Mobbing, Liebe und Intrigen

Roman

Edna Schuchardt


ISBN: 978-3-95573-217-2
1. Auflage 2015, Bremen (Germany)
Klarant Verlag. © 2015 Klarant GmbH, 28355 Bremen, www.klarant.de

Titelbild: Unter Verwendung des Bildes 220201735 von NinaMalyna (shutterstock).

Sämtliche Figuren, Firmen und Ereignisse dieses Romans sind frei erfunden. Jede Ähnlichkeit mit echten Personen, lebend oder tot, ist rein zufällig und von der Autorin nicht beabsichtigt.

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf - auch auszugsweise - nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Inhalt

1. Kapitel

In ihren Träumen war sie schlank. Sie trug so sexy Klamotten wie Miley Cyrus oder Tyler Swift: Superenge Tops, Hüftjeans mit breiten Glitzergürteln, schmale Minis mit hohen Stiefeln oder diese winzigen Häkelhängerchen aus Glitzerfäden, die einem gerade über den Po reichten.

Sie sah absolut hip darin aus und die Jungs bekamen Stielaugen, wenn sie irgendwo auftauchte. Die Mädels wollten alle ihre Freundinnen sein und verbrannten innerlich vor Neid auf ihr top Aussehen. Aber Johanna beachtete sie überhaupt nicht. Sie hatte andere Freunde, Superstars wie sie, mit denen sie nach den Gigs tolle Partys feierte. Und natürlich hatte sie ihre Fans und Fanclubs, die dauernd Autogramme wollten, sie bewunderten und ihren Look kopierten.

Sie würde auf allen Bühnen der Welt stehen. Man jubelte ihr zu, schrie hysterisch ihren Namen, während sie ihren neuesten Hit sang...

Ein scharfer Pfiff direkt neben ihrem Ohr riss Johanna aus ihrem Tagtraum. Vor Schreck hüpfte sie zur Seite, stolperte über eine Sporttasche und fiel hin. Vielstimmiges Gelächter erfüllte die Sporthalle. Die Jungen und Mädchen der A-7 bogen sich vor Heiterkeit.

Irgendjemand sang grölend den Tote-Hosen-Hit: "Schieb den Wal, schieb den Wal, schieb den Wal zurück ins Meer..." und das Gelächter schwoll zu einem kreischenden Tohuwabohu an, das Johanna tief in die Seele schnitt.

Frau Meinckes, die Sportlehrerin, verkniff sich nur mit Mühe das Lachen.

"Steh auf", herrschte sie Johanna an. Es klang strenger als es Inge Meinckes meinte. "Und dann geh endlich aufs Spielfeld. Wir wollen anfangen."

Johanna schluckte trocken. Mühsam rappelte sie sich hoch, tiefrot im Gesicht vor Scham, weil alle zu ihr herüberstarrten, und watschelte zum Spielfeld.

"Oh, nein!", rief Pauline, als sie sah, dass Johanna in ihr Team kommen sollte. "Nicht zu uns. Sie steht doch nur im Weg rum."

"Ruhe!" Frau Meinckes steckte die Trillerpfeife in den Mund und stieß einen Pfiff aus. "Ihr spielt euch ein und dann geht es los."

"Aber nicht mit Johanna!", beharrte Pauline auf ihrer Ablehnung. Sie trat zu Johanna und versetzte ihr einen Stoß, der Johanna aus dem Spielfeld trieb. "Los, verschwinde, du Walross. Wir wollen dich hier nicht haben."

"Wir auch nicht!", schrie Jule Bruns, die das gegnerische Team anführte. "Frau Meinckes, wieso lassen Sie Johanna nicht was anderes machen? Sie kriegt das hier doch sowieso nicht auf die Reihe."

"Ja, sie kann mit ihren Fettringen jonglieren", grölte Jens Löser, ein lang aufgeschossener Junge mit feuerroten Haaren und so vielen Sommersprossen, dass es aussah als habe ein wildgewordener Maler mit brauner Farbe um sich gespritzt. "Eh, Fettwalze, wie viele sind es denn?"

Johanna hatte genug. Sie wandte sich um und eilte aus dem Turnsaal, verfolgt von dem Gelächter ihrer Mitschüler und Frau Meinckes' Stimme, die sie aufforderte sofort umzukehren.

Johanna dachte nicht daran. Im Umkleideraum zog sie ihre Turnsachen aus und schlüpfte in die Hose aus schwarzem Stretchstoff und das lange Herrenhemd, das ihr beinahe bis zu den Knien reichte.

Die Sachen sahen aus wie Zelte als sie sie vor sich ausbreitete. Riesige Stoffsäcke, die trotzdem spannten, als sie sie endlich angezogen hatte.

Zum Glück machte Frau Meinckes nicht den Versuch, sie zurückzuholen. Johanna wartete in der Umkleide bis der Unterricht beendet war. Sobald der Pausengong ertönte, nahm Johanna ihre Sporttasche und verließ die Sporthalle.

Der Schulhof füllte sich mit Schülern. Johanna suchte sich ein ruhiges Plätzchen, wo sie ihre Brote verzehren konnte und sie niemand in ihren Träumen störte.

Noch zwei Stunden, dann durfte sie nach Hause gehen. Blöderweise hatte ihre Großmutter für heute Nachmittag einen Termin bei Frau Dr. Maiwald vereinbart, weil Johanna immer so müde war. Dabei war Johanna eigentlich gar nicht müde. Sie lag nur gerne im Bett. Hier konnte sie sich vor dem Tag verkriechen, Musik hören und ungestört vor sich hinträumen. Aber das konnte sie der Großmutter nicht sagen. Eva Wichmann hätte es nicht verstanden.

Der Gong ertönte erneut. Mit einem Seufzer packte Johanna den Schokoriegel aus, den die Großmutter ihr eingepackt hatte, stopfte ihn in den Mund und setzte sich in Bewegung.

Sie wünschte, der Tag wäre schon vorüber.