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Cover

Vorspann

Die Hauptpersonen des Romans

1.

2.

3.

4.

5.

6.

7.

8.

9.

10.

11.

12.

13.

Epilog

Glossar

Impressum

PERRY RHODAN – die Serie

 

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Nr. 1993

 

Vorstoß in den Kessel

 

Superintelligenzen und Virtuelle Schiffe – der Höllentrip beginnt

 

von Rainer Castor

 

 

 

Pabel-Moewig Verlag GmbH, Rastatt

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In der Milchstraße konnte ein großer Sieg errungen werden – wenngleich unter hohen Opfern: Die Kosmische Fabrik MATERIA wurde am Dengejaa Uveso, dem Schwarzen Loch im Zentrum der Menschheitsgalaxis, vernichtet. Damit ist im Frühjahr 1291 Neuer Galaktischer Zeitrechnung eine große Gefahr für die Menschheit und für die gesamte Koalition Thoregon beseitigt.

Thoregon selbst ist immer noch in einem Prozess der Entstehung. Die Koalition aus sechs Superintelligenzen und sechs Völkern aus sechs Galaxien will sich für den Frieden im Kosmos einsetzen. Mächte von gewaltigem Einfluss scheinen etwas gegen diese Pläne zu haben, die auch von Perry Rhodan noch nicht vollständig durchschaut werden können.

Die Kämpfe in der Milchstraße sind nur eine Ebene des Konflikts, der sich seit langem anbahnte. In der Galaxis Chearth steht beispielsweise noch die letzte Entscheidung an: Auf der einen Seite gibt es hier die Flotten der Algiotischen Wanderer, die den Sonnentresor mit den Guan a Var öffnen wollen, auf der anderen Seite die Flotten der Chearth-Bewohner, denen mittlerweile Terraner, Haluter und Maahks aus der Milchstraße und Andromeda zur Seite stehen.

Und es gibt eine ganz andere Ebene, mit der auf der Erde beispielsweise schon gar niemand mehr rechnet: In der Galaxis DaGlausch, in die es Terraner verschlagen hat, steht das Superbeben bevor.

Über dem Planeten Thorrim haben sich mittlerweile jene sechs Superintelligenzen eingefunden, die hinter dem Thoregon-Konzept stehen. Sie planen den entscheidenden Augenblick für das Konstituierende Jahr – es ist der VORSTOSS IN DEN KESSEL ...

Die Hauptpersonen des Romans

 

 

Reginald Bull – Der Terraner hat einen langen Marsch vor sich.

Alaska Saedelaere – Der Mann mit der »Haut« ist Pilot eines Virtuellen Schiffes.

Lotho Keraete – Der Bote der Superintelligenz gibt karge Auskünfte.

Fee Kellind – Die Kommandantin der SOL fliegt ihren härtesten Einsatz.

ES – Die Superintelligenz sucht eine Entscheidung.

Eine Million Fragen

hunderttausend Träume

eine Entscheidung

sind das Konstituierende Jahr ...

 

The riders on the virtual stream

aus Tales from the purple unicorns;

anonymus

 

 

1.

Flüsternde Stimmen (1)

 

Stimmen flüstern in einer unwirklichen Umgebung.

Beschreibungen bleiben Metaphern und Symbole: Das Raunen gleicht farbigen Wellen im wesenlosen Ringsum.

Wenn sich die kugelförmig ausbreitenden Fronten überlagern, entstehen Muster von Bedeutung. Knoten von konkretem Inhalt, die sich in der Struktur von Raum und Zeit manifestieren können.

Fern und entrückt bleiben die Sprecher selbst; verborgen hinter wolkigem Schleier wie der Gipfel des Olymp – für wenige Augenblicke erscheinen Projektionsformen ihres wahren Wesens in Gestalt von Einhörnern, die sofort wieder verwehen ...

Die Stimme des Alten Mannes sagt: »Im PULS muss das Konstituierende Jahr von Thoregon vollendet werden.«

Ihm antwortet die des Würfels: »Dann gibt es Leben hinter dem Proto-Tor. Dann ist Thoregon gekommen.«

»Dann endet die Beschränkung«, signalisiert der Knoten zu den sprühenden Farben eines Regenbogens. »Die Offenheit wartet.«

»Im Schnittpunkt aller Linien versinkt zunächst jede Ausdehnung ...«, fügt der Stern hinzu.

Und die Kugel ergänzt: »Und doch ist es notwendig, denn erst durch die Transformation entsteht das Neue.«

»Der Punkt markiert die Wende; dem Abstieg folgt der Aufstieg«, versichert der Wechselnde.

»Aus dem Punkt kommt der PULS – seine Wellen werden sich weiter ausbreiten.«

Das laute Lachen des Alten Mannes, der zugleich auch eine Spirale ist, bringt Bewegung in die Muster der Knoten, von Verdichtungen und Abschwächungen, von Hügeln und Tälern im Wesenlosen, das von irisierendem Glanz überdeckt wird.

»Der Schnittpunkt der Entwicklung birgt das Potenzial; er ist ein Nichts und doch Alles!«

Das Flüstern der Stimmen endet; es bleibt nur ein schwacher Nachhall in der unwirklichen Umgebung ...

2.

Reginald Bull: Höllentrip (1)

 

Der Blick auf den wabernden Horizont schmerzt. Stiche dringen von den Augen bis tief ins Gehirn, das unter meiner Schädeldecke förmlich zu kochen scheint.

Die Hitze ist unerträglich!

Sand knirscht auf den Zähnen; er ist in Ohren- und Nasenlöcher gedrungen und klebt am ganzen Leib. Das Scheuern an sämtlichen Stellen, die empfindlich sind, gewinnt peinigende Intensität.

Ich fühle mich, als trage ich Kleidung aus Sandpapier. Neben dem beachtlichen Wolf, den ich mir gelaufen habe, gibt es mehrere Dutzend anderer Hautbereiche, die inzwischen die Farbe eines verbrühten Krebses angenommen haben müssen.

Von den Blutblasen an den Füßen ganz zu schweigen ...

Mühsam sammle ich Speichel und stoße einen halblauten Fluch aus. Ich bereue diesen Ausbruch augenblicklich; die ohnehin ausgetrockneten Lippen springen auf, metallisch bitterer Geschmack lässt mich mehrmals würgen.

Ich stemme die Fäuste auf die Schenkel und schnappe nach Luft. Eine brodelnd heiße Bö raubt mir den Atem. Aus zusammengekniffenen Augen starre ich umher, ohne dass ich die Umgebung wirklich wahrnehme.

Greifbar nahe und doch unendlich fern lodert das Fanal der SOL. Dutzende Kilometer entfernt oder auch viele hundert – wer will das auf dieser Kunstwelt schon genau sagen? Aufrecht schwebt der untere Pol des blendend goldenen Hantelkörpers dicht über der Wüste, die obere Kugelwölbung achttausend Meter höher.

Weiterhin umgibt die Lohe das Raumschiff, eine permanent wogende Flammenwand, meist aus bläulich transparenten Zungen, dann wieder aus roten und gelben Eruptionen bestehend. Explosionsgleiche Glutpilze steigen auf und verwehen.

Dazwischen zucken vereinzelt Funkenentladungen aus der Carit-Hülle, formen vielfach gezackte Blitze und Lichtbögen. Einzelne Bahnen scheinen manchmal bis zur Kunstsonne hinaufzureichen, andere schlagen rings um die SOL in die Wüste ein und tanzen einen elmsfeuerähnlichen Reigen. Und alles geschieht mit einer erschreckenden Lautlosigkeit.

Etwas wie elektrostatische Aufladung überzieht dagegen die gesamte Landschaft. Vereinzelt glaube ich ein Summen zu hören, unterbrochen von plötzlich aufhallendem Getöse, wenn sich die Spannung entlädt. In der Ferne entsteht dann ein Wetterleuchten, das mit seinem Gleißen sogar die Grelle in der Wüste und den qualvoll hellen blaugrauen Himmel überdeckt.

Fahrig wische ich mir über das Gesicht und zupfe das rot-weiß karierte Tuch mit den Knoten an den vier Ecken zurecht. Es muss eine Ewigkeit her sein, seit es plötzlich vor meine Füße geflattert und von mir in eine Kopfbedeckung verwandelt worden ist. Gedanken über typische Wüstenwanderer-Klischees oder ein lächerliches Aussehen sind längst ins Unbewusste verdrängt.

Die SOL ist das Ziel. Ich muss sie erreichen!

Lange Sekunden verstreichen, bis die Frage nach dem Warum in mein Wachbewusstsein dringt. Für eine Antwort habe ich nicht mehr die Kraft. Denken strengt an, vor allem, wenn der Körper die letzten Reserven aktivieren muss.

Dennoch trudelt ein Erinnerungsfragment am Rand meines Wachbewusstseins ...

 

*

 

»Dein Auftrag ist, allein weiterzumarschieren«, sagte Takvorian bedrückt. »Es wurde bestimmt, dass du die SOL erreichen musst! Allein!«

Er brauchte nicht zu sagen, von wem dieser Befehl kam.

Ich fragte unwirsch: »Warum?«

Seine Hände machten eine umfassende Bewegung, dann zeigte er auf meine Schulter, in der der Zellaktivator pulsierte.

»Du bist der allegorische Brennpunkt der übrigen Ereignisse. Symbol für das, was ringsum passiert. Das, was du erleben wirst, wird die Schwierigkeiten, das Schicksal der Virtuellen Schiffe und der Superintelligenzen widerspiegeln. In dir fokussiert sich die übrige Entwicklung – versagst du, versagen alle!«

»Entzückende Vorstellung.« Ich schüttelte mich. »Quasi die Umsetzung des uralten: Wie oben, so unten?«

»Eine interaktive Verbindung«, bestätigte Tako Kakuta mit ausdruckslosem Gesicht, »im Sinne einer akausalen Synchronizität – also ein Parallel-Laufen von Ereignissen gleichen Sinngehalts, die direkt eigentlich nichts miteinander zu tun zu haben scheinen ...«

Ich seufzte abrundtief. Weiterhin hielt mich eine Art Trance im Griff; sie verhinderte ein größeres Wundern oder tieferes Nachdenken.

»Mir bleibt wohl keine andere Wahl? Hab' ich mir gedacht. Also, bringen wir es hinter uns.«

»Viel Glück!«

»Werde ich brauchen ...«

 

*

 

Verwirrt runzle ich die Stirn, starre umher und habe doch keinen Blick für die an sich faszinierende Landschaft mit ihren vielgestaltigen Bildern und dem mitunter bizarren Formenreichtum. Auf wenigen Kilometern wechseln die Eindrücke in rascher Folge: ausgezackte Felsgipfel neben tiefen Schluchten, leicht geschwungene, fast ebene Schotterflächen, dann mächtige Dünen und Trockenseen mit salzfunkelnder Oberfläche.

Kuppen und Berge besitzen meist scharfe und kantige Umrisse, weil ihnen jede Vegetation fehlt. Sanft abfallende Flanken gehen in Fächer über, die aus Sand, Schutt und Felsblöcken bestehen. Riesige Findlinge sind von einem dünnen Salzüberzug bedeckt, dessen Glitzern zu tanzenden Sternen wird.

Links bemerke ich verzögert eine ausgedehnte Lehmpfanne, deren steinharte Oberfläche von Trockenrissen in skurrilem Netzwerkmuster überzogen ist. Dahinter ragt haushoch ein einzelner Pilzfelsen auf, von Wind und Sand zurechtgeschliffen. Schatten bietet er keinen – die Kunstsonne Wanderers hängt unbeweglich im Zenit.

Weiter!, treibe ich mich an, schmecke Blut und bewege den pelzigen Fremdkörper, der normalerweise meine Zunge ist.

Abermals wanke ich einige Schritte.

Mein Zeitgefühl hat sich längst verflüchtigt. Keuchender Atem ist der schmerzhaft pfeifende Rhythmus; Takt von Sekunden, die scheinbar zu Ewigkeiten gedehnt sind. Heftig pochender Puls dröhnt in den Ohren; das einzige noch maßgebliche Geräusch – vermischt mit dem Trommeln des Zellaktivators gleich einer überdimensionierten Kesselpauke.

Ein peinigendes Bomm, Bomm, Bomm ...

Das Blut scheint in den Adern zu kochen. Die Augen schmerzen. Kaum eine Spur von Schatten – die Kunstsonne brennt gnadenlos herab, ein winziger blauschwarzer Schemen der Begleiter meiner torkelnden Schritte.

Poltern durchbricht die Stille. Von einer Berghöhe kracht Schutt in die Tiefe und vergrößert die Halde am Fuß. Einzelne Felspartien ragen steil und kantig empor; Windschliff hat an einer Stelle eine runde Öffnung in das Gestein gefräst – hoch überwölbt von einem zierlichen Bogen. Ein Felsentor in diversen Brauntönen; auch hier der scharfkantige Schatten von zu vernachlässigender Größe.

 

*

 

Ich kämpfe mich vorwärts. Schritt für Schritt, Fuß vor Fuß. Rechts erstreckt sich eine wild zerklüftete Gebirgskette hinter wabernder Luft. Scharfgratige Rippen und tief eingeschnittene Rinnen werden von drei Bergen überragt.

Vage kriecht die Erinnerung durch meinen dröhnenden Kopf, dass Schichten aus weicherem Sedimentgestein im Wechsel mit solchen härterer Natur solche Plateaus und Tafeln entstehen lassen. Oft spiegeln sie als seltsam anmutende Abfolgen von Klippen, Steilhängen und Abgründen die Kombination von Verwitterung, sporadischen, aber starken Auswaschungen und Bodenhebungen wider.

Und weitere heiße Windstöße ... Atemberaubend, dafür sorgend, dass sich auf meiner glühenden Haut kein einziger Tropfen kühlenden Schweißes bildet.

Die Verdunstung ist extrem: Aus der Tiefe meiner Gedanken steigt das Wissen auf, dass ich unter diesen Bedingungen literweise Wasser verliere – und diesen Verlust nicht ersetzen kann ...

Und Staub!

Heftige Böen wirbeln ihn auf. Mitunter viele hundert Meter hoch, so dass die Kunstsonne verdüstert wird. Im Gegensatz dazu fliegt Sand nicht so hoch; die Einzelpartikel sind zu schwer, so dass sie nur wenige Meter hoch emporgetragen werden können. Statt dessen entstehen sich über den Boden voranwälzende Wolken.

Die schotterübersäte Landschaft senkt sich leicht ab, geht in ein Meer von Sand über, das von gleichförmigen Winden zu Sicheldünen aufgetürmt ist. Abermals eine mühsam aufsteigende Erinnerung: Barchan werden sie genannt ...

Sie liegen mit Zwischenräumen neben- und hintereinander. Die Außenseiten der Halbmonde kehren sich dem Wind zu, Sand wird den langen Abhang bis zum Dünengrat hinaufgeblasen und rieselt dann die steile Leeseite wieder hinab. Weil die geringeren Sandmassen an den Flanken schneller bewegt werden, wachsen die dünnen Enden spitz nach vorne.

Wechselt die Windrichtung, kehrt sich auch die Sichelform um, und bei wechselnden Winden entstehen unregelmäßige Formen, die an Sterne erinnern und weitgehend stationär sind, während die Wanderung von Sicheldünen häufig zwanzig und mehr Meter pro Jahr erreicht.

Ich tappe weiter, schleppe mich voran, atme keuchend und sehne mich nach Kühle, Schatten und vor allem Wasser. Der Flüssigkeitsverlust ist immens. Schon nach der ersten Stunde ist der erste Liter salzhaltigen Wassers ausgeschwitzt, und der Durst wird peinigend. Beträgt die Temperatur an die fünfzig Grad und es gibt keine Flüssigkeit, überlebt man schwerlich auch nur einen einzigen Wüstentag. Mit täglich vier Litern gibt es vielleicht die Chance, etwas länger durchzuhalten.

Erst Tagesrationen von sieben und mehr Litern ... Der Gedanke bricht ab.

Dennoch bohrt und peinigt das Wissen im Untergrund: Ermüdung der Schweißdrüsen, beschleunigt noch von Sonnenbrand; Erhöhung der Körpertemperatur auf Fieberwerte bis zum Hitzschlag, quälende Delirien ... Ich weiß, dass der Salzmangel einhergeht mit Müdigkeit und Krämpfen, und doch muss ich weiter. Zur SOL. Weiter, immer weiter ...

Sand erschwert unterdessen jeden meiner Schritte. Bis zu den Waden versinke ich in feinstem Staub.

Mühsam krabble ich auf allen vieren den Hang einer Düne hinauf, verfluche den nachrutschenden Sand, wirble Staubfahnen hoch und habe das Gefühl, mir ständig Hände und Unterarme in kochendem Wasser zu versengen.

Plötzlich, ganze Wagenladungen dieses verdammten Zeugs spuckend, überquere ich den Kamm, bemerke es viel zu spät und falle vornüber, rolle und kugle den Abgrund hinab und verschwinde in einer Wolke, die mich ächzend nach Luft schnappen lässt.

Ich huste mir fast die Lungen aus dem Leib, meine tastenden Arme finden keinen Halt. Oben und unten gibt es nicht mehr, Orientierungslosigkeit wächst zu einem Anfall von Panik. Tränen und Staub verkleben zu einer kratzig-schmierigen Schicht. Unvermittelt prallt mein Gesicht in nachgiebige Masse, zischend entweicht die Luft meinen Lungen und lässt eine Wolke aufstäuben.

Meine Muskeln zittern, als ich mich auf die Arme zu stemmen versuche. Tonnenschwere Gewichte müssen auf meinen Schultern liegen. Ich komme nicht hoch, habe keine Kraft mehr, sinke zusammen. Jeder Atemzug ist eine Qual; das Röcheln wird vom Hämmern der Hauptschlagadern übertönt und das Gefühl, bei lebendigem Leib gegrillt zu werden, zur Zwangsvorstellung.

Dicht vor meinen Augen, von farbigen und düsteren Nebeln überlagert, bemerke ich in einer Kuhle etwas Glitzerndes. Mühsam robbe ich hinüber, von der Hoffnung auf Wasser angetrieben. Aber es ist kein Wasser, als ich danach taste. Allerdings auch keine Fata Morgana ...

Ich brülle schockiert auf, weil ich mir die Hände verbrenne. Es dauert eine halbe Ewigkeit, bis ich begreife, was da vor mir auf einem Haufen liegt, von blitzenden Reflexen übersät. An den kleinen Körpern aus Metall sind dünne Schlangenketten befestigt, zu bizarren Schlingen ineinander verknotet. Etwa eigroß sind die Anhänger.

Ich kenne ihre Form genau, habe lange genug ein solches Ei auf der Brust getragen.

Zellaktivatoren! Hunderte!

Ich benutze mein Kopftuch, um mir nicht erneut die Haut zu versengen, greife ohne weiteres Nachdenken nach einem der metallischen Eier und lasse es vor den tränenden Augen pendeln. Dutzende Löcher und Perforationen bedecken die Oberfläche, vom pulsierenden Kraftstrom ist nichts zu bemerken. Das Ding funktioniert zweifellos nicht – oder nicht mehr.

Hunderte Zellaktivatoren – selbst wenn sie funktionstüchtig gewesen wären, hätte ich ihren Anblick verflucht. Ich brauche Wasser, keine Objekte, die einem die potentielle Unsterblichkeit sichern. Die Betonung liegt auf potentiell, denn ohne Wasser endet sogar das Leben eines nicht mehr alternden Körpers verdammt schnell ...

Der Anblick raubt mir die Besinnung wie ein Hieb mit einem Baseballschläger.

 

*

 

Finsternis wogt in wabernden Schleiern vor meinen Augen, überdeckt merkwürdige Funkenreigen, deren Explosionen im Puls des Hämmerns und Pochens aufzucken und meinen Schädel in davonflatternde Fragmente zerfetzen. Diese finden auf absonderliche Weise wieder zusammen, nur um im nächsten Augenblick erneut zertrümmert zu werden.

Brodelnde Hitze umgibt mich, fast glaube ich, zischendes Brutzeln zu hören.

Ich versinke immer wieder in den dunklen Wolken, weiß nicht, wie viel Zeit vergeht.

Irgend etwas reißt mich dann aus der Ohnmacht. Stunden scheint es zu dauern, bis es mir gelingt, die Augen zu öffnen. Jeder Gedanke kriecht mit der Trägheit zähen Sirups. Außer Schmerz und Qual gibt es in diesem Universum nichts mehr, dieser blendenden Helligkeit und atemberaubenden Hitze.

Ein grotesk verzerrtes Objekt taucht in meinem Blickfeld auf, gefolgt von etwas Finsterem, das die Grelle verdrängt. Es fällt über mich und erzeugt einen Eindruck, der mich frösteln lässt.

Kühle ...

Ich stiere verständnislos umher, bekomme kaum mit, dass jemand nach meinem Kopf greift. Etwas Kaltes, Flüssiges versetzt mir einen Schock, der mich unvermittelt in die Finsternis zurückwirft.

Die nächste Wahrnehmung ist, dass etwas Feuchtes über mein Gesicht wischt. Tropfen benetzen meine gesprungenen Lippen. Gierig der unwillkürliche Schluckreflex, dieses Lechzen nach Wasser. Mund und Rachen scheinen aus wundem Fleisch zu bestehen, das Schlucken ist eine Tortur. Doch ich will und kann nicht aufhören, obwohl diese erstaunliche Kälte meinen Magen zum winzigen, steinharten Knoten verklumpt.

Als ich zu gierig werde, drückt mich jemand mit sanfter Gewalt zurück. Flüssigkeit rinnt über mein Kinn hinab zur Brust – in übersteigerter Wahrnehmung registriere ich jeden Tropfen und seine Bahn gleich einem überdimensionierten Strom, einem Schwall, einem Ozean ...

der Mann im Mond ...