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DR. MED. GERD REUTHER

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BETROGENE
PATIENT

Ein Arzt deckt auf, warum
Ihr Leben in Gefahr ist,
wenn Sie sich medizinisch
behandeln lassen

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Originalausgabe

2. Auflage 2017

© 2017 by riva Verlag, ein Imprint der Münchner Verlagsgruppe GmbH

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Redaktion: Matthias Michel

Umschlaggestaltung: Isabella Dorsch, München

Umschlagabbildung: Dario Lo Presti/Shutterstock.com

Satz: Daniel Förster, Belgern

Druck: GGP Media GmbH, Pößneck

Printed in Germany

ISBN Print 978-3-7423-0071-3

ISBN E-Book (PDF) 978-3-95971-474-7

ISBN E-Book (EPUB, Mobi) 978-3-95971-475-4

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»Günstig ist das Wetter … nur dem, der in eine Richtung
strebt, die der meinen entgegengesetzt ist; wer den
Hafen der Vernunft und der Wahrheit anzusteuern
wagt, dem sind alle Winde so widrig, dass er gar
nicht geschickt und listig genug sein kann …«

JULIEN OFFRAY DE LA METTRIE, 1751

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Das Buch ist allen Menschen gewidmet,
die sich vorstellen können, ernstlich krank zu werden,
und denen, die sich in einem Gesundheitsberuf immer
wieder unsinniger Medizin verweigern und notwendige
Maßnahmen empathisch durchführen.

Haftungsausschluss

Diese Veröffentlichung ersetzt keine ärztliche Konsultation oder Untersuchung. Autor und Verlag übernehmen keine Haftung oder Verantwortung für mögliche Schäden aus der Benutzung dieser Informationen. Entscheidungen für oder gegen eine ärztliche Behandlung liegen in der Eigenverantwortung jedes Lesers. Dieses Buch hat nicht die Absicht, Sie von einem Arztbesuch abzuhalten oder Ihr Verhältnis zur Ärztin/zum Arzt Ihres Vertrauens zu belasten, wohl aber, dass Sie alle Informationen, die Sie dort erhalten, kritisch auf Sinn und Absicht hinterfragen.

Auch auf dem Gebiet der Wissenschaft gilt die freie Meinungsäußerung, die nicht durch Wirtschaftsgruppen, Verbände oder Interessengruppen unterbunden werden darf.

Hinweis: In diesem Buch wird für Patienten und Ärzte beiderlei Geschlechts vereinfacht die männliche Form verwendet, es sei denn, es wird ausdrücklich auf Patientinnen oder Ärztinnen hingewiesen.

Inhalt

Geleitwort

Prolog

1Was wir verordnen, wirkt auch

Medizin ohne Evidenz und kritische Selbstkontrolle

2Man wird eine Studie (er)finden

Mediziner als Wissenschaftsgaukler

3Was nicht sein darf, kann auch nicht sein

Ärztliche Investigationsverweigerung

4Was wir nicht anbieten, braucht ein Patient nicht

Mediziner als Spezialisten

5Eine schlechte Therapie ist besser als keine Therapie

Medizinischer Aktionismus

6Geschluckt wird, was wir geliefert bekommen

Mediziner als Erfüllungsgehilfen der Medizinindustrie

7Auch heute sterben im Krankenhaus die Leute

Hochrisikobereich Klinik

8Zynische Dreiecksbeziehungen

Undurchsichtige Geldflüsse und Interessenkonflikte

9Welche Behandlung darf es denn sein?

Mediziner als Dienstleister der Patienten

10Heilen – manchmal, lindern – oft, trösten – immer

Ein 20-Punkte-Programm für eine Medizin ohne Verbrechen gegen die Gesundheit

Danksagung

Anmerkungen

Geleitwort

Das Buch von Dr. med. Gerd Reuther ist wie eine Wiese mit vielen Maulwurfshügeln: Es zeigt, wo ein Wühler am Werk war, wo einer das unter der Oberfläche Liegende nach oben gebuddelt hat, das, worüber schon Gras gewachsen ist. Um nicht missverstanden zu werden: Gerd Reuther ist kein Maulwurf, keiner, der »undercover« in einem Betrieb oder einer Firma gearbeitet hat, um Missstände aufzudecken und anzuprangern. Gerd Reuther ist ein Insider, der nach 30-jähriger engagierter Tätigkeit im Medizinbetrieb nicht erst vom Saulus zum Paulus werden musste, um in die Fußstapfen von Peter C. Gøtzsche (Tödliche Medizin und organisierte Kriminalität, 2014), Jerome P. Kassirer (On the Take, 2005) oder Marcia Angell (The Truth About the Drug Companies, 2004) zu treten.

Gerd Reuther ist Radiologe. Schnittbildradiologen nutzen die Freiheit des technischen Verfahrens, die Schnittbildebene der Durchleuchtung frei wählen zu können, gekonnt aus. In täglicher Übung haben sie gelernt, ihre Magnetresonanztomografen (MRT) wie eine Brille zu nutzen, durch die und mit der man sieht. Genauer, wie eine Gleitsichtbrille, die man – je nach Situation und Kontext – mal mehr als Lesebrille, mal mehr zur Weitsicht nutzen kann. Das Fokussieren auf eine Schnittebene, durch die der Lichtstrahl ins Auge fällt, kann man durch lockeren oder festen Sitz der Brille, durch Vor- und Rückschieben der Brille auf der Nase mit beeinflussen. Das machen MRT-Spezialisten mit ihrer »Brille« ähnlich, sie wechseln zwischen verschiedenen Kontrasteinstellungen (Protonendichte-, T1- und T2-Gewichtung) und Schnittebenen.

Gerd Reuthers Durchleuchtung des Gesundheitswesens beruht auf gründlich recherchierten Belegen und Fakten – eine Betrachtung, die er für die ganze Medizin fordert. Was Reuther bei seinen verschiedenen Fokussierungen auf den unterschiedlichen Schnittebenen sieht, ist erschreckend: die unsichere Basis vieler medikamentöser Therapien, den sinnlosen Aktionismus der Mediziner, die Machenschaften der pharmazeutischen Industrie, blinde Flecke bei der Infektionsprävention, Interessenkonflikte der Verfasser von Leitlinien oder Impfempfehlungen, die falschen Anreize im Abrechnungssystem der Krankenhäuser, den Unsinn stationärer Rehabilitationsmedizin und des Kurwesens bis hin zu den unnötig hierarchischen Strukturen in deutschen Kliniken und, und, und. Jeder, der 30 Jahre oder länger als Arzt tätig war, kennt vieles, was Reuther beschreibt, aus eigener Anschauung. Und jeder, der während seines Studiums und seiner Berufstätigkeit nicht nur Fachzeitschriften, sondern auch die eigene Zunft kritisch reflektierende Bücher gelesen hat, angefangen bei Ivan Illichs (1926–2002) Klassiker Enteignung der Gesundheit (1975), weiß, wie es um die Medizin bestellt ist.

Gerd Reuther war auch vor allem ein exzellenter interventioneller Radiologe, der CT-kontrolliert verborgene Abszesse drainierte, die entlegensten Lymphknoten biopsierte, Gallenwege und Gefäße mit Stents (Gefäßstützen) versorgte und sogar Osteosynthesen (operative Verbindung von Knochen) durchführte. Und es ist dem über das Durchleuchten und Diagnostizieren hinausgehenden Blick eines interventionell tätigen Radiologen zuzuschreiben, dass Reuther konkrete Vorschläge für therapeutische Eingriffe unterbreitet und 20 reformatorische Thesen ans Portal des kränkelnden Gesundheitswesens anschlägt. Mit diesen 20 Thesen ist das Buch deutlich mehr als eine bloße Kritik an den Missständen der heutigen Medizin. Mit seinen reformatorischen Thesen könnte es das Potenzial für heilsame Veränderungen haben. Um auf das Bild mit der Wiese und den Maulwurfshügeln zurückzukommen: Wie vieler »Wühler«, wie vieler Insider bedarf es noch, damit sich etwas ändert?

Prof. Dr. med. Ottmar Leiß,
Facharzt für Innere Medizin und Gastroenterologie, ehemals
Fachbereich Gastroenterologie an der Deutschen Klinik
für Diagnostik, Wiesbaden, Mitglied in der Thure von
Uexküll-Akademie für Integrierte Medizin (AIM)

Prolog

Wer früher stirbt, ist bekanntlich länger tot. Aber wer später stirbt, meist länger Patient. Trotz jährlicher Rekordmeldungen einer steigenden Lebenserwartung stagniert die »gesunde Lebenserwartung« seit 2010 bei erhöhter Behandlungsintensität in den meisten Ländern der Europäischen Union (EU).1 In Deutschland stehen Männern im Alter von 65 Jahren 10,9 und Frauen 13,8 Beschwerdejahre bevor.2 Das tatsächliche Sterbealter von 78,1 Jahren liegt um 2,5 Jahre unter den Prognosen der Lebenserwartung.3

Die Fata Morgana der medizinischen Lebensverlängerung

Dass wir immer älter werden, verdanken wir nicht etwa dem Fortschritt der Medizin. Bereits seit 150 Jahren erhöht sich das Lebensalter pro Jahrzehnt um circa 2,5 Jahre. Weit länger, als die Medizin die Sterblichkeit hätte verringern können.4 Aber auch im 20. Jahrhundert haben die Meilensteine der modernen Medizin den Verlauf der Lebenserwartung nicht erkennbar beeinflusst.5 Die demografische Alterung resultiert heute daraus, dass die weltkriegsbedingt schwächeren Jahrgangsstärken im Sterbealter sind, wodurch einfach weniger Menschen sterben und rechnerisch die Lebenserwartung steigt.6 Mit dem Eintritt der stärkeren Geburtsjahrgänge 1934–1941 in das Sterbealter zeichnet sich seit etwa fünf Jahren in der EU ein Plateau der Lebenserwartung ab.7 2015 wurden für die USA8 und für Frankreich9 sogar erstmals rückläufige Lebenserwartungen vermeldet. Spätestens wenn die »Babyboomer« (Jahrgänge 1958–1968) ab 2040 sterben, wird das vermeintliche Niederringen des Todes durch die Medizin Geschichte sein.

In früheren Jahrhunderten wurde unser heutiges Lebensalter durchaus erreicht10 – wenngleich von weniger Personen – und auch heute stirbt immer noch fast jeder 5. Mann und fast jede 10. Frau vor Erreichen des 65. Lebensjahres.11 Trotz Heilungserfolgen bei einzelnen Tumorerkrankungen liegt die Wahrscheinlichkeit, an Krebs zu sterben, unverändert bei 20 % für Frauen und 26 % für Männer.12 Verbesserungen in Hygiene, Arbeitsbedingungen und Ernährungslage waren ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts die maßgeblichen Faktoren für ein höheres Durchschnittsalter.13 14 Rechnet man die hohe Kinder- und Jugendsterblichkeit sowie die Toten durch Kriege und Kampfhandlungen heraus, schmilzt unser Lebenszeitgewinn drastisch zusammen.15 Krankheiten wurden in der Menschheitsgeschichte durch Prävention zurückgedrängt – und nicht durch Früherkennung oder Behandlung16: Die OECD errechnet für Deutschland, dass sich durch Prävention zehnmal so viele Todesfälle verhindern ließen wie durch Behandlungen.17 Dies ist allerdings keine Erkenntnis unserer Tage, denn bereits für Voltaire (1694–1778) war schon vor 250 Jahren klar: »In den meisten Fällen ist die Todesursache eines Menschen sein Leben.«

Gevatter Tod kann den Anstieg der Lebenserwartung gelassen sehen. Seit 1990 liegen die Sterbefälle in Deutschland mit einer Quote von etwa 1 % der Bevölkerung zwischen 830 000 und 930 000 jährlich.18 Die Zunahme von Ärzten um 50 % während dieser Zeit19 und die weit verbreiteten Absenkungen von Blutdruck, Cholesterin und Blutgerinnung mit dem Ziel, die Todesfälle durch Herz-Kreislauf-Erkrankungen zu reduzieren,20 haben die Zahl der Toten weder verringert noch gesteigert. Selbst moderne Tricks zur Überlistung des Gevatters wie die vorbeugende Implantation eines Defibrillators (ICD) beeinflussen die Sterblichkeit nicht.21 Ärzte können Einzelschicksale zum Guten oder Schlechten verändern wie die Börse das Vermögen – die Summe der Toten bleibt allerdings gleich, wie das Geld nur den Besitzer wechselt. Das erfolgreichste Geschäftsfeld der Medizin war und ist das Herumtherapieren an spontan verlaufenden Heilungen. Viele Behandlungen mit wirkungslosen Medikamenten und physikalischen Therapien (»konservative Behandlungen«) folgen auch in der modernen Medizin diesem Prinzip. Voltaires Bonmot, dass die Kunst der Medizin darin bestehe, den Kranken so lange bei Laune zu halten, bis die Natur die Krankheit geheilt hat, trifft allerdings nur so lange zu, als keine nebenwirkungsträchtigen Maßnahmen zur Anwendung kommen. Denn dann schadet Medizin oft mehr, als sie nutzt.

Ärzte als Krankheits- und Todesursache

Wer länger Patient ist, dessen individuelles Krankheits- und Sterberisiko steigt auch durch medizinische Behandlungen. Quecksilber und Aderlass waren gestern, immunsuppressive Medikamente, die körpereigene Reparaturvorgänge beeinträchtigen, und Blutverdünner sind heute nur in wenigen Fällen von Nutzen. Prinz Eugen von Savoyen (1663–1736) führte sein für jene Zeit und seine kriegerischen Unternehmungen langes Leben vor allem darauf zurück, dass er sich bei Krankheit oder Verwundung immer von Ärzten fernhielt.22 Im Mecklenburgischen soll sogar ein Schäfer genötigt worden sein, den Kadaver seines Hundes in einen Gesundbrunnen zu werfen, um das Auskommen der dortigen Ärzte zu sichern: Sauberes Wasser war der Gesundheit förderlicher als deren Therapien.23 Aber auch heute finden sich nur für 4 % der Behandlungen solide Belege für deren Wirksamkeit.24 Bis zu 96 % aller Therapien unterscheiden sich kaum von Quacksalberei. Wer an einer ärztlichen Behandlung verstirbt, hatte einen Risikofaktor zu viel.

Die »moderne Medizin« hat reichlich Behandlungen im Gepäck, die schaden und töten können. Viele Erkrankungen werden noch immer mit Kortikosteroiden behandelt, obwohl diese Hormone die Symptome allenfalls temporär bessern, im weiteren Verlauf aber meist das Krankheitsbild verschlimmern und die Rückfallquote erhöhen. Chemotherapien können Leukämien25 und Strahlentherapien im Bestrahlungsfeld bösartige Tumoren sowie Herz- und Lungenerkrankungen als tödliche Spätschäden verursachen.26 80 % der Überlebenden von Krebserkrankungen in der Kindheit leiden an Folgekrankheiten und Gebrechlichkeit, die nicht durch den Krebs, sondern durch die Therapien bedingt sind.27 Nicht wenige, die sich unnötigen oder unangemessen ausgedehnten Meniskusentfernungen beziehungsweise Knorpelglättungen am Knie unterzogen haben, sind inzwischen Kandidaten für einen Gelenkersatz.28 Die Einstellung von Diabetikern auf »scharf« normale Blutzuckerwerte erhöht die Sterblichkeit um 20 %.29 Wer fünf Jahre lang Statine zur Senkung seines Cholesterinspiegels im Blut einnimmt, senkt sein Herzinfarktrisiko nur so weit, wie sein Diabetesrisiko steigt.30 Nebenwirkungen bei Langzeittherapien chronischer Krankheiten bedingen nicht selten eine schlechtere Lebensqualität als im Spontanverlauf mit körpereigenen Strategien und Gewöhnungseffekten (zum Beispiel multiple Sklerose31). In vergangenen Jahrhunderten haben fatale Infektionswellen die Menschen dahingerafft. Heute stehen an dieser Stelle Erkrankungen und Tod durch Medikamente und Operationen – gerade auch bei Erkrankungen, die eigentlich ohne jegliche Therapie ausheilen.32 Medikamentenpackungen müssten mit Warnhinweisen und Schockbildern wie Zigarettenschachteln gekennzeichnet werden.

Natürlich gibt es lebensrettende oder die Lebensqualität verbessernde Behandlungen. Allerdings ist nicht ausreichend belegt, dass deren Nutzen den Schaden der übrigen Maßnahmen übertrifft. Sonst müssten die Sterbefälle abnehmen. Die Lotterie für den Patienten heißt: Chance auf ein längeres Leben im Einzelfall gegen ein höheres Krankheitsund Sterberisiko durch Behandlungen. Screening und die Mehrzahl der ärztlichen Therapien sind bestenfalls Nullsummenspiele, wenn man behandlungsbedingte Sterblichkeiten gegen Heilung und therapiebedingte Erkrankungen gegen Besserung aufrechnet. Ein Patient, der Medikamente einnimmt, muss sich, wie es der kanadische Internist William Osler (1849–1919) bereits am Anfang des 20. Jahrhunderts formulierte, nicht nur von seiner Erkrankung, sondern auch von seiner Medizin erholen. So alltäglich Krankheit und Tod infolge ärztlicher Behandlung sind, so wenig präsent ist das Thema unter ihren Verursachern: Eine Monografie über iatrogene (durch eine medizinische Behandlung bedingte) Gesundheitsschäden ist hierzulande nie erschienen. Die deutsche Übersetzung eines amerikanischen Buches ist längst vergriffen, obwohl vieles bis heute Gültigkeit hat.33 In der Statistik der 20 häufigsten Todesursachen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) fehlt die Kategorie »ärztliche Behandlung« überhaupt.34

Das Grundprinzip ärztlichen Handelns, »primum non nocere« (»zuerst einmal nicht schaden«) und nur zu behandeln, wenn eine zwingende Notwendigkeit gegeben scheint, ist zu einer Minderheiteneinstellung geworden, die der Ärzteschaft über die Kampagne »Gemeinsam Klug Entscheiden« mit »Don’t do«-Empfehlungen wieder nahegebracht werden soll.35 Die mangelnde Eigeninitiative lässt sich allerdings schon daran ablesen, dass das Motto nur eine Übersetzung der internationalen »Choosing wisely«-Kampagne ist.36 Doch am Anfang und Ende jeder ärztlichen Tätigkeit müssen immer die Fragen stehen, ob die Beschwerden eines Menschen durch medizinische Maßnahmen (mit)verursacht wurden und ob die Behandlungen seinen Zustand und seine Prognose wirklich verbessert haben.

Gesunde und kranke Patienten

Die Medizin unterscheidet heute zwischen gesunden und kranken Patienten. »Gesunde Patienten« – ein Widerspruch in sich – seien nur unzureichend untersucht, heißt es. Leben ist zum Risikozustand verkommen, dessen Ende es hinauszuschieben gilt – Leben als Abfolge von Kontrollabschnitten mit Interventionsbereitschaft statt medizinfreies Älterwerden. Der ärztliche Zugriff erfolgt nicht erst bei Krankheit, sondern im Vorfeld – ein Risiko besteht immer. Die Grenzen zwischen Krankheit und Gesundheit verwischen. Heilen, lindern und trösten war gestern. Lifestyle- und Krankheitsmanagement haben Fürsorge ersetzt.

Gemäß einer Forsa-Umfrage haben 68 % der Befragten Angst vor Krebs und 50 % vor Demenz, obwohl die Wahrscheinlichkeit dafür im mittleren Alter jeweils im Promillebereich liegt.37 Das Risiko, bei einem Unfall verletzt zu werden, beträgt dagegen etwa 10 %.38 39 Eine unrealistische Krankheitsangst ist in den Köpfen angekommen. Der »Gesundheitskunde« soll mit einem Onlinefluss seiner biometrischen Daten in möglichst kontinuierlicher Überwachung stehen. Die Blutzuckermessung in Echtzeit ist für Diabetiker bereits beschlossene Regelleistung der Kostenträger.40 Ein Zugriff auf diese Daten käme einer Lizenz zur Patientensteuerung gleich. »Personalisierte Medizin« als tiefer Eingriff in Person und Portemonnaie unter dem Deckmantel der Fürsorge. Der digitale Jahrmarkt der narzisstischen Unsinnigkeiten erblüht und hat schon ein Armband (»Nanoparticle Phoresis«) generiert, das mit Krankheiten zusammenhängende Substanzen im Körper aufspüren und diese dann mittels Infrarot, Radiofrequenzen oder Magnetfeldern unschädlich machen soll.41 Selbst den Tod will das kalifornische Biotechnologieunternehmen Calico – ein Tochterunternehmen von Alphabet Inc. (vormals Google Inc., USA) – heilen. Ein Ansinnen, das nur aus den Köpfen von Nerds kommen kann, die sich vorstellen können, den Tod mit der »Delete«-Taste zu löschen.

Erklärt man alle Menschen zu mehr oder weniger Kranken, also Behandlungsbedürftigen, dann muss gar nicht mehr nach einer Behandlungsabstinenz gefragt werden. Die Definition der WHO von Gesundheit als »Zustand des vollständigen körperlichen, geistigen und sozialen Wohlergehens« hat dem bereits Rechnung getragen, wenn die WHO davon ausgeht, dass das »vollständige Wohlergehen« nur auf etwa 5 % der Menschheit zutrifft.42 Und wo Gesundheit fehlt, beginnt seit jeher der Geschäftsbereich der Ärzte. Der langjährige Präsident der Bundesärztekammer (BÄK) Jörg Dietrich Hoppe pochte zwar immer darauf, dass »Ärzte keine Kaufleute und Patienten keine Kunden« seien, die BÄK hat allerdings immer die Freiberuflichkeit des Berufsstandes forciert. Diagnostik und Therapie bei Unpässlichkeiten, Screening, Check-ups oder Maßnahmen zur vermeintlichen Verbesserung von Gesundheit machen Patienten aber zu Kunden, und der Arzt wird Anbieter. Das »Vertrauensverhältnis« zwischen Arzt und Patient verkommt zum Ambiente für das schriftliche Patienteneinverständnis.

Als ob die Zunahme von Erkrankungen mit dem Lebensalter nicht schon ausreichen würde, erfinden Ärzte und ihre Fachgesellschaften neue Krankheiten, psychiatrisieren Stimmungsschwankungen, senken Schwellenwerte und verzögern das Sterben im Einzelfall fast um jeden Preis. Noch nie waren so viele Menschen »krank«. Im internationalen Klassifizierungssystem der Krankheiten ICD (»International Classification of Diseases and Related Health Problems«) ist die Zahl der Einzeldiagnosen von 44 im Jahr 1893 inzwischen auf unglaubliche 16 000 angewachsen.43 Das Bundesministerium für Bildung und Forschung geht sogar von etwa 30 000 Krankheiten aus.44 Neue Diagnosen sind leichter zu erzeugen als neue Therapien.45 Krankheit ist offenbar erwünscht, jedoch ohne ihre Begleiter Alter und Tod. Der Tod ist kein Geschäftsfeld der Medizin, sondern nur eine Entlassungsart in der Krankenakte.

Die Fälschung der Gesundheitswelt

Überhaupt ist Schönfärberei angesagt. Kranke sind längst zu Patienten mit »Gesundheitskarte« oder gleich »Gesundheitskunden« mutiert. Krankenhäuser verstecken sich hinter »Klinik«-Fassaden und verstehen sich als »Gesundheitsunternehmen«. Der Tod ist in der Terminologie der Gesundheitsökonomie zum »vermeidbaren unerwünschten Ereignis (VUE)« geschrumpft. Der Krankenwagen heißt »Intensivtransport« und liefert Kranke an »Liegendvorfahrten« ab. Als »Gesundheitswesen« werden alle Vorgänge um Krankheit beschönigt, denn im »Krankheitswesen« wäre die gültige Wachstumsideologie erkennbar negativ besetzt – ob nun mehr Geld bei konstantem Krankenstand oder die gleichen Summen pro Fall bei steigender Krankheitshäufigkeit umgeschlagen werden. Aus der volkswirtschaftlich und gesundheitlich unerfreulichen Tatsache, dass mehr Patienten urologisch behandelt werden, wird in der orwellschen Wendung der Lokalpresse: »Urologie auf Wachstumskurs« – die Fälschung der Welt ist in den Provinzredaktionen angekommen.

Die Krankheitskosten sind von 2 Milliarden D-Mark im Jahr 1950 in der Bundesrepublik Deutschland auf sage und schreibe 328 Milliarden Euro in Gesamtdeutschland (noch ohne Lohnfortzahlung, vorzeitige Renten und verlorene Arbeitstage) explodiert.46 Der Anteil am Bruttoinlandsprodukt (BIP) hat sich seither verdoppelt47 und liegt heute bei 12 %48. Bedeuteten früher mehr Kranke weniger Arbeitsleistung, steigt heute das BIP, wenn mehr »Gesundheitsdienstleistungen« erbracht werden. Milliardengewinne von »Healthcare«-Unternehmen und Klinikkonzernen suggerieren gesellschaftlichen Fortschritt. Die Gesundheitsbranche gilt als Wachstums- und Beschäftigungsmotor mit hoher Wertschöpfung und beschäftigt etwa neunmal mehr Menschen als der Automobilbau einschließlich Zulieferer (6,8 Millionen Arbeitnehmer).49 Fast jeder sechste Arbeitsplatz befindet sich in der »Gesundheitsindustrie«, die Krankheiten verwaltet, verlängert und maßgeblich verursacht.50

Eine produktive »Gesundheitswirtschaft« würde bewirken, dass die Kosten für die Lohnfortzahlung und die Zahl der Krankheitstage infolge einer schnelleren Besserung oder Heilung zurückgehen! Ein solcher Zusammenhang zwischen dem wirtschaftlichen Wachstum der Medizinindustrie und sinkenden Kosten für Arbeitsausfälle ist jedoch nicht erkennbar. Rückenschmerzen sind weiterhin für jeden 10. Fehltag am Arbeitsplatz verantwortlich, obwohl es noch nie so viele Wirbelsäulentherapeuten und Schmerzmediziner gab.51 Tatsächlich vermindern Gesundheitsdienstleistungen den Wohlstand von Nationen, wenn sie nicht dazu dienen, die Inländer wieder arbeitsfähig zu machen, oder für Ausländer erbracht werden (»Gesundheitstourismus«). Beides ist heute nur in unwesentlichem Umfang der Fall. Lediglich ein Drittel der Ausgaben für Krankenversorgung betreffen überhaupt Menschen, die im Erwerbsleben stehen.52 Die Automobilindustrie schafft dagegen wenigstens eine positive Handelsbilanz.

Die Höhe der in Deutschland im »Gesundheitssektor« eingesetzten Geldmittel steht in keinem Verhältnis zur Volksgesundheit.53 Die Lebenserwartung liegt im Durchschnitt der EU-Länder, und nur in wenigen anderen Ländern haben die Menschen im Alter von 65 noch weniger gesunde Lebensjahre vor sich, obwohl unsere Gesundheitsausgaben in Relation zum BIP im Spitzenfeld liegen.54 Deutschland verzeichnet die häufigsten Krankenhausaufenthalte wegen Herz-Kreislauf-Erkrankungen aller OECD-Staaten. Die Sterblichkeit an Durchblutungsstörungen des Herzens übersteigt auch die in Ländern mit vergleichbarer Altersstruktur (zum Beispiel Italien).55 In Portugal, das nur etwa 60 % der deutschen Pro-Kopf-Mittel für die Gesundheitsversorgung der Bevölkerung einsetzt, liegt die Säuglingssterblichkeit nicht höher als in Deutschland.56 Auch innerhalb Deutschlands lebt man nicht dort am längsten, wo die meisten Klinikbetten stehen und die meisten Ärzte niedergelassen sind.57 Teuer ist nicht Gesundheit oder die kleine Zahl von Fällen, in denen moderne Medizin wirklich heilt – teuer ist die Verlängerung von Krankheiten.

Heilen oder täuschen?

Als »Palliativmedizin« wird die Behandlung unheilbar Kranker, die keine Aussicht auf Genesung mehr haben, bezeichnet. Dieser Begriff verdrängt, dass die Mehrzahl aller Therapien nicht heilt. Behandlungen gelten schon als erfolgreich, wenn sie als »krankheits«- oder »verlaufs«-modifizierend eingestuft sind. In der Krebsbehandlung werden Remissionen, also das (zeitweilige oder dauerhafte) Nachlassen von Symptomen, und ein »progressionsfreies Überleben« statt Heilungen oder ein tatsächlich längeres Leben gezählt. »Heilanstalten« gehören der Vergangenheit an; »Heilpraxen« finden sich bei Naturheilkundlern und in der Veterinärmedizin. Heilen wird man auch nur selten, wenn Ursachen und Mechanismen von Krankheiten ignoriert und stattdessen sicht- und spürbare körperliche Symptome wie Schmerz, Fieber, Husten und Hauterscheinungen bekämpft werden. Beschwerdebesserung oder -freiheit für einen begrenzten Zeitraum scheint zu genügen. Eine langsamere, nachhaltigere Symptomrückbildung ist allzu oft unerwünscht. Schmerzunterdrückung statt ursächlicher Abklärung ist angesagt. Das Zeitalter der Ursachenforschung ist zu Ende, wir leben in der Epoche der Risikofaktoren.

Aber woher wissen wir überhaupt, ob Abweichungen aus dem Normalbereich behandlungsbedürftige Krankheitsfolge oder heilsame Gegenreaktion des Körpers sind? Man muss auch Krankheitssymptome zulassen, um Heilung zu befördern. Eine erhöhte Körpertemperatur unterstützt Abwehrvorgänge (»therapeutisches Fieber«), und Schmerzen sind wichtige Botschaften. Oft wäre die Zeit – mit einer über Jahrmillionen entwickelten Selbstheilung – eine bessere Verbündete der Ärzte als die therapeutischen Möglichkeiten der industriellen Pharmazie und modernen Chirurgie. Auch beinhalten manche nicht unbedingt lebensverkürzende Erkrankungen ein verringertes Risiko für todbringende Krankheiten. Wer an Rheuma leidet, wird nur selten an Krebs erkranken.58 Allerdings nur, wenn er sich nicht mit Kortikosteroiden oder Medikamenten therapieren lässt, die in die Botenstoffe des Immunsystems eingreifen (Biologika).

Bis weit in das 19. Jahrhundert war für Kranke und deren Umfeld – im Wissen um die Begrenztheit der Heilkunst – die ärztliche Prognose wichtiger als die Therapie. Im Grimm’schen Märchen Der Gevatter Tod bringt es ein Arzt zu Berühmtheit, weil nur er sehen kann, ob sich der Tod am Kopf- oder Fußende des Krankenbettes aufgestellt hat, und dadurch sicher vorherzusagen weiß, ob der Patient überleben wird. Als er versucht, durch das Umdrehen des Kranken den Tod zu überlisten, kostet es dem Medicus das Leben. Heute gehört es zum Tagesgeschäft der Medizin – wann immer möglich – eine Heilungsabsicht vorzutäuschen, obwohl Heilung nur selten ein möglicher »Endpunkt« ist. Viele Ärzte schließen einen Pakt mit der Pharmaindustrie im Glauben, Gevatter Tod ein Schnippchen schlagen zu können. Mit Hütchenspielertricks lassen sich vielleicht der Todeszeitpunkt um einige Wochen oder Monate verschieben und die Todesart abändern. Die Sterbefälle hat die Pharmaindustrie keinesfalls vermindert, nur haben viele Mediziner ihre Seele verkauft. Der Internist und Neurologe Viktor von Weizsäcker (1886–1957) beklagte schon 1947, dass »die moderne Medizin dahin gelangt« sei, »ein fester Bestandteil der Wissenschaft und der Technik zu werden, ohne welche die Kulturvölker nicht mehr glauben auskommen zu können«.59 Die gegenwärtige Medizin hat den kranken Menschen aus dem Blick verloren. Bilder aus dem Körperinneren, Befunde aus dem Labor oder den Köpfen konsultierter Kollegen ersetzen die direkte Auseinandersetzung mit dem Kranken und seinen Symptomen. Ein Mensch ist aber mehr als die Summe seiner Befunde.60

Trotzdem scheint der Ruf der Ärzteschaft heute weniger beschädigt als in früheren Zeiten. Ärzte und Krankenschwestern genießen seit Jahren das höchste Ansehen61: Allerdings wird Feuerwehrleuten und Krankenpflegern im Notfall mehr Vertrauen entgegengebracht als Medizinern.62 Das tatsächliche Ansehen der Ärzteschaft entspricht wohl ebenso wenig der demoskopischen Wahrheit wie die vermeintliche Zufriedenheit mit der Arbeit der Spitzenpolitiker. Wie könnten sonst 65 % der Deutschen Angst haben, im Krankenhaus falsch behandelt zu werden?63

An medizinkritischen Büchern besteht seit den 1970er-Jahren kein Mangel, auch wenn Ärzte sich im deutschsprachigen Bereich auffällig zurückhalten. Von einer »Enteignung der Gesundheit«64, »verordneter Krankheit«65, einer »Gesundheitsmafia«66 und »tödlicher Medizin«67 ist die Rede. Die offiziellen Standesmedien der Ärztekammern ignorieren diesen Büchersektor weitgehend. Kritik aus den eigenen Reihen ist Medizinern bis heute ein Stachel im Fleisch. Und wenn es nicht gelingt, die Kritik totzuschweigen, drohen »Whistleblowern« Diskreditierung und Berufsverbot, früher auch Vertreibung und Tod. Als der Arzt und Freigeist Julien Offray de La Mettrie (1709–1751), verbittert über Arroganz und fehlende Empirie der akademischen Ärzte sowie deren endlose Streitigkeiten mit den Chirurgen, satirische Porträts seiner Pariser Kollegen veröffentlichte, wurde die Schrift auf Gerichtsbeschluss verbrannt und ihr Verfasser musste in die Niederlande fliehen.68 Fünf Jahre später, inzwischen im Dienste Friedrichs II. von Preußen, starb er durch einen bis heute ungeklärten »gastronomischen Unfall« mit einer verdorbenen oder vergifteten Fasanenpastete und wurde unter dem Jubel seiner Gegner in die Erde gesenkt.

1Was wir verordnen, wirkt auch

Medizin ohne Evidenz und kritische Selbstkontrolle

Die Mehrzahl der Patienten ist davon überzeugt, dass die heutige Medizin auf einer soliden naturwissenschaftlichen Basis steht. Und die Ärzte blicken mit Verachtung auf die bis in das 19. Jahrhundert gängige Praxis, mit Aderlässen, Schröpfen, Abführen und Brechmitteln gegen jedes Leiden zu Werke zu gehen, um ein Ungleichgewicht der »Säfte« zu beseitigen. Die Hochnäsigkeit sollte allerdings schnell verfliegen, wenn man sich einige der heutigen Behandlungsmethoden ansieht. Reflexhafte Herabsetzungen von Blutgerinnung und Blutfetten, die Verabreichung entwässernder Medikamente und ärztliche Empfehlungen großer Trinkmengen erwecken den Anschein, die Säftelehre wäre noch nicht überwunden.

Die Prinzipien der Verdünnung, Ausschwemmung und »Entschlackung« erklären sich durch früher häufig zu Recht vermutete Vergiftungen als Krankheitsursache. Doch die generalisierte Anwendung derselben wenigen Maßnahmen bei allen möglichen Krankheitszuständen ist das Gegenteil einer naturwissenschaftlichen, auf Fakten und Belegen basierenden Medizin (evidenzbasierten Medizin). Blinde Autoritätsgläubigkeit zieht sich durch die Geschichte der Medizin, sodass unhinterfragte Vorgaben vermeintlicher Experten immer wieder vermeidbare Krankheiten und Todesfälle verursacht haben. So wurden zum Beispiel Infektionskrankheiten lange Zeit als natürliche, nicht beeinflussbare Erscheinungen verkannt, obwohl der Bevölkerung wirksame Therapien und Präventionsmaßnahmen bekannt waren. Über Jahrhunderte führte dies zu Millionen von Todesfällen und schweren Behinderungen.1 In Abwandlung einer Sentenz des Anatomen und Physiologen Friedrich Tiedemann (1781–1861) könnte man sagen, dass Ärzte ohne evidenzbasierte Medizin »Maulwürfen« gleich sind: »sie arbeiten im Dunkeln und ihrer Hände Tagewerk sind Erdhügel«.2

Ärztlicher Alltag ohne Evidenz

Ärztliche Behandlung ohne Nachweis (Evidenz) der Wirksamkeit ist allerdings auch heute noch eher die Regel als die Ausnahme. Hausärzte therapieren überwiegend nach Wahrscheinlichkeitsvermutung mit Blick auf die Symptome, ohne Beschwerdeursachen objektiv zu bestimmen. Schnell ist der Rezeptblock zur Hand, doch oft fehlt der Nutzen der verschriebenen Medikamente. Eine Studie enthüllte, dass über 90 % ihrer Patienten mindestens ein Arzneimittel unbegründet bekamen, für drei von neun eingenommenen Medikamenten keine Indikation vorlag und 37 % der über 65-Jährigen Tabletten schluckten, die für ältere Menschen ungeeignet sind.3 Kombinationspräparate mit stimulierenden Substanzen (Koffein, Ephedrin), sedierenden Antihistaminika, Hustenstillern und Schmerzmitteln (Kodein, Paracetamol) bei Atemwegsinfekten und Grippe, Antibiotika bei Bakteriennachweis im Urin, Kortisonpräparate gegen allergische Reaktionen, Antidiabetika bei erhöhtem Blutzucker, Opiate gegen chronische nicht tumorbedingte Schmerzen … – die Liste medizinisch unsinniger Verordnungen ist lang. In einer amerikanischen Studie konnten unnötige Antibiotikaverordnungen allein durch ein Verhaltensfeedback um 75 bis 80 % reduziert werden.4 Die Ärzte waren hierbei gezwungen, die Verordnung zu begründen, oder wurden durch ein einfaches Pop-up-Fenster auf die fehlende Indikation hingewiesen. Unüberprüftes Festhalten an überkommenen Vorgehensweisen und Annahmen statt Ursachenergründung gehören also zum ärztlichen Alltag. Eminenzbasierte Konzepte, die sich daran orientieren, was Autoritäten sagen, aber nie in korrekten Studien bestätigt wurden, schädigen tagtäglich Patienten und verhindern evidenzbasierte Therapien.

Aber auch in fachärztlichen Praxen und Kliniken, in denen diagnostische Verfahren häufiger einer Therapie vorangehen, sieht es mit der Evidenz der Maßnahmen nicht viel besser aus: Magen- und Darmspiegelungen bei Durchfall und Erbrechen, Kortikosteroide bei akuten Krankheitszuständen, Chemotherapie zur Prophylaxe von Metastasen, operative Belüftung der Nasennebenhöhlen zur Behandlung chronischer Atemwegsinfekte, Knorpelglättungen bei Gelenkverschleiß, Ziehen aller Zähne bei unklaren Entzündungsprozessen … Nichts davon ist im Sinne des Patientenwohls evidenzbasiert, vieles sogar durch Studien widerlegt. Durchgeführt werden solche Maßnahmen jedoch immer wieder und überall. Man kann davon ausgehen, dass nicht weniger als 600 der jährlich über 700 Millionen ärztlichen Behandlungen in Deutschland5 ohne Evidenz der Wirksamkeit sind, mehr schaden als nützen oder es schlichtweg bessere Alternativen gibt.6

Ein Fallbeispiel, welches das Magazin Stern im Februar 2016 als außergewöhnliche Diagnose- und Therapiegeschichte veröffentlichte, offenbart das Spektrum der hilf- und sinnlosen Behandlungsversuche einer vermeintlich wissenschaftlich fundierten Medizin.7 Als Ursache für eine Schluckstörung wurde eine Entzündung der Speiseröhre präsentiert, die nicht durch einen Rückfluss von saurem Mageninhalt bedingt war. Tatsächlich geklärt wurde die Ursache allerdings nicht, die sogenannte Diagnose ist nicht mehr als eine pure Beschreibung der Symptome. Dennoch wurden dem Patienten gleich drei Medikamente verordnet: ein Säurehemmer, obwohl die Magensäure nach Überzeugung des Behandlers die Entzündung nicht verursachte, ein prophylaktisches Antibiotikum sowie ein Kortisonpräparat zur unbewiesenen Verhinderung von Narbenbildungen. Und weil einige Wochen später die Entzündung abgeklungen und der Einriss in der Speiseröhre verheilt war, musste die ärztliche Bankrotterklärung geholfen haben. Spontanheilungen während abwegigen Therapien liefern die lebenslange Illusion erfolgreicher Behandlungen.8

Vor der Therapie ohne Evidenz stehen oft Diagnoseverfahren ohne Evidenz

Sensitive, aber völlig unspezifische Diagnoseverfahren sind zum Handwerkszeug der heutigen Medizin geworden. Ihr Ziel ist es, möglichst wenige Befunde zu liefern, bei denen Patienten fälschlicherweise als gesund eingestuft werden (falsch negative Befunde). Der Preis, den wir dafür bezahlen, sind allerdings zahlreiche Befunde, bei denen Patienten für krank erklärt werden, ohne dies wirklich zu sein (falsch positive Befunde). So liefert etwa der PSA-Test, die Bestimmung des Prostata-spezifischen Antigens (PSA) zur Früherkennung von Prostatakrebs, pro richtig positivem Befund drei falsch positive Befunde9. Bei der Ganzkörperplethysmografie zur Diagnostik des Asthma bronchiale werden mindestens 30 % Gesunde als krank identifiziert.10 Schrotschussdiagnostik mit zahlreichen falsch positiven Befunden hat Vorrang vor treffsicheren Diagnosen. In der Medizin hat sich in den letzten Jahrzehnten der Grundsatz etabliert, dass es einfacher sei, die richtige Diagnose zu stellen, wenn man eine Möglichkeit nach der anderen ausschließt, als gezielt nach einer Krankheitsursache zu forschen. Konkret heißt dies allerdings allzu häufig, dass Mediziner das gesamte Heu abfackeln, um dann nicht einmal die sprichwörtliche Stecknadel zu finden. Nach einer tage- oder gar wochenlangen Odyssee ist anstelle einer zutreffenden Diagnose oft nur eines klar: was ein Kranker ohnehin nicht hat.

Das Prinzip dieser »Rasterfahndung« begegnet uns auch bei den in ihrer Bedeutung heute überschätzten Bildern aus dem Körperinneren, wenn statt intelligenter Suchstrategien historisch gewachsene Vorgehensweisen angesagt sind. Die tägliche Praxis zeigt, dass keine 10 von 100 Bildern behandlungsrelevante Befunde zutage fördern. Dabei hätten mit der Einführung immer neuer bildgebender Verfahren in den letzten 40 Jahren stetig evidenzbasierte Abläufe für eine effektive Diagnose etabliert und verbessert werden müssen. Eine Umsetzung scheiterte nicht nur am Fehlen gezielter Fragestellungen in einer Denkwelt der Ausschlussdiagnostik, sondern auch an mangelndem Willen, auf dem schnellstmöglichen Weg ans Ziel zu gelangen. Denn nicht das Verfahren mit dem größten Aussagepotenzial für den zur Abklärung stehenden Krankheitskomplex steht am Anfang, sondern die Technik, die die behandelnde Facharztgruppe unabhängig vom Aussagewert selbst anwenden kann oder die am leichtesten verfügbar ist.

In dieser »bildgebenden Stufendiagnostik« erfolgt bei Rückenschmerzen mit Ausstrahlung ins Bein zuerst eine für die Frage nach einer Nervenkompression aussagelose Röntgenuntersuchung, aber keine zielführende Magnetresonanztomografie (MRT). Bei akuten Bauchschmerzen stehen Ultraschall und Röntgen am Anfang, obwohl damit weder eine Darmperforation noch Blut in der Bauchflüssigkeit oder entzündliche Veränderungen am Darm ausreichend zuverlässig erkannt werden können. Die Kostenargumente gegen den primären Einsatz von MRT oder Computertomografie (CT) sind dabei genauso wenig evidenzbasiert wie das ganze Vorgehen: CT und MRT wären in allen Einrichtungen längst so verfügbar wie Röntgengeräte und nicht kostenintensiver, wenn die Ärzteschaft die Methodenhierarchie nach optimierten Kriterien einsetzen würde. Erweisen sich zwei von drei Röntgenaufnahmen als überflüssig, dann gäbe es in den Kliniken nicht mehr drei, sondern nur noch einen Röntgenaufnahmeraum und statt einem CT- und einem MRT-Gerät jeweils zwei Tomografen. Die Gerätepreise hätten sich entsprechend angeglichen, und die Betriebskosten wären nicht höher.

In der Krebsmedizin hat sich in den letzten 25 Jahren das PET-CT (Positronen-Emissions-Tomografie in Kombination mit einer CT) zur letzten diagnostischen Instanz entwickelt, ohne dass sein Nutzen ausreichend belegt wäre. Falsch positive Befunde und vermeintliche Neuentdeckungen von Tumorgewebe, das bereits bei CT- und MRT-Untersuchungen gesehen werden kann, sind an der Tagesordnung, therapierelevante richtig positive Befunde die Ausnahme. In einer Übersichtsarbeit zum PET-CT beim Speiseröhrenkrebs ist zu lesen: »Es gibt keine robuste Evidenz für einen patientenrelevanten Nutzen der PET und des PET-CT.«11 Der Gemeinsame Bundesausschuss (GBA) als entscheidendes Gremium für eine Kostenerstattung durch die gesetzlichen Krankenkassen hat dementsprechend nur Erprobungsbereiche ohne Kostenfreigabe definiert.12 Spezialisierte Nuklearmediziner und eine gläubige Gemeinde ärztlicher Kollegen, die unbeirrt überzeugt sind, dass eine noch so aufwendige Ganzkörperbildgebung vom Scheitel bis zu den Fußsohlen überraschendes Licht in jedes diagnostische Dunkel bringt, halten den Mythos am Leben. Ein Vierteljahrhundert nach Einführung der Technik fehlt bis auf wenige Spezialfälle die Evidenz für einen Patientennutzen.

Pharmakologisches Roulette

Ärzte sollten keine Zocker sein. Sie sind es aber, wenn man sich die Wahrscheinlichkeiten ansieht, nach denen ein Behandlungskonzept bessern oder heilen kann. Behandlungen gelten schon als äußerst erfolgreich, wenn nur eine von zehn behandelten Personen profitiert. Man spricht dabei von der NNT (von engl. »number needed to treat«), also der Anzahl an notwendigen Behandlungen, um das gewünschte Therapieziel bei einem einzigen Patienten zu erreichen (Kehrwert der Risikodifferenz zwischen einer neuen Behandlung und dem bisherigen Standard).13 Es werden heute sogar Maßnahmen mit einer NNT von 100 oder mehr empfohlen (zum Beispiel Einnahme von Statinen zur Prophylaxe von Herzinfarkt und Schlaganfall14).

Welchen Sinn hat eine Therapie, bei der für das gleiche Symptom fünf oder mehr verschiedene Präparate verabreicht werden, wie dies bei einem Bluthochdruck, der auf eine Therapie nicht anspricht, inzwischen zur Unsitte geworden ist? Wenn ein Medikament nicht oder nicht mehr wirkt, gibt man einfach ein zweites Präparat, ohne das erste abzusetzen. Und so weiter. Wer würde beispielsweise zu einem Waschmittel ein zweites, drittes, gar viertes Pulver geben, wenn die Wäsche nicht sauber wird, aber das erste trotz offensichtlicher Wirkungslosigkeit weiter verwenden? Die Kombination von zwei Medikamenten für dieselbe Erkrankung kann sinnvoll sein, wenn unterschiedliche Wirkmechanismen vorliegen. Spätestens ab dem dritten Medikament droht jedoch eine unkalkulierbare Chemieküche, für deren Wechselwirkungen es keinerlei Studien, insbesondere bei Langzeiteinnahme gibt. Sicher ist nur, dass das Risiko unerwünschter Arzneimittelwirkungen (UAW) mit jedem Medikament überproportional steigt und sich pro fünf Medikamenten mindestens verdoppelt.15 Dauertherapien mit acht bis zehn Medikamenten in unveränderter Dosierung sind bei über 70-jährigen Patienten allerdings Alltag.16 Immer neue Präparate werden zusätzlich verordnet, nicht wenige gegen die UAW anderer Substanzen.

Lebenslang notwendige Medikationen, die nach Jahren noch ihre Wirkung behalten (zum Beispiel Blutverdünnung, Schilddrüsenhormone) sind jedoch die Ausnahme. Der Wirkungsverlust einer Therapie bei längerer Anwendung ist der weit häufigere Fall als die Wirkungskonstanz. Euphemistisch spricht man in der Medizin von »Toleranzentwicklung«. Ein punktueller Eingriff in ein biologisches System zieht – im Gegensatz zu technischen Geräten – zwingend Reaktionen nach sich, die auch gegen eine Medikamentenwirkung gerichtet sein werden. Dies wird durch verschiedene Phänomene verursacht: Abnahme der Rezeptorendichte auf der Zelloberfläche, Veränderung der Rezeptorempfindlichkeit, Aktivierung antagonistischer Systeme, Abschwächung der Signalweiterleitung oder die Beschleunigung der Ausscheidung. Dopamin wirkt bei der Parkinsonkrankheit schwächer, wenn es länger gegeben wird. Medikamente gegen Bluthochdruck verlieren längstens nach wenigen Jahren an Wirkung. Eine Hauterscheinung, die nach der ersten Anwendung lokaler Immunsuppressiva schnell abgeklungen ist, wird bei erneutem Auftreten weniger oder gar nicht mehr ansprechen. Alle Chemotherapeutika führen durch eine Negativselektion von Tumorzellen zu einem allmählichen Wirkungsverlust, da die unempfindlichen Zellen überleben und sich ungehindert vermehren können. Bei Tranquilizern ist die Wirkungsabnahme bereits nach zwei Wochen festzustellen. Schon diese Beispiele zeigen, dass jede Verordnung daher einer Befristung bedarf. Ein Standardreflex der Medizin ist jedoch oft die Dosiserhöhung oder die zusätzliche Gabe weiterer Pharmaka mit vergleichbarer Wirkung.

Hierzulande so beliebte Dauertherapien sind ein in keiner Weise evidenzbasiertes Dogma der Medizin, das nur der Pharmaindustrie, aber kaum je dem Kranken dient. Dennoch sind Abnahme und Verlust der Wirkung von Medikamenten bei Langzeiteinnahme ein Tabufeld. Für wenige Medikamente und Anwendungen existieren gesicherte Studien, wie lange eine Einnahme sinnvoll ist, obwohl Toleranzeffekte mit der Dauer der Einnahme zunehmen und der Quotient aus Wirkung zu den UAW sinkt. Eigentlich müsste das Absetzen von Medikamenten so häufig wie das Verschreiben neuer Medikamente sein. Gerade, weil sich das Risiko von UAW bei Menschen über 70 Lebensjahren wegen der steigenden Empfindlichkeit im Alter sogar verzehnfacht.17

Studien für die Medikamentenzulassung sind für die Wirkungskonstanz nicht aussagekräftig, da sie keine Langzeiteffekte erfassen, insbesondere nicht hinsichtlich Wechselwirkungen zu anderen Medikamenten. Überhaupt werden Einnahmen über lange Zeiträume selten untersucht. Selbst wenn Studien, wie bei den Protonenpumpenhemmern, die die Säureproduktion im Magen unterbinden, schwerwiegende und tödliche Risiken belegen18 19, ist das Befristen der Verordnung in der ärztlichen Praxis nicht die zwingende Konsequenz. Bei längerer Einnahme treten unerwünschte gegenüber den erwünschten Wirkungen sogar oft in den Vordergrund. Der Gesundheitszustand bessert sich durch das Weglassen von Langzeitmedikationen vielfach auch deshalb, weil Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten entfallen. Solche Absetzeffekte schulmedizinischer Medikamente befördern maßgeblich die Illusion von Erfolgen in der Komplementärmedizin (= Alternativmedizin).20

Evidenzbasierte Medizin ist keine Errungenschaft unserer Zeit

Schon in der Zeit, als die Schulmedizin noch mit dem Lehrgebäude der Viersäftelehre ihr Unwesen trieb, brachten einige Forscher und Ärzte experimentell Licht ins Dunkel medizinischer Behandlungen. Der flämische Universalgelehrte Johan Baptista van Helmont (1579–1644) beschrieb bereits im 17. Jahrhundert klar das Prinzip der Randomisierung (zufällige Zuordnung von Patienten mit gleicher Erkrankung zu verschiedenen Behandlungen im Rahmen einer Studie) und forderte die Ärzteschaft dazu auf, Aderlass und Klistier mit seinen auf Erfahrung basierenden Behandlungen zu vergleichen: »Wir wollen zweihundert oder fünfhundert arme Leute, die an Fieber, Brustfellentzündung und dergleichen leiden, aus den Spitälern, Lagern oder sonstwo holen. Wir wollen sie in zwei Gruppen aufteilen und sodann die Würfel entscheiden lassen, welche Hälfte mir und welche euch zufällt … Dann werden wir ja sehen, wie viele Begräbnisse jeder von uns auszurichten hat«.21

Noch bevor in Frankreich die Aufklärer eine Bresche in die Bastion des dogmenbasierten Feudalismus schlagen sollten, wagte es der Arzt und Philosoph Julien Offray de La Mettrie, jede »Wahrheit« zu hinterfragen, die nicht auf Fakten beruhte: »Vergleichen wir das Hilfsmittel Experiment mit dem Stock eines Blinden, lassen wir die Philosophen mit ihren eitlen Ansichten beiseite; blind zu sein und zu glauben, man könne eines Blindenstocks entbehren, so ist das der Gipfel der Verblendung.«22 »Nicht denken, ausprobieren« war auch der Leitspruch des Begründers der wissenschaftlichen Chirurgie in England, John Hunter (1728–1793). Und 1793 publizierte der schottische Arzt und Chemiker George Fordyce (1736–1802) Ein Versuch, die Evidenz in der Medizin zu verbessern. Dennoch folgten und folgen nur wenige Ärzte dieser Maxime. Bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts hatte die Schulmedizin Vitamin-C-Mangel als Ursache des Skorbuts noch nicht anerkannt, obwohl praktische Experimente von Seefahrern bereits im 18. Jahrhundert gezeigt hatten, dass bei Ernährung mit Zitrusfrüchten oder Sauerkraut und Kartoffeln Skorbut nicht auftrat. 300 Jahre zuvor war die chinesische Drachenflotte dank Begleitschiffen, auf denen auch Sojasprossen kultiviert wurden, skorbutfrei durch den Pazifik gesegelt.23