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Fachbereich
PHYSIK

Einführung in die Relativitätstheorie

Von Prof. Dr. Harald Lesch

Eine Frage des Bezugssystems

Einführung in die Relativitätstheorie – also, es ist ja so, dass uns die Relativitätstheorie im Grunde genommen gar nicht interessieren muss. Warum sich alle so darüber aufregen, was da für Konsequenzen abzuleiten seien über die Welt insgesamt, darüber kann man sich eigentlich nur wundern als Otto Normalverbraucher. Also für Sie und für mich, ist es doch eigentlich völlig egal, wie diese Relativitätstheorie geht. Worum geht es denn da? Es geht um Geschwindigkeiten, die wir sowieso nie erreichen, Lichtgeschwindigkeit, 300.000 km pro Sekunde, ich bitte sie! Wir sind ja schon froh, wenn wir heute auf der Autobahn einmal 20 km/h fahren können. Also was sind denn das für Geschwindigkeiten, von denen da die Rede ist?

Es wird noch viel schlimmer: Wenn man diese Geschwindigkeiten in Energien umrechnet, landet man z.B. bei Temperaturen von 10 Mrd. Grad.

Bitte? Was hat denn das mit uns zu tun? Wir sind doch Lebewesen, die, sagen wir einmal, wenn wir innerlich erhitzt sind, 36,5 Grad haben und in einer angenehmen Umgebung von vielleicht 25 Grad und einer Luftfeuchtigkeit von 60 % leben. Warum also Relativitätstheorie? Wieso müssen diese Physiker mit ihren Theorien so an den Rand des – Wahnsinns will ich nicht sagen – sondern der Anschaulichkeit gehen? Da kann man sich überhaupt nichts mehr vorstellen. Außerdem kommen ganz merkwürdige Ergebnisse dabei heraus.

Wie kommt also ein Mensch, nämlich Albert Einstein, dazu, zu Beginn des 20. Jahrhunderts Theorien zu formulieren, die unsere gesamte Vorstellung von den Worten Raum und Zeit praktisch in ihre Einzelteile zerschlagen haben. Am Ende kommt etwas dabei heraus bei dem man sagen muss: Wenn wir uns verabreden, mein Lieber, dann bitteschön müssen wir genau angeben, in welchem Bezugsystem. Ach, das verstehen Sie nicht? Nach dieser Vorlesung werden Sie es verstehen. Fangen wir ganz von vorne an, wie es sich gehört.

Setzen Sie sich doch einmal in einen Zug. Sie fahren mit einem deutschen Zug, einem Hochgeschwindigkeitszug, auf einer Hochgeschwindigkeitsstrecke mit 300 km/h. Sie sehen, wie draußen die Land-schaft an Ihnen vorbeizieht, wunderbar. Und dann kommt Ihnen ein anderer Zug entgegen, natürlich nicht dasselbe Gleis, das ist klar. Sondern wirklich parallel. So und jetzt fährt der auch mit dieser entsprechenden Höchstgeschwindigkeit.

Jetzt eine kleine Rechenaufgabe für Sie: Mit welcher Geschwindigkeit, Relativgeschwindigkeit, fahren diese beiden Züge aufeinander zu? Na? Also der eine mit 300 und der andere mit 300, macht? 600 natürlich, also 600 km/h. Das ist halbe Schallgeschwindigkeit. Darauf will ich gar nicht hinaus. Aber eines ist klar: die Geschwindigkeiten addieren sich.

Wenn ich jetzt in dem Zug nach vorne gehe, dann werde ich mich noch schneller vorwärts bewegen, obwohl ich natürlich nicht schneller am Bahnhof ankomme, weil der Zug ein geschlossenes System ist. Aber wenn diese beiden Züge aufeinander zu fahren, dass wissen Sie schon, das ist eine Relativgeschwindigkeit, weil diese beiden Geschwindigkeiten sich addieren.

Lichtgeschwindigkeit + Lichtgeschwindigkeit = Lichtgeschwindigkeit

Wie wäre es denn jetzt, wenn sich zwei Lichtstrahlen aufeinander zu bewegen? Der eine Lichtstrahl bewegt sich mit Lichtgeschwindigkeit, der andere Lichtstrahl bewegt sich mit Lichtgeschwindigkeit – also müsste doch die Geschwindigkeit doppelte Lichtgeschwindigkeit sein. Wenn man das aber macht, stellt man fest: Lichtgeschwindigkeit und Lichtgeschwindigkeit ergibt Lichtgeschwindigkeit. Moment. Da macht man den Versuch noch einmal. Vielleicht hat man sich ja vermessen. Aber am Anfang des 20. Jahrhunderts war klar: Die Lichtgeschwindigkeit scheint vom Bezugssystem völlig unabhängig zu sein. Das scheint eine Naturkonstante zu sein. Das hat man überhaupt nicht verstanden, ganz und gar nicht. Man hat solche irrsinnigen Versuche gemacht, weil man sich gedacht hat: Licht, das sind elektromagnetische Wellen, das ist so etwas wie eine Wasserwelle oder eine Schallwelle. Wasserwellen brauchen Wasser, damit sie diese wellenartigen Phänomene darstellen, Schallwellen brauchen ein Medium, das den Schall tragen kann, z.B. Luft. Dass das gesprochene Wort zu hören ist, hat nicht nur etwas mit der digitalen Elektronik der Quantenmechanik zu tun – das ist übrigens auch eine interessante Vorlesung: „Die Grundlagen der Quantenmechanik“, aber das nur am Rande. Schallwellen brauchen ein Medium. Also hat man sich gedacht, dann braucht Licht, also elektromagnetische Wellen, auch ein Medium. Und da geht es schon los. Ich werde Ihnen in dieser Vorlesung ein paar Anekdoten dazu nahebringen, bevor die Relativitätstheorie von Einstein erfunden wird.

Interferenz

Man überlegt, dass es also ein Medium geben muss, das diese elektromagnetischen Wellen trägt. Das nannte man Äther. Dann hat man sich folgendes überlegt: Wenn der Äther – zu dessen Eigenschaften komme ich gleich noch – ein ruhendes Medium ist, also das gesamte Weltall ist mit Äther angefüllt, dann müsste sich die Bewegung der Erde relativ zu diesem Äther messen lassen. Das heißt, wenn ich einen Lichtstrahl in Richtung der Erdbewegung um die Sonne schicke, also quasi nach vorne, und den nun mit einem Lichtstrahl überlagere, der genau senkrecht zur Erdbewegung um die Sonne geht, dann müsste ich die Addition dieser beiden Geschwindigkeiten messen können. Denn gilt ja v + c. (v ist die Geschwindigkeit der Erde um die Sonne, yInterferenz-ErscheinungenInterferenz