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www.piper.de

ISBN 978-3-492-97524-7

Februar 2017

© Piper Verlag GmbH, München/Berlin 2017

Covergestaltung: semper smile, München

Covermotiv: Jana Jouzek

Datenkonvertierung: Kösel Media GmbH, Krugzell

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Geleitwort von Dr. Udo Gansloßer

Auch wenn sich das Bild des Hundes in den vergangenen Jahren stark gewandelt hat: Immer noch sind einige überholte Betrachtungsweisen sehr verbreitet, manchmal in Mischform.

1. Der Hund als Nachfahr des Wolfes: Offensichtlich biologisch motiviert ist das Bild des Hundes als zivilisierter Nachfahr des Wolfs – wenngleich manchmal auch als zivilisiert degenerierter Nachfahr. In diesem sogenannten lupomorphen Modell werden alle Eigenschaften des Hundes auf die ihrer wölfischen Vorfahren zurückgeführt. Und das bietet Raum für zahlreiche Irrtümer: Erstens herrschen häufig falsche Vorstellungen vom Leben der frei lebenden Wölfe. Zweitens wird der Einfluss von fünfundzwanzig- bis fünfunddreißigtausend Jahren gemeinsamer Geschichte zwischen Mensch und Hund vergessen: Hunde haben nämlich in vielerlei Hinsicht nur noch oberflächliche Ähnlichkeit mit Wölfen. Gerade in ihrem Kommunikationsverhalten sind sie an das Leben bei und mit den Menschen angepasst. Auch wenn viele Eigenschaften, beispielsweise in der Hund-Hund-Beziehung noch Ähnlichkeiten mit anderen Caniden-Arten haben – für den in Mitteleuropa aufgewachsenen Haushund ist der Mensch ein Sozialpartner von ganz anderer Qualität. Und sein Verhalten ist für den Hund gut einschätzbar.

2. Der vermenschlichte Hund: Ein anderer weitverbreiteter Irrtum liegt darin, dem Hund in vielerlei Hinsicht unreflektiert menschliche Eigenschaften zu unterstellen, zum Beispiel moralische Sekundär-Emotionen wie Dankbarkeit, schlechtes Gewissen oder Schuldbewusstsein. Problematisch kann das werden, wenn der Mensch daraus einschlägige Erziehungs- und Umgangsformen ableitet. Hier verursacht das sogenannte antropomorphe Modell Verständigungsschwierigkeiten, Missverständnisse, Frust. Auf der anderen Seite kann Antropomorphismus durchaus hilfreich sein. Schließlich trägt er dazu bei, dass Hund und Katze den Menschen gesund erhaltende Funktionen zur Stressdämpfung sowie andere Wohlfühl-Effekte ausüben können.

3. Der Hund als Kind-Ersatz: Das babymorphe Modell betrachtet den Hund weitgehend als Kleinkind-Ersatz. Das kann Probleme geben, wo es zu starker und unnötiger Abhängigkeit des Hundes von seinem Halter führt. Wer den Hund ständig infantilisiert, ihm keine Entscheidungsfreiheiten und keine eigene Lebensführung zugesteht, der darf sich nicht wundern, wenn der Hund dann beim Alleinlassen oder in anderen Krisensituationen wie ein abhängiges Kleinkind reagiert: Schon eine kurzfristige Abwesenheit seines Menschen beantwortet der Hund sofort mit erheblichen Verhaltensauffälligkeiten. Wenn aus dem Kontrollwahn des Menschen und des beratenden Trainers heraus die falschen – nämlich distanzierende, verunsichernde – Maßnahmen ergriffen werden, wird das Problem sich rasch verselbstständigen.

Eine Folge der aufgezählten Fehlinterpretationen ist auch ein übermäßiger Beschäftigungswahn. Zum Beispiel führt die völlig falsche Vorstellung vom Jagdverhalten der Wölfe – die angeblich tagelang und über viele Kilometer in schnellen Gangarten durchgeführte Hetzjagd – dazu, dass auch Hunde nach diesem Modell permanent mit Futterbeutel und anderen Gegenständen beschäftigt werden. Dabei wird nicht berücksichtigt, dass die tatsächlichen Jagdsequenzen von Wölfen oft unter zweieinhalb Kilometer umfassen und weniger als zwanzig Minuten dauern. Der Rest ist Belagerung und Mürbemachen des eingekreisten Beutetiers. Anschließend liegt das Rudel durchschnittlich vier bis fünf Tage in Deckung nahe dem Kadaver und bedient sich immer dann, wenn einem der Betreffenden gerade der Magen knurrt.

Solche und ähnliche falschen Vorstellungen haben zur Folge, dass viele Haushunde heute einen Terminplan haben, der ohne Sekretärin kaum mehr zu bewältigen ist. Die Folgen sind dann offenkundig: übermotivierte, bisweilen suchtkranke Hunde, Hyperaktivität, Aufmerksamkeitsdefizit – die ganze Palette der Auffälligkeiten, die auch Kinder in vergleichbaren Stresssituationen zeigen.

Das Buch von Stephanie Lang von Langen bringt mit einer gesunden Mischung aus Intuition, Erfahrung und sehr viel Wissen etwas Licht in dieses Dunkel. Wer es gelesen hat, ist hoffentlich vor den schlimmsten Auswüchsen eines falschen Umgangs mit dem Hund gefeit.

Ich wünsche dem Buch daher eine weite Verbreitung und hoffe, dass im Sinne unserer Hunde ein Umdenken in breiteren Schichten der hundehaltenden und mit Hunden lebenden Menschen erfolgt.

Fürth, Juli 2016

Dr. Udo Gansloßer, Privatdozent am Zoologischen Institut und Museum der Universität Greifswald und Lehrbeauftragter am Phylogenetischen Museum und Institut für Spezielle Zoologie der Universität Jena