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Peter Eckhart Reichel

Hörbuchsprecher - Sein oder Nichtsein

Die Kunst, Literatur in lebendige Sprache zu übertragen - Ein Leitfaden


Aus dem Inhalt: Einführung „Because I have a voice!“ Sprecher Wie werde ich Hörbuchsprecher? Was muss ein Hörbuchsprecher alles können? Warum ist Vorlesen eine Kunst? Sprecheragenturen Storytelling oder die Kunst des Erzählens Die Macht der Geschichten Der Aufbau nach kanonischem Story-Schema Erzählperspektiven Interpretation Textanalyse Voice Acting-Übungen Der Ton macht die Musik Ton und Intonation Zäsuren, Pausen, Höreindrücke Sprechstile Sprechkünstlerische Leistungen Honorare Bei welchen Experten könnte ich meine Stimme ausbilden lassen? Bei welchen Hörbuchverlagen könnte ich mich bewerben? Bei welchen Aufnahmestudios könnte ich mich bewerben? Bei welchen Synchronstudios könnte ich mich bewerben? Bei welchen Sprecheragenturen könnte ich mich bewerben? Rechtefreie Literaturvorschläge für Sprecherinnen Rechtefreie Literaturvorschläge für Sprecher


BookRix GmbH & Co. KG
80331 München

Titel

 

 

Peter Eckhart Reichel

 

 

 

Hörbuchsprecher - Sein oder Nichtsein

 

Die Kunst, Literatur in lebendige Sprache zu übertragen

 

 

Ein Leitfaden

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Impressum

© 2017 Peter Eckhart Reichel

Peter Eckhart Reichel: Hörbuchsprecher - Sein oder Nichtsein

Titelgestaltung: ebuchedition words&music

unter Verwendung einer Fotovorlage von FBE

 

© 2017 hoerbuchedition words & music

Alle Rechte vorbehalten.

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ebuchedition words & music

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Kennwort: Hörbuchsprecher - Sein oder Nichtsein

 

 

 

Gute Literaturinterpreten sind immer Sprach-Künstler. Sie transportieren Inhalte vom gedruckten Wort in gehörte Sprache - im Idealfall so, dass man beim Zuhören gar nicht auf die Idee kommt, der Inhalt könnte überhaupt den Umweg übers Schriftbild gegangen sein: Jemand erzählt mir einfach eine Geschichte. Und das nicht nur Wort für Wort. Eine Geschichte besteht aus lauter Emotionen, aus Gedanken, aus Zwiegesprächen, aus turbulenten oder brutalen oder beschaulichen Bildern. Das alles möchte ein Zuhörer selbst miterleben. Ein guter Erzähler, dem ich gerne zuhöre, vermittelt mir jeden Subtext: Die Freude, das Grauen, die Langeweile, die Überheblichkeit, die Hilflosigkeit, die Kränkung - und den Humor, vielleicht die schwierigste Gratwanderung von allen. Aber nicht jeder professionelle Sprecher, nicht jede prominente Schauspielerin ist automatisch auch für dieses Medium geeignet.

Dieser Leitfaden richtet sich an alle Literaturinterpreten, die ihre Stimme im Hörbuchbereich oder auf Leseveranstaltungen einbringen möchten. Vermittelt werden Grundkenntnisse des Sprecherberufs, sowie zahlreiche Tipps über Stimmbildung, über unterschiedliche Interpretationsmöglichkeiten, über Modulation und Sprechstil, Ton und Intonation, Textanalyse und Storytelling. Voice-Acting-Übungen werden dabei helfen, eventuelle Interpretationsschwierigkeiten in Eigenregie zu beheben. Vermittelt wird zudem ein Einblick in die Praxis des Sprecheralltags, z.B. Honorarfragen, Demo-Aufnahmen oder Stimm- und Sprechtraining. Im Anhang finden Sie viele nützliche Adressen von Sprecheragenturen, Hörbuchverlagen und Aufnahmestudios. Über 100 Links zu rechtefreien literarischen Übungstexten runden das Angebot ab.

Inhalt:

Einführung

„Because I have a voice!“

Sprecher

Wie werde ich Hörbuchsprecher?

Was muss ein Hörbuchsprecher alles können?

Warum ist Vorlesen eine Kunst?

Sprecheragenturen

Storytelling oder die Kunst des Erzählens

Die Macht der Geschichten

Der Aufbau nach kanonischem Story-Schema

Erzählperspektiven

Interpretation

Textanalyse

Voice Acting-Übungen

Der Ton macht die Musik

Ton und Intonation

Zäsuren, Pausen, Höreindrücke

Sprechstile

Sprechkünstlerische Leistungen

Honorare

Schlussbemerkung

Über den Autor

Quellenangaben

Weiterführende Links, Internetquellen

Bei welchen Experten könnte ich meine Stimme ausbilden lassen?

Bei welchen Hörbuchverlagen könnte ich mich bewerben?

Bei welchen Aufnahmestudios könnte ich mich bewerben?

Bei welchen Synchronstudios könnte ich mich bewerben?

Bei welchen Sprecheragenturen könnte ich mich bewerben?

Anhang

Rechtefreie Literaturvorschläge für Sprecherinnen

Rechtefreie Literaturvorschläge für Sprecher

 

Einführung


Ich wollte einmal etwas machen, das lange Zeit im Rundfunk verpönt war, nämlich Figuren zu spielen anstatt sie nur zu zitieren, sich beim Lesen nicht vornehm zurückzuhalten, sondern theatralisch einen Roman zu interpretieren und zwischen dem ‘objektiven’ Erzähler und den Charakteren hin- und herzuspringen. Wer Kinder hat, weiß, dass sie es lieben, wenn man beim Vorlesen in verschiedene Rollen schlüpft. Aber inspiriert wurde ich in meiner Zeit als Student auf Reisen im Nahen Osten, wo ich noch auf die klassischen Märchenerzähler wie aus Tausend und einer Nacht traf, die mit Händen und Füßen und vor allem Kraft ihrer Stimme Geschichten erzählen konnten und so eine Zauberwelt vor Augen und Ohren erschufen. [...] Ich sehe das Vorlesen aus einer musikalischen Perspektive: Vor dem Lesen versuche ich die Grundstimmung eines Buches zu erfassen, den Groove, den Sound, denn ein Buch ist für mich eine Partitur, voller verschiedener Stimmen, Leitthemen, Nebenlinien und Motive, wo Rhythmik, Melodik und Intonation eine Rolle spielen. Und da die menschliche Stimme für mich das großartigste Musikinstrument ist, das ich kenne, besetze ich die verschiedenen Charaktere wie Musikinstrumente in einem Orchester. (Der Hörverlag 2002 c, S. 29f.)

Dieses Zitat von Rufus Beck, der sich besonders als Sprecher der Harry Potter-Hörbücher einen Namen gemacht hat, verdeutlicht sehr anschaulich, wie wichtig eine Sprecherpersönlichkeit im Bereich der Literaturinterpretationen ist. Mit seinen Fähigkeiten steht und fällt die Qualität eines Hörbuchs. Vermag der Sprecher den Hörer nicht zu fesseln, so kann die Produktion noch so aufwändig produziert worden sein, beim Rezipienten führt sie nicht zum gewünschten Erfolg.

Im Laufe der Entwicklung haben wir aber wahrscheinlich in unserer medienüberfluteten Welt das Gespür dafür verloren, dass geschriebene und gedruckte Sprache nur eine Aufzeichnung der gesprochenen Sprache darstellt und deshalb insofern nur unvollständig sein kann.

Doch seit einigen Jahren zeichnet sich eine neue Tendenz ab. Je drastischer die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten ihren Bildungsauftrag vernachlässigen und allgemeinbildende Wortprogramme oder Literaturlesungen aus Kostengründen reduzieren, suchen immer mehr Hörer nach Alternativen. Die Hörbücher traten ihren Siegeszug an.

Diese Entwicklung begann in den 80er Jahren, und wenn man heute den deutschsprachigen Hörbuchmarkt studiert, gewinnt man sogar den Eindruck, als habe sich das Lesepublikum nun gänzlich in ein Hörerpublikum verwandelt.

Natürlich kann jeder gesunde Mensch sprechen – also könnte auch jeder theoretisch ein Hörbuch einsprechen. Sie ahnen es natürlich, es ist nicht so leicht, wie manch einer glaubt. Die Wahrheit sieht viel komplizierter aus. Sehr viele Erwachse tun sich bereits schwer damit, einem Kind aus einem Buch vorzulesen. Auch einen Vortrag vor Publikum zu halten, gerät allzu leicht außer Kontrolle, ganz zu schweigen von der Interpretation literarischer Texte. Und dennoch kann jeder sprechen. Allerdings wird es für Sprecher immer schwieriger mit der eigenen Stimme im Literaturbereich viel Geld zu verdienen, geschweige denn sich beruflich einen „klangvollen Namen“ zu erarbeiten.

Dieser Leitfaden verfolgt deshalb vor allem ein Ziel: er soll dabei helfen, Ihre eigene Kritikfähigkeit als Sprecher zu entwickeln, er soll Ihnen Sicherheit und Leichtigkeit vermitteln und Ihre bisher unbekannten Potentiale wecken.

In den vergangenen zwei Jahrzehnten, in denen ich als Autor, Hörbuchproduzent und auch als Wortregisseur tätig sein durfte, konnte ich meine Kenntnisse über die unterschiedlichsten Formen von Literaturinterpretationen erheblich erweitern. Ich hatte das Glück - und manchmal auch die Ehre - mit prominenten Schauspielern oder bekannten und auch weniger bekannten Sprecherinnen zusammenarbeiten zu dürfen. Alles, was ich Ihnen in den nachfolgenden Kapiteln an Erfahrungen und Wissen weitergeben kann, habe ich von all diesen Sprechern und Sprecherinnen gelernt, mit denen ich oftmals tage- oder nächtelang in den verschiedensten Aufnahmestudios zusammengearbeitet habe. Ihre Ratschläge und Tipps konnte ich immer wieder auch bei meinen eigenen Hörbuchproduktionen praktisch anwenden. Seit 1996 sind bisher ca. 50 Hörbuch- Hörspiel- oder Rundfunkaufnahmen unter meiner Mitwirkung entstanden. Viele dieser Audio-Produktionen wurden als Hörbücher veröffentlicht und sind größtenteils noch immer im Buchhandel erhältlich.

Das Produzieren eines Hörbuches ist natürlich immer ein sehr ehrgeiziges Projekt. Es ist so, als wollte ein Sprecher mit seinem Instrument gleich einen ganzen Konzertabend gestalten. Wenn Sie als Sprecher noch nicht so weit sind, tasten Sie sich mit Hilfe dieses Ratgebers Schritt für Schritt an die anspruchsvolle Aufgabe heran. Alle Tipps, Hinweise und Übungen, die ich Ihnen gebe, wenden sich prinzipiell an alle, die Texte für ein Publikum sprechen möchten – also auch an Literaturinterpreten, die vor Publikum auftreten möchten. Diese Informationen ersetzen allerdings keine Sprecher- oder Schauspielausbildung, aber sie führen Sie als Interpret oder Vorleser, das ist mein Ziel, hoffentlich in die richtige Richtung. Ich lade Sie herzlich ein, von all diesen Erfahrungwerten zu profitieren.

Because I have a voice!“



Die Faszination am Sprecherberuf, der in den letzten Jahren auch durch die Vielzahl an Hörbüchern und Spiele-Vertonungen bekannter geworden ist, scheint immer noch weiterhin zuzunehmen. Die Erfahrungen der letzten Jahre zeigen, dass es viele Wege gibt, um diesen Beruf zu erlernen und auszuüben. Doch eines ist besonders wichtig: Sie sollten immer dazu bereit sein, sich für dieses Ziel (auch langfristig!) zu engagieren. Sie werden auf diesem Weg etliche Hürden zu überwinden haben und deprimierende Stagnationsphasen erleben. Das klingt zwar alles abgedroschen, trifft aber genau den Kern.

Machen Sie Ihre eigene Stimme zu Ihrem Kapital mit einer Ausbildung zum Mikrofonsprecher.

Mit solchen oder ähnlichen Slogans werben einige Ausbildungsinstitutionen um die Gunst des heranwachsenden Sprechernachwuchses. Leider aber stellt sich die Realität nach einer solchen oftmals kostspieligen Schulung für die meisten „ausgebildeten“ Berufssprecher ganz anders dar. Das riesige Angebot an Berufssprechern übersteigt deutlich die Nachfrage der potentiellen Auftragsgeber, die geeignete Stimmen für Audioproduktionen suchen. Nicht nur bei den Rundfunksendern, auch bei den Hörbuchverlagen ist die Nachfrage nach neuen Stimmen im überschaubaren Bereich. Dagegen häufen sich Anfragen von Sprechern und Schauspielern, die sehr gern in diesem Segment arbeiten möchten, vor allem aber von Amateuren, die nach einem Einstieg in den Sprecherberuf suchen.



Sprecher



Berufssprecher unterscheiden sich neben ihrer jeweiligen Technik vor allem durch ihre unterschiedlichen Stimmlagen, Charakteristik und ihr Sprachalter. Die Stimmencharakteristika für beide Geschlechter werden oft auch mit den gleichen Attributen beschrieben:

dynamisch, jugendlich, lieblich, mittelkräftig, sanft, dunkel, frech, frisch, hell, kindlich, facettenreich, sinnlich, tief, sonor, voluminös, hart, zart, zickig, rauchig, voll, warm oder weich, markant, seriös, sehr männlich oder sehr weiblich, um nur einige zu nennen.

Aber diese Attribute sagen längst noch nicht alles über die tatsächliche Stimme des Sprechers oder der Sprecherin aus. Sie dienen höchstens als grobe Orientierungsmöglichkeit.

Es existiert natürlich kein Mensch, auf den nur eins dieser stimmlichen Merkmale zutrifft. Stimmen sind vergleichbar mit Musikinstrumenten, die man hart oder weich, laut oder leise, sanft oder heftig spielen kann. Stimme ist Klang.

Bei jedem Klang schwingen immer Grundton und Obertöne mit. Wenn wir von Klang sprechen, schwingen die Obertöne jedoch in einem Vielfachen zum Grundton, sie schwingen harmonisch zueinander. Die Obertöne bestimmen die Klangfarbe eines Instrumentes, auch bei einer menschlichen Stimme.

Das akustisch empfundene Stimmalter ist natürlich nicht identisch mit dem biologischen Alter des Sprechers oder der Schauspielerin. Es wird oft so beschrieben: Sprachalter von 20 bis 35 Jahre. - Tatsächlich ist die Dame oder der Herr jedoch gut 20 Lebensjahre älter, als sie oder er klingt.

Es gibt aber auch jüngere Schauspieler, die wie 60jährige Männer wirken und manche 50jährige Schauspielerin hat noch immer eine jugendliche Stimme, obwohl ihre äußere Erscheinung eher ihrem tatsächlichen Alter entspricht.

Manche alten Stimmen klingen kehlig, schnoddrig, gebrochen oder kraftlos, manche klingen weise oder klug. Es gibt sogar Schauspieler oder Sprecherinnen mit kleinen Sprachfehlern, die durchaus für eine dementsprechende Hörspielrolle geeignet sind. Bei Hörbuchaufnahmen sind solche Stimmen jedoch weniger kompatibel, es sei denn, sie decken sich mit der Charakteristik des literarischen Inhalts. Für manche Texte braucht es manchmal Ungewohntes. Ich persönlich mag Stimmen mit kleinen Fehlern und Eigenheiten, weil durch sie ganz bestimmten Figuren ein hoher Widererkennungswert verliehen werden kann.

Es gibt viele weitere Faktoren, die die Qualität einer Stimme tagtäglich beeinflussen wie der Gesundheitszustand (Erkältung, Zigaretten- oder Alkoholkonsum), oder der Grad der körperlichen Entspannung, aber auch An- oder Verspannungen, die Tageszeit, die Sünden des Vortages, Nervosität, Emotionen. Daher müssen Sprecher für eine verlässliche und wiederholbare Klangfarbe ihres Instrumentes sorgen. Hierbei können helfen:

• ein erprobtes persönliches Aufwärmsprechen,

• ein diszipliniert einzuhaltender Abstand zum Mikrofon und Einsprechwinkel,

• sprech-, stimm- und atemtechnische Übungen, die zur Tagesroutine gehören sollten,

• eine verlässlich erzeugbare körperliche Grundspannung

• und selbstverständlich Praxis, Praxis, Praxis.