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Das Nesselhemd

© 2017 Jung und Jung, Salzburg und Wien
Alle Rechte vorbehalten
Umschlagbild: Approaching Shadow, 1954
Copyright by Fan Ho’s estate
courtesy of Themes+Projects, 2016
Umschlaggestaltung: BoutiqueBrutal.com
Druck und Bindung: CPI books GmbH, Leck
ISBN 978-3-99027-093-3

ELFRIEDE KERN

Das Nesselhemd

Roman

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Inhalt

Das Nesselhemd

In deinem Bettchen schlafen, von deinem Tellerchen essen, aus deinem Becherchen trinken, hat Sam gesagt und mir einen durchtriebenen Blick zugeworfen, habe ich geschrieben und den Stift ein wenig fester aufgedrückt. Nesselhemd, schwarzer Rabe, langes Warten, Moritz von Schwind, hat er gesagt und mir in großformatigen Büchern befremdliche Abbildungen gezeigt. Eine Frau mit langen Haaren ist nähend in einem hohlen Baumstumpf gesessen, ich habe Sam angesehen, was hält sie in der Hand?, habe ich gefragt, eine Nadel, hat er gesagt.

Siehst du, woran sie näht?, hat er gefragt, keine Ahnung, habe ich achselzuckend gesagt, an einem Nesselhemd, hat er gesagt, habe ich geschrieben. Ich habe den Stift weggelegt und eine Weile aus dem Fenster hinaus auf die sonnenbeschienene Lichtung geschaut. Ich habe mir gedacht, dass ich alles in allem Glück gehabt habe. Hier kann ich in Ruhe und völliger Abgeschiedenheit wieder zu Kräften kommen. Bis auf das ständige Schaben und Scharren an meiner Hauswand stört nichts die Idylle. Es ist aber bloß Ezra. Das bedauernswerte Geschöpf möchte, dass ich es hereinlasse und in meiner Nähe dulde, aber daraus wird nichts. Ich habe die beiden vor mir liegenden Schulhefte betrachtet, in Alices nur, was tatsächlich stattgefunden hat, in Sams alles, was sich vielleicht zutragen wird, habe ich mir gedacht und seufzen müssen. Jetzt führt er schon wieder etwas im Schilde, ich kenne die Anzeichen mittlerweile, habe ich in Alices Heft geschrieben und Sams hämischen Blick deutlich vor Augen gehabt. Empfiehlt er mir einen Tapetenwechsel, hat er bereits einen ausgeklügelten Plan. Wenn du mal ein wenig länger wegbliebest, wäre uns allen geholfen, sagt er, habe ich geschrieben, und dass er sich in meiner Abwesenheit um alles kümmern will, um das Haus, den Garten, um alles. Aber so schnell lasse ich mich nicht überreden, habe ich geschrieben und beschrieben, wie ich ihn noch eine ganze Weile zappeln habe lassen. Dann, plötzlich, ohne äußeren Anlass, bin ich seinem Plan doch nähergetreten. Er hat vor Freude die Hände über dem Kopf zusammengeschlagen und sogleich angekündigt, eine detaillierte Reiseroute für mich erstellen zu wollen. Meine Einwände hat er mit einer Handbewegung beiseitegeschoben.

Wir sollten alles so schnell wie möglich unter Dach und Fach bringen, hat er gesagt, habe ich geschrieben, die kalte Jahreszeit steht vor der Tür. Keinesfalls sollst du dich erkälten oder womöglich gar richtig krank werden. Ich habe versucht, noch eine Gnadenfrist herauszuholen, gemach Sam, habe ich immer wieder gesagt, ich habe mich noch nicht endgültig entschlossen, ich muss mich nicht um jeden Preis auf den Weg machen. Ich habe beteuert, dass ich mich auch zu Hause ganz wohl befinde, aber davon hat Sam nichts mehr wissen wollen. Unsinn, Meret, hat er gesagt und auf meine fragile Gesundheit, meinen Gewichtsverlust und auf meine Schlaflosigkeit hingewiesen. Zu guter Letzt hat er ein Datum für meine Abreise festgesetzt. Wohin schickst du mich denn?, habe ich immer wieder gefragt, aber Sam hat jede Auskunft verweigert. Lass mich nur machen, Meret, hat er gesagt und mehrmals beteuert, dass alles zu meiner vollkommenen Zufriedenheit geregelt werden wird. Das Schaben und Scharren hat für einen Augenblick aufgehört, und ich habe erleichtert aufgeatmet. Kann eigentlich nur Ezra sein, habe ich mir gedacht, und dass ich keinesfalls die Tür öffnen sollte. Einfach nicht hinhören, einfach weiterschreiben, habe ich mir gedacht und eine neue Seite in Sams Heft aufgeschlagen. Alles wird aufs Beste vorbereitet sein, hat Sam beteuert, habe ich geschrieben, in keinem Moment wirst du dich fragen müssen, warum du gerade hier gelandet bist. Er hat mich nach meiner Lieblingshimmelsrichtung gefragt. Unbedingt der Norden, habe ich wie aus der Pistole geschossen gesagt und Sam zufrieden nicken gesehen. Norden ist sehr gut, hat er gesagt und sich sogleich daran gemacht, seine Karten auf Wege, die geradewegs nach Norden führen, abzusuchen. Er hat sie mit dicken roten Strichen markiert. Dass er die Wanderkarten damit mehr oder weniger unlesbar gemacht hat, ist ihm erst danach aufgefallen. Oje, hat er gesagt und besorgt auf das Gewirr aus roten Linien geschaut, ich habe deinen Weg unkenntlich gemacht, wirst du ihn überhaupt noch erkennen können. Aber sicher, Sam, habe ich gesagt, sei unbesorgt. Sam ist voll Eifer bei der Sache gewesen, ich bin bald so weit, hat er immer wieder verkündet und sich die Hände gerieben, bald können wir dich losschicken. Welches ist dein Lieblingsmärchen, Meret. Hab keines, habe ich gesagt, die sieben Raben, hat Sam gesagt und meine Einwände nicht weiter beachtet, es ist doch sicher das von den sieben Raben. Meinetwegen, habe ich gesagt, die sieben Raben also, hat er gesagt, das passt ausgezeichnet. Lies es nach, Meret, hat Sam gesagt, mir das großformatige Buch wieder vorgelegt und mich angewiesen, besonders auf die Abbildungen zu achten. Gefallen mir gar nicht, habe ich gesagt und Sam damit nachhaltig verärgert. Es ist schwer, etwas bestmöglich vorzubereiten, wenn man auf offenes Misstrauen und auf Unverständnis stößt, hat er gesagt und über meine Renitenz den Kopf geschüttelt.

Um die optimale Reiseroute erstellen zu können, muss ich doch über alle deine Vorlieben Bescheid wissen, hat er hinzugefügt und mir vorgeworfen, dass ich seine Bemühungen sabotiere. Also habe ich mich pflichtschuldig in das Buch vertieft. Seite siebenundsiebzig, hat er gesagt, Nesselhemd, schwarzer Rabe, langes Warten, Moritz von Schwind. Ich habe die Abbildungen lange betrachtet und mich an eine meiner letzten Irrfahrten erinnert, als ich für eine Weile bei einem sehr freundlichen Herrn unterschlüpfen habe können. Weil der Herr ein großer Kunstfreund gewesen ist, haben wir abends manchmal in seinen zahlreichen Bildbänden und Kunstbüchern geblättert. Auch er hat mir ein großformatiges Buch besonders ans Herz gelegt. Hierin wollen wir uns besonders vertiefen, hat er gesagt und mich aufgefordert, genau hinzusehen. Sieh nur, was die schöne Dame da in der Hand hält, hat der freundliche Herr gesagt. Ich habe meine Augen über die Maßen angestrengt, es aber nicht genau sehen können.

Sieh genau hin, hat er gesagt, aber ich habe störrisch den Kopf geschüttelt und weiter blättern wollen. Der freundliche Herr hat meine Hand festgehalten. Willst du nicht wissen, was es damit auf sich hat?, hat er gefragt, nein, habe ich gesagt, aber ergeben zugehört, als er sein umfassendes Wissen vor mir ausgebreitet hat. Er hat den Abstand zwischen uns stetig verringert, sodass ich schließlich abrupt aufgestanden bin und gebeten habe, mich zurückziehen zu dürfen. Na, dann lassen wir’s gut sein, hat der freundliche Herr resigniert gesagt, mir das Buch aus den Händen genommen und es unwirsch zugeklappt. Ich habe den Vorfall völlig vergessen gehabt, erst viel später, erst als ich das Nesselhemd selber tragen habe müssen, ist mir der Gedanke gekommen, dass auch das ein Fingerzeig war. Das Schaben und Scharren an der Hauswand hat erneut eingesetzt, und ich habe mir für einen Moment die Ohren zugehalten. Das hat aber nichts genützt. Es ist ein alles durchdringendes Geräusch gewesen, und ich habe die Hände sinken lassen. Ezra soll sich an meiner Hauswand schaben, das bedauernswerte Geschöpf kann schließlich tun und lassen, was es will, habe ich mir gedacht, den Stift wieder aufgenommen und mich um eine gut lesbare Schrift bemüht.

Sam heckt schon wieder etwas aus, habe ich geschrieben, noch könnte ich seine Pläne sabotieren, ich mache es aber wie immer. Ich verharre und stelle mich tot, zumal Sam geradezu behutsam vorgeht. Ein Tapetenwechsel würde dir guttun, Meret, sagt er, aber noch tue ich so, als verstünde ich nicht. Letztlich wird es mir nichts nützen, das weiß ich jetzt schon. Wie Sam früher, so Sam jetzt, habe ich geschrieben, den Stift weggelegt und mir Sams und mein letztes Vorhaben ins Gedächtnis gerufen. Er hat meine Belastungsfähigkeit testen wollen und angeregt, dass ich mehrere Märsche mit schwerem Gepäck unternehme. So können wir sehen, was wir dir zumuten können, hat er gesagt, und dass er unbedingt wissen muss, welche Strecke ich an einem Tag zurücklegen kann. Gleich am nächsten Tag, im Morgengrauen, marschierst du los, hat er gesagt und meine Einwände gar nicht weiter beachtet. Wir sehen zu, dass du den ersten Bus erwischst, hat er gesagt und mich aufgefordert, früh zu Bett zu gehen.

Er hat mich zu nachtschlafender Zeit geweckt, steh auf, Meret, hat er gesagt, alle Lichter angedreht und mich zur Eile angetrieben. Da ich nicht daran gewöhnt bin, so früh geweckt zu werden, hat es eine Weile gedauert, bis ich bereit war aufzustehen. Sams Unwille ist mit Händen zu greifen gewesen. Er hat mich geheißen, mir einen Rucksack, den er eigens für mich vorbereitet hat, aufzuladen, und mich dann zur Bushaltestelle begleitet. Wir haben lange auf den Bus warten müssen, und als er endlich gekommen ist, hat uns der Fahrer einen misstrauischen Blick zugeworfen. Wohin wollt ihr beide denn so früh?, hat er gefragt, hier steigt normalerweise nie jemand ein. Wir wollen an den Stadtrand, hat Sam gesagt.

Meret wird eine kleine Wanderung machen und versuchen, aus eigener Kraft zurück in die Stadt zu gelangen. Verstehe, hat der Busfahrer gesagt und verständig genickt, dann aber auf das schlechte Wetter hingewiesen. Ihr habt euch nicht gerade den günstigsten Tag ausgesucht, hat er gesagt. Wieso?, hat Sam gefragt, weil es gleich zu regnen beginnen wird, hat der Busfahrer gesagt. Aber das hat Sam mit einem Achselzucken beiseitegeschoben und behauptet, dass ich bestens ausgestattet bin. Sie hat alles dabei, hat er gesagt, Regenmantel, Schirm, Gummistiefel, einfach alles. Außerdem ist Meret eine robuste Natur, hat er gesagt und mir eine Wegskizze ausgehändigt. Hier ist alles genau aufgezeichnet, hat er gesagt, ich habe mir große Mühe gegeben damit.

Du solltest den Rückweg problemlos finden, ich erwarte dich in den Abendstunden zurück. Ich aber habe unbehaglich meine Schultern unter dem schweren Rucksack bewegt. Soll ich den etwa den ganzen Weg mitschleppen?, habe ich gefragt. Versteht sich, hat Sam gesagt, wir wollen alles so gut wie möglich simulieren, und dazu gehört unbedingt ein schweres Gepäckstück. Deshalb wirst du den Rucksack schön brav zurück in die Stadt tragen, hat er gesagt, dann sehen wir, ob wir für deine Reise vielleicht doch ein bisschen weniger einpacken sollen.

Ich habe Sam zu verstehen gegeben, dass ich nicht sonderlich angetan bin von seinen Vorbereitungen, habe geschwiegen und aus dem Fenster geschaut. Die Endhaltestelle des Busses liegt weit außerhalb der Stadt, mitten in einem Waldstück. Alles aussteigen, hat der Busfahrer gerufen, und Sam hat eine auffordernde Handbewegung in meine Richtung gemacht. Du kommst nicht mit?, habe ich gefragt, natürlich nicht, hat Sam gesagt, du wirst auf dich allein gestellt sein, wie später ja auch. Dann hat er mich geheißen, den Rucksack aufzunehmen, ohne mir zur Hilfe zu kommen. Der Busfahrer hat uns im Rückspiegel betrachtet und den Kopf geschüttelt über Sams Unhöflichkeit, ich habe es ganz deutlich gesehen. Sam hat meine Ungeschicklichkeit beklagt und sich schließlich doch bequemt, aufzustehen und mir behilflich zu sein. Sitzt doch perfekt, hat er gesagt, ist nicht zu schwer und nicht zu leicht, gerade richtig. Und jetzt fort mit dir, hat er gesagt und mir einen aufmunternden Klaps versetzt, sieh zu, dass du weiterkommst, du hast keine Zeit zu verlieren. Ich bin mit dem schweren Rucksack aus dem Bus gestiegen und habe mich erst einmal in das gläserne Wartehäuschen gesetzt, während Sam hinter der Fensterscheibe auffordernde Gesten gemacht hat.

Wieso lassen Sie die Dame hier alleine zurück?, habe ich den Busfahrer fragen gehört, Sams Antwort aber nicht verstanden. Ich habe mich eine Weile abgemüht, das Gewicht besser auf meinem Rücken zu verteilen, habe an diesem und jenem Riemen gezogen und die verstellbaren Bänder hin und her gerückt, aber es hat nichts wirklich helfen wollen, er ist einfach zu schwer gewesen. Lassen Sie mich Ihnen helfen, meine Dame, hat der Busfahrer gesagt, nachdem er seinen Fahrersitz verlassen hat. Er hat mir gezeigt, wie sich der Rucksack besser schultern lässt.

Sam hat uns von drinnen zugesehen und über meine Ungeschicklichkeit mehrmals den Kopf geschüttelt. Dass ich es zugelassen habe, dass sich der Busfahrer um mich kümmert, ist ihm ein Dorn im Auge gewesen. Später hat er mir wieder und wieder ans Herz gelegt, möglichst keine Hilfe anzunehmen. Als der Bus losgefahren ist, hat er sein Gesicht an die Scheibe gepresst und aufmunternde Gesten gemacht. Der Busfahrer muss etwas zu Sam gesagt haben, denn Sams abwehrende Handbewegung, die ich deutlich habe sehen können, kann unmöglich mir gegolten haben. Ich habe es vorgezogen, mich erst noch ein wenig auszuruhen. Wie lange ich auf der Bank des Wartehäuschens gesessen bin, weiß ich nicht mehr. Erst als der nächste Bus in die Haltestelle eingefahren ist, habe ich den Rucksack geschultert und begonnen, die Straße entlangzugehen.

Das ist mir anfangs schwergefallen, dann aber, nach etwa einer halben Stunde, zunehmend leichter. Bald habe ich das Gewicht auf meinem Rücken gar nicht mehr gespürt. Ich bin der Route, die der Bus nimmt, gefolgt, habe an jeder Bushaltestelle ein wenig gerastet und den Fahrplan studiert. Zu guter Letzt habe ich es mir ein wenig leichter gemacht und einen der Busse zurück in die Stadt genommen. So war ich schon am Nachmittag wieder zu Hause, was Sam in allergrößtes Staunen versetzt hat. Bravo, Meret, hat er gesagt, das hätte ich dir gar nicht zugetraut, ich kann also deine täglichen Wegstrecken durchaus noch verlängern. Sogleich hat er sich an seinen Plänen und Skizzen zu schaffen gemacht und mir in Aussicht gestellt, dass ich so mein Etappenziel noch vor Wintereinbruch erreichen kann. Als ich ihn aufgefordert habe, mir mehr über mein Etappenziel zu erzählen, hat er sich aber bedeckt gehalten.

Zu viele Informationen verwirren dich nur, hat er gesagt, aber sei beruhigt, es wird für alles gesorgt sein. Meine Freunde werden dich schon erwarten und mit offenen Armen aufnehmen, du wirst sehen. Tatsächlich ist man mir anfangs aber mit größtem Misstrauen begegnet, habe ich geschrieben. Das kann jede sagen, dass sie von Sam kommt, haben Sams Freunde gesagt, und es hat mich einige Mühe gekostet, sie davon zu überzeugen, dass ich tatsächlich die bin, die er angekündigt hat. Sam hat in höchsten Tönen von seinen Freunden gesprochen und mir in Aussicht gestellt, dass ich jede Hilfe bekomme, die ich brauche. Hast du’s bis dahin geschafft, kannst du dir ohne Weiteres eine Pause gönnen, hat er gesagt und einen Stadtplan auseinandergefaltet, um mir zu zeigen, wo seine Freunde wohnen. Hier steigst du den Berg hinauf, hier gehst du die Festungsmauer entlang und hier stößt du auf kleine, steinerne Häuschen, die zwar verlassen aussehen, aber dennoch bewohnt sind. Du wirst natürlich nicht allein sein da oben, hat er gesagt, aber man wird dich nicht wegschicken, wenn du dich auf mich berufst. Sie werden dich eine Weile da wohnen lassen, hat er gesagt und ist auf meine Einwände gar nicht erst eingegangen.

Dass mein Weg dorthin kein Spaziergang sein wird, hat er allerdings hinzugefügt. Das kann ich jetzt, im Rückblick, bestätigen. Dass ich immer wieder aufgehalten worden bin, davon rede ich gar nicht. Auch nicht davon, dass es ein paarmal zu unangenehmen Begegnungen gekommen ist. Wie lange ich insgesamt unterwegs war, weiß ich nicht mehr, dass ich Sams Zeitplan aber nicht habe einhalten können, ist eine Tatsache. Eine etwas größere Stadt wird dein erstes Etappenziel sein, hat Sam gesagt, sieh zu, dass du zügig vorankommst. Anfangs habe ich noch versucht, Sams Ratschläge zu beherzigen, und mich über Gebühr angestrengt. An Schlaf ist über weite Strecken kaum zu denken gewesen. Zudem bin ich gleich am Anfang vom Weg abgekommen, weil es mir nicht leicht gefallen ist, mich in Sams wirren Skizzen zurechtzufinden. Die Wälder im Norden sind von großen Straßen durchzogen, die von ebenso großen durchkreuzt werden. Wenn du dich strikt an die Wegweiser hältst, kann dir gar nichts passieren, hat Sam gesagt, weichst du aber nur ein wenig vom Weg ab, gehst du in die Irre und bist so gut wie verloren, also pass auf. Trotz aller Vorsicht hatte ich mich bald heillos verirrt und habe einen am Straßenrand Sitzenden nach dem Weg gefragt. Ich habe ihn Sams Skizzen sehen lassen, und er hat sie lange studiert. Schließlich hat er den Kopf geschüttelt und mir die Blätter mit einem bedauernden Achselzucken wiedergegeben. Sie sind weitab vom Schuss, hat er gesagt, das Beste wäre, Sie machen kehrt und gehen einfach zurück. Ich habe den Kopf geschüttelt, zeigen Sie mir nur, wie ich am schnellsten wieder auf den richtigen Weg komme, habe ich gesagt und den Mann auffordernd angeschaut. Wenn du das unbedingt willst, hat er gesagt und mir bedeutet, ihm zu folgen. Als er mich tiefer ins Dickicht geführt hat, bin ich zurückgeblieben, schließlich hat Sam mir eingeschärft, niemandem zu vertrauen.

Bald habe ich den Mann aus den Augen verloren und bin den einmal eingeschlagenen Weg einfach weitergegangen. Als der erste größere Ort in Sicht gekommen ist, habe ich nicht gewusst, wohin ich mich wenden soll, und mich zu den Obdachlosen gesellt. Was führt dich hierher?, haben sie gefragt, und ich habe wahrheitsgetreu Auskunft gegeben. Den falschen Weg gewählt, gleich zu Beginn, habe ich gesagt, und dann einfach geradeaus weitergegangen, bis hierher. Und jetzt willst du für eine Weile hier bei uns bleiben?, hat die einzige Frau in der Runde gefragt, und weil ihre freundliche Miene mir Mut gemacht hat, habe ich Ja gesagt. Um mich ein wenig auszukurieren, habe ich hinzugefügt und demonstrativ gehustet. Tatsächlich habe ich mich ein wenig kränklich gefühlt und mir gedacht, dass Sam mich nicht im Spätherbst hätte losschicken dürfen. Wenn du Ruhe haben möchtest, schau dich bei der Festungsmauer um, hat die Frau gesagt, da gibt es kleine gemauerte Häuschen, wo du niemanden kümmerst und unbehelligt bleibst.

Ich habe den Ratschlag der Frau, die im Übrigen Alice geheißen hat, beherzigt, mich zur Festungsmauer aufgemacht und das am wenigsten zugige Häuschen ausgewählt. Stutzig gemacht hat mich, dass Sam immer von einer ebensolchen Festungsmauer und ebensolchen kleinen gemauerten Häuschen gesprochen hat, wenn es um mein erstes Etappenziel gegangen ist. Hat wohl irgendwas verwechselt, habe ich mir gedacht und mich wohnlich eingerichtet. Bald war ich gänzlich wiederhergestellt, guter Dinge und habe die Zukunft und meine Weiterreise im allerrosigsten Licht gesehen, was nicht zuletzt Alices Verdienst gewesen ist. Ich habe ihr von Sams und meinen Plänen erzählt, und sie ist der festen Überzeugung gewesen, dass ich die an mich gestellten Forderungen bravourös meistern werde. Du machst das schon, Meret, hat sie ein ums andere Mal gesagt und mir ermutigend auf die Schulter geklopft. Schnell ist sie mir zur lieben Freundin geworden. Wir haben viel Zeit miteinander verbracht, haben weite Spaziergänge unternommen, und manchmal, abends, bin ich neben ihr gesessen und habe ihr bei ihren Schreibübungen zugesehen. Ein großes Notizheft ist vor ihr auf dem Tisch gelegen. Sie hat konzentriert eine Seite nach der anderen vollgeschrieben. Was machst du da, Alice?, habe ich gefragt und mich an Sams Schulheft erinnert, das zuunterst in meinem Rucksack gelegen ist. Schreib alles auf, Meret, hat er gesagt, als er es mir knapp vor Beginn meiner Reise gegeben hat, alles, was dir unterwegs begegnet. Was immer dir zustößt oder zustoßen könnte, schreib es auf, hat er gesagt, und ich habe gehorsam genickt und das Heft tief unten in meinem Rucksack verstaut.

Um die Wahrheit zu sagen, ich habe es sogleich vergessen, weil ich der Meinung gewesen bin, dass sich ohnehin nichts Aufschreibenswertes ereignen würde. Was schreibst du da, Alice?, habe ich gefragt, alles Mögliche, hat sie gesagt, ich schreibe auf, was mir tagsüber zugestoßen ist oder zustoßen hätte können, da mache ich keinen Unterschied. Willst du es lesen?, hat sie gefragt und mir das Heft über den Tisch zugeschoben, aber ich habe energisch den Kopf geschüttelt und gesagt, dass ich nicht indiskret sein möchte. Das bist du nicht, Meret, hat Alice aber gesagt und das Heft aufgeschlagen vor mich hingelegt. Also habe ich gehorsam zu lesen begonnen.

Anfangs habe ich meine Schwierigkeiten mit Alices Handschrift gehabt. Was steht da, Alice?, habe ich mehr als einmal fragen müssen, und sie hat mir bereitwillig Auskunft gegeben. Bei mir habe ich aber gedacht, dass Alice ein überaus langweiliges Leben hat. Müsste man nicht unbedingt so detailliert aufschreiben, habe ich mir gedacht, aber selbstredend allergrößtes Interesse vorgeschützt. Erst nachdem ich etwa in der Mitte des Heftes angelangt war, habe ich mich unter einem Vorwand davongestohlen.

Am nächsten Tag hat Alice gemeint, dass ich allmählich aufbrechen sollte, und ich habe ihr recht geben müssen. Das Wetter wird zunehmend schlechter, und du solltest vor dem ersten Regen möglichst weit gekommen sein, hat sie gesagt und mir geholfen, meine Habseligkeiten zusammenzupacken. Ich bin einverstanden gewesen, Alice hat mich noch bis zur Ortsgrenze begleitet und mir ein baldiges Wiedersehen in Aussicht gestellt. Bis dahin hältst du die Ohren steif, Meret, hat sie zum Abschied gesagt und mir ein Geschenk überreicht. Ich bin gerührt gewesen, habe das Päckchen sogleich geöffnet und gesehen, dass Alice mir ein Notizheft geschenkt hat, genauso eines, wie sie selber eines hatte. Schreib alles auf, Meret, hat sie gesagt, alles, was dir widerfährt oder widerfahren könnte.

Danke, Alice, habe ich gesagt. Dass schon Sam mir ein ebensolches Heft geschenkt hat, habe ich verschwiegen. Alice hat mir ein letztes Mal ermutigend auf die Schulter geklopft und mir einen kleinen Schubs in die richtige Richtung gegeben. Los jetzt, hat sie gesagt, fort mit dir, und sieh zu, dass du an deinem ersten Tag so weit wie möglich kommst. Sie hat mir verboten, mich nochmals nach ihr umzudrehen, woran ich mich auch gehalten habe. Ich bin zielstrebig vorwärts gegangen und gut vorangekommen. Als es Abend geworden ist, habe ich mich auf einer Waldlichtung wiedergefunden. Die Hütte in der Mitte der Lichtung ist die einladendste gewesen, und ich bin ohne Zögern darauf zugegangen, obwohl mir Sam eingeschärft hat, stets größte Vorsicht walten zu lassen.

Muss nicht zwangsläufig unbewohnt sein, habe ich mir gedacht, bin aber, weil kein Rauch aus dem Schornstein gestiegen ist, zu dem Schluss gelangt, dass sie leer stehen muss. Ich habe mich gestreckt und durch eines der weit über dem Boden angebrachten Fenster gelugt. In dem dunklen Raum habe ich nicht viel ausmachen können, nur einen Tisch und zwei Sessel. Ist es klug, hier einfach einzudringen?, habe ich mich gefragt und mich nach allen Seiten umgesehen. Weil es aber bereits gedämmert hat und eine Regenwolke drohend herangezogen ist, habe ich das Fenster aufgestoßen, mich mit einiger Mühe über das weit vorstehende Fensterbrett gehievt und bin kopfüber auf den rauen Dielenboden gefallen. Eine ganze Weile bin ich wie betäubt dagelegen. Dann ist mir der Gedanke gekommen, dass ich mein erstes Etappenziel vielleicht schon erreicht habe. An deinem ersten Etappenziel kannst du bleiben, solange du willst, hat Sam ausdrücklich gesagt und die besagte Stelle rot markiert.

Dort wird dich auch meine erste Nachricht erreichen, hat er gesagt, und nur dort wirst du erfahren, wie es mit dir weitergeht. Später dann, als ich Sams Pläne bei Licht studiert habe, hat sich allerdings gezeigt, dass ich weitab vom Schuss gelandet bin. Aber fürs Erste kann ich ganz zufrieden sein, denke ich.

Ich habe vor, möglichst lange zu bleiben. Ezras lästige Avancen, das Schaben und Scharren, das einmal lauter zu hören ist und dann wieder leiser, sind zwar ein Wermutstropfen, lassen sich aber mit einigem Bemühen überhören. Ich habe ein Dach über dem Kopf, reichlich Vorräte in dem Schränkchen über dem Herd und sogar eine Bettstatt in der Ecke. Riskiere nichts, hat Sam mir immer wieder eingebläut, und ich habe ihm hoch und heilig versprechen müssen, mich in jedem Fall daran zu halten. Ich schlage eine neue Seite in Alices Heft auf und beschreibe meinen Unterschlupf aufs Genaueste. Ich bemühe mich um eine möglichst leserliche Schrift und verschweige nicht, dass das Dach der Hütte löchrig ist und die Einrichtung überaus spärlich. Sie hat bloß aus einem Tisch, der Bettstatt in der Ecke, ein paar Stühlen und einem wackligen Vorratsschrank über dem Herd bestanden. Ich habe den Stift weggelegt, auf meinen Rucksack geschaut und mir gedacht, dass ich ein wenig Ordnung in meine Habseligkeiten bringen könnte. Weil ich nun schon einmal hier bin und weil sich diese Hütte als richtiger Glücksfall entpuppt hat. Ich habe den Plan gefasst, mehrere Tage zu bleiben. Hier bleiben, so lange wie möglich, habe ich mir gedacht, einen Stuhl ans Fenster gezogen und auf die Lichtung und die bereits völlig im Dunkeln liegenden Bäume geschaut. Auch das Schaben und Scharren ist jetzt nicht mehr zu hören. Ezra hat wohl eingesehen, dass alle Bemühungen, mein Herz zu erweichen, nutzlos sind. Ich werde ein Feuer anfachen, Wasser vom Brunnen holen und Tee machen, habe ich gedacht und vorsichtig die Tür geöffnet. Tatsächlich ist von Ezra weit und breit nichts zu sehen gewesen. Bloß Dunst ist vom Gras aufgestiegen, die hohen Bäume sind im Schatten gelegen und zwischen den einzelnen Baumstämmen war es bereits nahezu finster. Ich bin zielstrebig zum Brunnen gegangen. Das Wasser aus dem viel zu hohen Hahn hat mich sofort durchnässt, und ich habe zugesehen, dass ich so schnell wie möglich wieder ins Trockene gelange. Mein Wunsch, endlich heißen Tee trinken zu können, ist mit einem Mal der allerdringlichste gewesen. Es ist mir gleich gelungen, ein Feuer im Herd anzufachen, und ich habe gedacht, dass sich doch alles immer zum Besten wendet.

Während ich gewartet habe, bis das Wasser kocht, habe ich Sams Heft aufgeschlagen, die erste Seite aufgeschlagen und ein wenig vorgegriffen. Nun habe ich mein erstes Etappenziel erreicht, habe ich geschrieben und mich über mich selber gewundert.

Bis jetzt ist alles glatt gegangen, habe ich geschrieben. Es ist sogar alles bestens verlaufen, bis auf den einen, kleinen, unangenehmen Zwischenfall, der sich aber gewiss nicht mehr wiederholen wird. In der Folge habe ich beschreiben wollen, was mir widerfahren ist, aber schon nach den ersten Worten habe ich den Stift wieder weggelegt. Stattdessen bin ich aufgestanden und ein wenig in der Hütte auf und ab gegangen. Die rauen, ungehobelten Fußbodenbretter unter meinen Füßen haben sich angenehmer angefühlt als die dicken, jeden Laut dämpfenden Teppiche in meinem Haus. Ich habe über Sams und meinen Plan nachgedacht und mich gefragt, ob unser Unternehmen diesmal glücken wird.

Sam hat alles penibel vorbereitet, so gut er es eben gekonnt hat. Du konzentrierst dich darauf, dein erstes Etappenziel so rasch wie möglich zu erreichen.

Bist du dort angelangt, bekommst du Nachricht von mir, hat er mir eingebläut und sich durch oftmaliges Nachfragen vergewissert, dass ich alles verstanden habe. Aber wie wirst du wissen, dass ich mein Etappenziel erreicht habe?, habe ich gefragt. Lass das meine Sorge sein, hat Sam gesagt und sich diesbezüglich bedeckt gehalten. Es ist aber so, dass ich bereits jetzt, ganz am Anfang, Sams sorgfältig ausgearbeitete Pläne mehrmals durchkreuzt habe. Durchkreuze keinesfalls meine Pläne, hat er mehr als einmal zu mir gesagt und mir klargemacht, dass meine Verantwortung für unsere Unternehmung die allergrößte ist. Deine monate-, wenn nicht jahrelange Abwesenheit ist unbedingt notwendig, um alles zum Guten zu wenden. Kehrst du zu früh zurück, war alles umsonst, halte dir das immer vor Augen, hat er gesagt. Ich habe auf meine auf dem Boden liegenden Habseligkeiten geschaut. Auf der Suche nach Sams Heft habe ich meinen Rucksack zur Gänze leeren und den Inhalt durcheinanderwerfen müssen, bis es zu guter Letzt etwas verbogen und zerknittert zum Vorschein gekommen ist. Alices Geschenk hingegen habe ich sogleich zur Hand gehabt. Schreib alles auf, hat Sam gesagt, als er mir das Heft überreicht hat. Ich erwarte einen lückenlosen Bericht.

Schreib auf, was dir begegnet, was dir zustößt oder eben nicht zustößt, gerade so, wie es dir in den Sinn kommt. Sieh zu, dass man dich, egal wo du hinkommst, einigermaßen freundlich aufnimmt. Das ist alles, was du tun musst, haben entweder Sam oder Alice gesagt, ich weiß es nicht mehr. Sei freundlich und aufmerksam gegen jedermann, haben sie hinzugefügt, du wirst alle Hilfe brauchen, die du kriegen kannst. Ich habe aus dem Fenster auf die Lichtung und die dunklen, hochaufragenden Bäume geschaut und mir gedacht, dass dies der erste Abend ist, den ich gänzlich allein verbringe. Soeben ist mir eingefallen, dass ich im Falle einer ernsthaften Verletzung gänzlich auf mich allein gestellt bin, habe ich in Alices Heft geschrieben und die Umstände, die mich hierhergeführt haben, ein wenig näher erläutert. Ich habe die Hütte, wie ich sie vorgefunden habe, und die spärliche Einrichtung näher beschrieben, und, um alles noch besser zu veranschaulichen, sogar eine kleine Skizze angefertigt.

Dann habe ich in Sams Heft weitergeschrieben, dass er sich nicht allzu viel Mühe bei der Auswahl meines ersten Etappenziels gegeben haben kann. Als ich es heute, im Lauf des Tages, dann endlich erreicht habe und die endlos lange Einfallstraße entlanggegangen bin, habe ich mich schon auf ein bequemes Quartier gefreut, habe ich geschrieben, aber Sams Wahl ist mehr als enttäuschend gewesen. Zudem sind seine Freunde nicht gerade zugänglich. Die Festungsmauer habe ich gleich gefunden. Sie hat mich frappant an die in der Kleinstadt erinnert, und ich habe mit Wehmut an Alice und ihre Freunde gedacht. Auch die steinernen Häuschen sind denen in der kleinen Stadt sehr ähnlich gewesen, nur ziehen sie sich hier eben den ganzen Berg entlang. Aber sie waren alle verschlossen, und weit und breit ist niemand zu sehen gewesen, habe ich geschrieben, den Stift weggelegt und aus dem Fenster in die Dunkelheit hinausgeschaut. Ich habe ein wenig nachdenken müssen, wie die Geschichte wohl weitergehen kann, und eine unwillige Geste gemacht. Dabei ist Sams Schreibheft zu Boden gefallen, und ich habe es erst gar nicht wieder aufheben wollen. Ich habe mich auf die Steinstufen des allerletzten Häuschens gesetzt und lange gewartet, habe ich in Alices Heft geschrieben.

Als sich endlich Leute genähert haben, bin ich erleichtert gewesen. Ich habe ihnen erwartungsvoll entgegengeschaut und gesagt, dass Sam mich geschickt hat. Anfangs haben sich alle gebärdet, als ob sie Sam gar nicht kennen, habe ich geschrieben.

Kennt hier jemand einen Sam?, hat eine Frau in die Runde gefragt, aber alle haben bloß den Kopf geschüttelt. Ich bin Meret, habe ich gesagt, habe ich geschrieben, und nach einigem Hin und Her habe ich bleiben dürfen. Kannst dich gleich da drinnen einrichten, hat die Frau gesagt und auf das Häuschen hinter mir gezeigt, es ist schon spät, und du siehst aus, als ob du ein wenig Ruhe gebrauchen könntest. Womit sie absolut recht gehabt hat, habe ich geschrieben und dann den Stift weggelegt, weil mir eingefallen ist, dass ich in Alices Heft nur schreiben wollte, was tatsächlich stattgefunden hat. Da ich aber noch weit von meinem ersten Etappenziel entfernt bin, gehört alles, was sich darauf bezieht, ausschließlich in Sams Heft, habe ich mir gedacht, mich gebückt und es vom Boden aufgehoben. Ich habe es glatt gestrichen, den Staub vom Umschlag gewischt, denn tatsächlich ist der Boden hier in dieser Hütte alles andere als sauber, und dann aufgeschlagen vor mich hingelegt. In Sams Heft alles, was sich vielleicht zutragen wird, in Alices nur, was tatsächlich stattgefunden hat, habe ich mir gedacht und in der Folge wahrheitsgetreu beschrieben, wie ich eines Morgens auf Sams Drängen hin meine Habseligkeiten zusammengepackt habe und aufgebrochen bin.

Durchkreuze meine Pläne nicht, hat Sam mir immer wieder eingeschärft, habe ich geschrieben, ich muss immer wissen, wo du dich gerade aufhältst, etwa an den Etappenzielen, die ich auf den Karten rot markiere. Meine Nachrichten und Anweisungen müssen dich regelmäßig erreichen, nur dann wendet sich alles zum Guten, hat er gesagt, habe ich geschrieben. Du sollst ein möglichst unstetes Leben führen, unstet und unsicher, so wie ich eines geführt habe. Du sollst nirgendwo länger bleiben können, überall nur gerade geduldet sein und dich die meiste Zeit auf der Straße herumtreiben müssen. Das ist Sams Vorgabe, habe ich geschrieben und dann den Stift weggelegt. Ich habe aus dem Fenster in die Dunkelheit hinausgeschaut und mir vorgenommen, meiner Müdigkeit nicht nachzugeben. Also habe ich den Stift wieder aufgenommen. Meine erste Nachricht wird dich nach Ablauf einer gewissen Frist an deinem ersten Etappenziel erreichen, hat Sam gesagt, habe ich geschrieben und versucht, seine Worte genau wiederzugeben. Du wirst wissen, dass du angekommen bist, du wirst sehen, dass die Einfallstraße, die Festungsmauer, die gemauerten Häuschen und alles andere mit meiner Beschreibung übereinstimmen, und du wirst dort Leute finden, die im Bilde sind über dich und mich.