Dagmar Hoßfeld

Ponyclub Löwenzahn

Wirbel um das Reitturnier

Mit Illustrationen von Iris Hardt

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Die Reihe »Ponyclub Löwenzahn« startet mit
dem Band: »Wirbel um das Reitturnier«.
Weitere Bände sind in Vorbereitung.

Dagmar Hoßfeld, geboren 1960 in Kiel, verbrachte schon
in ihrer Kindheit jede freie Minute auf Ponyhöfen und in
Reitställen. Nach etlichen Berufsjahren als Bauzeichnerin
erfüllte sie sich ihren Traum und begann, Pferdebücher für
Kinder und Romane für Jugendliche zu schreiben.
Die erfolgreiche Autorin lebt in einem Dorf im
Reiterland Schleswig-Holstein.

Iris Hardt wurde 1971 in Essen geboren. Sie interessierte
sich schon immer fürs Zeichnen und so begann sie ein
Studium im Fach »Illustration« in Münster, wo sie
nach einigen Monaten in Nordirland heute wieder lebt
und arbeitet. Iris Hardt hat bereits zahlreiche
Kinderbücher illustriert.

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1. Auflage 2017
© 2017 Arena Verlag GmbH, Würzburg
Alle Rechte vorbehalten
Erstmals erschienen 2003 unter dem Titel:
»Der Pony-Fanklub. Wirbel um Wanja«
Cover- und Innenillustrationen: Iris Hardt
ISBN 978-3-401-80664-8

www.arena-verlag.de

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Die vier Ponyfans …

Timm Carstens
Der heimliche »Boss« des Ponyclubs; 11 Jahre, dunkelblond;
witzig und frech; Markenzeichen: freche Sprüche und gute
Ideen. Sein Lieblingspony: der Braunschecke Silberhall, ein
richtiges »Indianerpferd«. Timms ältere Schwester Simone ist
Tierärztin.

Klara Roos
Ein feinfühliges Mädchen, selbstbewusst und zielstrebig;
11 Jahre, zierlich, blonde Haare und blaue Augen. Sie ist die
beste Reiterin auf dem Ponyhof (abgesehen von der Reitlehrerin
Petra Lemke). Ihr Herz gehört Momo und dem schwarzen,
halb blinden Pony Wanja.

Momo Köhler
Bester Kumpel von Timm; (noch) 11 Jahre, blond, hat Sommersprossen
und ist supersportlich. Hinter seiner coolen
Schale verbirgt sich ein lieber Kern. Er ist in Klara verliebt
und durch sie entdeckt er, dass Pferde tolle Freunde sind.

Rike (Friederike) Traulssen
Ein keckes, robustes Mädchen, mit dem man Pferde stehlen
kann (wenn man die Pferde retten müsste); 11 Jahre, braunes,
langes Haar. Kabbelt sich für ihr Leben gern mit ihrem Freund
Timm, lässt ihn aber nie im Stich. Die Welsh-Arab-Schimmelstute
Adjasina ist ihr Lieblingspony.

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Zum Ponyhof im Wiesenhain gehören außerdem …

Petra Lemke
Reitlehrerin und Besitzerin des Ponyhofs; jung, lässig, burschikos.
Für die Ponys, den Ponyclub Löwenzahn und die
anderen Reitschüler würde sie (fast) alles tun.

Kurt Lemke
Petras Mann; besitzt einen Fahrradladen in der Stadt. Von
Pferden versteht er zwar wenig, aber er ist immer zur Stelle,
wenn man ihn braucht.

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Eine aufregende Neuigkeit

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Timm stürmte zu den Fahrradständern der Stern-Schule.

»Punkt zwei im Clubraum!«, rief Rike ihm zu und winkte. »Tschau, bis dann!« Sie wandte sich um und trat heftig in die Pedale, um ihre Freundin Klara einzuholen. Wie immer hatte es Klara schrecklich eilig. Ihre freie Zeit war mit so vielen Aktivitäten vollgestopft – Klavierunterricht, Ballett, Yoga und Reiten –, dass Rike beinahe Mitleid mit ihrer quirligen Freundin hatte. Klaras Eltern waren ehrgeizig. Klar, sie wollten für ihre Tochter nur das Beste – aber manchmal war auch das Beste einfach zu viel, fand Rike. Klara schien es allerdings wenig auszumachen, dass ihre Freizeit völlig verplant war. Sie liebte ihre Hobbys und war eigentlich immer lustig und gut drauf.

An einer Kreuzung holte Rike ihre Freundin endlich ein. Klara lehnte lässig an einer Ampel und strich sich die Haare aus der Stirn. Sie musterte Rike grinsend:

»Du bist ja rot wie ’ne Tomate! Wohin so eilig?«

»Haha, ich düse schon den ganzen Weg von der Schule hinter dir her«, schnaufte Rike und wischte sich die Schweißperlen von der Stirn. »Hättest du nicht auf mich warten können?«

»Nee, sorry«, entgegnete Klara, »ich muss mit meiner Mutter in die Stadt, neue Klamotten kaufen.« Die Ampel sprang auf Grün. »Gegen vier bin ich sicher zurück, vielleicht sehen wir uns im Stall.«

Schwups, weg war sie!

Rike schob ihr Rad in die andere Richtung. »Okay, bis dann – und viel Spaß beim Shoppen!«, murmelte sie.

Rike ließ sich Zeit mit dem Heimweg, denn niemand wartete auf sie. Ihr Vater war auf einer Dienstreise und ihre Mutter war mit dem Kater bei der Tierärztin. An einer Tankstelle kaufte sich Rike eine Flasche Cola und ein belegtes Brötchen, das sie noch während der Fahrt verdrückte.

Zu Hause schlenderte sie gelangweilt durchs Haus, bevor sie sich aufraffte, ihre Schulaufgaben zu erledigen. Fast zwei Uhr! Nach einem Blick auf ihren Pferdewecker sprang Rike auf. Sie hüpfte aus ihrem Zimmer, eine steile Treppe hinauf und schlängelte sich zwischen alten Möbeln und Kartons durch.

»Ponyclub Löwenzahn« stand in großen Buchstaben auf einem etwas schief angebrachten Holzschild über einer blassblauen Tür – und mit extragroßen Ausrufezeichen: »Zutritt nur für Mitglieder des PCL!«

Rike fischte einen Schlüssel aus einer Tasche ihrer Jeans und schloss auf. Sie öffnete Fenster und Läden, um Licht und frische Luft in die zwei kleinen Zimmer zu lassen, und sah sich zufrieden um. Sie hatten ganze Arbeit geleistet: Klara, Timm und sie, denn mehr Mitglieder hatte der Ponyclub Löwenzahn – kurz PCL genannt – nicht.

Die Räume waren frisch gestrichen, der Holzfußboden blank gewienert und an den Wänden hingen bunte Pferdefotos, ein paar Postkarten, drei verrostete Hufeisen – für jedes Mitglied eins –, ja sogar ein altes Zaumzeug, das Petra Lemke, die Besitzerin des Ponyhofs im Wiesenhain, zur Einweihung des Clubraums spendiert hatte.

Es war richtig gemütlich!

»Hi, bin ich zu früh?« Timm stand in der offenen Tür und schwenkte eine Tüte Popcorn und eine Flasche Orangensaft in den Händen. »Ist Klara noch nicht da?«

»Hallo, Timm! Nee, sie kommt später direkt zum Wiesenhain.« Rike lächelte den dunkelblonden Jungen an.

»Auch gut«, brummte Timm. Er ließ sich in einen der blau-weiß gestreiften Liegestühle fallen, die im vorderen der beiden Räume standen. Von hier aus fiel sein Blick auf ein Poster an der Wand, das ein schneeweißes Pony an einem einsamen Strand zeigte.

»Du denkst oft an Solero, stimmts?«, fragte Rike vorsichtig. Solero … Timm hatte das spanische Halbpony während eines Urlaubs auf einer Kanarischen Insel gepflegt und geritten. Rike wusste, dass er sich dorthin zurücksehnte.

Timm nickte. Er war in Gedanken am Strand, fühlte Sonne und Wind auf der Haut und den warmen Atem des weißen Hengstes in seinem Nacken. »Ja«, gab er zu, »ich denke sehr oft an ihn. Manuel, sein Pfleger, schreibt mir zwar regelmäßig und schickt mir Fotos von Solero, aber trotzdem: Ich kann Solero nicht anfassen, ihn nicht reiten, nicht mit ihm zusammen sein.«

»Bestimmt fahren deine Eltern nächstes Jahr wieder mit dir nach Spanien, oder?«, tröstete Rike ihren Freund. »Außerdem«, fügte sie hinzu, »ist es doch gut zu wissen, dass sich Manuel gut um ihn kümmert.«

»Hallihallo, jemand zu Hause?«, rief in diesem Moment eine helle Stimme von unten. Sekunden später stand Klara vor den beiden Freunden. Ihre sonst so glatten Haare waren zerzaust, ihre Wangen leuchteten feuerrot.

»Mann, hab ich mich beeilt!«, stöhnte sie und nahm einen großen Schluck aus der Saftflasche. »Ich habe tolle Neuigkeiten! Haltet euch fest!«

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Rike wunderte sich über das unerwartete Auftauchen ihrer Freundin. Besorgt fragte sie: »Sag mal, wo kommst du denn her? Du wolltest doch in die Stadt. Ist etwas passiert?«

»Nee, noch nicht«, Klara schloss die Augen und holte Luft, »aber bald!«

Timm zappelte. »Spann uns nicht so auf die Folter!«

»Also, ich sollte meinem Bruder aus der Stadt ein paar Ersatzteile für sein Rennrad mitbringen.« Klara grinste breit, als würde es ihr diebisches Vergnügen bereiten, die Freunde so lange hinzuhalten. »Ihr wisst ja, dass Kurt, Petras Mann, in der City einen Fahrradladen hat.«

»Komm zum Punkt, Klara!«, drängte Timm.

»Mach ich doch!« Klara genoss ihren Auftritt in vollen Zügen. »Also, als Kurt die Teile einpackte, hat er’s mir verraten …« Sie hielt erneut eine schöpferische Pause für angebracht und nahm noch einen Schluck O-Saft. Timm stöhnte laut auf. »Er hat gesagt«, erzählte Klara unbeeindruckt weiter, »wir sollen heute gegen siebzehn Uhr auf dem Hof sein, dann würden wir eine tolle Überraschung erleben!«

»Eine Überraschung?«, echote Rike. »Mehr weißt du nicht?«

Klara lachte. »Im Wiesenhain wird ein Transporter erwartet, und zwar ein Pferdetransporter.«

»Und in diesem Transporter befindet sich …«, mischte sich Timm ein.

»… ein neues Pferd! Ganz genau, du Superhirn«, vollendete Klara den Satz. »Ein neues Pony, um es ganz genau zu sagen.«

Einen Moment war es so still im Raum, dass man das leise Brummen der unermüdlichen Hummeln draußen im Garten hören konnte.

»Wow!« Timm sprang auf. »Das ist ja obercool – ein neues Pferd im Stall!«

»Was ist es denn für ein Pony?« Rike war ebenfalls aufgeregt. »Und wem gehört es?«

»Wenn ich Kurt richtig verstanden habe, hat er es gekauft. Der Ärmste war selbst ein bisschen nervös«, sagte Klara. »Der Kauf ist wohl ziemlich spontan zustande gekommen. Genaues weiß ich leider nicht.«

»Ich wäre auch durch den Wind, wenn ich mir nichts, dir nichts ein Pony kaufen würde«, meinte Timm.

»Merkwürdig, dass uns Petra nichts davon erzählt hat«, murmelte Rike.

Klara und Timm dachten genauso, doch dann hatte Timm eine Idee, mit der die Mädchen sofort einverstanden waren. »Warum fahren wir nicht einfach hin und fragen sie?«, schlug er vor. »So sind wir auch gleich vor Ort, wenn der Neuling eintrifft.«

Als die drei Freunde nach halbstündiger Fahrradfahrt den hübschen Ponyhof im Wiesenhain erreichten, wurden sie von den Stallkatern Tipp und Jojo freudig begrüßt. Die jungen Tigerkatzen strichen um die Beine der Kinder, um sich ausgiebig streicheln zu lassen. Timm, Klara und Rike mussten achtgeben, dass sie nicht auf eine der Samtpfoten traten.

»Tipp, Jojo, benehmt euch gefälligst wie richtige Kater und fangt ein paar Mäuse!«, rief Petra Lemke in diesem Moment. Die junge Reitstallbesitzerin sprang lässig über einen Koppelzaun und ging den drei Freunden mit langen Schritten quer über den Hof entgegen. Sie wischte sich die Hände an ihren Jeans ab. »Hallo, was macht ihr denn schon hier? Der Reitunterricht beginnt doch erst um vier. Oder wollt ihr mir etwa beim Pferdeäpfelsammeln helfen? Dann seid ihr natürlich herzlich willkommen.«

»Klar helfen wir dir«, entgegnete Timm, »aber eigentlich sind wir wegen der tollen Neuigkeit gekommen.«

»Tolle Neuigkeit?« Petra runzelte die Stirn. »Was für eine Neuigkeit?«

Timm, Rike und Klara sahen sich erstaunt an.

Klara zuckte mit den Schultern. »Na, ich habe vorhin bei Kurt im Laden erfahren, dass heute ein neues Pony kommt«, sagte sie vorsichtig.

»Wir sind natürlich gleich hergefahren, um es zu begrüßen.« Timm rollte mit der Schuhspitze einen Kieselstein hin und her. Er hatte das Gefühl, dass hier etwas faul war, denn Petra wirkte total überrumpelt.

»Moment«, sagte die Reitlehrerin prompt. »Bin ich im falschen Film? Ein Pony? Ich habe keine Ahnung …!«

Nachdem Klara wahrheitsgemäß berichtet hatte, was sie wusste, wischte sich Petra mit einer energischen Handbewegung eine widerspenstige Haarsträhne aus dem Gesicht. »Na warte, mein Freund, wir sprechen uns noch!«, sagte sie laut wie zu sich selbst. Kurz vor der Stalltür drehte sie sich noch einmal um. »Ich muss kurz telefonieren. Geht schon mal zu den Pferden!«

»Kapiert ihr das?«, fragte Timm in die Stille hinein.

»Nee, kein Stück«, gab Rike zu. »Wahrscheinlich ist alles nur ein Missverständnis. Wird sich schon aufklären. Kommt ihr mit? Ich will zu Adjasina.«

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Klara blieb unschlüssig stehen. Sie begriff nicht, warum Petra so komisch reagiert hatte. Hatte sie etwas Falsches gesagt? Sollte das neue Pony vielleicht eine Überraschung sein? Aber dann hätte Kurt doch nichts verraten. Sie schüttelte den Kopf und stapfte hinter den Freunden her.

Rike hatte bereits das Koppeltor geöffnet und hielt es auf. »Komisch, nicht?«, fragte sie, als Klara hindurchschlüpfte.

»Aber echt«, antwortete Klara.

Die Mädchen folgten Timm und schnappten sich ebenfalls einen schwarzen Eimer und je eine Schaufel. Bevor sie anfingen, die Pferdeäpfel einzusammeln, schlenderten sie hinüber zu der kleinen, bunt gemischten Ponyherde, die sich unter den Weidebäumen tummelte und mit hängenden Köpfen döste.

Als Rike leise pfiff, hob eine schmale Schimmelstute den Kopf. »Adjasina«, lockte das Mädchen, »komm her, meine Hübsche!« Adjasina kam langsam auf Rike zu und rieb zärtlich den Kopf an ihrer Schulter. Ein stämmiger Braunschecke tat es der Stute nach. Freundlich stupste er Timm in die Seite.

»Hey, Silberhall, alter Räuber.« Timm klopfte seinem Schecken den kräftigen Hals. »Wie gehts dir?« Silberhall schnaubte und senkte den Kopf, um zu grasen, während ihn Timm unter der dichten Mähne kraulte. Er fühlte die Wärme des Pferdefells und atmete den guten Geruch ein, den sein Pferd verströmte.

Klara hielt sich etwas abseits auf. Boris, der Haflinger, lag auf der Seite und schlief. Weil sie ihn nicht stören wollte, fing sie an, die Pferdeäpfel rund um den schattigen Schlafplatz der Herde mit der Schaufel aufzunehmen und in den Eimer zu werfen. Als sie aufblickte, entdeckte sie Petra, die mit ausgreifenden Schritten über den Hof lief.

»Kommt ihr bitte mal?«, rief Petra. Sie war am Gatter stehen geblieben und hatte die Hände in die Hüften gestemmt.

Rike, Klara und Timm warfen sich fragende Blicke zu und gingen zum Zaun.

»Entschuldigt meine komische Reaktion vorhin«, bat Petra die drei Freunde. »Ich wusste wirklich nicht, wovon ihr redet. Ich habe Kurt angerufen: Nicht zu fassen, wir bekommen tatsächlich Zuwachs.«

»Aber das ist doch einsame Spitze!« Timm war nach wie vor begeistert und verstand nicht, wo das Problem lag.

Petra zog eine Schnute. »Ja klar, ein neues Pony ist immer spitze. Allerdings hat mein lieber Mann leider wieder etwas unüberlegt Nägel mit Köpfen gemacht. Er hat von einem Pony gehört, um das sich keiner richtig kümmert. Und was macht mein Kurt? Er kauft dem Bauern das verwahrloste Kerlchen ab.«

»Also ich wäre happy, wenn mir mein Mann später mal unverhofft ein Pony schenken würde«, meinte Rike und sah Timm auffordernd an.

Der grinste nur.