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Die »Herbie Feldmann«-Krimis:

Spinner
Rabenschwarz
Der neunte Tod
Malerische Morde
Hart an der Grenze
Totentänzer
Abendlied

Außerdem vom Autor bei KBV erschienen:

Tief unterm Laub
Still und starr
… denn sterben muss David!
Kurz vor Schluss (Kriminalgeschichten)
Ein Viertelpfund Mord (Kriminalgeschichten)
Ein kaltes Haus
Nacht zusammen (Kriminalgeschichten)
Stimmen im Wald
Voll ins Schwarze (Kriminalgeschichten)
Starker Abgang (Kriminalgeschichten)
Mord und Totlach (Kriminalgeschichten)
Totholz
Schuss mit lustig (Kriminalgeschichten)
Ihr Mord, Mylord (Kriminalgeschichten)

Ralf Kramp, geb. 1963 in Euskirchen, lebt in einem alten Bauernhaus in der Eifel. Für sein Debüt Tief unterm Laub erhielt er 1996 den Förderpreis des Eifel-Literatur-Festivals. Seither erschienen mehrere Kriminalromane und zahlreiche Kurzgeschichten. In Hillesheim in der Eifel unterhält er zusammen mit seiner Frau Monika das »Kriminalhaus« mit dem »Deutschen Krimi-Archiv« (30.000 Bände), dem »Café Sherlock«, einem Krimi-Antiquariat und der »Buchhandlung Lesezeichen«.
www.ralfkramp.de · www.kriminalhaus.de

Ralf Kramp

Abendlied

Ein Herbie-Feldmann-Krimi

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Originalausgabe
© 2017 KBV Verlags- und Mediengesellschaft mbH, Hillesheim
www.kbv-verlag.de
E-Mail: info@kbv-verlag.de
Telefon: 0 65 93 - 998 96-0
Fax: 0 65 93 - 998 96-20
Umschlaggestaltung: Ralf Kramp
unter Verwendung von: © Pitopia, Herbert Esser, 2006
Lektorat: Volker Maria Neumann, Köln
Print-ISBN 978-3-95441-357-7
E-Book-ISBN 978-3-95441-369-0

»Wenn er zwischen der Möglichkeit,
unschuldig gehängt zu werden, und der Gewissheit
der öffentlichen und verdienten Schande wählen muss,
zögert ein mutiger Mann nicht lange.
Nach drei Schlucken von dem heißen,
nach Schnupftabak riechenden, schmutzigbraunen
Gebräu, das auf den Straßen Londons als Absud
der Kaffeebohne ausgegeben wird,
stand Gideons Entschluss fest.
Er würde es ohne die Polizei machen.«

Robert Louis Stevenson & Lloyd Osborne,
Die falsche Kiste

Für Sandra, Jürgen, Peter, Tatjana,
Carsten, Kathrin und Sabine,
die dabei waren, als ich Herbie wiederbegegnet bin.

Inhalt

1. Kapitel

2. Kapitel

3. Kapitel

4. Kapitel

5. Kapitel

6. Kapitel

7. Kapitel

8. Kapitel

9. Kapitel

10. Kapitel

11. Kapitel

12. Kapitel

13. Kapitel

14. Kapitel

15. Kapitel

16. Kapitel

17. Kapitel

18. Kapitel

19. Kapitel

20. Kapitel

21. Kapitel

22. Kapitel

23. Kapitel

24. Kapitel

25. Kapitel

Ein paar Worte des Dankes

1. Kapitel

Ein kleiner, feiner Landregen hat noch niemanden umgebracht. Er ist im Gegenteil etwas ganz Wunderbares, wenn er am Abend eines heißen Sommertags wie ein feuchter Schleier durch die Luft weht und sich in unzählbare, winzige Tröpfchen auflöst, die sich auf die Blätter und Blüten, auf nackte Unterarme und erhitzte Stirnen legen und erfrischende Kühle mit sich bringen. Wenn der Himmel sich für eine absehbare Zeit grau färbt – ein helles, fast freundliches Grau, nicht das marmorne Grabsteinplattengrau des Herbstes –, dann kann man die Sommerluft schmecken, kann sie sich von den Lippen lecken, möchte sich an ihr betrinken.

Aber auch die feinsten Tröpfchen sammeln sich zu einem Rinnsal und füllen irgendwann Furchen und Mulden.

Constanze bückte sich über die Ansammlung krumm und schief ineinandergestapelter Blumentöpfe, die durch die Regengüsse der letzten Tage voll Wasser gelaufen waren. In einigen wimmelte es vor Mückenlarven, in anderen verfaulte altes Laub, und in einem größeren Topf aus einem hässlichen Marmorimitat schwamm der Körper einer toten Maus. Constanze hatte die Töpfe vor ein paar Tagen am Rand der Ligusterhecke abgestellt, als sie begonnen hatte, das alte Gewächshaus aufzuräumen. Sie wusste noch nicht, was sie mit all den Behältnissen aus Messing, Terrakotta und Porzellan anstellen sollte. Die Hauptsache war erst einmal gewesen, das große, gläserne Gewächshaus leer zu räumen und mit neuem Leben zu füllen. Sie hatte viel vor diesen Sommer. Der Gedanke an all die Beete und Pflanzgefäße, an die Samentütchen und Blumenzwiebeln erfüllte sie mit Euphorie.

Als sie den Topf hochhob, schwappte das Wasser träge hin und her, und für einen kurzen Moment sah es so aus, als bewegte sich die kleine Maus und genösse ein erfrischendes Bad.

Die winzigen Äuglein glänzten pechschwarz, die Nase und die darunter sitzenden, kleinen Schneidezähne ragten aus dem Wasser hervor, ebenso wie die beiden Vorderpfötchen. Sie musste schrecklich lange versucht haben, an den glatten Wänden des Behältnisses emporzuklettern und sich zu retten. Es war sicherlich ein langsamer, qualvoller Kampf gewesen, an dessen Ende sie doch ersoffen war.

Constanze seufzte. Sie hielt ihren Zeigefinger über das Näschen und war versucht, das Tierchen zu berühren, tat es aber doch nicht. Unwillkürlich betrachtete sie ihren fleckigen Handrücken. In den Falten ihrer blassen, alten Haut saß der Schmutz tagelanger Gartenarbeit. Die schwarze Erde hatte sich tief unter ihre Fingernägel gegraben. Es sah hässlich aus, aber es befriedigte sie. Wie sehr hatte sie der Anblick des verkommenen Gartens betrübt. Jetzt hatte sie schon einiges begonnen und viel altes, verrottetes Gerät beiseitegeschafft.

Es wurde Zeit, dass hier wieder Leben reinkam.

Sie holte Schwung und goss den Inhalt des Topfs einfach in die Hecke. Irgendein Tier würde schon was mit dem Mäusekadaver anfangen können. Eine Katze, ein Marder, ein Fuchs … der Wald war ganz nah.

Dieses Sammelsurium an Töpfen würde sie wahrscheinlich auf den Müll werfen. Constanze summte leise vor sich hin, als sie durch den sanften Schleier des Nieselregens zu dem kleinen Teich hinüberging, der etwas unterhalb der großen Kastanie ebenfalls ein freudloses Dasein fristete. Solange sie denken konnte, hatte diese Melodie immer ihren Schlendergang begleitet, war in ihrem Kopf gewesen, wenn sie sich besonders wohlgefühlt hatte. Diese kleine, sanfte Tonfolge, das Abendlied.

Diesen unnützen Teich würde sie demnächst zuschütten lassen. Für so etwas hatte sie kein Geschick. Das durfte man sich in ihrem Alter ruhig einmal eingestehen. Und Fische fand sie auch noch schrecklich langweilig. Wenig kommunikativ, nur mit Fressen und Umherschwimmen beschäftigt. Jemand würde mit einem kleinen Bagger kommen müssen. Das Ufergestrüpp musste als Erstes weg.

Als ihr linker Unterschenkel sich unerwartet in etwas verfing, dachte sie zuerst, es sei eine Schlingpflanze. Constanze stolperte. Sie stürzte nach vorne. Verfluchtes Gestrüpp, schoss es ihr durch den Kopf. Aber im Fallen sah sie als Letztes eine Schnur, bevor ihr die Brille von der Nase glitt und alles um sie herum undeutlich wurde. Die Schnur, die am Rand des Teichs gespannt war. Eine Schnur? Wer hatte hier eine Schnur gespannt? Wer tat so etwas? Wozu sollte das nütze sein?

Für den Bruchteil einer Sekunde hatte sie das absurde Gefühl, sie könne den Sturz abwenden, indem sie mit den Armen ruderte und versuchte, das Gleichgewicht zurückzuerlangen. Aber im nächsten Moment schlug sie schon auf dem brackigen Wasser auf, ihr Gesicht grub sich in den Schlamm, der nur ein paar Handbreit unter der Oberfläche ruhte. Instinktiv machte sie mit hektischen Bewegungen den Versuch, sich mit den Händen abzustützen, sich aufzurichten, um den Kopf aus dem Wasser zu bekommen. Aber der glitschige Grund machte es unmöglich, sie fand einfach keinen Halt.

Sie dachte an die Maus, an die schwarzen Knopfäuglein, an die Todesangst, die das kleine Tier gehabt haben musste. Schlamm quoll ihr in den Mund, als sie zu schreien versuchte.

Da war wieder die Melodie. Die Töne drangen durch das Brausen des aufschäumenden Wassers in ihren Ohren. Der Rhythmus harmonierte jetzt nicht mehr mit ihren Bewegungen. Ganz sanft und langsam ging der Takt, anders als ihr panisches Gezappel. Es dauerte eine qualvolle Weile, bis Takt und Gesten wieder zueinanderfanden.

Das Letzte, an was Constanze dachte, war das Abendlied – und dass nun doch alles anders kommen würde.

2. Kapitel

Schwarz mit einem bläulichen Glanz, Schwarz mit einem Hauch von Braun, Schwarz mit einem feinen, grauen Schimmer … alle trugen Schwarz, natürlich. Etwas anderes hätte man zu diesem Anlass auch nicht erwartet. Eine Beerdigung wie diese konnte nun einmal nur innerhalb der strengen, katholischen Rituale vonstattengehen. Mit den flehentlichsten Orgelklängen, mit der finstersten Predigt und den bittersten Mienen der Trauergäste.

Selbst das schwache Nachmittagslicht, das durch die Fenster von St. Chrysantus und Daria hereinfiel, schien zu trauern. Herbie roch durch den Weihrauch hindurch Altmännerherrenwasser und Tosca. Um ihn herum war allenthalben rasselndes Atmen zu hören.

Weinte da etwa einer der im Seitenschiff bereitstehenden Sargträger? Der Mann kramte umständlich ein Taschentuch aus der schwarzen Hose und schnäuzte sich geräuschvoll. Nein, eindeutig Schnupfen.

Auch das Gesicht auf der schwarz gerahmten, großformatigen Fotografie, die von Blumen umkränzt direkt neben dem Altar aufgebaut worden war, ließ jegliche Heiterkeit vermissen. Herbie hatte das Foto von Tante Hettie selbst ausgewählt.

»… aber wir wissen es doch alle, wie wir hier sind. Sie war eine Frau, die immer zuerst an andere dachte. Erst ganz zuletzt, nämlich dann, wenn niemand anderes mehr da war, dem sie ihre selbstlose Hilfe und ihre warmherzige Fürsorge angedeihen lassen konnte, erst ganz am Schluss kam sie selbst!« Der Trauerredner war einer von Tante Hetties sogenannten Freunden. Ein steinalter Oberregierungsrat aus dem Bergischen, den Herbie ein paarmal auf runden Geburtstagen gesehen hatte und der ihn trotz seiner schon mehr als vierzig Jahre immer noch mit einem »Du bist aber groß geworden« begrüßte. So auch vorhin vor der Kirche, als die riesige Menge von Trauernden auf den Straßen und durch die Gassen der Stadt auf das Portal zugewabert war.

Herbie hätte nie gedacht, dass es so viele waren, die sich aufmachen würden, seiner Tante das letzte Geleit zu geben. Sie war ein beinhartes, altes Reptil gewesen, eine unnachgiebig geizige Schrulle mit einem beispiellos schlechten Charakter. Warum nur trauerten all diese Menschen um sie?

Tante Hettie war tot.

Wenn Glocken zu diesem Anlass läuteten, so sollten sie eine fröhliche Melodie über die Dächer von Bad Münstereifel schicken. Der Organist müsste einen Walzer intonieren, wenn nicht sogar einen Cha-Cha-Cha.

Aber mit einem Mal erkannte Herbie: Sie alle trugen zwar trauernde Masken, aber es weinte niemand. Das Schnäuzen und Röcheln kam von einem Sommerschnupfen oder vom eigenen körperlichen Verfall. Niemand vergoss eine Träne. Im Gegenteil schienen die meisten der Anwesenden ziemlich aufgeräumter Stimmung zu sein. Herbie spähte durch die Reihen und glaubte jetzt sogar das ein oder andere Zucken in den Mundwinkeln erkennen zu können. Sogar der Pastor zeigte den Anflug eines Lächelns, wie Herbie jetzt entdeckte.

Was war das? Warum zitterten seine Schultern unter dem Messgewand? War das etwa … ja, es war … kein Zweifel … es war ein kaum verhohlenes Kichern.

Rechts in der Menge prustete jetzt einer. Weiter hinten schnaubte jemand amüsiert. Das erste laute Lachen ertönte links an der vorderen Säule. Und es ging weiter, pflanzte sich durch die Reihen fort, steckte alle an. Sie lachten laut los, meckernd, dröhnend. Schlugen sich gegenseitig auf die Schultern, einige applaudierten sogar.

Auch Herbie ließ nun seinen wahren Gefühlen freien Lauf. Er ließ das Glucksen die Kehle hinaufperlen. Er öffnete den Mund, ließ die Mundwinkel nach oben tanzen. Er blickte zu den Menschen, die ihn umstanden, nickte ihnen lachend zu.

Ja, genau! Die Welt war wieder schön!

»Herbert!«

Es war ein Freudentag!

»Herbert Feldmann!«

Die Gewaltherrschaft seiner Tante hatte ein Ende! Er warf das Joch ab und fühlte sich befreit!

»Was grinst du so dämlich? Ich habe dich was gefragt, hörst du!«

Herbie schrak zusammen.

Seine Tante stieß die Spitze ihrer orientalischen Krücke mehrmals ungeduldig auf den Parkettboden. »Ich verlange, dass du mir zuhörst, wenn ich versuche, dir etwas zu erklären! Du Tagedieb vertrödelst kostbare Zeit mit deinen ewigen, unnützen Träumereien! Was habe ich dir gerade gesagt?«

»Ähm … Tagedieb … Träumereien …«

»Vorher! Was habe ich vorher gesagt?«

Nur zu, such dir was von der langen Liste aus. Nichtsnutz, Versager, Niete … Der große, fette Julius stand vor dem großen Spiegel im Barockrahmen. Ein Spiegelbild gab es nicht. Nicht einmal der Spiegel konnte ihn sehen. Nur er, Herbie, konnte das. Was eines seiner größten Probleme war.

Seine Tante warf mit einer dramatischen Geste, die eines Stummfilmstars würdig gewesen wäre, den weiß gelockten Kopf in den Nacken. »Hach!«, seufzte sie laut auf. »Warum hat mich das Schicksal nur mit diesem Unmenschen von einem Neffen geschlagen? Ein Mann im besten Alter und dennoch völlig lebensuntüchtig! Zu nichts hast du es gebracht! Keinen Beruf, kein eigenes Einkommen, keine Frau, keine Kinder …« Sie stutzte und warf ihm einen scharfen Blick zu. »Obwohl man für Letzteres eigentlich dankbar sein sollte. Wenn ich mir vorstelle, jemand wie du würde sich fortpflanzen …« Sie schüttelte sich.

Seit seiner Kindheit war sie sein Vormund. Seinen Vater hatte Herbie nie persönlich kennengelernt. Er war das Ergebnis einer kurzen Liaison seiner Mutter mit einem der reichsten Männer der Nordeifel. Der Kerl hatte sich nie um ihn gekümmert, und gerade, als er den Versuch machte, die kurze Beziehung zu Herbies Mutter wiederzubeleben, fanden die beiden gemeinsam den Tod in seinem Auto, auf spiegelglatter Straße am Nöthener Berg. Herbie hatte niemanden außer seiner Tante Hettie … und Julius, seinen Begleiter, der für den Rest der Welt ausschließlich in Herbies verknoteten Gehirnwindungen existierte. Der aber dennoch für ihn so real war wie beispielsweise der widerliche Köter seiner Tante, Bärbelchen, das Vieh, das zur Abwechslung mal wieder seinen Knochen beiseitegelegt hatte und knurrend an Herbies Hosenbein herumkaute.

»Lass den Hund in Ruhe und hör mir zu!«

Herbie breitete die Hände aus, um zu signalisieren, dass er voll bei der Sache war.

»Du wirst dir einen Job besorgen!«

»Aber ich habe schon mehrfach …«

»Schweig! Ich will nichts mehr von diesen Katastrophen hören!« Sie stieß donnernd mit ihrer Krücke auf den Parkettboden. »An der Tankstelle bist du in hohem Bogen rausgeflogen, im Sägewerk waren es gerade mal drei Tage, bis du …«

»Moment mal, die sind pleitegegangen!«

»Wegen dir! Nach nur drei Tagen!«

Das war blanker Unsinn, aber es hatte überhaupt keinen Zweck, mit seiner Tante zu diskutieren. Er senkte den Kopf wie ein geschlagener Feldherr. »Jaja, schon gut, ich werde mir einen Job suchen.«

»Ansonsten gibt es kein Geld mehr, hörst du!«

»Ich habe verstanden. Kein Geld mehr …«

»Nicht ›weniger Geld‹, sondern überhaupt keins mehr!«

Er hatte ein unanfechtbares Anrecht auf diese Zahlungen. Vor dem Gesetz galt er als geistig beeinträchtigt und erhielt seit seinem Klinikaufenthalt vor vielen Jahren eine durchaus zufriedenstellende Rente. Aber für die Portionierung des Geldes war nun mal Tante Hettie zuständig. Und die hielt es für ihre Pflicht, ihn so knapp zu halten, wie es nur eben ging. Er war der Erbe eines beträchtlichen Vermögens, aber diese Tatsache galt so viel wie der Besitz eines Quadratmeters Mondoberfläche. Dem unerbittlichen Regiment seiner Tante würde er Zeit seines Lebens ausgeliefert sein. Nein, nicht seines, sondern ihres Lebens. Immerhin ein winziger Lichtblick.

»Du darfst jetzt gehen.« Sie hatte ihm den Rücken zugekehrt und machte eine Handbewegung, als verscheuchte sie eine Fliege.

Herbie erhob sich aus dem Sessel, was Bärbelchen offenbar noch mehr anfeuerte. Die kleinen, spitzen Zähne des Pudels hatten sich in den Stoff der Hose verbissen, und Herbie versuchte ungelenk, sich ihm zu entziehen. In seiner Not schüttete er den letzten Schluck Sprudelwasser nach dem Hund, was diesem ein empörtes Jaulen entlockte.

»Du sollst den Hund in Ruhe lassen! Raus!«

Schade, dass wir schon gehen müssen. Ich mag es, wenn du mit dem Hundchen spielst. Ich glaube, insgeheim seid ihr ganz vernarrt ineinander.

»So wie wir beide«, knurrte Herbie kaum hörbar.

»Wie bitte?« Seine Tante, die sich zum Fenster gewandt hatte, fuhr herum. »Mit wem redest du da?«

Immer, wenn ihr der Verdacht kam, ihr nichtsnutziger Neffe unterhalte sich wieder mit seinem ominösen, unsichtbaren Begleiter, schrillten bei ihr die Alarmglocken. Wenn er damit wieder in der Öffentlichkeit anfing, dann …

»Nichts, Tante Hettie, nichts«, rief Herbie, und sein Blick streifte den hämisch grinsenden Julius. »Mach’s gut. Ich komme dich sicher bald wieder besuchen.«

»Der Umschlag!« Ihre Stimme war schrill, als sie mit der Spitze ihrer Krücke auf den großen, braunen Umschlag auf dem Couchtisch wies. »Vergiss ihn ja nicht!«

Herbie zuckte entschuldigend mit den Schultern. »Irgendwann vergesse ich noch mal meinen Kopf«, sagte er kleinlaut.

»Das wäre natürlich auch eine Lösung«, zischte seine Tante und wandte sich wieder zum Fenster, um sich der Betrachtung ihres weitläufigen Gartens hinzugeben.

Während er das Anwesen von Henriette Hellbrecht verließ, schimpfte Herbie unentwegt leise vor sich hin. Sein großer, dicker Begleiter hatte die Daumen in die Armlöcher seiner karierten Weste geschoben und stolzierte neben ihm her wie ein Auerhahn im April.

Für meine Begriffe statten wir deiner Tante viel zu selten einen Besuch ab. Wenn sie dereinst mal nicht mehr ist, wirst du dir Vorwürfe machen, dich nicht mehr um sie gekümmert zu haben.

Herbie holte den Schlüsselbund aus der Hosentasche und suchte unter lautem Geklimper den Wagenschlüssel.

Sei froh, dass sie das Ungetüm da nicht gesehen hat.

»Du meinst, es hätte ihr nicht gefallen?« Er hatte den Schlüssel gefunden. Ein verbogenes Ding mit einem giftgrünen, rissigen Gummiring.

Sie hätte auf dem Amt angerufen, um es umgehend wegschaffen und entsorgen zu lassen.

»Ich brauche es ja nur so lange, bis Köbes meinen Volvo repariert hat.«

Das kann dauern, das weißt du. Manchmal glaube ich, die Fahrzeuge suchen seine Werkstatt auf, um dort friedlich zu sterben, so wie die Elefanten ihren Friedhof.

Bei dem Wohnmobil, das am Straßenrand auf sie wartete, handelte es sich mehr oder weniger um einen gigantischen Berg von Altmetall, den auf irgendeine unerklärliche Art vier Räder durch die Gegend zu transportieren vermochten. Auf dem Gefährt gab es mehr Schweißnarben als gestrichelte Linien auf einem Schnittmusterbogen. Den unterschiedlichen Lackfarben nach zu urteilen, waren Teile von mindestens sieben verschiedenen Fahrzeugen zusammengeschraubt und an nicht passenden Stellen mit dem Hammer passend gemacht worden. Dazu kam Rost in allen Ausformungen und Farbschattierungen, die jahrzehntelange, gnadenlose Korrosion hervorzubringen imstande war.

»Nur bis ich mein Auto wiederhabe«, murmelte Herbie erneut, während er mit dem Schlüssel die Beifahrertür öffnete. Das Schloss der Fahrertür war kaputt.

Er kletterte in die Führerkabine und warf den braunen Umschlag auf die Kunststoffabdeckung des Armaturenbretts.

Als er den Zündschlüssel drehte, schüttelte sich das Fahrzeug wie ein nasser Hund und entließ eine schwärzliche Qualmwolke in die klare Luft über der durchaus noblen Wohngegend am Ortsrand von Bad Münstereifel.

3. Kapitel

Hinter vorgehaltener Hand hatte schon so manch einer gesagt, dass Dr. Paul-Ernst Wrobel aussehe wie ein Vogeljunges, das aus dem Nest gefallen war. Ein etwa achtzigjähriges Küken. Von seinem fast kahlen Kopf standen einzelne, dünne Haare ab wie der zarte Flaum eines frisch geschlüpften Sperlings. Sein Hals war ebenso faltig, die Haut mit einem fast bläulichen Ton ausgestattet, um seine Augen herum lag ein Kranz tiefer Runzeln, und seine hakenförmige Nase hatte tatsächlich eine leicht gelbliche Färbung. Er sah ein bisschen so aus, als würde er jetzt gleich nach den Insekten picken, die um ihn herumschwirrten.

Er hatte gerade den flachen, weißen Hut mit dem Netz von seinem glänzenden Schädel gezogen und legte die blecherne Pfeife zur Seite. Eigentlich brauchte man diese Dinge als erfahrener Imker nicht unbedingt. Nur wenn die Waben hervorgeholt wurden und die Bienen in Aufruhr waren, empfahl es sich, kein unnötiges Risiko einzugehen.

Wrobel hegte eine tiefe Liebe zu den emsigen Tierchen. Seit vielen Jahren beschäftigte er sich mit ihnen, studierte ihr Verhalten, sorgte für sie und ließ sich dafür mit köstlichem Honig belohnen. Er kannte jedes seiner sechs Völker und wusste um ihre unterschiedlichen Temperamente.

Wenn sie in der Sommersonne durch die Luft trudelten, war ihr Summen wie Musik für ihn. Er antwortete mit einer kleinen, einfachen Melodie. Mit der, die ihm tagein, tagaus durch den Kopf ging. Sein Summen und das der Bienen verschmolz, und er betrachtete dabei zufrieden die kleinen, schwarzbraun glänzenden Leiber mit den blassgelben Streifen, die flink in den Schlitz des Bienenstocks hineinkrabbelten, und die anderen, die munter herausgekrochen kamen und sofort in einen eleganten Steigflug übergingen. Hier bei seinen Bienen war er glücklich. Da vergaß er beinahe seine Angst.

Als es in diesem Moment drinnen im Haus an der Tür klingelte, reckte er alarmiert den Kopf in die Höhe und legte die Lupe weg. Augenblicklich umfasste die Panik mit ihrem kalten Klammergriff seine Brust und presste sie zusammen. Halb zwölf. Er wartete auf den Paketboten, der heute mit einer ganz besonderen Sendung zu ihm kommen würde.

Aber es konnte auch jemand anderes sein. Besuch bekam er so gut wie nie. Wrobel durfte kein Risiko eingehen. Das hatte ihn schon einmal fast das Leben gekostet.

Er zwang sich, ruhig zu atmen. Vielleicht war es auch nur jemand aus der Nachbarschaft. Oder von irgendeinem Amt. Oder die widerlichen Kinder von gegenüber erlaubten sich wieder einen Scherz.

Es klingelte ein zweites Mal.

Geduckt hastete Wrobel über das kurze Rasenstück zum Haus, schlüpfte durch die Terrassentür und verschloss diese wieder sorgfältig hinter sich. Er pirschte sich an das Esszimmerfenster heran, von wo aus er sehen konnte, wer auf dem Bürgersteig vor dem Gartentor stand und etwas von ihm wollte.

Ein Bote, wie es schien. Gott sei Dank!

Die sahen heutzutage gar nicht mehr wie Boten aus. Da war nichts Amtliches mehr, nichts Vertrauenerweckendes. Von den Uniformen war nicht mehr viel übrig geblieben. Manche trugen T-Shirts oder kurzärmelige, gemusterte Hemden oder sogar dreiviertellange Hosen. Verschwitzt waren sie alle. Der, der jetzt da stand, kam ihm jedenfalls völlig unbekannt vor. Das war nicht gut. Den anderen Mann vor drei Wochen hatte er auch noch nie zuvor gesehen gehabt, und er war einen Moment lang zu vertrauensselig gewesen, hatte einen fatalen Fehler gemacht. Beinahe wäre alles vorbei gewesen. So etwas durfte er sich nicht noch einmal erlauben.

Er ging mit zögernden Schritten zur Haustür, während ein weiteres Mal die Klingel ertönte. Als er vorsichtig aufmachte, schien ihm die Sonne ins Gesicht.

»Wer sind Sie?« Seine Stimme krächzte regelrecht.

»Hermes Paketdienst.« Die Aussprache klang osteuropäisch. Der Mann hatte schwarze, dichte Locken und ein unrasiertes Kinn. Sahen so Paketboten aus?

»Doktor Paul-Ernst Wrobel? Sin Sie? Habe Paket für Sie!«

»Woher weiß ich, dass Sie wirklich der Paketbote sind? Da kommt sonst immer ein anderer Mann.«

»Muss Unterschrift haben. Und bin Urlaubsvertretung. Wollen Sie haben Paket oder wollen nicht?«

Wrobel kämpfte einige Momente lang einen harten Kampf mit sich selbst, bis er schließlich einen Knopf neben dem Türrahmen drückte und damit ein leises Summen auslöste. Es hatte schon alles seine Richtigkeit, so beruhigte er sich. Immerhin war ihm ja mitgeteilt worden, dass er heute die erhoffte Sendung erhalten würde.

Der Mann schob das Gartentörchen auf und trottete über die verwitterten Gehwegplatten auf ihn zu. Wrobel wich ängstlich ein paar Schritte zurück. Noch konnte er die Tür zuschlagen. Aber dann würde der Mann das Paket wieder mitnehmen. Er versuchte zu erkennen, worum es sich handelte. Ein großer, recht flacher Umschlag aus Pappe. Etwa zwanzig mal dreißig Zentimeter. In der Mitte etwas gewölbt. Es war das übliche Maß.

Wrobel knetete nervös seine Knöchel. Er war sich noch nicht ganz sicher. War da irgendwo eine Waffe? Die Hände des Kerls waren groß, der bräuchte wahrscheinlich gar keine Waffe. Er kam näher … näher … näher.

Grinste er? Nein, er machte zwitschernde Geräusche, als er etwas aus den Zahnzwischenräumen heraussaugte.

Der Mann reckte ihm ein klobiges Gerät mit einem kleinen Kunststoffgriffel entgegen. Hastig kritzelte Wrobel seinen Namen auf das Display, ohne den Mann dabei aus den Augen zu lassen. Dann grabschte er nach dem Päckchen. Ganz leicht war es. Der ganze Rand des Kartons war durchlöchert, sodass ausreichend Luft zu dem Transportgut gelangte. Im Absenderfeld des Aufklebers entzifferte er die Adresse der Firma Singer aus Niederösterreich! Ein kleiner Laut des Jubels gluckste aus seiner faltigen Kehle empor. Erleichterung und Vorfreude spielten in seiner Brust Bockspringen.

Und mit der Rechten warf er die Tür zu, die keine zwei Zentimeter vor der Nase des Paketboten donnernd ins Schloss fiel.

Andächtig trug er das Päckchen ins Wohnzimmer und legte es auf dem Tisch ab. Als er vorsichtig die Verschlussklammern löste und den Karton öffnete, hörte er bereits leise das Rascheln und Summen, das andeutete, dass die Tiere die Reise gut überstanden hatten. Sechs Arbeiterinnen und eine Königin.

Eine neue Herrscherin für sein verwaistes Volk. Er würde sie Adelaide nennen.

Adelaide – so wie Ludwig von Beethovens Klavierstück zu dem Gedicht von Friedrich von Matthison:

Einsam wandelt dein Freund im Frühlingsgarten,
Mild vom lieblichen Zauberlicht umflossen,
Das durch wankende Blütenzweige zittert,
Adelaide!

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Gottlob war die Straße leicht abschüssig, sodass sich das Anfahren weniger mühselig gestaltete als noch vorhin, als sie bei der Werkstatt seines Freundes Köbes in Zingsheim losgefahren waren.

Herbie schielte auf den Umschlag. »Hm, Kommern Süd. Noch so eine Gegend, wo wir richtig auffallen mit unserem Luxusschlitten.«

Julius, der an dem winzigen Tisch im hinteren Teil des Wagens Platz genommen hatte, runzelte die Stirn. Das Bundeswehrdepot in Mechernich solltest du großräumig umfahren. Die denken am Ende, der Russe rollt an, und bomben uns von der Straße.

»Wir geben nur ganz fix den Umschlag bei dieser Adresse ab, und dann geht’s zurück zu Köbes. Wer weiß, vielleicht ist er sogar schon fertig mit den Bremsbelägen.«

Eher sind die Kraniche wieder im Süden. Was mag denn in diesem Umschlag drin sein?

»Irgendwelche Papiere. Mietkram. Wenn ich das richtig verstanden habe, hat die Frau, der wir das übergeben sollen, ein Ladenlokal in einem von Tante Hetties zahllosen Häusern angemietet.« Er schielte auf den Umschlag. »Doreen Blumberger. Irgendein Fernseh-Model, das Klamotten verkaufen will, glaube ich.«

Die Blicke der Passanten folgten ihnen, als sie aus Münstereifel hinausrollten. Den Nöthener Berg schaffte das Wohnmobil mit großer Mühe, dann gewann es bergab gehörig an Fahrt, sodass Herbie mit großem Karacho in den nächsten Kreisel hineinschoss. Der Inhalt der Wandschränke wurde geräuschvoll durcheinandergewirbelt.

Sie streiften Mechernich, und nach zwanzig Minuten bogen sie bei den Katzensteinen von der Landstraße ab, überquerten die Bahngleise und quälten sich den Berg nach Kommern Süd hinauf. Bei dem Ortsteil handelte es sich um ein zwar in die Jahre gekommenes, aber immer noch exklusives Wohnviertel, das größtenteils abgetrennt vom Hauptort am Waldrand lag. An der angegebenen Adresse fanden sie eine eingeschossige Flachdachvilla vor, die von gewaltigen, finsteren Fichten umstanden war. Ein angegrauter, ehemals weißer Rauputz, ein rötlicher Klinkersockel, ein monumentaler Außenkamin, der sich am Giebel in die Höhe reckte, eine weitläufige Rasenfläche, auf der scheinbar wahllos ein paar kitschige Steinfiguren verteilt standen – dieses Gebäude hätte als Schauplatz für jede Derrick-Folge dienen können.

Herbie war gerade über den Beifahrersitz gerutscht, hatte die Beifahrertür geöffnet und war auf den Asphalt hinausgesprungen, als er vom Haus her laute Stimmen hörte. Die Frauenstimme dominierte. Es war die Art schriller Diskant, der gemeinhin zum Tragen kam, wenn die Diskussion in ein fortgeschrittenes Stadium geraten war, in dem längst alle Argumente ausgetauscht worden waren. In dieser Phase des Streits wurden keine Gefangenen mehr gemacht. Es ging nur noch um die restlose Auslöschung des Gegners.

Oder es ist die Alarmanlage, meinte Julius.

Unsicher wendete Herbie den Umschlag in den Händen.

»Sie hat gesagt, ich soll ihn persönlich abgeben.«

Würde ich von abraten.

Herbie bewegte sich über die gepflasterte Einfahrt zaghaft auf die Eingangstür zu. In der offenen Garage erkannte er einen weinroten Maserati und einen silberfarbenen Mercedes-SUV, beide auf Hochglanz poliert.

»Raus!«

»Ach komm, Schneckchen, lass uns doch mal vernünftig …«

»Vernünftig? Nimm keine Worte in den Mund, die du nicht kennst!«

»Aber …«

»Raus!« So klang Hass.

So schnell er konnte, schob Herbie den braunen Umschlag in die Klappe des Briefkastens und wandte sich auf dem Absatz um.

Dann kam, ganz knapp an seinem Kopf vorbei, ein Koffer geflogen. Er drehte ein paar stürmische Salti, als er wieder und wieder auf dem Boden aufschlug, bis er schließlich liegen blieb. Dann folgte eine prall gefüllte Reisetasche.

Und schließlich ein Metallköfferchen, das so hart aufprallte, dass die Schnappschlösser aufsprangen. Ein paar Dutzend CDs prasselten heraus und wurden über das Pflaster verstreut. Die Plastikhüllen zersplitterten, CDs sprangen hervor und rollten in alle Himmelsrichtungen davon.

Und schließlich stolperte ein Mann rückwärts die drei flachen Steinstufen hinunter. Herbie erkannte ihn sofort. Und zwar an dem, was ihn seit mehr als drei Jahrzehnten unverwechselbar machte: eine verdächtig schwarze Vokuhila-Miniplifrisur und die berühmte orangefarbene Lederjacke, an der allerhand silberglänzender Klimbim herabbaumelte.

Das war Teddy Marco, das berühmte Schlagerfossil aus den Achtzigern, der Mann, der schon mehrere Generationen von Frauen mit seinen Songs in Verzückung versetzt hatte und der erstaunlicherweise nie so richtig weg vom Fenster gewesen war. Teddy Marco, der Star, der sich treu geblieben war. Einer, der es nicht nötig gehabt hatte, sich alle paar Jahre neu zu erfinden.

Herbie schoss in diesem Moment ein alter Megahit durch den Kopf. Einer von denen, deren Texte so beknackt waren, dass man sie nicht vergessen konnte, selbst wenn man es sich wünschte:

Ringadingdong – mein Herz schlägt wild,
Ringadingdong – bei deinem Bild.
Ringadingdong – was zeigt die Uhr?
Ringadingdong – wo bleibst du nur?

»Aber Schneckchen!«, jammerte Teddy Marco.

»Es hat sich ausgeschneckt! Verzieh dich!«

Der Mann bückte sich schnaufend nach dem Koffer, versuchte hektisch ein paar CDs aufzulesen, und im nächsten Moment flog ein Lederstiefel durch die Luft und traf ihn hart am Kopf.

Julius kicherte ungeniert. Erst ausgeschneckt, dann ausgecheckt.

Teddy Marco entdeckte Herbie, drückte ihm den Koffer in die Arme und zischte: »Schnell, helfen Sie mir, von hier wegzukommen.« Dann packte er die Reisetasche, und nur einen Wimpernschlag später verfehlte ihn ganz knapp der nächste Stiefel.

»Wohin?«, fragte Herbie. »Zum Auto?« Er deutete auf die offene Garage.

»Nein, weg. Ganz weg! Weit, weit weg!«

Sie taumelten die Einfahrt entlang, auf die Straße zu, bepackt mit den Dingen, die sie hatten retten können.

»Haben Sie ein Auto?«, rief Teddy Marco.

Jetzt sei bitte ehrlich!

»Ja, klar.« Herbie zeigte auf das Wohnmobil.

Er fragt nach einem Auto!

Teddy Marco stutzte nur kurz. »Okay, dann rein damit!«

Die Tür zum Wohnbereich klemmte und ließ sich nur durch massive Gewalteinwirkung öffnen. Sie warfen Teddy Marcos Habe hinein, dann kletterten sie umständlich durch die Beifahrertür ins Führerhaus, und Herbie ließ den Motor aufheulen.

In dem Moment, in dem er das Gaspedal durchtrat, tauchte eine Frau in der Einfahrt auf. Ihr schlanker Körper steckte in einem knappen, seidenen Morgenmantel, dessen Schöße bei jedem Schritt flatterten und einen Blick auf ihre violette Spitzenunterwäsche erlaubten. Das lange, blonde Haar brandete ihr um das hübsche Gesicht mit den markanten Wangenknochen und den vollen Lippen wie zornige Meereswogen.