Cover.jpg

Georg Kreis

Vorgeschichten
zur
Gegenwart

Ausgewählte Aufsätze

Band 6, Teil 2: Europa / Allgemeine Geschichte

Schwabe Verlag Basel

Gedruckt mit freundlicher Unterstützung der Berta Hess-Cohn Stiftung, Basel

Ferner hat sich der Swisslos-Fonds, Basel-Stadt, dankenswerterweise an den Projektkosten beteiligt.

Umschlag: Vorraum des Konferenzsaals des Medienzentrums des Bundes, im Hintergrund Matterhorn und Katsushika Hokusai «Welle». SRG /SSR, Produktionszentrum. Foto: Klaus Ehret

Copyright © 2013 Schwabe AG, Verlag, Basel, Schweiz
Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt.
Das Werk einschließlich seiner Teile darf ohne schriftliche Genehmigung des Verlages in keiner Form reproduziert oder elektronisch verarbeitet, vervielfältigt, zugänglich gemacht oder verbreitet werden.
Bildredaktion: Georg Kreis
Lektorat: B. Handwerker Küchenhoff, Schwabe
Gesamtherstellung: Schwabe AG, Muttenz/Basel, Schweiz
ISBN 978-3-7965-2934-4
eISBN ePUB 978-3-7965-3566-6
eISBN mobi 978-3-7965-3583-3

rights@schwabeverlag.ch
www.schwabe.ch

Inhalt

Vorwort

Teil 2
Europa / Allgemeine Geschichte

Straßburg – ein geteilter Erinnerungsort

Rekonstruktion aktueller Vergangenheit
Der vierte «Montagabend» des Basler Theaters im November 1972

Marc Chagalls Rabbiner 1926

Was ist und tut unsere Forschung?
Oder: vom Interesse an verfemten Objekten aus vergangener Zeit

Unaufhaltsamer Niedergang?
Zu André Siegfrieds «La Crise britannique au XXe siècle» von 1931

Wie viel und welches Europa für Großbritannien?
Eine Zeitreise entlang der britischen Vorbehalte gegen das Gemeinschaftsprojekt

«Preußischer Adel gegen Hitler»
Marion Dönhoffs bleibender Beitrag zu einer vergehenden Vergangenheit

Österreichs europapolitischer Aufbruch 1987–1995 aus der Sicht des schweizerischen Nachbarn
Die Wahrnehmung der NZZ

Die Wende von 1989 – was sie gebracht hat, aber auch, woraus sie hervorgegangen ist

Das Remake von Reims
Zur Beziehung zwischen Frankreich und Deutschland

50 Jahre Elysée-Vertrag
Ein Meilenstein in der französisch-deutschen Annäherung

1963: ein Zusammenrücken in der schweizerischen Nachbarschaft
Zu den Reaktionen auf den vor 50 Jahren abgeschlossenen Elysée-Vertrag

Die Organisationen des regionalen Europa
Produkte aus dem Lauf der Zeit

Wie weit reicht Europa?
Zur Geographie der europäischen Integration

Anhang

Textnachweise

Nach Band 5 weiterführende Bibliographie

Vorwort

Zur Rechtfertigung des sechsten Bandes lassen sich – zum Glück – ein paar Argumente anführen. Zum einen noch immer dieselben, die bereits für den ersten Band sprechen sollten – dies genau vor zehn Jahren, was indirekt auch auf ein Jubiläum hinweist und ein Zusatzargument ist. Das wichtigste, damals genannte Argument lautete: Der grösste Teil der Publizistik fließt gar nicht in monographische Bücher sondern in verschiedene Sammelbände und erscheint demnach an sehr disparaten Orten, so dass der doch immer bestehende Arbeitszusammenhang innerhalb des durch die gleiche Autorschaft konstituierten Ensembles kaum wahrnehmbar ist. Da seit dem letzten Band doch wieder einige Aufsätze entstanden sind, darf das der Hauptgrund für einen weiteren Band sein. Ein zusätzliches und dem Autor sehr willkommenes Argument ist: Vom letzten Band sind einige Aufsätze gleichsam übriggeblieben, die, bereits «gesetzt» und mit Illustrationen ausgestattet, wieder herausgenommen werden mussten, damit der fünfte Band nicht zu dick wurde.

Und ein letztes Argument: Der sechste Band wird der letzte sein. Dies sei hier auch schriftlich festgehalten, und dies wiederum aus drei Gründen: 1. um die Glaubwürdigkeit bereits mündlich abgegebener Erklärungen etwas zu erhöhen, 2. um die Selbstverpflichtung gegen alle Rückfälligkeitsanfechtungen zu stärken und 3. um das liebe Publikum zu beruhigen, sozusagen nach dem Motto, dass etwas leicht Fragwürdiges nicht so schlimm ist, wenn es das letzte Mal stattfindet! Dies sind die zur Verfügung stehenden Rechtfertigungen. Eine weitere, die darin bestünde, dass nun wiederum ein runder Geburtstag naht, ist für den Schreibenden überhaupt kein Grund. Um dies als irrelevant zu bezeichnen, muss er es immerhin – diskret – aufscheinen lassen. Der vorliegende Band ist grundsätzlich gleich komponiert wie die vorangegangenen. Es sei indessen auf eine kleine, aber nicht unwesentliche Verschiebung hingewiesen: Dem iconic turn folgend, hat die Zahl der Abbildungen zugenommen und es sind einige Bilder, bei denen es wesentlich erschien, sogar farbig reproduziert!

Natürlich ist ein solcher Schlussstrich auch mit Wehmut verbunden, zumal er wenigstens in dieser Produktelinie keine Fortsetzung der angenehmen und gut eingespielten Zusammenarbeit insbesondere mit der Lektorin Barbara Handwerker Küchenhoff bedeutet. Sie wusste Gewissenhaftigkeit mit einer Gelassenheit zu verbinden, was sich sogar ein klein wenig auf den Autor übertrug. Ein besonderer Dank
geht sodann an die sehr geschätzten Förderer dieses Bandes: den Schwabe Verlag (Ruedi Bienz und sein Team), die Berta Hess-Cohn Stiftung (Martin Hug und Christof Wamister) und den Swisslos-Fonds Basel-Stadt (Baschi Dürr und Doris Schaub). Ein abschließender Dank gilt der Leserschaft, sofern sie sich vom einen oder anderen Thema ansprechen lässt, das dem Autor wichtig war und ist.

Basel, im Juli 2013Georg Kreis

Teil 2
Europa / Allgemeine Geschichte

Vor 1870 war Straßburg in Paris zunächst ein Ort, wie es mindestens sieben andere gab: Das Oktogon der in den 1840er Jahren neugestalteten Place de la Concorde in Paris ist mit acht Stadtallegorien geschmückt: Brest und Rouen, Lyon und Marseille, Bordeaux und Nantes, Lille und Strasbourg. Ab 1871 wurde die von James Pradier geschaffene Straßburger Statue mit Trauerflor und immer wieder erneuerten Blumen geschmückt. Bei Beginn des Ersten Weltkriegs, als die französische Armee im August 1914 erste Vorstöße in Richtung Elsass unternahm, wurde der Trauerflor entfernt und durch die Trikolore ersetzt. (Bild: Dok. G. K.)

Straßburg – ein geteilter Erinnerungsort

Wenn jemand aus Basel in Freiburg über Straßburg redet, bewegt er sich in einem oberrheinischen Dreieck, das heute sehr ausgeglichen real und in unseren Köpfen vor uns liegt. Heutzutage! Bekanntlich war dies nicht immer so: Straßburgs Status war zu gewissen Zeiten umstritten, wovon im Folgenden die Rede sein soll. Deswegen verbinden sich mit dieser Stadt teilweise sehr unterschiedliche Erinnerungen.

Der Beitrag gliedert sich in sechs Teile: Um nicht mit der Theorie zu beginnen, sei der erste Abschnitt dem Subthema «Straßburg als französischer Erinnerungsort» gewidmet. In einem zweiten Abschnitt sollen dann einige theoretische Überlegungen zum Thema «Erinnerungsorte» angestellt werden. Der dritte Abschnitt ist der deutschen und der vierte Abschnitt der schweizerischen Perspektive auf Straßburg gewidmet. Fünftens und sechstens geht es um die Fragen, ob und inwiefern Straßburg ein europäischer und ein elsässischer Erinnerungsort ist. Alles in allem ist es einfach eine spezifische Art, sich mit einem aufgeladenen Gegenstand – in diesem Fall Straßburg – zu beschäftigen.

1. Straßburg als französischer Erinnerungsort

Zunächst verpasste die französische Nationalgeschichte einen guten Moment, Straßburg in jedem Kopf der Franzosen einzupflanzen. Die nachmalige Nationalhymne, obwohl von Rouget de Lisle im April 1792 im Auftrag des Bürgermeisters von Straßburg komponiert, also gewissermaßen im Schatten des Münsters, wurde nicht zu einer Strasbourgeoise, sondern zu einer Marseillaise, weil das Lied mit dem ursprünglichen Titel Chant de guerre pour l’armée du Rhin (also: «Kriegslied für die Rheinarmee») von Soldaten aus Marseille beim Einzug in Paris gesungen und am 14. Juli 1795 in der Folge als Marseillaise zur französischen Nationalhymne bestimmt wurde.1

In Frankreich war Strasbourg sehr wohl ein besonderer Erinnerungsort, und zwar von dem Moment an, da die Stadt 1871 an das Deutsche Reich verlorenging. In Klammern: Erinnerung ist primär eine Folge von Verlust, von hartem Verlust durch Entreißen in der Jetztzeit und sanftem Verlust durch Zurücksinken in die Vergangenheit.

Vor 1870 war Straßburg einer der acht Orte unter den Stadtallegorien, die das Oktogon seit den 1840er Jahren auf dem neu gestalteten Place de la Concorde in Paris enthielt: Brest und Rouen, Lyon und Marseille, Bordeaux und Nantes, Lille und Strasbourg. Seit 1871 war die von James Pradier geschaffene Straßburger Statue mit Trauerflor und immer wieder erneuerten Blumen geschmückt. Es war ein mehr oder weniger stilles Erinnern nach dem berühmten Wort «toujours y penser, jamais en parler» (Gambetta). Bei Beginn des Ersten Weltkriegs, als die französische Armee im August 1914 erste Vorstöße in Richtung Elsass unternahm, wurde der Trauerflor entfernt und durch die Trikolore ersetzt.2 Straßburg war ein Sehnsuchtsort. Dies hat der Colmarer Künstler Jean-Jacques Waltz, bekannter unter dem Namen Hansi, in seinen Buchillustrationen gut auf den Punkt gebracht.

Wie das ganze Elsass im Bild der Stadt Straßburg gespiegelt werden kann, wird Straßburg mit der Kathedrale identifiziert und das ganze Elsass, je nachdem ob die Kathedrale den Protestanten oder den Katholiken als Gotteshaus diente, zu sehr verallgemeinernd für insgesamt protestantisch oder katholisch erklärt, für deutsch oder französisch. In der Würdigung der Kathedrale als Erinnerungsort geht es aber nicht einfach darum, die wechselvolle Geschichte dieses Baus nachzuzeichnen, sondern die aus der jeweiligen räumlichen oder zeitlichen Distanz unterschiedlichen Bedeutungen des Münsters aufzuzeigen: beispielsweise für die elsässische Emigration nach Paris oder Algerien während der Jahre 1871 und 1918 oder das Münster als reale Fata Morgana für französische Soldaten der Armee Leclerc in Nordafrika, die um 1943 den Eid ablegten, die Waffen erst niederzulegen, «wenn unsere schönen Farben auf dem Straßburger Münster wehen».3 Schon die während der Drôle de Guerre in die Südwestecke Frankreichs zwischen Bordeaux und den Pyrenäen zwangsevakuierten Elsässer trugen von Heimweh geplagt diesen Erinnerungsort in ihren Seelen4, und die Zwangseingezogenen Malgré nous dürften, wenn sie im russischen Winter an die Heimat gedacht haben, vor dem inneren Auge u.a. auch das Münster vor sich gesehen haben. Erinnerungsorte als Erinnerungsmomente ergeben sich aus besonders intensiven und bedeutsamen Augenblicken und dienen der maximalen Veranschaulichung von Wert oder Unwert. Einen Unwert verkörpert das recht bekannte Bild, das den militärisch eingekleideten Hitler in Straßburg zeigt, wie er am 28. Juni 1940 dem Münster einen Besuch abstattete, bewusst am Jahrestag, an dem 21 Jahre zuvor in Versailles (im Spiegelsaal, was ein anderer mehrdimensionaler Erinnerungsort ist) der «Schand»-Vertrag unterzeichnet worden war.5

Aus der französischen Perspektive wurde Straßburg im 19./20. Jh. schnell – zu schnell – als Vorposten der französisch-deutschen Grenze wahrgenommen. Das jedenfalls erklärte der Straßburger Germanistikprofessor Frédéric Hartweg in seinem für die Kollektion der deutschen Erinnerungsorte verfassten Beitrag.6 Er belegte es mit dem für die französische Kollektion der Lieux de Mémoire verfassten Beitrag des Pariser Historiker-Kollegen Jean-Marie Mayeur. Straßburg sei mehr als ein Grenzort und habe ein eigenes, mit vielen von nichtterritorialen Verwerfungen geprägtes Leben.7

Die Präsentation unseres ersten Blicks auf Straßburg sollte es gezeigt haben: Es geht nicht um eine vollständige Versammlung aller Fakten der Beziehung zu etwas, sondern um einen besonderen, viele Aspekte verdichtenden und aufgeladenen Punkt in der kollektiven Erinnerung, dessen Präsenz einigermaßen vorausgesetzt werden kann, so dass man sich in der öffentlichen Kommunikation darauf beziehen kann.

2. Was ist ein Erinnerungsort?

Diese Frage war sehr berechtigt, als der von Pierre Nora in den 1980er Jahren (also vor drei Jahrzehnten!) lancierte Begriff aufkam, und sie ist jetzt sehr berechtigt, weil der allzu erfolgreiche Begriff heutzutage inflationär gebraucht wird. Was mit Erinnerungen hier gemeint ist, muss hier vorweg kurz geklärt werden. In der Geschichtsschreibung gibt es seit den 1980er Jahren eine Schule, die gerne den Unterschied zwischen «histoire» und «mémoire» hervorhebt und mit dem Namen eben des französischen Historikers Pierre Nora verbunden ist. Diese Schule interessiert sich aber weniger für die Individualerinnerungen oder Kleingruppenerinnerungen, als für kollektive Erinnerungen sozusagen im Großformat.

Nach den «einfachen Erinnerungsorten» kam dann das Konzept der «geteilten Erinnerungsorte» auf. Es meint, dass Erinnerungsbilder jenseits von nationaler Zugehörigkeit unterschiedlich sein können und, weil sie doch äußerlich dem gleichen Objekt gelten, eben geteilt sind. Die Forschung befasst sich seit ein paar Jahren gerne mit «conflicted memories»8 oder gesteigert mit «clashes in memory».9 «Geteilte Erinnerungsorte» – Teilen ist ein ambivalenter Vorgang, kann aufteilen (to divide) oder mitteilen, verteilen, beteiligen (to share) meinen. Einheit und Mehrheit sind darin angelegt. Die Teile können gegensätzlich oder komplementär oder teilweise überlappend sein.

3. Straßburg als deutscher Erinnerungsort

Dank dem von Johann Wolfgang von Goethe in seinem jugendlichen Geniefieber 1771 verfassten Text Von deutscher Baukunst wurde das Straßburger Münster für manchen deutschen Bildungsbürger zu einem «Erinnerungsort», auf den man sich beziehen, den man als geflügeltes Bild-Zitat bei anderen Bildungsbürgern ansprechen und zu dem man auf Bildungsreise pilgern und, vor dem Bauwerk stehend, man dann genau das sehen konnte, was der Student Goethe gesehen hatte.10 Es wäre spannend, im Einzelnen zu wissen, wie das Nachleben dieses Textes verlaufen ist, der eine Philippika gegen verirrte deutsche Kunstexperten war, insbesondere in Bezug auf die wenig zutreffende Würdigung des angeblich «deutschen» Kunstwerks, die später als Vehikel für deutschnationale Ansprüche genutzt wurde.

Offenbar hat der Sturm-und-Drang-Dichter Goethe zu Beginn des 19. Jahrhunderts manchen deutschen Romantiker wie Ludwig Tieck, Clemens Brentano und Achim von Arnim in eher harmloser Weise inspiriert. Auch das können wir seiner Wirkung zuschreiben, dass der liberale Politiker Moritz Arndt 1814 auf den Turm kletterte und mit «Wonne und Weh» dort oben stand, mit Wonne wegen all dieser Schönheit und Herrlichkeit und mit Weh darum, «dass diese Ländereien nicht wieder unser geworden sind». Preußen hat Frankreich nach dem napoleonischen Debakel möglicherweise aus höherer, an friedenspolitischen Zielen orientierter Einsicht das linksrheinische Ufer gelassen.11

Kurz ein Blick ins frühe 17. Jahrhundert: Als der Simplicissimus-Dichter Hans Jakob Christoffel von Grimmelshausen von seinem Wohnort im Schwarzwald aus (im Raum Offenburg) bis nach Straßburg blickte, war diese Stadt noch nicht unter französischer Herrschaft, sondern eine freie Reichsstadt. Grimmelshausen hielt schriftlich fest, die Stadt mit ihrem hohen Münsterturm «wie das Herz, mitten in einem Leibe», gesehen zu haben.12 1681 wurde die Stadt zur Kapitulation gezwungen und mit rund 9000 Mann in eine Garnisonsstadt umgewandelt.13 Ich werde hier nicht in eine gewöhnliche Geschichtserzählung einmünden, nenne diesen Umstand nur, um zwei bekanntere Straßburg-Lieder zu situieren. Lieder bilden einen bestimmten und recht häufigen Typus eines Erinnerungsorts. Sie beziehen sich mitunter sogar wehmütig auf einen zeitlich oder/und räumlich weit entfernten Ort und werden gesungenerweise leicht an andere Generationen weitergegeben, wobei sich diese in der Regel kaum mehr mit den realen Kontexten der Lieder auseinandersetzen.

Das erste Lied beginnt mit: «O Straßburg, o Straßburg, du wunderschöne Stadt» und wird auf das Jahr 1771 datiert (als Goethe in Sesenheim um Friederike Brion warb). Der Liedtext besagt: «O Straßburg, o Straßburg, du wunderschöne Stadt, darinnen liegt begraben so mancher Soldat! So mancher und schöner auch tapferer Soldat, der Vater und lieb Mutter böslich verlassen hat. Verlassen, verlassen es kann nicht anders sein, zu Straßburg, ja zu Straßburg Soldaten müssen sein.» Im Weiteren erzählt der Liedtext, wie die Eltern den Hauptmann um die Herausgabe ihres Söldner-Sohns bitten und endet mit der Moral: «Was lauft ihr, was rennt ihr nach fremden Dienst und Land? Es hat’s euch niemand g’heißen, dient ihr dem Vaterland!»14 Bei diesem Inhalt ist es verständlich, dass Preußen das Lied in Schule und Armee singen ließ. Das Lied muss später offenbar auch den Elsässischen Autonomisten der Zwischenkriegszeit wichtig gewesen sein.15

Das zweite Lied beginnt mit: «Zu Straßburg auf der Schanz / Da ging mein Trauern an / Das Alphorn hört’ ich drüben wohl anstimmen ins Vaterland musst ich hinüberschwimmen; das ging ja nicht an!»16 Es stammt aus ähnlicher Zeit und ist das Lied eines Deserteurs. In der NS-Zeit drehte übrigens Franz Oster 1933/34 einen gleichnamigen Spielfilm, der im Ersten Weltkrieg spielte.17 – Vielleicht müsste man dieses Lied als schweizerischen Erinnerungsort zu Straßburg einordnen.

4. Straßburg als schweizerischer Erinnerungsort

Aus schweizerischer Sicht mag man sich, wenn entsprechende historische Bildung vorhanden ist, daran erinnern, dass es einmal, das heißt im 15. und 16. Jahrhundert, oberrheinische Städtebündnisse gegeben hat, – im 15. Jahrhundert zur Verteidigung der katholischen Position (zwischen Straßburg, Schlettstadt, Colmar und Basel), im 16. Jahrhundert dann zur Verteidigung der reformierten Position (1530 Christliches Burgrecht zwischen Zürich, Basel und Straßburg). Dies sei eine wichtige Vorinformation zu einem Vorgang, von dem später noch die Rede sein wird.

In Basel gibt es auf dem Bahnhofsplatz ein großes Denkmal, das «Straßburger Denkmal» heißt, allerdings nicht so sehr, um an Straßburg zu erinnern, sondern an die humanitäre Hilfe der Schweiz für die Straßburger Bevölkerung im Krieg von 1870. Die Stadt Straßburg hatte strategische Bedeutung und eine entsprechende Zitadelle, doch wurden auch gewöhnliche Wohnquartiere beschossen. Vor allem die deutschen Angreifer, aber auch die französischen Verteidiger wollten im Kampf im August 1870 nicht zwischen militärischen Kräften und Zivilbevölkerung unterscheiden. Einem schweizerischen Hilfskomitee gelang es dann aber, den Abzug von rund 2000 Menschen durchzusetzen. Die damaligen Hilfsleistungen umfassten aber auch Geld- und Güterlieferungen an die verbleibende Bevölkerung. Es gibt verschiedene Erklärungen dafür, dass sich die Schweiz (nicht nur Basel, auch Zürich und Bern) derart engagierte:

Im Vordergrund stand wohl das Bedürfnis nach kompensatorischer Leistung zur Rechtfertigung der Neutralität. Hier muss aber zusätzlich ein anderer Faktor erwähnt werden, weil er die Wirkmächtigkeit eines spezifischen Erinnerungsortes belegt. Beflügelnd wirkte die Erinnerung an das alte, bereits erwähnte Hilfsabkommen, das geschlossen, dann als ritueller Akt gefeiert und jetzt im Falle des realen Bedarfs humanitär umgesetzt wurde.18 Der Ritus bezog sich auf ein sagenhaftes Militärbündnis aus dem Jahr 1456, das 120 Jahre später 1576 im Rahmen eines Schützenfests mit einer Neuinszenierung bekräftigt wurde.

Darstellung der Hirsebreifahrt von 1576 aufgenommen von Johannes Müller in Merckwürdiger Überbleibseln von Alterthümmeren der Schweitz. Neuedition von Norberto Gramaccini, Das Bildgedächtnis der Schweiz. Die helvetischen Altertümer (1773–1783) von Johannes Müller und David von Moos. Basel 2012, S. 225.

Zum angeblichen Ursprungsdatum von 1456 gibt es keinen zeitgenössischen Beleg, das Schützenfest hat es offenbar gegeben, der Hirsebrei könnte spätere Zutat sein. Bei Bullinger ist er in seiner Tigurinerchronik von 1572/74 erwähnt. Und kurz darauf, 1576 kam es zu einer «Neuauflage» der Fahrt, die dann von Johann Fischart beschrieben wird.19 In diesem Epos heißt es, die Zürcher hätten beim Vertragsabschluss von 1456 die Schlagkraft des Militärbündnisses, das heißt die Kürze der Mobilisierungs- und Anmarschfrist demonstriert, indem sie zeigten, dass ein in Zürich zubereiteter Hirsebrei derart schnell auf dem Wasserweg über die Limmat, die Aare und den Rhein nach Straßburg gelangen könne, dass er bei seiner Ankunft immer noch warm sei. Fischart bemerkte von der Reinszenierung 120 Jahre später, der über weite Strecken transportierte Brei sei noch so heiß gewesen, dass sich die Straßburger beim Essen den Mund («den lefzen») verbrannt hätten, dies obwohl die Fahrt gemäß Überlieferung über 18 Stunden (von 2 Uhr am Morgen bis etwa 20 Uhr am Abend) gedauert hat.20 Die Hirsebreifahrt mag historisch schlecht belegt sein, trotzdem wird sie in regelmäßigen Abständen noch heute durchgeführt, das letzte Mal 2006.21 Zürcher Magistraten nehmen in historischen Kostümen daran teil. Mit der Reinszenierung von 1996 wurde von Peter Mäder auch eine Borschüre publiziert, in der ein als «Zürcher Hirsebreitopf 1576» bezeichnetes Objekt (Landesmuseum-Inventar Dep. 409) abgebildet ist; dies obwohl der angebliche Originaltopf im Straßburger Museum aufbewahrt war und bei der Beschießung von 1870 zerstört wurde. Es handelt sich um eine silberne Trinkschale, in deren Boden immerhin fünf 1576 geprägte Schützentaler des Straßburger Freischießens eingelassen sind, umrahmt von bildlichen Darstellungen des Anlasses.22

Die Stadt Zürich verteilt an bildende Künstler Werkjahrstipendien. In diesem Jahr (2013) kamen von 225 Bewerbern 38 ins Final und konnten ihre Werke ausstellen. Eine Abbildung von diesen 38 Werken, fotografiert von Doris Fanconi, gelangte in den Tages-Anzeiger vom 20. Juli 2013 und dieser auf den Schreibtisch des Autors dieser Zeilen. Sie zeigt ein vom Duo Meier/Franz gebasteltes «Hirsebreiboot», ein, wie im Text zu lesen ist, nigel-nagel neues mit einer Art Kleinküche ausgestattetes Ruderboot. Die Reporterin, Paulina Szczesniak, fragt: «Künstlerische Blödelei? Ein Statement gegen die Leerfischung der Weltmeere? Oder gar gegen die Hungerlöhne der ihr entgegenschuftenden Berufsfischer?» Der Titel des Werks wird offensichtlich nicht verstanden, jedenfalls wird der Bezug zur «Hirsebreifahrt» von 1576 nicht hergestellt. So sieht man, wie unterschiedlich die Präsenz von Erinnerungsorten ist. Das Künstler-Duo setzte mehr voraus, als einigen Betrachter/innen möglich war. Aber immerhin hat das Bild es hier in dieses Buch geschafft.

Es bleibt, noch zu erklären, wie Basel zu seinem Straßburg-Denkmal gekommen ist. Einerseits mag beim Denkmalinitianten, dem Straßburger Baron Gilbert Gruyer, ein echtes Bedürfnis im Spiel gewesen sein, Dankbarkeit auszudrücken. Anderseits ging es, wie eine Spende aus der Schwarzen Kasse des französischen Außenministeriums zeigt, auch darum, mit dem Monument auf dem im deutsch-französischen Spannungsfeld liegenden Basler Boden propagandistische Präsenz zu markieren. So sorgte man sich auf französischer Seite, dass auch deutsche Vertreter zur Einweihung von 1895 eingeladen würden und dies dem angestrebten Effekt abträglich wäre. Das Straßburger Denkmal wurde übrigens vom gleichen Künstler geschaffen wie dem Schöpfer des Löwen von Belfort und der New Yorker Freiheitsstatue, nämlich vom Colmarer Frédéric-Auguste Bartholdi.23

1948 erlebte Basel eine bescheidene Zweitauflage mit einem Dankesdenkmal für die den französischen Kindern aus dem Kriegsgebiet gewährten Erholungsurlaub. Eine Mutter mit hilfsbedürftigem Kind im Arm, und auf beiden Seiten des Sockels vier weitere Kinderlein mit ausgestreckten Armen.

5. Straßburg als europäischer Erinnerungsort

Ist heute verkürzt von Europa die Rede, spricht man von Brüssel und Straßburg, von Brüssel, wenn die EU gemeint ist, und von Straßburg, wenn der Europarat und sein Gerichtshof für Menschenrechte gemeint sind. In der Schweiz – und das könnte in ihren beiden Nachbargesellschaften ja ähnlich sein, hat Straßburg einen ambivalenten Klang: Er tönt positiv, wenn man als Individuum zu seinem Recht kommen und an das Straßburger Gericht appellieren will. Er tönt aber auch – vor allem in der Schweiz, wo der «fremde Richter» eine eingeführte Schreckfigur ist – negativ, wenn sich der eigene Staat einer überstaatlichen Autorität unterwerfen muss.

Wie ist Straßburg, wie es auf bestimmten websites heißt, zur «Capitale de l’Europe» geworden? 1949 entschied die internationale Politik, den neugeschaffenen Europarat hier anzusiedeln, weil diese Stadt im Laufe von Jahrhunderten zu einem Symbol der Macht- und Grenzverschiebungen geworden war und nun ein Zentrum der deutsch-französischen Aussöhnung werden sollte. Übereinstimmend heißt es, der britische Außenminister Ernest Bevin (Labour) habe den Vorschlag gemacht.24

Die Stadt bedankte sich, indem sie ihm einen kleinen Erinnerungsort, den «Quai Ernest Bevin» widmete. Erfahrungsgemäß sind solche Namengebung aber keine starken Erinnerungsstifter, weil man sich im Alltag kaum nach den Hintergründen von Straßenbezeichnungen fragt. Zum Erzählgut gehört, dass der Europarat 1956 für ein 1944 zerstörtes Apsisfenster des Straßburger Münsters eine Glasscheibe mit dem vormaligen Marienmotiv gestiftet hat.25

Über die Fernsehbilder verstärkt, prägen sich die Bilder repräsentativer Gebäude in unsere Vorstellungs- und Erinnerungswelt ein. Das 1977 eingeweihte Palais de l’Europe leistet dies allerdings nicht.26 Der Europarat musste zuvor mit bescheideneren Unterkünften zufrieden sein, zunächst mit einer Unterkunft im Straßburger Rathaus und in der Universität, dann stand 1950–1977, bis das Palais de l’Europe fertiggestellt war, auf dem heute davorliegenden Rasen ein Maison de l’Europe.27

Ein stärkeres symbolisches Erinnerungszeichen ist das 1995 fertiggestellte Gebäude des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte, das (wenn man’s weiß, kann man’s erkennen) die Form einer Waage hat, wobei die runden Sitzungssäle die Waagschalen darstellen und sozusagen über dem Boden schweben.28

Einen gewissen Platz kann das neue, 1999 bezogene und nach der Politikerin Louise Weiss benannte Parlamentsgebäude der EU im kollektiven Bildgedächtnis beanspruchen. Dieser Ort ist nicht nur ein Ort harmonischer Kooperation, sondern auch ein Ort der Kontroversen, auch um die ewige Frage, ob Straßburg neben Brüssel Parlamentssitz bleiben kann.29 Das LOW (Louise Weiss)-Gebäude (Hauptgebäude des EP in Strasbourg) wurde im Juni 1999 bezogen. In diesem Gebäude befindet sich der Plenarsaal, in dem sich die Abgeordneten eine Woche pro Monat zur Plenarsitzung zusammenfinden.

Tomi Ungerer, Mes Cathédrales, Strasbourg 2007, S. 18.

Etwas im Schatten der großen europäischen Institutionen liegen zwei weitere wichtige Einrichtungen, wie der zunächst in Straßburg tätige, dann an die Sorbonne berufene Historiker François-Georges Dreyfus unterstreicht: der deutsch-französische Fernseh-Kulturkanal Arte und das Hauptquartier der französisch-deutschen Brigade. Der aus einer jüdischen, elsässischen Familie stammende, aber in Paris geborene und zum Protestantismus konvertierte Dreyfus würdigte 1996 Straßburg als «Bindeglied zwischen lateinischer und germanischer Kultur, zwischen katholischer und protestantischer Welt, zwischen dem Europa der Technik und dem Europa der Kultur».30

Außer dem Winston-Churchill-(WIC-) und dem Salvador-de-Madariaga (SDM-) Gebäude gibt es auch noch das Pierre-Pflimlin-(PFL-)Gebäude. In all diesen Gebäuden befinden sich Büros und Säle des EP. Das WIC Gebäude wurde 1979/1980 nach der ersten Direktwahl erbaut, so erhielten die Abgeordneten eigene Büros in Straßburg. Das SDM entstand 1986, in dem Jahr, als Spanien und Portugal der EU beitraten. Das PFL ist am 14. Januar 1992 als sogenanntes Pressezentrum bezogen worden.

6. Straßburg als elsässischer Erinnerungsort

Es geht auch hier nicht darum, wie Straßburg sich selbst erinnert, sondern wie es in den Erinnerungen anderer gesehen wird. Straßburg kann sehr selbstbewusst sein, und dabei dürfte sein Herz, die Kathedrale, eine wichtige Rolle spielen. Abgesehen davon, dass alle Orte, Städte oder Dörfer gerne ein Bild von sich selbst haben, ist dieses Bedürfnis im Falle des Elsasses und seiner Hauptstadt insofern besonders verständlich, als man zwischen Deutschland und Frankreich in der ewigen Umstrittenheit und dem entsprechenden Zugehörigkeitsdiskurs einfach vor allem man selbst sein will, gerade aus einer Gegenposition zu den antagonistischen Nationalrhetoriken. Bereits Ende des 18. Jahrhunderts finden sich Belege für die Mittelposition; der liberale Freimaurer Daniel Auguste Ehrenfried Stoeber spricht von deutschen Gesängen und französischem Schwert, erklärt dann aber «Elsass heißet mein Land! Elsass, dir pocht mein Herz.»31

Der Reiseschriftsteller Xavier Marmier stammt zwar aus dem Osten Frankreichs (Pontarlier, Besançon) und war selbst kein Straßburger oder Elsässer, aber er formulierte 1836 idealtypisch und zugleich idealistisch, was ein Elsässer für sein Münster empfinden kann: «Glückliches Kind des Elsass, wenn es aus einem fernen Land zurückkehrt, wenn aus der Ferne sein Auge die Krone seiner Kathedrale erblickt! Es weiß, dass es ganz nahe bei seinem Haus, seiner Familie ist. Es vergisst die Entfernung, die es noch durchschreiten muss, und lebt auf inmitten der Seinen, lange bevor es sich in ihre Arme werfen kann.»32 Eine ähnliche Bedeutung hat das Münster in der Elsässer Heimatdichtung um 1900, etwa in August Ziegels Münster in der Abendsonne – «In d’r Owesunn». – Damit könnte unsere Exkursion zu Ende sein. Es sind aber noch zwei allgemeinere Bemerkungen nachzutragen:

1. Ich weiß nicht wirklich, worin die Beziehungen der Elsässer zur ihrer Capitale bestehen. Es würde mich aber erstaunen, wenn sie sehr anders wären als in anderen Fällen: Einerseits möchten Regionen sich gerne in einer schönen Hauptstadt wiedererkennen, anderseits stehen sie als Um- und Hinterland auch in einem gewissen Gegensatz zu ihr.

2. Bei meinem letzten Straßburg-Besuch habe ich das Museum des Karikaturisten Tomi Ungerer besucht und ein Buch mit variierenden Zeichnungen des Straßburger Münsters gekauft. Das Verständnis dieser Bilder setzt voraus, dass im kollektiven Bildgedächtnis einige Erinnerungen vorhanden sind. So sitzt beispielsweise ein riesiger Gorilla auf dem Münster, wie im Film King Kong und die weiße Frau auf dem Empire State Building, und hat als entführte Schönheit die Alsacienne in seiner Pfote. Ein anderes, ebenfalls von Ungerer geschaffenes Bild (vgl. unten) macht uns indirekt bewusst, dass die Vitalität der Erinnerungsbilder davon abhängt, ob wir sie überhaupt kennen und wie wir sie pflegen.

1 Michel Vovelle, La Marseillaise. In: Pierre Nora, Les Lieux de mémoire. 1. La République. Paris 1984, S. 85–136. Der Entstehung der Marseillaise hat auch Stefan Zweig in seinen «Sternstunden der Menschheit» (1927) einen Essay gewidmet.

2 Zwei Bilder auch in der Schweizer Illustrierten Nr. 36 vom 5. September 1914.

3 Hartweg, Anm. 6, S. 420.

4 Verteilt auf die Departemente Landes, Gers, Lot-et-Garonne, Hautes-Pyrénées und Corrèze.

5 Das Bild «Hitler vor dem Straßburger Münster» blieb bei meinem Vortrag in Freiburg vom 3. Mai 2012 in der Power-Point-Präsentation etwas länger als nötig stehen, da bat mich ein älterer Zuhörer, doch das Bild zu entfernen, weil es für ihn unerträglich sei.

6 Frédéric Hartweg, Das Straßburger Münster. In: Etienne François, Hagen Schulze, Deutsche Erinnerungsorte. München 2001, S. 408–421. Zit. S. 408.

7 Jean-Marie Mayeur, Une mémoire-frontière: L’Alsace. In: Pierre Nora, Les Lieux de Mémoire. II. La Nation. Paris 1986, S. 63–95.

8 Konrad Jarausch, Thomas Lindenberger (Hg.), CONFLICTED MEMORIES. Europeanizing Contemporary Histories. New York 2007, 2. Aufl. 2011.

9 Muriel Blaive, Christian Gerbel, Thomas Lindenberger (Hg.), Clashes in European Memory. The Case of Communist Repression and the Holocaust. Innsbruck 2011.

10 Gabriele Thiel, Der junge Goethe in Straßburg 1770/1771. Die Entdeckung des deutschen Nationalgefühls. In: Wilfried Forstmann u.a., Der Fall der Reichsstadt Straßburg und seine Folgen. Zur Stellung des 30. September 1681 in der Geschichte. Bad Neustadt 1981, S. 133–153. Publikation zum 300-Jahr-Gedenken. Die Universität durfte gemäß Kapitulation deutsch und protestantisch bleiben.

11 Hartweg, S. 412.

12 Gertrude Cepl-Kaufmann, Hella-Sabrina Langer, Der Rhein. Ein literarischer Reiseführer. Darmstadt 2006, S. 47.

13 Simone Herry, Une ville en mutation. Strasbourg au tournant du grand siècle. Strasbourg 1996.

14

15 Mayeur, S. 67.

16 www.volksliederarchiv.de/text357.html

17 Text: Verfasser anonym, auf fliegenden Blättern, Ende des 18. Jahrhunderts unter dem Titel «Der Schweizer» in: Des Knaben Wunderhorn (1808), siehe auch die Nachdichtung von S. H. Mosenthal, Der Straßburger Deserteur (Film), von den alliierten Behörden verboten.

18 Georg Kreis, Die Straßburger Evakuation vom September 1870. Ein heller Moment in dunklen Tagen. In: 1870, Strasbourg brûle-t-il? Straßburg 2010, S. 28–43. Nochmals veröffentlicht in: Vorgeschichten zur Gegenwart Bd. 5, Basel 2011, S. 111–131.

19 Gemäß einer von Leo Zehnder zusammengestellten Dokumentation soll die erste Hirsebreifahrt in der Tat 1456 stattgefunden haben (Leo Zehnder, Volkskundliches in der älteren schweizerischen Chronik. Basel 1976, S. 252). Als frühester Beleg wird aber eine Quelle zu einem 1464 abgehaltenen Schützenfest ohne Hinweis auf die Hirsebreifahrt aufgeführt. Als zweite Quelle folgt dann eine anonyme Zürcher Chronik, die um 1536 verfasst worden sein soll (Anonyme Zürcher und Schweizerchronik aus den Dreißigerjahren des 16. Jahrhunderts, hg. v. Rudolf Lugenbühl, JSG 32, 1907, S. 139 ff). Das passt insofern, als in dieser nachreformatorischen und von Bullinger mitgeprägten Zeit solche Geschichten weitergegeben wurden. Fischart hätte demnach 1576 nicht als Erster eine verschriftlichte Version dieser legendären Begebenheit produziert, sondern auf eine 40 Jahre ältere Version zurückgreifen können.

20 Johann Fischart, Das Glückhafft Schiff von Zürich. Ein Lobspruch/vonn der Glücklichen und Wolfertigen Schiffart/einer Bürgerlichen Gesellschafft auß Zürich/auff das außgeschriben Schiessen gen Straßburg den 21. Junij/des 76. jars/nicht vil erhörter weis vollbracht. – Neuedition von Alois Haas, Stuttgart 1967 (Reclams Universalbibliothek Bd. 1951). – Bereits im Nachgang der Ereignisse von 1870 von Jakob Bächtold herausgegeben: Das glückhafte Schiff von Zürich. Nach den Quellen des Jahres 1576. Zürich: Orell Füssli 1880 (=Mittheilungen der Antiquarischen Gesellschaft in Zürich, 20, Abtheilung 2, Heft 2 und Neujahrsstück, 44/1880).

21 Eine «Lust-Fahrt» von 1893 ist durch ein Schriftchen des Limmat-Clubs Zürich gut protokolliert, zu ihrem Anlass wurde aber nichts vermerkt, dagegen wurde gesagt, dass auch 1884 drei Mitglieder eine unternommen hätten. Mitteilung von Matthias Senn, ehem. Mitarbeiter des Landesmuseums, vom 4. April 2013. Der Bullinger Herausgeber Hans Ulrich Bächtold konnte die Stelle identifizieren: «In dem iar Christi 1456 ward in der statt Straßburg ein schyessen angesähen / uff welches ettliche fruotige gesellen / in einem gesellen schiff hinab fuorend / die hattend ein hirß gekochet stalltend den imm kessel / in das schiff / vermachtend inn wol mitt lumpen und strow / legtend uff den deckel nüw gebachen simlen vermachtentz ouch / und fuorend eines tags von Zürych gen Straßburg / und kamend dahin noch so früe / imm tag / daß sy vor ir herberig / ein abendtantz hieltend / und die warmen simlen und hirß mencklichem ußteyltend. Deß in der statt ein groß wunder was. Dann es ein wyter wäg von Zürych gen Straßburg ist.» (Zürich ZB, Ms. Car C 44, S. 378). Bullinger hat diesen Text seiner Eidgenössischen Geschichte von 1568 entnommen (Zürich ZB, Ms. A 15, S. 127 f.) und muss sich auf eine andere, bis jetzt nicht geklärte Quelle gestützt haben. Mit dieser Anmerkung haben wir uns ein wenig von Thema entfernt. Es ist mir aber wichtig gewesen, dieser bekannten Legende so weit möglich auf den «Grund» zu gehen.

22 Vgl. auch Katalog: «Weltliches Silber» von Alain Gruber 1977, S. 116. (Mitteilungen von Matthias Senn vom 4. und 6. April 2013).

23 Georg Kreis, Zeitzeichen für die Ewigkeit, 300 Jahre schweizerische Denkmaltopographie. Zürich 2008, S. 58–65.

24 Bevin: «Wir haben ein Zentrum gesucht, das allen europäischen Nationen zusagt und das ein Symbol für die Einheit Europas werden kann. Die Wahl Straßburgs erschien mir logisch. Diese große Stadt war Zeuge der menschlichen Dummheit, die versuchte, die Dinge durch den Krieg, die Grausamkeit und die Zerstörung zu regeln.» Wenn ich google «straßburg europarat bevin», dann kommt: de.strasbourg-europe.eu/europa-in-stra-burg,127,de.html. Vgl. auch Pierre Gerbet, La Construction de l’Europe. Paris 1983, S. 94.

25 Hartweg, S. 421. Auch bei Mayeur. S. 67.

26 Das vom französischen Architekten Henry Bernard entworfene Palais soll «die Kraft und die Geschlossenheit der Union verkörpern». Im Gebäudeinneren wählte Henry Bernard eine kurvenreiche Bauweise als Symbol für die freie Zirkulation der Ideen (ebenda).

27 de.wikipedia.org/wiki/Europapalast, Ab 1952 auch der Sitz der parlamentarischen Versammlung der EGKS und dann bis 1999 auch des Europäischen Parlaments.

28 Entworfen vom britischen Architekten Richard Rogers. Vgl. de.wikipedia.org/wiki/Europäischer_Gerichtshof_für_Menschenrechte#Architektur_des_Gerichtsgeb.C3.A4udes

29 www.la-croix.com/Actualite/S-informer/Monde/Strasbourg-siege-toujours-conteste-du-Parlement-europeen-_NG_-2011-02-14-563456

30 François-Georges Dreyfus, Straßburg und der Rhein zwischen Frankreich und Deutschland. In: Horst Möller, Jacques Morizet, Franzosen und Deutsche. Orte der gemeinsamen Geschichte. München 1996, S. 185–194. Zit. S. 194.

31 Hartwig, S. 414.

32 Ebenda.