image

RALF CHINA
JUERGEN SCHOEMEN

SEI
DU
SELBST,

sonst geht’s
dir dreckig

Warum Erfolg nicht mit
Patentrezepten, sondern nur
individuell machbar ist

image

Copyright der deutschen Ausgabe 2017:

© Börsenmedien AG, Kulmbach

Covergestaltung und Herstellung: Johanna Wack

Satz: Bernd Sabat, VBS-Verlagsservice

Lektorat: Karla Seedorf

Korrektorat: Philipp Seedorf

Druck: GGP Media GmbH, Pößneck

ISBN 978-3-86470-445-1

Alle Rechte der Verbreitung, auch die des auszugsweisen Nachdrucks, der fotomechanischen Wiedergabe und der Verwertung durch Datenbanken oder ähnliche Einrichtungen vorbehalten.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über <http://dnb.d-nb.de> abrufbar.

image

Postfach 1449 ▪ 95305 Kulmbach

Tel: +49 9221 9051-0 ▪ Fax: +49 9221 9051-4444

E-Mail: buecher@boersenmedien.de

www.boersenbuchverlag.de

www.facebook.com/boersenbuchverlag

Inhalt

Vorwort

1. KAPITEL

Wie uns ein falsches Erfolgsverständnis ins Burn-out treibt

2. KAPITEL

Warum wir so anfällig für Patentrezepte sind

• Wie unser Autopilot programmiert wird

• Unser Gehirn liebt Erfolgs-Zombies

• Glauben Sie nicht alles, was Sie denken!

3. KAPITEL

Welche Patentrezepte wir dringend begraben müssen

• Schwachstelle im Autopiloten

• Alles eine Frage der Erziehung – sind Menschen beliebig form- und veränderbar?

• „Homo oeconomicus“ – verhalten sich Menschen immer vernünftig und berechenbar?

• Vernunft hat nichts zu melden – handeln Menschen ausschließlich emotional?

• Persönlichkeitstests und -typologien – verlässliche Basis für eine Erfolgsstrategie?

• Das Großhirn-Hemisphären-Modell – gibt es linke Logiker und rechte Revoluzzer?

• Motivation ist machbar – können wir mit der richtigen Technik uns selbst und andere beliebig auf Trab bringen?

• Think big! – bestimmt die Größe unserer Ziele die Größe unseres Erfolgs?

• Wir müssen nur wollen – ist alles bloß eine Frage von Disziplin und Willenskraft?

• Wir nutzen nur zehn Prozent unseres Potenzials – kann jeder den Riesen in sich wecken?

• AIDA – setzt Beeinflussung bewusste Aufmerksamkeit voraus?

4. KAPITEL

Warum Patentrezepte noch nie funktioniert haben

• Der genetische Code der Persönlichkeit

• Neurotransmitter – alles in Balance?!

• Die Neurotransmitter-Homöostase

• Motivation – was uns wirklich antreibt

5. KAPITEL

Die Biostruktur-Analyse als Kompass zu unserem wirklichen Potenzial

6. KAPITEL

Wie wir das Beste aus dem Zusammensein mit anderen Menschen machen

• Vorurteile als sozialer Kitt

• LAB versus kognitive Dissonanz

• Was wir von der Theory of Mind lernen können

• Sachverstand top – Menschenverstand flop

• Bessere Kommunikation = bessere Ergebnisse!

7. KAPITEL

Wie Lernen und persönliche Weiterentwicklung wirklich gelingen

• Die sanfte und die harte Tour

• Die Wirkung von Belohnung und Bestrafung

• Vom Trampelpfad zur Autobahn – die Macht der Gewohnheit

• Warum unser Gehirn immer lernt – aber nicht immer das, was es soll

8. KAPITEL

Wie sich die Spielregeln in einer digitalisierten Welt verändern

• Warum wir Veränderungen so unterschiedlich erleben

• Die dritte Stufe der Automatisierung und ihre Folgen

• Status quo statt Science Fiction

• Was Computer (noch) nicht können – welche Zukunftskompetenzen gebraucht werden

• Resetting – Empathie macht Zukunft

• Starten Sie eine achtsame Revolution

• Auf den Punkt gebracht

Fußnoten & Anmerkungen

VORWORT

Manche Patentrezepte, Methoden und Denkmodelle sind einfach nicht totzukriegen. Obwohl schon zigfach wissenschaftlich widerlegt und begraben, wird ihnen immer wieder in Ratgebern, Vorträgen und Seminaren neues Leben eingehaucht und sie geistern wie Zombies durch die Ratgeberlandschaft. Typische Beispiele für solche Erfolgs-Zombies sind:

Jeder Mensch kann selbst die größten Ziele erreichen („In drei Jahren garantiert zur ersten Million!“) – Hauptsache, die Methode stimmt.

Wer Erfolg hat, hat sich das richtige Ziel gesetzt („Think big!“) und die richtige Einstellung gehabt („Ente oder Adler?!“).

Die menschliche Willenskraft und Selbstdisziplin sind wie Muskeln, die sich durch harte Arbeit trainieren lassen („Wer will, der kann!“).

Menschen müssen nur das Verhalten und die Gewohnheiten der Supererfolgreichen kopieren, um genauso erfolgreich zu sein („Lernen von den Besten!“).

Menschen können sich beliebig verändern, wenn sie nur wollen („Tschakka, du schaffst es!“).

Diese so einfach klingenden Erfolgsrezepte können aber gar nicht funktionieren. Denn jeder Mensch ist anders. Alle über einen Kamm zu scheren, hat noch nie funktioniert. Jeder von uns muss sich seinen Erfolg ganz individuell erarbeiten. Obwohl das längst bekannt ist, setzen einige nach wie vor auf derartige Rezepte. Denn mit Standardmethoden lässt sich gutes Geld verdienen. Und viele fallen weiter darauf herein, obwohl sie es eigentlich besser wissen müssten. Diese vielfach beschworenen todsicheren Erfolgsrezepte funktionieren zwar scheinbar bei manchen Menschen, aber sie lassen sich nie 1:1 mit gleichem Erfolg auf jeden Menschen übertragen. Nicht selten werden bei solchen Betrachtungen zudem Ursache und Wirkung miteinander verwechselt.

Mit zusammen mehr als 60 Jahren Trainings- und Beratungserfahrung mussten wir immer wieder erleben, wie an sich gute Veränderungskonzepte an einer mangelhaften Umsetzung scheiterten, weil die Führungskräfte und Mitarbeiter dabei in die Fallen der Erfolgs-Zombies getappt waren – und sich das einfach nicht eingestehen konnten. So gilt beispielsweise eine Transferquote von 30 Prozent bei vielen Personalentwicklern als durchaus guter Wert. Die Transferquote misst, wie viele der in einem Seminar vermittelten Inhalte tatsächlich in die Praxis übertragen werden – in diesem Fall bedeutet es, dass 70 Prozent nicht umgesetzt werden. Statt sich nun die Frage zu stellen, weshalb die Transferquote so gering ausfällt, versuchen viele, durch ein weiteres Training gleicher Art die Umsetzungsquote zu verbessern – meistens leider vergeblich. Von Einstein stammt der Ausspruch: „Die Definition von Wahnsinn ist, immer wieder das Gleiche zu tun und trotzdem andere Ergebnisse zu erwarten“ – genau das tun die meisten Menschen. Statt stärker zu individualisieren und zu differenzieren, wird starrsinnig auf ein „Das muss doch klappen!“ gesetzt.

Bestimmt haben Sie schon einmal die vermeintliche Indianerweisheit gehört: Wenn du merkst, dass du ein totes Pferd reitest, steige ab! Doch um einen Schlussstrich zu ziehen, müssen wir uns sicher sein, dass unser Pferd wirklich tot ist. Gleiches gilt für Erfolgs-Zombies. Nur wenn wir erkannt haben, dass wir es mit einem Erfolgs-Zombie zu tun haben, können wir uns vor ihm schützen. Stattdessen geben viele Menschen ihrem toten Pferd erst recht die Sporen, wenn sich nicht die erhofften Ergebnisse einstellen. Sie gründen Arbeitskreise mit anderen Reitern toter Pferde oder buchen weitere Trainings, um zu lernen, mit ihrem toten Pferd besser voranzukommen.

In diesem Buch zeigen wir Ihnen, wie Sie die Zombies unter den Erfolgsmethoden erkennen und sich davor schützen können. Wir zeigen Ihnen auch, wie Sie vorgehen müssen, um Ihre individuellen Potenziale zu verwirklichen und dauerhaften Erfolg und Lebensfreude zu erreichen – ganz ohne Patentrezepte. Dabei spielt die individuelle Biostruktur des Menschen eine wichtige Rolle.

1. KAPITEL

WIE UNS EIN FALSCHES

Erfolgsverständnis ins Burn-out treibt

Möchten auch Sie ein erfolgreiches und glückliches Leben führen? Tun Sie schon einiges dafür? Und haben Sie trotzdem manchmal das Gefühl, da geht noch was, das kann doch nicht alles gewesen sein? Dann können wir nur sagen: Willkommen im Club! Schließlich ist Erfolg das Mantra unserer Zeit und unser Leben, ob beruflich oder privat, scheint durch ein „Höher, schneller, weiter“ angetrieben zu sein. Nur das Ergebnis zählt, alle wollen möglichst schnell möglichst einfach möglichst viel erreichen.

Das Problem dabei: Es funktioniert nicht. Nicht nur, weil zwar grundsätzlich jeder der Beste, Schnellste, Erfolgreichste werden kann, aber eben nicht alle auf einmal. Der Hauptgrund besteht darin, dass Menschen nicht für andauerndes Glück gemacht sind; und das ist keine philosophische Betrachtung, sondern eine neurowissenschaftliche und evolutionsbiologische Tatsache.

Was passieren würde, wenn tiefe Gefühle des Glücks und der Zufriedenheit quasi auf Knopfdruck verfügbar wären, haben Wissenschaftler bereits im Jahr 1954 herausgefunden: James Olds und Peter Milner pflanzten Ratten dünne Elektroden ins Gehirn, mit denen deren Belohnungszentrum elektrisch stimuliert werden konnte. Hatten die Ratten erst einmal gelernt, diesen elektrischen Impuls per Knopfdruck selbst auszulösen, wurden sie schnell süchtig nach diesem Glückskick. Sie verloren daraufhin jedes Interesse an Nahrung, Sex oder Schlaf und betätigten tagelang ununterbrochen diesen Glücksschalter, bis sie – quasi vor Glück – fast verendeten.1 Da unser Gehirn genauso über ein solches Belohnungszentrum verfügt, liegt es also auf der Hand, dass andauerndes Glück auch für uns, evolutionsbiologisch betrachtet, ein echtes Problem wäre. Trotzdem streben wir Menschen danach, glücklich zu sein; ist das nun ein Widerspruch?

Mittels der Hirnforschung können wir diesen scheinbaren Widerspruch erklären: „Unser Gehirn ist nicht dafür gebaut, dauernd glücklich zu sein. Aber es ist süchtig danach, nach Glück zu streben“2, bringt es der Psychologe und Hirnforscher Manfred Spitzer auf den Punkt. Diese Unterscheidung zwischen Ziel (Glückszustand) und Weg zum Ziel (Streben nach Glück) ist essenziell! Es ist also nicht ein einmal erreichtes Endergebnis, sondern ein andauernder Prozess, das Streben nach Glück, worauf wir Menschen ausgelegt sind.

Trotzdem meinen viele nach wie vor, dass nur das Ergebnis zähle. Sie wollen den Weg zum Ziel ihrer Wünsche so kurz und einfach wie möglich gestalten. Statt sich beispielsweise als Musiker auf die harte Tour aus eigener Kraft hochzuarbeiten, versprechen Castingshows einen vermeintlich einfacheren und schnelleren Erfolg. Unter der Anleitung von Profis, die selber in diesem Business erfolgreich sind oder waren, werden todsichere Tipps und klare Anweisungen gegeben, wie die Teilnehmer erfolgreich werden. Wenn sie nur hart genug arbeiten und bereit sind, sich so richtig zu quälen, dann können sie es ganz nach oben schaffen.

Ja, unter der Produktion von Dieter Bohlen gelingt es den Gewinnern der jährlichen Deutschland-sucht-den-Superstar-Staffel regelmäßig, einen Nummer-1-Hit zu landen – und dann? An wie viele dauerhaft erfolgreiche Castingshow-Gewinner können Sie sich erinnern? (Wobei schon auf den einen glücklichen Gewinner meistens zehn oder mehr Kandidaten kommen, die es zwar in die Endauswahl, aber nicht aufs Treppchen geschafft haben.)

Das gleiche Prinzip bestimmt im Business-Bereich viele Trainings und Motivationstage: Erfolgreiche Menschen verraten ihre Erfolgsgeheimnisse und versprechen den schnellen und sicheren Weg zu Glück und Geld, was ja gerne in einem Atemzug genannt wird. Das Problem dabei: Auch das funktioniert so nicht!

Gerade in der praktischen Umsetzung im täglichen Geschäftsleben zeigt sich immer deutlicher, dass die klassischen Erfolgsmethoden in eine Sackgasse führen. Die Behauptung, dass wir alles erreichen können, wenn wir nur das richtige Patentrezept oder die einzig richtige Erfolgsmethode kennen und hart genug an der Umsetzung arbeiten, ist einfach falsch! Statt wachsendem Erfolg und Wohlstand für alle nehmen seit langer Zeit die Fallzahlen im Bereich Burn-out/psychische Erkrankungen auf breiter Front zu.

Burn-out, Belastungsstörungen und Depressionen werden immer mehr zum Massenphänomen:3

Während in den 1970er-Jahren lediglich zwei Prozent der ärztlich bescheinigten Krankheitstage auf psychische Erkrankungen zurückgingen, waren es 2015 rund 15 Prozent – das entspricht einer Steigerung von rund 700 Prozent.4

Laut Zahlen des Statistischen Bundesamts vom August 2010 stiegen die durch psychische Störungen verursachten Krankheitskosten im Jahr 2008 auf 28,7 Milliarden Euro. Dies ist im Vergleich zum Jahr 2002 eine Steigerung um rund 23 Prozent.

2015 wurden 29 Prozent aller Berufsunfähigkeitsfälle durch psychische Leiden verursacht.5

Offenbar sind die Belastungen im heutigen Arbeitsleben so hoch, dass Menschen den Anforderungen auf Dauer nicht gewachsen sind. Und häufig sind gerade die Leistungsträger davon betroffen. Keine Frage, kurzzeitig können wir die Zähne zusammenbeißen, aber wie lange halten wir das durch? Weitere Vorruhestandsregelungen werden keine realistische Alternative sein. Denn in Zeiten einer alternden Gesellschaft stehen die Zeichen eher auf „länger arbeiten“. Und durch die fortschreitende Digitalisierung der Arbeitswelt und die damit zusammenhängenden Umwälzungen werden die Anforderungen auf breiter Front eher noch zunehmen.

Ein pauschales „Höher, schneller, weiter“ kann also nicht die Lösung sein. Stattdessen wird es darauf ankommen, dass wir besser verstehen, was uns wirklich antreibt und wie wir auch in Zukunft Erfolg und Lebensfreude erreichen können. Dabei schält sich immer deutlicher ein Schlüsselfaktor heraus: unsere gefühlte Autonomie und Selbstbestimmung. Der Mediziner Ronald Grossarth-Maticek verwendet dafür den Begriff „Selbstregulation“, den er definiert als „Aktivität des Menschen, um Störungen und Hindernisse zu beseitigen und erstrebenswerte Zustände zu erreichen.“6 Andere Mediziner sprechen von „Kontrollüberzeugung“ oder „Selbstverantwortung“. Spannend dabei ist, dass immer mehr Studien eines ganz deutlich zeigen: Je stärker wir glauben, unser Leben und unser Wohlergehen selbstbestimmt beeinflussen zu können, desto seltener werden wir krank, desto länger leben wir und desto höher sind unsere Chancen, zum Beispiel eine Krebserkrankung erfolgreich zu bewältigen.

Es ist also nicht nur das eigentliche Ergebnis, das zählt; besonders die Frage des richtigen Weges dorthin hat eine hohe Bedeutung.

Das deckt sich mit Erkenntnissen aus einer ganz anderen Richtung: Nach der Lebensfreude-Studie 2014 vom Deutschen Happiness-Institut sind es vor allem zwei Faktoren, die eine besonders wichtige Rolle für unsere Lebensfreude spielen:7

Das Wissen um persönliche Werte, Ziele, Bedürfnisse und Prioritäten – diese Selbsterkenntnis ist die Voraussetzung dafür, selbst zu bestimmen, wohin das eigene Leben führt.

Intakte soziale Beziehungen, die uns Bindung, Sicherheit und Geborgenheit geben.

Eigentlich ist das ganz logisch: Wenn wir uns bei dem, was wir tun, wohlfühlen und selbstbestimmt handeln können, empfinden wir mehr Lebensfreude, als wenn uns unsere Aufgabe keinen Spaß macht und wir uns fremdbestimmt fühlen.

Eine hohe Arbeitsbelastung, Krisen oder Konflikte machen uns gar nicht unbedingt krank; vielmehr ist es das Gefühl, das eigene Leben nicht mehr steuern und beeinflussen zu können. Ein sehr weises Gebet macht die sich daraus ergebende Herausforderung deutlich: „Gott, gib mir die Gelassenheit, Dinge hinzunehmen, die ich nicht ändern kann, den Mut, Dinge zu ändern, die ich ändern kann, und die Weisheit, das eine vom anderen zu unterscheiden.“8

Die entscheidende Frage aber ist: Wie kann uns das gelingen? Immerhin gibt es bereits eine fast unüberschaubare Anzahl von Methoden, Denkschulen und Vorgehensweisen, die uns genau dabei helfen sollen. Aus unserer Sicht können wir ein solches Verständnis der Dinge nur entwickeln, wenn wir die Stellschrauben für unseren individuellen, persönlichen Erfolg kennen und verstehen. Nur dann können wir gezielt und realistisch an unserem Weg zum Erfolg und zum Glück arbeiten!

So ist zum Beispiel die Annahme, Menschen könnten sich in ihrer Persönlichkeit beziehungsweise ihrem Verhalten beliebig verändern, falsch; auch wenn nach wie vor viele Psychologen daran festhalten. Schauen Sie doch nur einmal bei sich selbst oder bei Bekannten die lange Liste der guten Vorsätze für das neue Jahr an – und was daraus geworden ist!

Wie wir in den folgenden Kapiteln zeigen werden, ist es mittlerweile wissenschaftlich belegt, dass dauerhafter Erfolg nicht nur eine Frage des Wollens oder der Selbstdisziplin ist. Denkt man diesen Ansatz konsequent weiter, müssen viele Ansichten, Modelle und Methoden als überholt oder gar schlichtweg als falsch gelten. Sie gehören eigentlich in den Giftschrank der Motivations- und Trainingsgeschichte, auch wenn sie nach wie vor praktiziert werden; sie sind zu Erfolgs-Zombies geworden. Die gefährlichsten Vertreter ihrer Art stellen wir Ihnen in Kapitel 3 genauer vor.

Unter ihnen sind einige bekannte und vertraute Modelle und Methoden, die wir zugunsten von Erfolg und Lebensfreude über Bord werfen müssen – nichts kann irreführender sein als eine falsche Landkarte, wenn Sie Ihren individuellen Weg zum persönlichen Erfolg beschreiten wollen. Auch wenn der Weg das Ziel ist, müssen wir natürlich dafür sorgen, dass wir den richtigen Weg einschlagen; denn was nützt es, einem Gaul die Sporen zu geben, der daraufhin nur schneller in die falsche Richtung läuft!

Wenn also andauerndes Glück nicht erreichbar ist, dann sollten wir das Streben danach so angenehm und befriedigend wie möglich gestalten! Die wirklich wichtigen Fragen sind:

Was entscheidet eigentlich darüber, ob wir eine Aufgabe mit Spaß und Engagement angehen oder ob wir uns gehetzt und getrieben fühlen?

Warum fallen uns manche Dinge leicht und machen uns zufrieden – wogegen andere Aufgaben, die wir auch bewältigen können, uns deutlich mehr Energie rauben und kein gutes Gefühl in uns erzeugen?

Warum können manche Menschen ihre guten Vorsätze wirklich in die Tat umsetzen, wogegen es bei vielen anderen nur beim Wollen bleibt?

Warum kommen wir mit manchen Menschen auf Anhieb gut zurecht, während uns andere als persönliche Herausforderung erscheinen?

Können wir alles erreichen, wenn wir es nur wirklich wollen?

Darum geht es in diesem Buch: Statt eine weitere neue Erfolgsmethode oder ein weiteres neues Patentrezept zu proklamieren, werden wir den Fokus auf die individuellen Grundlagen von dauerhaftem persönlichen Erfolg und Lebensfreude richten. Denn nur, wenn Sie an den richtigen Stellschrauben für Ihren individuellen Erfolg drehen, können Sie Ihr wirkliches Potenzial erwecken! Die Voraussetzung dafür ist, dass Sie zum Zombie-Jäger werden. Nur wenn es Ihnen gelingt, die Erfolgs-Zombies als solche zu entlarven, können Sie sich vor ihrem schädlichen Einfluss schützen und eine weitere Verbreitung verhindern.

2. KAPITEL

WARUM WIR SO ANFÄLLIG

für Patentrezepte sind

Eines gleich vorweg: Es ist nicht Ihre Schuld! Der Grund, warum so viele Menschen leicht von Erfolgs-Zombies infiziert werden, hat seine Wurzeln tief in unserer evolutionsbiologischen Geschichte. Es sind die evolutionären Spuren in unserem Gehirn, die sich bis heute entscheidend auf unser Leben auswirken.

Vor rund sechs Millionen Jahren haben wir uns biologisch von unseren nächsten Verwandten, den Schimpansen, getrennt. Trotzdem verfügen wir nach wie vor über viele Gemeinsamkeiten: Zu 98,7 Prozent sind unsere Gene mit denen der Schimpansen identisch. Evolution ist also ein sehr langsamer Prozess,1 weshalb wir heute ein handfestes Problem haben: Evolutionsbiologische Programme, die sich über viele tausend Jahre als überlebenswichtig bewährt haben, lassen sich nicht so einfach über Bord werfen und sind auch heute noch wirksam. Auch wenn sich unsere Lebensumstände in den letzten hundert Jahren radikal verändert haben, arbeiten viele Organe und Funktionalitäten unseres Körpers noch nach den alten Programmen von vor 10.000 Jahren, stammen also aus der Jungsteinzeit.2

So war es beispielsweise viele tausend Jahre lang ein echtes Erfolgsprogramm, wenn unser Körper Nahrung möglichst gut verwertete und leicht und schnell Fettreserven aufbaute, nach dem Motto: „Futtere und speichere in der Zeit, dann hast du in der Not.“ Seit uns in der westlichen Welt aber jeden Tag im Überfluss Nahrungsmittel mit hohem Kaloriengehalt zur Verfügung stehen, ist aus dem einstigen Erfolgsprogramm plötzlich ein Risikofaktor geworden, Stichwort „Fettleibigkeit“.

Solche jungsteinzeitlichen Erfolgsprogramme wirken nach wie vor auch in unserem Gehirn. Sie bestimmen, wie wir unsere Umwelt wahrnehmen und was wir mit den erworbenen Informationen anfangen. Und Sie werden sehen, dass dabei in vielen Fällen Schnelligkeit vor Genauigkeit geht – und das nutzen Erfolgs-Zombies aus.

Stellen Sie sich doch einmal vor, wie einer Ihrer aufrecht gehenden Vorfahren vor 10.000 Jahren in der Dämmerung unterwegs ist, um Holz zu sammeln. Er erblickt im Halbschatten unter einem Gebüsch einen dicken schwarzen Ast; und als er sich danach bückt und die Hand ausstreckt, bewegt sich der Gegenstand. In diesem Moment schalten wir reflexartig den Rückwärtsgang ein. Und zwar so schnell, dass es mit bewusstem Nachdenken – ein Ast, der sich bewegt, könnte eine Schlange sein, die könnte giftig sein, mich beißen und dann ist Schluss – nicht zu schaffen wäre. Bewusstes Wahrnehmen, Nachdenken und Entscheiden ist im Vergleich zum Reflex langsam und verbraucht viel Energie; dies ist – evolutionsbiologisch betrachtet – problematisch, um nicht zu sagen: ein echter Luxus. Unser Gehirn macht zwar nur rund 1,5 bis zwei Prozent unserer Körpermasse aus, verbraucht aber bis zu 20 Prozent der verstoffwechselten Energie. Die muss natürlich zuerst irgendwo herkommen. Und in der Situation, dass wir in weiten Teilen der Welt jeden Tag genug hochwertige Nahrung zu uns nehmen können, ist die Menschheit noch nicht so lange. Daher ist unser evolutionsbiologisch programmierter Körper darauf ausgelegt, das bewusste Nachdenken auf das unbedingt notwendige Minimum zu reduzieren!

Aber wie passt diese Erkenntnis dazu, dass wir lange Zeit geglaubt haben, Menschen würden sich überwiegend vernünftig verhalten und Entscheidungen streng nach Kosten-Nutzen-Abwägungen treffen? Lassen Sie uns dazu drei grundlegende Beispiele betrachten, bei denen Sie bitte selbst jeweils kurz überlegen, wie Sie sich verhalten hätten.

Beispiel 1: Kosten-Nutzen-Abwägungen

Stellen Sie sich vor, Sie wollen einen neuen Füllfederhalter kaufen. Im Schreibwarengeschäft Ihrer Wahl finden Sie ein schönes Modell für 25 Euro. Als Sie damit zur Kasse gehen wollen, spricht Sie ein anderer Kunde an und weist Sie darauf hin, dass Sie den gleichen Füllfederhalter in einem anderen Geschäft, nur 15 Minuten entfernt, für 18 Euro erwerben können. Was tun Sie? Die meisten Menschen nehmen den kleinen Fußmarsch von 15 Minuten gerne in Kauf, denn schließlich können sie so satte 28 Prozent oder volle sieben Euro sparen.

Eine Woche später gehen Sie zu Ihrem bevorzugten Bekleidungshaus, um einen neuen Anzug zu kaufen. Das Modell einer bekannten Marke sitzt perfekt und entspricht genau Ihrem Stil – zum Preis von 455 Euro. Wieder spricht Sie ein anderer Kunde an und gibt Ihnen den Tipp, dass der gleiche Anzug bei einem anderen Geschäft, nur 15 Minuten entfernt, für 448 Euro erhältlich ist. Was tun Sie in diesem Fall? Die meisten Menschen entscheiden sich hier dafür, nicht zu laufen und einfach den teureren Anzug zu kaufen.3

Ist das vernünftig? In beiden Fällen können wir sieben Euro sparen und müssen dafür 15 Minuten Fußmarsch in Kauf nehmen. Trotzdem entscheiden sich die meisten Menschen im ersten Fall dafür, die sieben Euro zu sparen, und im anderen Fall dagegen.

Statt des absoluten Wertes beeinflusst offenbar eher der relative Vorteil unser Verhalten.

Beispiel 2: Fairness und Rachegelüste

Der Volksmund sagt „Eine Hand wäscht die andere“ oder „Auge um Auge, Zahn um Zahn“ und gaukelt uns damit vor, dass wir Menschen angemessen auf die Handlungen anderer reagieren. Wenn wir aber das Gefühl haben, ungerecht behandelt zu werden, neigen viele dazu, es nicht nur in gleicher Münze, sondern eher doppelt zurückzuzahlen. Die folgende Studie zeigt das sehr anschaulich: Im Rahmen von sogenannten „Diktatorspielen“ bildeten die Forscher um Boaz Keysar von der University of Chicago zwei Gruppen. In der ersten Gruppe hatte der „Diktator“ 100 US-Dollar, die er nach Belieben mit einem zweiten Spieler teilen sollte. In der zweiten Gruppe bekam ein Spieler ebenfalls 100 US-Dollar; der Diktator durfte jedoch diesem Spieler Geld wegnehmen. Anschließend sollten die Spieler die Großzügigkeit des Diktators beurteilen, mit verblüffenden Ergebnissen:4

Diktatoren, die ihren Mitspielern 50 US-Dollar abgaben, wurden als deutlich großzügiger wahrgenommen als Diktatoren, die ihren Mitspielern (nur) 30 US-Dollar wegnahmen.

Dabei war es den nehmenden Diktatoren meistens nicht bewusst, dass sie von ihren Mitspielern als gierig wahrgenommen wurden, da sie ja objektiv betrachtet 20 US-Dollar weniger eingestrichen hatten als die Diktatoren in der Gebergruppe.

Im weiteren Spielverlauf wurden die Rollen mehrfach getauscht: Nun konnten die Forscher in der zweiten, der Nehmergruppe beobachten, dass der Betrag, den der jeweilige Diktator wegnahm, mit jedem Rollenwechsel höher wurde.

Offenbar ist für das menschliche Gerechtigkeitsempfinden also nicht so sehr der absolute Betrag, sondern vielmehr die Veränderung ausschlaggebend. Und wenn wir dabei (wie in der Nehmergruppe) das Gefühl haben, ungerecht behandelt zu werden, neigen viele Menschen dazu, es dem anderen heimzuzahlen und ihn fortan schlechter zu behandeln, als er uns behandelt hat.

Beispiel 3: Wahrscheinlichkeiten richtig einschätzen

Das Risiko, durch Rauchen an Krebs zu erkranken, liegt grob geschätzt bei etwa 1 : 10.0005, was ja ziemlich gering erscheint, und so können wir nachvollziehen, warum Raucher möglicherweise denken: „Warum soll es ausgerechnet mich treffen?“ Die Chance, beim Lotto den Jackpot abzuräumen, ist sehr viel geringer, sie liegt etwa bei einer Größenordnung von 1 : 139.838.1606, dennoch wird weitergespielt mit der Einstellung: „Warum soll ich nicht auch einmal Glück haben?“

Natürlich gibt es auch Raucher, die Lotto spielen; was rational betrachtet vollkommen unsinnig erscheint, sich aber trotzdem irgendwie richtig anfühlt. Denn jede Woche lesen wir doch, dass wieder jemand den Lotto-Jackpot abgeräumt hat, wogegen wir nur sehr wenige Menschen kennen, die nachweislich durch Rauchen an Krebs erkrankt sind. Was ist hier passiert? Die wahrgenommene Häufigkeit beeinflusst unsere Einschätzung offensichtlich mehr als die mathematisch berechnete Eintrittswahrscheinlichkeit.

Schon diese drei Beispiele zeigen, dass es um unsere Vernunft oft nicht so gut bestellt ist; wie wir aber sehen werden, gibt es für viele dieser zunächst unvernünftig erscheinenden Verhaltensweisen gute Gründe.

In unserem Gehirn laufen viele Vorgänge ab, von denen wir bewusst gar nichts mitbekommen. Vordergründig erscheint das jetzt vielleicht wie ein alter Hut; schließlich hat ja bereits Sigmund Freud vor mehr als hundert Jahren die Bedeutung des Unbewussten hervorgehoben. Neu ist aber, dass wir mittlerweile viel besser wissen, wie das Unbewusste funktioniert – und sogar, wie wir es beeinflussen können. Diese neuen Erkenntnisse haben unter der Überschrift „Zwei-Prozess-Theorie“ auch Eingang in die Psychologie gefunden.7 Grundannahme dieser Zwei-Prozess-Theorie ist, dass zwei Systeme – „Pilot“ und „Autopilot“ – bei der Informationsverarbeitung und Verhaltenssteuerung kooperieren, manchmal aber auch miteinander konkurrieren:8

Unser Autopilot registriert alle unsere Sinneseindrücke und gleicht sie mit bekannten Mustern ab. Davon bekommen wir nichts mit, denn er arbeitet unbewusst und automatisch. Dabei interessiert er sich eher für schlüssige Geschichten, Bilder und biologische Aspekte als für logische, rationale Argumente. Der Autopilot nutzt bevorzugt diejenigen Informationen, die gerade verfügbar oder leicht zugänglich sind. Alles, was sich leicht aus dem Gedächtnis abrufen lässt, hat für den Autopiloten eine hohe Bedeutung. Mit Wahrscheinlichkeiten und statistischen Gesetzmäßigkeiten dagegen kann er überhaupt nichts anfangen. Dafür lenkt er spontan unsere Aufmerksamkeit auf den Backshop, wenn uns der Duft von frischen Brötchen in die Nase steigt, nimmt ein Glas Milch zum Schokoladenkeks und lässt sich auch gerne mal zu Spontankäufen hinreißen.

Unser Pilot dagegen arbeitet bewusst und reflektiert. Er setzt gern auf rationale Argumente und kommt zum Beispiel dann ins Spiel, wenn wir 3 x 9 rechnen wollen. Er prüft Details und lässt sich nicht einfach vom Gesamteindruck leiten. Er hinterfragt, erwartet logische Argumentationen und wägt Wahrscheinlichkeiten ab. Der Pilot lässt uns zum Apfel statt zum Schokoriegel greifen und steht für all das, was wir als kontrolliert bezeichnen. Hier finden auch analytische Qualitätsvergleiche und das Abwägen von Preis-Leistungs-Verhältnissen statt.