Carl-Auer

Zu diesem Buch gibt es ergänzendes Material online:

http://www.carl-auer.de/machbar/wir_freuen_uns_dass_sie_da_sind

Andreas Eickhorst

Ansgar Röhrbein (Hrsg.)

»Wir freuen uns,
dass Sie da sind!«

Beratung und Therapie mit Vätern

Mit einem Vorwort von Jochen Schweitzer

2016

Vorwort

»Männer sind auf dieser Welt einfach unersetzlich«, singt Herbert Grönemeyer. Das kann man bezweifeln. Auch kann man sich fragen, wie unersetzlich Väter sind. Zweifelsfrei als Samenspender – solange die Reproduktionsmedizin noch keinen Ersatz gefunden hat. Aber wofür sonst? Viele Väter trennen sich bei heraufziehender Schwangerschaft oder in Kleinkindphasen. Viele Väter zahlen keinen oder zu wenig Unterhalt. Viele Väter spielen im Alltag ihrer Kinder keine bedeutsame Rolle (und ihre Kinder werden dennoch groß). Nur wenige Väter erziehen ihre Kinder ohne weibliche Unterstützung. Offensichtlich geht es irgendwie auch ohne (Väter).

Rein quantitativ betrachtet sind die Väter im Hinblick auf die Anwesenheit in ihren Familien den Müttern in der Tat unterlegen – aber reicht das als Legitimation einer derart skeptisch-defätistischen Haltung zur Bedeutsamkeit von Vätern wie der obigen aus? Im vorliegenden Band setzen Andreas Eickhorst, Ansgar Röhrbein und ihre Mitautoren dieser Denkweise ein engagiertes Plädoyer entgegen. Viele Väter wollen sich (eigentlich) als Väter ihrer Kinder intensiv engagieren. Es gilt Rahmenbedingungen dafür zu schaffen, dass dies auch gelingt – in den Familien, in den Sozialisations- und Beratungseinrichtungen sowie in der Politik.

Dieses Buch ist eine Fundgrube voll empirischer Daten, konzeptioneller Überlegungen und vor allem praktischer Tipps für den Weg zu diesem Ziel. Zu seinen Stärken gehört, dass es auch für anspruchsvolle und herausfordernde Vaterschaftskonstellationen lösungsorientiert und praxisnah zeigt, wie es gehen kann: mit Vätern vor Gericht oder in der Suchthilfe, mit Vätern von Kindern mit Behinderungen, Vätern in homosexuell geprägten Familien, Vätern im Management, Vätern in der Kita. Diese seltene väterspezifische Perspektive lädt dazu ein, genauer hinzuschauen: Was brauchen Väter im Prozess?

Mehr will ich im Vorwort nicht schreiben. Alles Weitere steht in diesem Buch.

Jochen Schweitzer

Heidelberg, im Mai 2016

Einleitung: Väter – eine lohnenswerte Zielgruppe

Ansgar Röhrbein und Andreas Eickhorst

Dieses Buch hat eine – nein: mehrere spannende Vorgeschichten, die von Männlichkeit, Väterlichkeit, Geschlechterdialog und einer sich entwickelnden Freundschaft handeln. Die erste Geschichte spielt im Jahr 2008. In diesem Jahr veranstaltete das Helm-Stierlin-Institut ein eigenes Kinderschutzforum, an dem zahlreiche namhafte Kollegen und Kolleginnen mitwirkten, unter anderem Manfred Cierpka. Wie es das Schicksal so wollte, saß Cierpka beim Abendessen neben Ansgar Röhrbein, der zum Thema »Macht und Ohnmacht von Vätern« vorgetragen hatte. Im Verlaufe des Gespräches sagte Cierpka dann: »Sie müssen unbedingt meinen Herrn Eickhorst kennenlernen, das ist der Väterexperte bei uns.« Gesagt, getan. Einige Mails und Wochen später gab es einen ersten Termin zwischen uns beiden am Kölner Hauptbahnhof, und wir merkten gleich, da geht was. Erste kleine gemeinsame Projekte und Treffen mit den Kollegen vom Väter-Experten-Netz Deutschland (VEND e. V.) folgten und bestätigten unseren ersten Eindruck. Nachdem wir beide festgestellt hatten, dass wir väterspezifisch und systemisch auf einer Wellelänge liegen und einiges zu sagen haben, begann die zweite Geschichte, und wir entwickelten gemeinsam mit dem Helm-Stierlin-Institut und den Väterexperten vom VEND e. V. die Idee zu einem ersten Väter-Forum in Heidelberg, das gleichzeitig die Grundlage für dieses Buch legen sollte. Damals (2013) waren wir noch guter Dinge, dass wir sicher einige Dutzend Kolleginnen und Kollegen als Interessierte dafür gewinnen könnten. Es kam allerdings ganz anders, und so fand das Forum letztlich als Seminar mit rund 20 Teilnehmern und Teilnehmerinnen statt. Es wurde eine kleine, atmosphärisch und inhaltlich stimmige Veranstaltung, die nun aber (dritte Geschichte!) das Fundament für ein daraus resultierendes Buchprojekt legen sollte – nämlich für das vorliegende. Neben den Mitwirkenden sagten auch die ursprünglich mit eingeplanten Referentinnen und Referenten zu, ihren Beitrag zu leisten, und so nahm das Projekt richtig Fahrt auf.

Andreas Eickhorst arbeitet nun seit 2013 beim Münchner Teil des Nationalen Zentrums Frühe Hilfen, angesiedelt am Deutschen Jugendinstitut. Dort, aber auch in vielen weiteren Kontexten – als (systemischer) Seminarleiter und Referent, Vorstand eines Väter- und eines Männervereins und in Kontakt mit vielen weiteren Einrichtungen und Initiativen – versucht er, die Thematisierung und Berücksichtigung der Väter in Forschung und Anwendung stetig voranzutreiben.

Ansgar Röhrbein begleitet inzwischen seit 24 Jahren Väter in den unterschiedlichsten Lebenslagen, Familienkonstellationen und Arbeitskontexten. War er Anfang der 1990er-Jahre noch ausschließlich im Rahmen der Familienbildung tätig, wechselte er 1995 in den Jugendhilfebereich und ist inzwischen als (Lehr-)Therapeut, Coach und Supervisor in den unterschiedlichsten Kontexten unterwegs und wirbt für eine väterfreundliche Jugendhilfe und Unternehmenskultur. Aktuell leitet er das Märkische Kinderschutz-Zentrum in Lüdenscheid.

Uns als Autoren ist es ein großes Anliegen, Väter in ihren Wünschen, ihrer Haltung und ihrem Auftreten ernst zu nehmen und den sinnhaften »guten Gründe« ihres Handelns nachzugehen. Dabei schlägt unser Herz besonders auch für die Väter, die sich nicht unmittelbar zu 100% motiviert in den Beratungs- und Therapieprozess stürzen, sondern häufig zunächst verhalten abwartend und überprüfend in den Kontakt gehen.

Manchmal braucht es aufgrund von Sozialisationseinflüssen und männlicher Skepsis etwas mehr Zeit, Väter für einen Prozess zu gewinnen. Hier werben wir, aufgrund eigener Erfahrungen, für eine wohlwollend hartnäckige Einladungskultur und im wahrsten Sinne für einen »roten Teppich«, der das herzliche Willkommen zum Ausdruck bringt und das Eintreten erleichtert. Gerade wir Systemiker haben ja, mit unserer Annahme der guten Gründe, eine echte Chance, Menschen zu erreichen, die sich zunächst »unmotiviert« zeigen. Wie kommen wir also in Schwung? Zunächst einmal, indem wir unseren Klienten unvoreingenommen menschlich begegnen und ihnen konstruktive Schritte zutrauen. »Wenn wir das Gute im Menschen sehen, bewirken wir das Gute im Menschen.« Damit hat Jean Paul einen ausgesprochen hilfreichen »Leitsatz« formuliert, der in erster Linie ein Ausdruck unserer Haltung ist, mit der wir auf die Väter zugehen. Aus unserer Sicht werden Väter oftmals verkannt und immer noch vorschnell in bestimmte Schubladen gesteckt, was ihren Motiven und Absichten häufig nicht gerecht wird. Wir werben daher für eine geduldige, zugewandte und interessierte Haltung Vätern gegenüber, damit sie eine Chance haben, langsam anzukommen. Und wir werben für eine gleichberechtigte Würdigung, die in unserem Titel, Wir freuen uns, dass Sie da sind! explizit zum Ausdruck kommt. Die Zeit, in der Väter mit den Worten begrüßt wurden: »Schön, dass Sie mitgekommen sind«, sollte nach unserer Einschätzung endgültig der Vergangenheit angehören. Wir haben in unseren Kontexten die Erfahrung gemacht, dass Väter, die sich willkommen und ernst genommen fühlen, wertvoll einbringen und auch über ihren eigenen Schatten springen können.

Wir glauben, dass eine selbstverständliche und frühzeitige Beteiligung der Väter (in den meisten Fällen) allen im Familiensystem Beteiligten zugutekommt und die Entwicklung sowie den Austausch von Lösungsideen erleichtert. Frei nach dem Motto: »Besser zeitnah im Gespräch, als hinterher mit viel Energie nachbessern zu müssen.« In diesem Sinne hoffen wir, dass wir mit diesem Buch einen kleinen Teil zu einer Geschlechterdemokratie im »Kleinen« beitragen können und dass der Dialog zwischen den Geschlechtern in diesem Sinne moderiert gelingen kann.

Verlassen wir an dieser Stelle nicht den wichtigen Boden der Allparteilichkeit, bzw. Neutralität? Wir glauben, nicht. Eher bestätigen wir mit unserer Haltung dieses wichtige systemische Konzept, denn es geht uns ja gerade um die Gleichbehandlung und Würdigung aller Elternteile im Prozess. Bezüglich des gelebten Familienkonzeptes gibt es selbstverständlich zahlreiche Möglichkeiten, partnerschaftlich miteinander umzugehen. Welches Modell zu welchem Team passt, ist die persönliche Angelegenheit und Entscheidung eines jeden Elternpaares. Hauptsache, es gibt keine gefühlten Verlierer/innen. Also doch parteiisch bzw. parteilich? Vielleicht ein wenig, im Sinne einer Beziehungskontinuität für die Kinder. Aber auch das nicht um jeden Preis. Wir sind davon überzeugt, dass in diesem Zusammenhang nach wie vor das schöne Konzept der »bezogenen Individuation« von Helm Stierlin hilfreich ist. Partnerschaft lebt von Verbundenheit und Autonomie und dem Dialog darüber. Das ist ein Prozess. Mal klappt er von alleine, mal braucht er Unterstützung von außen, mal führt er wieder zusammen, mal endet er in der Trennung. In jedem Falle laden wir ein zum Gespräch. Der Austausch über die Wünsche hat aus unserer Sicht einen großen Charme, und er hilft dabei, in einen Abwägungsprozess einzutreten, der neben den strukturellen Faktoren auch die persönlichen Möglichkeiten einbezieht und zu wertvollen Vereinbarungen führen kann. Die Kunst der Balanceakte liegt ja gerade in der Anerkennung des »Einerseits und Andererseits« und in dem verantwortungsvollen Umgang mit dieser nachvollziehbaren Ambivalenz. Dies bedeutet auch, dass wir einladen zu einem spielerischen und respektvollen Umgang mit Gleichheit und Unterschiedlichkeit. Geschlechterrollen sind nicht einfach, sie entwickeln sich weiter, orientieren sich an unterschiedlichen Werten und sind Teil des gesellschaftlichen und kulturellen Lebens.

Gunthard Weber hat uns bereits zu Beginn unserer Planungen einen wertvollen Hinweis gegeben: »Erzählt lieber, als dass ihr erklärt.« Im Sinne dieses Leitmottos sind in diesem Band tatsächlich zahlreiche Erzählungen aus den unterschiedlichsten Bereichen zusammengekommen, die alle eines vereint: Die Väter stehen im Fokus.

Die Arbeit mit Vätern wird im Buch in drei gleichermaßen bedeutsamen Teilen beleuchtet, in denen der Blick von den grundlegenden Hintergründen über mögliche Haltungen hin zu ganz konkreten Einsatzfeldern in der praktischen Arbeit reicht.

So möchte Teil I, »Vaterschaft heute« – quasi als zugrunde liegende Basis des gesamten Buches – die Leserschaft einstimmen auf das Wissen, welches wir in verschiedenen Bereichen heute über Väter haben.

In diesem Sinne stellt Michael Matzner in seinem einführenden Kapitel zahlreiche Daten und Fakten zusammen, die wir heute über Väter kennen. Neben vielen objektiven Erkenntnissen aus der Forschung finden auch subjektive väterliche Wahrnehmungen ihren Platz, wenn Matzner die Kernergebnisse seiner viel zitierten Studie Vaterschaft aus der Sicht von Vätern (2004) vorstellt.

Michael Grabow legt mit seinen juristischen Ausführungen den Grundstock für eine qualifizierte Arbeit an und mit den Rechten der einzelnen Familienmitglieder. Er erläutert in verständlicher Weise die juristischen Veränderungsprozesse und Entscheidungen der letzten Jahre und bringt damit Licht in den sonst so komplizierten Paragrafendschungel.

Hans Georg Nelles nimmt den Leser mit auf eine väterspezifische Suche nach einer geeigneten Möglichkeit, den eigenen Wünschen und den Erwartungen anderer in Bezug auf Vaterrolle, Partnerschaft und berufliche Selbstverwirklichung gerecht zu werden. Dabei ermutigt er zum (inneren) Dialog mit sich selbst und zum Dialog mit anderen, damit die Ziele klarer und das eigene Wunschbild realisierbarer werden.

Volker Baisch zeigt in seinem Beitrag, dass eine väterfreundliche Unternehmenskultur heutzutage tatsächlich möglich ist und sie sogar Erfolg verspricht. Anhand von zahlreichen konkreten Beispielen aus der Praxis belegt er, wie konstruktiv sich eine väterbewusste Orientierung innerhalb einer Institution auswirkt und welche Vorteile sich dadurch für eine gelingende Vereinbarkeit von Familie und Beruf ergeben.

Teil II des Buches, der sich mit grundlegenden Haltungen in der therapeutischen und beraterischen Arbeit mit Vätern beschäftigt (»Arbeiten mit Vätern: Es kommt auf die Haltung an!«), wird von Eberhard Schäfer und Marc Schulte vom Papaladen Berlin eröffnet. Ausgehend von ihren inzwischen bereits viele Jahre umfassenden Erfahrungen mit den Vätern, die den Weg zu diesem Ort der Begegnung und Beratung fanden, beschreiben sie zehn identifizierte »Erfolgsfaktoren« für den gewinnbringenden Kontakt mit Vätern, die sie als essenziell im Sinne einer ihrer praktischen Arbeit immer implizit innewohnenden Haltung betrachten.

Im Anschluss daran wirbt Rainer Orban in seinem Kapitel für eine wohlwollende Grundhaltung und ein theoriegeleitetes Vorgehen bei der Arbeit mit Vätern in der Jugendhilfe. Er beschreibt in eindrücklicher Weise, wie über eine interessierte Haltung auch »skeptische« Väter für den Beratungsprozess gewonnen werden und über den Einsatz von theoretisch begründeten Erklärungsmodellen zu neuen Einsichten finden können.

Im folgenden und abschließenden Beitrag des Teils über Haltungen entwickeln Elisabeth Nicolai und Ansgar Röhrbein in einem Gespräch Gedanken und Ideen zu Vätern, die Gewalt anwenden, und den Möglichkeiten des Umgangs mit ihnen. Dabei nähern sie sich diesem oft als heikel deklarierten Thema behutsam von mehreren Seiten auf eine genuin systemisch geprägte Weise an.

Nun schließt sich Teil III, der umfangreichste des Buches, an: »Arbeit mit Vätern in unterschiedlichen Situationen und Kontexten«. In 13 Beiträgen berichten Fachleute aus der Praxis (Diagnostik, Begleitung, Beratung, Therapie) über ihre Erfahrungen, Ansätze und Methoden bei der Arbeit mit Vätern.

In Kapitel 8 machen Jörn Borke und Christoph Moormann deutlich, dass auch für Väter die Geburt eines Kindes eine einschneidende Erfahrung ist, die vieles im bis dato etablierten (Familien-)System ins Wanken bringt. Unterstützung für die Väter in dieser Zeit wird am Beispiel des Kurses »Väter an den Start« vorgestellt.

Die hilfreichen (systemischen) Möglichkeiten einer spannenden videogestützten Diagnostikmethode (des Lausanner Trilogspiels) präsentieren Felicia Schröck und Andreas Eickhorst in ihrem Bericht über die Arbeit mit der primären Triade, durch die es gelingt, Mutter, Vater und Kind sowohl in der Interaktion miteinander als auch in der Selbstregulation und Entspannung beobachten und begleiten zu können.

Ein systemisch relevanter Anwendungskontext Sozialer Arbeit, der momentan viel Beachtung erfährt, sind die sogenannten Frühen Hilfen, also präventive Unterstützung für werdende oder gerade gewordene Eltern, die möglichst frühzeitig ansetzen möchte. Aktuell sind sie dabei, die Väter mehr und mehr als in diesem Feld wichtige Klienten zu entdecken. Heike Stammer beschreibt diesen Prozess sowie die Spezifika und Herausforderungen, denen Väter in dieser Zeit der frühen und frühesten Kindheit begegnen.

Jürgen Haas und Jürgen Rams fangen klein an – in der Kita. Durch Ihr Motto »Hilfe zur Selbsthilfe« gelingt es ihnen, eines der erfolgreichsten Väterprojekte im Land zu verwirklichen. Sie unterstützen Hunderte von Vätern in der Selbstorganisation und begleiten sie bei der Vorbereitung und Durchführung von Vater-Kind-Aktionen und -Wochenenden. Nachhaltig wirksam, Spaßfaktor garantiert.

An diese Ideen knüpft der Beitrag von Ludger Thiesmeier unmittelbar an. Er beschreibt in seinen Ausführungen eine gelungene Vorgehensweise, wie Vätern der Zugang zu einer Beratung erleichtert und die Hemmschwelle gesenkt werden kann. Ganz einfach, man lädt sie mit ihren Kindern zu einer Burgfreizeit ein.

Sabine Röhrbein wirft in ihrem Gespräch mit Uwe Ostendorff einen Blick hinter die Kulissen einer Regenbogenfamilie und ermöglicht dadurch eine spannende Zeitreise im Umgang mit Homosexualität und väterlichen Möglichkeiten. Familie heute gestaltet sich bunt. Eine der modernen Varianten lernen Sie in diesem Gespräch kennen und entdecken durchaus vertraute Prozesse.

Angebote für Mütter mit ausländischen Wurzeln brachten das Netzwerk Interkulturelle Arbeit (NIKA) in Böblingen auf die Frage, ob Derartiges nicht auch für Väter interessant wäre, angeboten werden könnte und auch interessierte Teilnehmer fände. Seyhan Tasdemiroglu und Reiner Weik beschreiben die daraus entstandenen Angebote und insbesondere die Fotoausstellung mit Porträts türkischer Väter: »Baba zeigt Gesicht.«

Ein im Allgemeinen nicht sehr beachtetes Thema stellen Väter von Kindern mit Behinderungen dar. Rüdiger Retzlaff, der sich viel mit der Therapie von Familien mit behinderten Kindern beschäftigt hat, stellt in seinem Beitrag die besondere Situation mit ihren Herausforderungen für betroffene Väter sowie den möglichen Umgang mit diesem Kontext im Beratungsgespräch dar.

Von Unmöglichem und Möglichem berichten Talina Tatomir und Mete Tuncay in ihrem spannenden Beitrag über väterspezifische Ansatzpunkte in der modernen Suchthilfe. Ausgehend von grundlegenden Standards, eigenen Erkenntnissen aus persönlichen Interviews und daraus abgeleiteten Hypothesen, präsentieren sie frische Ideen für eine selbstverständliche Beteiligung von Vätern in ihrem Arbeitsfeld.

Anschließend gibt Thomas Meyer-Deharde Einblicke in seine langjährige Tätigkeit als Sachverständiger in familiengerichtlichen Verfahren und widmet sich in seinem Beitrag insbesondere der Situation der Väter in diesem Kontext. Die Darstellung seiner Umsetzung einer systemisch orientierten lösungsorientierten Begutachtung ist ihm dabei ein zentrales Anliegen.

Mit »Balanceakten der Ambivalenz« schließt Ansgar Röhrbein an – und bezieht sich mit diesem Ausdruck auf beidseitige (ambivalente) Prozesse der Suche; zum einen von Kindern nach ihren abwesenden Vätern und zum anderen von sich (neu oder wieder) engagieren wollenden Vätern nach ihren Kindern. Mit Leben gefüllt werden diese »Abwägungsprozesse zwischen Hoffen und Bangen« durch ein im Beitrag enthaltenes Interview mit der Künstlerin Aura Rendón Benger.

Melanie Mohme und Thomas Wendland nehmen uns schlussendlich mit hinter die Mauern einer Justizvollzugsanstalt und belegen mit ihrem lohnenswerten Bericht aus der Praxis, dass eine gelingende väterspezifische Arbeit nicht vor den Toren enden muss. Sie zeigen, dass die Selbstreflexion in der Gruppe eine gute Basis für die Kontaktpflege und Beziehungsgestaltung mit den Kindern sein kann.

Abgerundet wird dieses Werk durch einen Internetanhang auf der Homepage des Carl-Auer Verlages (http://www.carl-auer.de/machbar/wir_freuen_uns_dass_sie_da_sind), in welchem sich Literaturempfehlungen, Ergänzungen und Materialien zu einzelnen Kapiteln sowie ein komplettes Bonuskapitel mit einem ausführlichen Gespräch von Jochen Schweitzer mit Ansgar Röhrbein und Andreas Eickhorst zu »Wohlfühlfaktoren in der Arbeit mit Vätern« finden.

Wir hoffen, dass die zahlreichen Beiträge einen guten Einblick in die praktische Arbeit mit Vätern geben und es nachvollziehbar wird, warum wir für eine wohlwollende, kreative und geduldige Willkommenskultur für Väter werben. Der Dialog ist die Grundlage für ein gelingendes Miteinander, davon sind wir überzeugt. Dafür lohnt sich der Einsatz.

Zum Schluss der Einleitung möchten wir noch einigen Menschen danken: Gunthard Weber für seine wertvollen Impulse, Jochen Schweitzer für sein Mentoring, Ralf Holtzmann für seine geduldige Begleitung, unseren Frauen und Kindern für die Unterstützung und Geduld, den zahlreichen Klienten und Klientinnen, von denen wir lernen durften, Anke Moll für die Transkription der Interviews und allen Mitautoren und -autorinnen für die tollen Beiträge!

Ansgar Röhrbein und Andreas Eickhorst

Lüdenscheid und Augsburg
im Januar 2016

I  Vaterschaft heute