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Nr. 2914

 

Im Bann des Pulsars

 

Die Thoogondu entdecken den letzten Galakt-Transferer – Terraner im Brennpunkt des Geschehens

 

Michelle Stern

 

 

 

Pabel-Moewig Verlag KG, Rastatt

 

Cover

Vorspann

Die Hauptpersonen des Romans

Prolog: Verlorene Fährte

1. Trakkods im Käfig

2. Freilauf

3. Tricks und Haken

4. Weltraumtrakkod

5. Gejagte

6. Beutezug

7. In der Falle

8. Todesstoß

Epilog: Neue Fährten

Journal

Leserkontaktseite

Glossar

Impressum

PERRY RHODAN – die Serie

 

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Wir schreiben das Jahr 1551 NGZ, gut dreitausend Jahre vom 21. Jahrhundert alter Zeitrechnung entfernt. Nach großen Umwälzungen in der Milchstraße haben sich die Verhältnisse zwischen den unterschiedlichen Sternenreichen beruhigt; im Großen und Ganzen herrscht Frieden.

Vor allem die von Menschen bewohnten Planeten und Monde streben eine positive Zukunft an. Tausende von Welten haben sich zur Liga Freier Galaktiker zusammengeschlossen, in der auch Wesen mitwirken, die man in früheren Jahren als »nichtmenschlich« bezeichnet hätte.

Trotz aller Spannungen, die nach wie vor bestehen: Perry Rhodans Vision, die Galaxis in eine Sterneninsel ohne Kriege zu verwandeln, scheint sich langsam zu verwirklichen. Man knüpft sogar vermehrt Kontakte zu anderen Galaxien. Gegenwärtig befindet sich Rhodan selbst im Goldenen Reich der Thoogondu, die ebenfalls eine Beziehung zur Milchstraße aufbauen wollen.

Die Thoogondu waren einst ein erwähltes Volk von ES, ehe die Superintelligenz sie aus der Milchstraße verbannte. Nun herrschen sie in der fernen Galaxis Sevcooris und freuen sich über ES' Verschwinden. Als Perry Rhodan sich bei den Vanteneuern mit den Geheimnissen der Thoogondu befasst, ist nicht nur er IM BANN DES PULSARS ...

Die Hauptpersonen des Romans

 

 

Perry Rhodan – Der Terraner unterbreitet ein Angebot.

Puoshoor – Der designierte Thronfolger des Goldenen Reiches begibt sich auf die Jagd.

Penelope Assid – Die Xenolinguistin erzählt Geschichten.

Thaunaar – Die Musikerin will Großes vollbringen.

Prolog

Verlorene Fährte

 

Feuer leckte über die Wände des Gangs, kämpfte sich unerbittlich voran. Sichu Dorksteiger rannte um ihr Leben. Sie hetzte vor den Flammen her wie ein Wild, das keinen Ausweg sah. Hitze schlug durch die dünne Bordkombination, fraß sich in die Gesichtshaut und die Hände.

Rauch nahm Sichu den Atem. Er hing in rußigen Schwaden in der Luft, verfärbte die weiße Decke dunkel. Über Sichu gellte ein schrilles Stakkato aus Tönen. Eine Stimme sagte etwas in Gondunin. Die Worte klangen dumpf, zerrissen vom Alarm, dem Knistern und Krachen des Infernos. Vermutlich war es der Hinweis, die Beiboote zu nutzen. Das Schiff würde untergehen.

»Perry?« Wo war er? Sie hatten sich treffen wollen, auf diesem fremden Raumschiff der Thoogondu, das nun in Flammen stand.

Am Ende des Gangs kam ihr eine Gestalt in einem SERUN entgegen. Sichu erkannte den Mann darin an der Art zu rennen. Auch er lief vor dem Feuer davon, das ihr in einer zweiten Front entgegenraste. »Perry!«

Noch waren sie dreißig Meter voneinander entfernt.

»Sichu!«

Zwanzig Meter. Gleich würde sie ihn erreichen, und mit ihrem Treffen würden die Flammenwände zusammenschlagen, lodernd und hungrig. Es gab kein Entkommen.

Verzweifelt streckte Sichu den Arm aus, versuchte, Perrys Hand zu fassen. Das Krachen einer Explosion übertönte jeden anderen Laut.

Die Welt zerriss.

Perry war nicht mehr da. Das Feuer hatte ihn verschlungen.

Sichu hörte und sah nichts mehr.

Sie starb in Hitze und Rauch.

 

*

 

Sichu Dorksteiger öffnete die Augen und stieß scharf Luft aus. Sie lag in ihrem Bett in der Kabine, die sie mit Perry teilte. Ihr Schlafanzug war nass vor Schweiß. Aus Gewohnheit tastete sie nach Perry – er war nicht da. Natürlich nicht.

Ihre Gedanken hingen den Bildern nach, dem Flackern in Gelb und Rot, dem Gefühl der Hitze. Einen furchtbaren Moment hatte sie geglaubt, sie würde sterben.

»Ein Traum«, sagte sie laut. Verwundert merkte sie, dass sie zitterte. »Licht!«

Die Positronik schaltete ein weiches, orangefarbenes Glimmen ein, das den Raum langsam erhellte.

»Es gibt Ator, die ihren Tod fühlen können«, hatte ihre Mutter manchmal gesagt. So ein abergläubischer Unsinn! Ihre Mutter hatte vor allem den Hof gekannt, das Leben einer privilegierten Großgrundbesitzerin, die ihr Vieh durchbringen und das Anwesen verwalten musste. Von Parafähigkeiten hatte sie nichts gewusst.

Sichu setzte sich und schob die Beine aus dem Bett. Die goldenen Muster auf den Unterarmen stachen dunkel aus der hellgrünen Haut hervor.

Wie lange war es her, dass sie einen Albtraum gehabt hatte? Monate? Normalerweise hatte sie einen gesegneten Schlaf.

Sie stand auf. Ohne Perry kam ihr die Kabine leer vor. Nervös ging sie zu dem kleinen Arbeitsplatz, den sie gegen Perrys Wunsch in ihrem privaten Reich durchgesetzt hatte. Ihre Finger berührten den Aktivierungssensor. Ein Holo mit den aktuellen Borddaten leuchtete auf.

Es war der 19. Oktober. Perry hatte das Schiff vor über anderthalb Wochen verlassen. Die Position der RAS TSCHUBAI war unverändert. Noch immer hielt sie sich rund zehn Lichtjahre vom Tizillarsystem entfernt auf, in dem Perry Rhodan erstmals den Gondu des Goldenen Reiches getroffen hatte. Und in dem er sich längst nicht mehr aufhielt.

»ANANSI, gibt es Fortschritte?«, fragte Sichu die Bordsemitronik.

»Ja.« Die Stimme klang wie die eines kleinen Mädchens. »Leider konnten wir den zweiten Sprung der DAAIDEM nicht vollständig berechnen, zumindest aber ließ sich der Zielpunkt auf dreitausendeinhundertvierzig Möglichkeiten eingrenzen. Das zu durchsuchende Gebiet ist ...«

»Also nein«, unterbrach Sichu ungnädig. Sie machte eine Bewegung mit der Hand. Der Getränkespender füllte ihr einen Becher mit schwarzem Kaffee. »Wir brauchen ein Ziel, nicht über dreitausend. Wir müssen der DAAIDEM folgen. Ich bin sicher, dass Perry an Bord ist.«

»Das kannst du nicht wissen.«

»Die Wahrscheinlichkeit ist hoch. Er ist mit der DAAIDEM in das System geflogen, um den Gondu zu treffen. Nun hat er es mit dem Pentasphärenraumer wieder verlassen.«

»Das Gondunat hat uns diese Vermutung bislang nicht bestätigt. Sie weichen einer direkten Antwort aus. Laut offizieller Auskunft ist Perry Rhodan in Sicherheit.«

Sichu konnte sich die Ironie nicht verkneifen. »Wie gut, dass sie uns das per Hyperfunk mitteilen, anstatt uns mit ihm reden zu lassen.«

Der Gedanke, dass die Thoogondu Perry entführt haben könnten, quälte Sichu. Es hatte von Anfang an Ungewissheiten gegeben. War dem Goldenen Reich wirklich zu trauen? Schon seit Vernichtung der mandaanischen Heimatwelt in der Milchstraße gab es Zweifel. Aber spätestens seit die Galaktiker wussten, dass die Thoogondu Meister in der Manipulation von Erinnerungen waren, und nachdem feststand, dass sie an Bord der RAS TSCHUBAI einen Sender installiert hatten, mit dem sie die Position des Raumschiffes jederzeit bestimmen konnten, lautete die klare Antwort: nein!

ANANSI klang mitfühlend. »Sie tun in der Zentrale, was sie können. Wie du auch.«

Sichu beendete die Verbindung. Im Moment gab es eben nichts, das sie tun konnte. Bloß warten und hoffen. Ihre Berechnungen waren abgeschlossen, ebenso die des restlichen Teams. Auch die Zentralebesatzung spielte in dem Fall eine untergeordnete Rolle.

Der Erfolg stand und fiel mit ANANSI. Dabei lag das Offensichtliche auf der Hand – sie hatten die DAAIDEM verloren. Die Strukturerschütterungen der gondischen Pentasphäre waren nach dem Sprung zu schwach gewesen, um sie anzumessen. Was ihnen bis zum Rand des Systems geglückt war, in dem Perry den Gondu getroffen hatte, ließ sich nicht wiederholen.

Sichu starrte auf die Werte, die sie nur zu gut verstand. Falls ANANSI in den nächsten Stunden kein Wunder vollbrachte, waren Perry und sein Team den Thoogondu ohne Aussicht auf Unterstützung ausgeliefert.

1.

Trakkods im Käfig

DAAIDEM, 24. Oktober 1551 NGZ

 

Das Podest aus Pedgondit strahlte kalt und weiß in den warmen Farbtönen des Raums. Es ragte wie ein toter Fremdkörper in der natürlichen Landschaft auf, eine Insel aus Technik, beherrscht von einer unnahbaren Königin.

Thaunaar stand auf der Bühne, bewegte den stabförmigen Stimmgeber der Annamthar über die Klangritzen. Immer neues Wispern stieg aus den Höhlen des silbernen Instruments, vermischte sich mit den Gesprächen im Raum, dem Plätschern des Wassers und den raschelnden Flügeln der Firrner. Eines der libellenartigen Tiere setzte sich an den unteren Rand des über einen Meter langen, geschwungenen Klangbogens. Der Türkiskörper vibrierte durch die Töne, die schillernden Flügelpaare erbebten, doch der Firrner blieb sitzen als wäre er auf der Annamthar festgeklebt.

Die Musikerin stieß mit dem Stabende nach dem Tier, ohne ihr Spiel zu unterbrechen. Der Firrner sirrte davon.

Auf Thaunaars Lippen brannte der Wärmestift. Er verfärbte die Haut, machte sie mal kühler, mal heiß. Auch die gelben Schmucksteine, die in langen Reihen über den Kopfpanzer bis zur Nase fielen und die Augen fast vollständig bedeckten, änderten die Temperatur. Sie bildeten im Halbdunkel einen starken Kontrast zu dem eng anliegenden, weißen Einteiler, der an Schlichtheit kaum zu überbieten war. Lediglich über der Brust bauschte sich der durchlässige Stoff ein wenig, um die Porenatmung nicht zu behindern.

Thaunaar brauchte kein wehendes Gewand, keine bunten Stoffbahnen, die sich überlappten, wie die meisten Thoogondu im Raum sie trugen. Sie hatte ihre Lippen, die Annamthar und die Gabe, dem Instrument die erstaunlichsten Töne zu entlocken. Immer wieder blickten Männer und Frauen verstohlen zu ihr, Singles ebenso häufig wie vertraglich gebundene Paare. Auch er schaute zu ihr auf: Puoshoor, der Ghuogondu, dem die meisten im Raum mit ihren Gewändern nacheiferten und den sie doch nie erreichen würden.

Er stand an einer schwebenden Pedgonditplatte, beladen mit den erlesensten Speisen, und wurde umringt von Huldigern, die um seine Aufmerksamkeit rangen. Ein Mann, wie es im Goldenen Reich keinen zweiten gab: Puoshoor, Thronerbe des Gondunats, Mittelpunkt jeder Feier, Traum unzähliger Frauen, die sich danach verzehrten, intime Stunden mit ihm zu verbringen, um von ihm mit Geschenken und Aufmerksamkeiten überhäuft zu werden.

Er war ein verwöhnter, geckenhafter kleiner Junge im Körper eines Erwachsenen, der im Schatten seines Vaters dahinkroch. Er wusste nichts vom Ernst des Lebens, kannte einzig die Dekadenz und die Spiele der Diamantenen Gesellschaft. Wankelmütig wie eine Schneeflocke im Wind trieb er durch sein Leben, immer auf der Jagd nach der größtmöglichen Dosis Spaß. Auch in diesem Moment hielt er einen Drink in der Hand, der einige seiner Gehirnzellen mit hoher Wahrscheinlichkeit absterben ließ.

Thaunaar würde ihn spielend manipulieren können, wenn sie nahe genug an ihn herankam. Bald würde Puoshoor das Mittel sein, das sie an ihr Ziel brachte; ein goldener Schlüssel, mit dem sich das Tor zur Erfüllung ihrer Träume öffnen ließ.

Sie presste die Annamthar härter gegen die Schulter, bewegte den Stimmstab noch virtuoser. Ein Stück entfernt stand eine veränderbare Vitrine, die bei diesem Lied an eine Nichtige Vitrine erinnerte. Man konnte sogar die schwachen Umrisse eines Verräters sehen, den das Goldene Reich zur Rechenschaft zog – mal war der Körper da, dann verschwand er, als wäre der Verbrecher desintegriert worden.

Thaunaars Mutter fand diese Beigabe zu ihren Auftritten geschmacklos – und gerade das reizte Thaunaar, die Vitrine immer wieder einzusetzen, wenn sie den letzten Gang der Vranoo ba'Drant, der Fürsten des Lichts, spielte. Ihr Instrument wurde zur Stimme der Verschwörer, die den Weg zu Ende gingen, den sie in ihrer grenzenlosen Dummheit gewählt hatten. Niemand stellte sich ungestraft gegen das Goldene Reich. Egal ob abtrünnige Thoogondu, Vanteneuer, Ruiyumen, Bondria Pondh oder Weiße und Rote Zeé.

Die Gesellschaft des Ghuogondus lechzte nach solchen Stücken. Sie wollten das Gefühl der Ordnung, der Sicherheit und vor allem der unangreifbaren Größe genießen.

Für Thaunaar waren sie wie Haustiere: gezähmt, verweichlicht. Sie liebte es zu spielen, doch sie spielte nicht für diesen Tross, der dem Ghuogondu hinterherhechelte. Sie spielte für sich selbst – und für ihn. Wenn diese Feier so verlief, wie sie erhoffte, würde sie bald auf Puoshoor spielen wie auf ihrer Annamthar.

Thaunaars Blick streifte die Feiernden, die in Grüppchen zusammenstanden oder zusammensaßen. Erste Thoogondu tanzten, hoben die Köpfe ungewöhnlich weit nach oben und streckten die Arme aus. Sie bedienten sich an den reich verzierten Schwebetabletts, tranken Luooma, berauschten sich daran.

In den miteinander verbundenen Pools legten einige Thoogondu die Kleidung ab. Sie waren unter sich. Besucher von außerhalb wurden nicht erwartet, nachdem der Ghuogondu seine letzten Gäste auf dem nahen Planeten im Soprasystem verloren hatte. Es schien Puoshoor nicht sonderlich zu kümmern.

Wie hieß der Fremde, um den man derzeit so viel Wind machte? Derry ... Berry ... Herry ... Thaunaar bekam es nicht zusammen. Es war unwichtig. Viel wichtiger war die Zeremonienmeisterin, die neben einem der Trakkod-Käfige stand: Gallanard. Hoffentlich hatte sich Thaunaar in der ehemaligen Mätresse des Ghuogondus nicht getäuscht. War Gallanard wirklich richtig informiert gewesen?

Die Ex-Mätresse hob zwei Daumen einer Hand gleichzeitig an, als spürte sie Thaunaars Zweifel. Es musste bald so weit sein.

Thaunaar beendete das Stück. Die Vitrine schien zu verpuffen. Sie baute sich sofort neu auf, zeigte nun ein Stück urwüchsigen Landes, das der künstlichen Steppenlandschaft in der Prunkebene des Ghuogondus glich. In dieser kargen Welt hatten einst vor ewigen Zeiten die Trakkods gelebt. So hatten Teile von Thoo ausgesehen, der ursprünglichen Welt in der Zwerggalaxis Cooris.

Durstig geworden stieg Thaunaar vom Podest. Sofort umringten sie Bewunderer, männliche wie weibliche. Sie wandte sich ihnen zu, griff nach einem grünsilbernen Erfrischungsgetränk und tat so, als würde sie nicht sehen, dass der Ghuogondu sich der Gruppe näherte.

»Ein phantastisches Spiel!«, sagte Zellthanoo, einer der wenigen Offiziere, die sich auf diese Feier verirrt hatten. »Du bist noch begnadeter als deine Mutter!«

»Danke.« Thaunaar wischte durch die Wärmesteine im Gesicht, damit Zellthanoo einen Blick auf ihre Augen erhaschen konnte. Er senkte verlegen den Kopf.

Auch der Ghuogondu hatte ihre Augen von seiner Position aus sehen können – ein beabsichtigter Nebeneffekt. Puoshoor erreichte sie, die Traube aus Anhängern machte ihm ehrerbietig Platz.

»Ein nettes Lied«, sagte Puoshoor gönnerhaft. »Worum geht es darin noch einmal?«

Konsterniert presste Thaunaar die Lippen aufeinander, was die Hitze des Wärmestifts erhöhte. »Hast du die Worte der Annamthar nicht verstanden?«

»Für mich klingen sie wie eine fremde Sprache.«

»Erstaunlich«, sagte Thaunaar. »Spielt nicht auch deine Schwester die Annamthar?«

»Sicher. Doch wer will schon den lieben langen Tag der Musik lauschen?« Puoshoor hob eine Hand vor den Mund, als müsste er gähnen. »Das wird schnell langweilig. Ich verstehe nicht, wie man sein ganzes Leben so verbringen kann. Es gibt zu viele Zerstreuungen, um sich auf eine einzige zu beschränken.«

Thaunaar kämpfte gegen den Stolz. Die Annamthar war ihr Leben, aber sie musste Puoshoor einfangen, ihre Reize spielen lassen.

»Was interessiert dich sonst, Ghuogondu? Etwa die Ursprungswelt Thoo und die Trakkods? Oder doch eher all die Waffen, die du auf der Festebene verteilt hast?«

Sie zeigte auf einen der Puuner, der mit der spitzen Klinge im Boden steckte. Mehrere der Waffen hingen an den Wänden, einige wenige schwebten auf Antigravpolstern in der Luft. Dort, wo einseitige Schwerkraftverhältnisse herrschten, klebten die speerartigen Waffen an der Decke. Zwischen ihnen gab es Bereiche, in denen sich die Schwerkraft ab der Raummitte umdrehte – auch da wurde getrunken und geredet.

»Waffen? Oh nein«, wiegelte der Ghuogondu ab. »Welch ein primitiver Zeitvertreib! Damit würde ich mich womöglich selbst verletzen.« Er lachte. Die meisten seiner Anhänger fielen pflichtbewusst ein. »Ich wollte uns mit dieser Dekorationswahl lediglich daran erinnern, warum wir zusammenhalten müssen und woher wir kommen. Es waren die Trakkods auf Thoo, die uns damals lehrten, dass man nie allein gehen darf. Vereinzelt euch nicht – so heißt es nicht umsonst. Früher brauchten wir primitive Waffen, inzwischen haben wir Käfige und ganz andere Möglichkeiten.«

Gegen ihren Willen war Thaunaar beeindruckt von seiner Stimme und der Autorität, die Puoshoor ausstrahlte. Selbst wenn er scherzte, schien er alles unter Kontrolle zu haben. Während seine Art, sich zu kleiden, an den meisten Thoogondu, die ihn nachahmten, albern und viel zu bunt aussah, ließ sie ihn tatkräftig und energisch erscheinen.

»Wie klug du bist«, sagte eine schlanke Thoogondu. Sie war noch fragiler als alle anderen im Raum, was sie durch ein ausladendes Gewand mehr als wettmachte. Es fiel von der Brust nach außen und nahm am Boden den Raum eines Lehnsitzes ein. Borten, Schlaufen und goldene Zierbänder waren zu Unmengen darin eingearbeitet.

Das musste Poorda sein. Thaunaar hatte von der Favoritin des Ghuogondus gehört. Eine gefährliche Frau, wenn man im Rang unter ihr stand. Zum Glück hatte Thaunaar dieses Problem nicht. Ihre Familie gehörte zu den angesehensten im Goldenen Reich.

Ungeniert griff Thaunaar nach Puoshoors Arm. Sie wusste von Gallanard, dass der Ghuogondu Interesse an einer Nacht mit ihr hatte – wozu sonst hätte er sie als Spielerin zu seiner privaten Feier bestellt, obwohl er sich wenig aus der Annamthar machte? »Ist es nicht gefährlich, diese wilden Bestien in einen Festsaal zu sperren? Was, wenn sie ausbrechen?«

»Kein Grund zur Aufregung«, sagte Puoshoor. »Wir sind absolut sicher. Keines der kleinen Tierchen wird aus seinem Käfig entkommen.«

Am Ende der Ebene sah es aus, als würde eine kleine Gruppe Thoogondu aus einem düsteren Dschungelstück treten. Tatsächlich hatte sich eine der Zugangstüren zum Hauptgang geöffnet. Schlagartig wurde es still, selbst der Chor auf der anderen Raumseite stoppte den Gesang, und in den Pools verebbten die Gespräche.

Das Interesse richtete sich auf den Kommandanten der DAAIDEM, Tollotho, der die Gruppe der Neuankömmlinge anführte und sie zielstrebig in Richtung des Ghuogondus brachte. Thaunaar erkannte Tollotho an der ockerbraunen Paradeuniform mit den silbernen Rangabzeichen. An seiner Seite ging eine junge Thoogondu, deren weißes Gesicht hübsch war, doch der Körper steckte in einer groben Rüstung aus Pedgondit, an der das Rangabzeichen einer einfachen Soldatin prangte. Während Tollotho leicht gebeugt ging, wie es seine Art war, schien seine Begleiterin am liebsten eine Kugel bilden zu wollen.

Poorda klatschte in die Hände. »Da wir gerade von Gefahren sprechen ... Da ist sie ja, unsere Heldin!« Die Stimme der Mätresse triefte vor Hohn. Das war Poordas Triumph, und sie ließ ihn sich nicht nehmen.

Soweit Thaunaar wusste, war die Thoogondu in der Rüstung eine junge und unerfahrene Rivalin. Poorda hatte ihren Einfluss geltend gemacht und die junge Frau unter dem Einfluss von Luooma dazu gebracht, sich freiwillig für einen Außeneinsatz auf dem Planeten zu melden. Es war ein gefährlicher Einsatz gewesen, denn auf Porass hatte es einen Anschlag mit nuklearen Waffen gegeben. Eben deshalb stand die DAAIDEM überhaupt mitten im System – normalerweise wünschten die Bewohner diese Annäherung nicht.

Thaunaar nutzte Poordas Ablenkung, trat dichter an Puoshoor heran und verstärkte den Druck der Daumen auf seinem Unterarm. Der Ghuogondu legte seine Hand auf ihre.

»Mein Vögelchen«, sagte Puoshoor zu Poordas Rivalin, ohne sich von Thaunaar zu lösen. »Wie schön, dass du unverletzt zurück bist. So kannst du mir aus erster Hand berichten.«

Die vertikalen Lider der vermeintlichen Soldatin klappten zu und wieder auf. Sie sah aus, als wollte sie am liebsten auf den verstrahlten Planeten zurück. »Ghuogondu ... sollte ich mich nicht zuerst ... umziehen?«

Sie stank nach abgetrockneten Angstausdünstungen, die sich auf den beweglichen Panzerplatten unter der Rüstung abgelagert hatten. Höchstwahrscheinlich war sie in Todesgefahr gewesen.

Poorda zog einen Sprühflakon hervor und spritzte mit angewidertem Gesicht glitzernde Parfümwolken in die Luft. Hinter ihr wandten sich mehrere Thoogondu tuschelnd ab.

»Später, mein Vögelchen«, sagte Puoshoor. »Habt ihr denn den Auftrag erfüllt? Konntet ihr Perry Rhodan finden und zurückbringen?«

»Nein.« Die Stimme der vermeintlichen Soldatin zitterte. »Wir haben unser Bestes gegeben. Mein Vater ist auf dem Rückweg schwer verletzt worden. Er hat den Tunnel durch das Heraldische Gewölle gehalten, bis der Letzte aus seinem Team zurück war. Als der Zugang zusammenbrach, schlugen Energien durch und ...«

Puoshoor wedelte mit der Hand. »Keine langweiligen Details.« Er beugte sich vor. Unter seinem Blick schien die junge Thoogondu zu schrumpfen. »Wo ist mein Gäone? Der werte Gi Barr?«

»Gi Barr ist zurückgeblieben. Er war bei Rhodan.«

»Aha. Bei Rhodan also. Und wo sind die beiden jetzt?«

»Ich weiß nicht, was mit Rhodan geschehen ist. Es war alles so ...« Sie verstummte.

»Ja, bitte?«, fragte Puoshoor jovial.

»Verwirrend«, murmelte sie.

Poorda ging um die junge Frau im Kreis wie ein Trakkod, der sich seiner Beute sicher war. »Und das nennst du Dienst am Goldenen Reich? Du verlierst unseren Gäonen, weißt nicht genau, was mit Rhodan geschehen ist – warst du überhaupt dabei, oder hast du brav im Gleiter gewartet, bis dein alter Herr zurückgekommen ist, Vögelchen?«

»Ich war dabei! Und für dich bin ich Shuuli!«

»Shuuli!«, Poorda spie den Namen aus. »Du solltest dich schämen! Du hast es nicht verdient, diese Rüstung zu tragen!« Sie nahm der Frau neben sich ein Glas mit Luooma aus der Hand und schüttete den Inhalt gegen Shuulis Brust.

Erstaunte Ausrufe und Getuschel wurden laut. Viele wandten sich entrüstet ab. Ein solcher Ausbruch galt als unschicklich. Poorda musste vor Eifersucht beinahe platzen, sonst würde sie nicht so weit gehen. Vielleicht hatte sie zu Recht Angst um ihre Stellung.

Thaunaar bemerkte den Blick, den der Ghuogondu Shuuli schenkte. Er war an ihr interessiert. Obwohl er Poorda gewähren ließ, schienen ihn ihre Spielchen zu ermüden. Das war gut für Thaunaars Plan.

Shuuli dagegen wirkte wie eine Neen-Ziege, die verfüttert werden sollte. Sie starrte zu Boden, während rote Tropfen ihre Rüstung hinunterperlten. Ihr Blick blieb dabei ein wenig fassungslos an Thaunaars nackten Füßen hängen. Die Musikerin war die einzige im Raum, die barfuß ging. Ein Affront, der eines ihrer Markenzeichen war. Seit fünf Jahren trat Thaunaar bereits barfuß in der Öffentlichkeit auf. Bestimmt hatte die Soldatentochter davon keine Ahnung. Sie wusste nicht, vor wem sie stand.

»Es tut mir leid«, sagte Shuuli. »Wir haben alles getan, Perry Rhodan zu stellen, aber er war klüger als wir.«

Poorda senkte das Kinn zur Brust – es war eine Geste der Verachtung. »Was wohl kaum überraschend sein dürfte. Wo ein Narr ist, braucht es keinen Weisen, ihn zu übertrumpfen.«

Shuuli sank noch tiefer in sich zusammen. »Ich ...«

Der Aufschrei einer Frau unterbrach sie, gefolgt von einem metallischen Klirren und Scheppern, als würde jemand ein schweres Gewicht von sich werfen. An einem der Käfige brach Panik aus. Mehrere Thoogondu riefen durcheinander.

»Trakkod!«, brüllte ein Mann, der die anderen übertönte. »Trakkod! Der Verschlag ist defekt! Das Biest kommt raus!«

Thoogondu schrien auf, fuhren herum, rannten davon. Einige standen wie erstarrt, doch andere zogen sie mit sich. Sie flohen in Gruppen.

Poorda und die Frauen in ihrem Gefolge rannten zu einem der Pools, begleitet von Tollotho, der ihre Flucht deckte. Es war allgemein bekannt, dass Trakkods nicht schwimmen konnten. Die meisten Thoogondu hetzen ins Wasser, selbst die in der schwersten Festkleidung. Poorda dagegen nahm sich die Zeit, das üppige Gewand abzustreifen.

Stampfende Schritte klangen durch das Chaos. Das sechsfüßige, geschuppte Tier stapfte durch den Raum. Zielstrebig passierte es die virtuelle Vitrine samt der Pedgondit-Bühne und hielt auf den Ghuogondu zu. Es war mindestens dreimal so breit wie ein Thoogondu und viermal so schwer. An den Füßen ragten scharfe Krallen vor, mit denen der Trakkod seine Nahrung wie mit Messern zerschnitt, ehe er sich die zerkleinerten Portionen mit dem vorderen Beinpaar in den Rachen schob. Rötliche Dampfwolken stiegen aus den vier Nüstern. Das ganze Tier wirkte schwarz wie ein unscharfer Schatten. Bloß an den Stellen, an denen sich die Wärme im Unterleib und an den Flanken konzentrierte, schimmerte es bräunlich zwischen den Schuppen hervor.

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Illustration: Dirk Schulz

In Shuulis weißem Gesicht verschwanden die Adern. »Nein!« Sie zitterte in der Rüstung. Die einzelnen Pedgonditelemente schlugen mit leisem Klacken aufeinander.

»Lauf!«, rief Thaunaar, doch die jüngere Frau war in einer Schockstarre.

Shuuli brach in den Knien ein, krümmte sich zusammen, als wollte sie die Welt mit dem Rückenpanzer tragen.

Zu Shuulis Glück hatte der Trakkod kein Interesse an ihr oder Thaunaar. Er senkte den bulligen, dreieckigen Kopf, drehte ihn und starrte aus großen, dunklen Augen den Ghuogondu an. Gelbliches Sekret quoll aus einem der vertikalen Lider hervor, blieb an den glänzenden Schuppen kleben.

Puoshoor wich an die Wand zurück.

2.

Freilauf

 

»Weg da!«, rief Kommandant Tollotho. Er stand am Pool, offenbar unfähig sich zu entscheiden, ob er weiter die Frauen schützen oder zum Ghuogondu laufen sollte. Eine Waffe hatte er nicht, sonst hätte er sie längst benutzt. »Zum Wasser! Schnell!«