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Karte Avantia
Titelseite

 

 

 

 

 

Mit besonderem Dank an James Noble
 
Für Thomas Robert Maurice-Williams,
auch bekannt als Tom-Tom

Sei gegrüßt, Gefährte!

Zwar sind wir uns noch nicht begegnet, doch wie du habe auch ich Toms Abenteuer aufmerksam mitverfolgt. Weißt du, wer ich bin? Hast du schon einmal von Taladon dem Flinken gehört, dem Herrn der Biester? Ich bin zurückgekehrt – gerade rechtzeitig, damit mein Sohn Tom mich vor einem Schicksal bewahren kann, das noch schlimmer ist als der Tod. Denn der böse Magier Malvel hat mir etwas Wertvolles gestohlen. Und solange Tom seine nächste Aufgabe nicht erfüllt hat, kann ich nicht wieder vollständig ins Leben zurückkehren. Bis dahin bin ich weder Geist noch Mensch und muss zwischen den Welten wandeln und abwarten. Ich bin nur zum Teil der Mann, der ich einst war. Tom allein kann mir meine frühere Stärke wiedergeben.

Wird Tom den Mut aufbringen, um seinem Vater zu helfen? Die Aufgabe, die ihm bevorsteht, bringt selbst den hartgesottensten Helden an seine Grenzen. Außerdem könnte es meinen Sohn teuer zu stehen kommen, sechs weitere Biester zu besiegen …

Mir bleibt nur die Hoffnung – darauf, dass Tom Erfolg hat und ich eines Tages wieder ganz bei Kräften sein werde. Willst du Tom bei seinem Kampf unterstützen? Ich weiß, dass ich mich auf meinen Sohn verlassen kann – kann ich auch auf dich zählen? Wir dürfen keinen Augenblick zögern! Von diesem neuen Abenteuer hängt so vieles ab.

Wir alle müssen tapfer sein!

Taladon

In der Höhle

In der Höhle war es stickig und der Gang vor ihnen wurde von einer Wand aus Steinen versperrt. Fren tippte seinem Cousin Bly auf die Schulter. „Das ist eine Sackgasse“, sagte er. „Wir sollten lieber umkehren.“

„Aber wir müssen unbedingt Kohle finden“, antwortete Bly. „Der Winter kommt bald und ich will meine Familie nicht frieren lassen.“ Er hielt die kleine, flackernde Laterne hoch und klopfte mit seiner Spitzhacke gegen die Steinwand. „Sie ist hohl“, sagte Bly und lächelte. „Wir können uns einen Weg hindurchschlagen.“

„Aber dann werden wir in das Verbotene Land gelangen“, sagte Fren ängstlich.

Bly schnaubte. „Ich glaube nicht an die Geschichten vom Verbotenen Land.“ Er klemmte die Lampe in einen Felsspalt in der Höhlenwand. „Außerdem gibt es auf der anderen Seite vielleicht Kohle.“

Bly hackte auf die Wand ein und Fren half ihm trotz seiner Angst. Sie schwangen ihre Spitzhacken im gleichen Rhythmus, das Echo der Schläge tönte von den Höhlenwänden wider wie fliegende Kieselsteine.

Es dauerte nur einen kurzen Moment, dann waren sie auf der anderen Seite.

Fren nahm Blys Laterne und beleuchtete die neue Umgebung. „Immer noch keine Kohle“, grummelte er.

Bly öffnete den Mund, um zu antworten, doch seine Stimme wurde von einem beängstigenden Dröhnen übertönt, das den Boden unter ihren Füßen erzittern ließ.

„Wir sollten gehen!“, rief Fren, als das Dröhnen noch lauter wurde. Das Geräusch kam ihm bekannt vor. Es war das Stampfen von sehr schweren Schritten.

Aus dem Schatten kam ein Wesen, das schrecklicher war als alles, was Fren jemals gesehen hatte. Das Biest war nicht viel größer als ein Mann, aber es war fünfmal so breit. Seine Schultern schrammten an den Wänden der Höhle entlang.

Fren kannte die Kreatur, aber nur aus alten Geschichten, die er für erfunden gehalten hatte. „Ein Troll!“, schrie er und stolperte rückwärts. Das Biest stampfte auf sie zu, seine gelben Zähne waren gebleckt. Fren konnte erkennen, dass die Hände des Trolls so groß waren wie Spaten und an den Fingern der rechten Hand hatte er lange, gebogene gelbe Krallen. „Lauf!“, schrie er Bly zu.

Aber Bly bewegte sich nicht. „Dieses verdammte Biest wird mich nicht daran hindern, weiter nach Kohle zu suchen!“, rief er und hob seine Spitzhacke.

Der Troll stürzte sich auf Bly, seine mächtigen Füße hinterließen bei jedem Schritt tiefe Krater im Boden. Im Licht der Laterne konnte Fren die großen Hängeohren und die tief liegenden Augen des Trolls sehen. Sie standen weit auseinander, dazwischen lag die breite Nase. Die Nasenflügel bebten, als das Biest in die Luft schnüffelte.

Bly stieß einen Schrei aus und zielte mit der Spitzhacke auf das schreckliche Ungeheuer.

Das Biest streckte ihm den Kopf entgegen und holte mit dem rechten Arm aus. Mit seinen scharfen Krallen hieb es nach Bly.

Fren rief eine Warnung, doch Bly reagierte nicht – er stand vollkommen still. Fren heulte vor Angst und Verzweiflung laut auf, als er sah, wie die Haut seines Cousins langsam die Farbe von Schiefer annahm und sein Körper ganz steif wurde. Bly hatte sich in grauen Stein verwandelt!

Schluchzend floh Fren Richtung Höhlenausgang. Hinter sich hörte er gieriges Schnuppern und dröhnende Schritte, die ihm verrieten, dass der Troll ganz nah war.

Wusch! machte es hinter ihm, als das Biest erneut seine Krallen herabsausen ließ.

Fren spürte keinen Schmerz, als sein Körper steif wurde. Nur Kälte fühlte er, bevor alles schwarz wurde.

Entkommen aus dem Dschungel

„Wir haben es fast geschafft“, sagte Tom. Er hieb mit seinem Schwert auf das dichte Gestrüpp ein, das ihnen den Weg aus dem Dunklen Dschungel im Verbotenen Land versperrte.

„Endlich“, sagte Elenna, als sie Toms Hengst Storm ins flache Grasland hinausführte. „Ich dachte schon, wir würden da nie wieder rauskommen.“

Storm wieherte erleichtert. Dicht hinter ihm lief Elennas zahmer Wolf Silver, er kläffte und rannte im Kreis herum.

Tom lachte und steckte sein Schwert in die Scheide. „Ich glaube, sie sind froh, dass sie wieder ungehindert laufen können.“

„Obwohl das hier nicht gerade ein sehr einladender Ort ist“, meinte Elenna. Sie betrachtete das tote Grasland, das sich, so weit das Auge reichte, vor ihnen ausbreitete. „Ich wusste nicht, dass es irgendwo in Avantia so tot und bedrückend aussehen kann.“

„Ich auch nicht“, sagte Tom und dachte an die Schönheit des restlichen Königreichs. Der böse Magier Malvel hatte schon mehr als einmal versucht, das Reich zu zerstören. Seinetwegen war Tom auf dieser Mission.

Der böse Magier hatte Toms Vater Taladon in einen Geist verwandelt. Tom musste nun die sechs Teile des Amuletts von Avantia finden, damit sein Vater wieder lebendig wurde. Malvel hatte die Amulettstücke im Verbotenen Land verteilt, wo sie von Geisterbiestern bewacht wurden. Diese schrecklichen Wesen konnten ihre Gestalt blitzschnell wechseln, im einen Moment waren sie noch ein Geist und im nächsten wieder aus Fleisch und Blut.

Tom hatte bereits zwei von ihnen besiegt und zwei Teile des Amuletts gefunden. Er hatte geschworen, auch die anderen vier Biester zu bekämpfen, obwohl er den Kampf ohne einige seiner magischen Kräfte antreten musste.