mit dem Erledigen von Arbeiten, die wir genausogut selbst erledigen könnten, wenn nicht besser, werden die Menschenweiber uns am Ende belohnen?«

Korrekturen und Emendationen des Gesagten schossen wie Köcherfliegen aus Licht im Femtosekundentakt zwischen den Transceivern auf den Spitzen der zwei Turmgewaltigen hin und her.

Katahomenduende, biegsam im Sichsträuben, wußte endlich auch auf die letzte Frage eine Antwort: »Wir werden, nun ja, eine Art Kopfsteuer erheben, um auf unsere Kosten zu kommen.«

Katahomencopiava lachte: »Was denn, Naturalien? Manufakturprodukte? Industrielle Fabrikate? Dienstleistungen? Schleiertänze? Schlechte Argumente, jämmerliche Künste?«

Katahomenduende war nicht zu erschüttern: »Die Kopfsteuer wird ihnen abverlangen, sich uns für ... heikle Forschungen zur Verfügung zu stellen.«

Katahomencopiava höhnte: »Was willst du erforschen? An denen? An solchen?«

Katahomenduende sagte darauf zuerst nichts.

Statt dessen schrieben, aus dem Innern des Turms, der das Gottkind war, Maserfinger dem Kontrahenten Bilder aufs Hirn, die schön waren, komplex und rätselhaft.

»Was ist das?« fragte Katahomencopiava, gegen seinen Willen fasziniert.

»Ein Tropfen Flüssigkeit«, klärte ihn Katahomenduende auf, »aus der Gebärmutter eines der Geschöpfe, über die wir reden. An der Luft getrocknet, sieht der, wie du hier erkennen kannst, unter starken Vergößerungsgläsern ...«

»...wie Farn aus.«

»Ja. Ein Fächer. Am Zustand dieses ... Phänomens kann man die Fruchtbarkeit ablesen«, er überspielte dem Bruder rasch weitere Bilder, »so sieht Gesundheit aus, und so«, mehr Bilder, »sieht Denaturiertes aus. Du erkennst, nehme ich an, die Muster? Die Dimensionen, nun, die ... die Dimensionalität?«

Katahomencopiava blinkte, wo sein Lesekopf war, warnend: Worauf Katahomenduende da eben hingewiesen hatte, war nicht für die niedere Öffentlichkeit bestimmt, die über Foren zugeschaltet war, und schon gar nicht für den Löwen Cyrus Iemelian Adrian Vinicius Golden auf der andern Seite des Ozeans.

Der Abgleich der Bilder mit tief in Erinnerungsspeichern aufbewahrtem Wissen hatte ihn auf uralte Automatenregeln gestoßen, die vor nichtkeramikanischen Intelligenzen zu diskutieren nicht nur seine Genierlichkeit, sondern auch jede militärische Vorsicht verletzt hätte.

Er gab nach. »Ich verstehe jetzt, du hast wirklich Gründe. Wir wollen ... intimer darüber weitersprechen. Ich war zu rasch mit meinem Urteil über deine ... ungewöhnliche Idee.«

»Dein Urteil ...«

»Ist also, dir zuliebe, ausgesetzt. Bis auf weiteres.«

»Du wirst die Frauen mit mir schützen, wenn wir welche finden?«

»Ich werde sie nicht jagen«, grollte der Skeptiker verhalten und setzte nach einer längeren Pause hinzu: »Und auch nicht jagen lassen, meinetwegen. Von keinem meiner Aktuatoren. Bis wir einig sind.«



Das genügte.

Katahomenduende hatte einen wichtigen Teilsieg errungen.

8. Ob die Frauen Schönheiten waren

Landers wuchs schon so lange über sich hinaus, daß niemand sich mehr wunderte, wenn Gente, die da wohnten, gar nicht mehr recht glauben konnten, daß die Stadt überhaupt je etwas anderes gewesen war als ein von allen begrenzenden Parametern befreites Wachstum.

Breit summte sie und glühend; auf ihren fünf Ebenen geschah alles, was überhaupt geschehen kann.

Sonnenlicht erreichte selbst die bodennahen Gente; ein kompliziertes System großer Spiegel, die man kippen konnte, sorgte dafür.

Landers war, anders als die Schlafstadt, die aus Vergangenheit gebaut schien, eine begehbare Vorahnung dessen, was Städte einmal sein würden, in hundert oder tausend Jahren. Die Gente hier galten in den andern Städten als vergnügungssüchtig, arrogant, reichlich nervös, kurz: kultiviert.