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Phil Humor

69 Short Stories

Mit Philosophie und Humor





BookRix GmbH & Co. KG
80331 München

Inhalt

 

69 Short Stories:

 

Der verzauberte Luftballon * Die blaue Lokomotive * Sandro Botticelli und seine Venus * Isadora Duncan zu Besuch bei Kasperl * Kitty und Kasperl * Madeleine und der Fliegende Holländer * Santa Claudia - Ein Geschenk für den Weihnachtsmann * Godula und Sir Rumpelstilzchen * Dornröschen und Prinz Richard - Dreamteam * Don Quijote und Dulcinea * Teddy, Ted und Teufel * Störtebeker in Stonehenge * Shekinah - Verbotene Liebe * Das Goldene Vlies und das Goldene Verlies - Hylas und Dryope * Himmlische Hesperide * Sturz vom Seil * Sternennacht über der Rhône - Vincent van Gogh trifft Leonardo da Vinci * Sieg für Sternschnuppe * Die Wahrsagerin * Bruce und Cathy * Schloss Wilmore * Oskar und Napoleon * Kronos und Genoveva * Seeldini * Kain Mörder? * Das Reisen führt uns zu uns zurück * Caesar und zweimal Kleopatra * Im Tempel von Olympia * Die 1001. Nacht * Zeus auf dem Wolkenkratzer * Philosophie für Computer * Dreimal Blutwurst, einmal Mord * Firmenaktien * Planet Cinea * Captain gegen Kater * Miriam Bauer und die Mauer * Die unendliche Wendeltreppe * Crazy Candy Christmas * SpacetourSoon * Villa Doomsday * Vincent van Gogh und Paul Gauguin * Angriff auf den Planeten Deltor * Audienz-Tanz in München: Lola Montez bei Ludwig I. * Elizabeth I. im Jahr 2011 * Mephisto und René Magritte * Der Straßenmaler * Kasperls Hochzeit * Jup * Kollektives Gedächtnis * Hildegard von Bingen im Privatjet * Der einsame Klavierspieler * Der besessene Dämon * Die Brücke zum Höheren Selbst * Ein halbes Hausboot * Jeder Tag ist ein kleines Leben * Eiseskälte * Morgana Ra * Inside Hollywood * Baiky, das Seeungeheuer vom Baikalsee * Schuld, Sex und Sühne * Shakespeare und Merlin * Schlaflos * Kurbel-Taschenlampe in Chile, San José * Siegfried und der Drache Faffi * Homer und Kassandra * Undine * Rotkäppchen auf dem Hochsitz - Hochdramatisches Märchen * Leonardo, Lisa und Gioconda * Das Erwachen des Gewissens - William Holman Hunt

 

Der verzauberte Luftballon

 

»Wie heißt du? Kannst du das noch mal wiederholen?«

Melanie, ein 16-jähriges Mädchen, saß auf einer Straßenbank neben einem gleichaltrigen Jungen. Der Junge hielt einen rosa Luftballon in seiner Hand.

Er sagte: »Ich heiße Melahel. Klingt seltsam? Soll es auch. Das ist wichtig für einen Künstler-Namen: die Außengewöhnlichkeit. Das lässt doch gleich Rückschlüsse zu auf den Träger dieses außergewöhnlichen Namens.«

Melanie: »Einige Rückschlüsse erlaube ich mir jetzt schon: Du bist seltsam. Tauchst urplötzlich neben mir auf – ich war wohl in Gedanken versunken. - Das bin ich des Öfteren. Meine Mutter sagt, ich sei eine noch größere Tagträumerin als sie selbst. - Das finde ich erschreckend. - Denn du musst wissen – meine Mutter vergisst mitunter das heiße Bügeleisen und blickt gedankenverloren in den Garten hinaus. Brandgefährlich dieser Hang zur Tagträumerei!«

Melahel: »Kann aber auch nützlich sein. Könnte einem sogar das Leben retten – denke ich mir. Wenn man so als Tragträumer ein Gespür entwickelt, Ahnungen hat für kommende Schicksalsschläge.«

Melanie stupste mit ihrem Finger gegen seinen rosa Luftballon, den er an einem Band festhielt. Melahel: »Dieser Ballon – das ist eine bedeutsame Requisite für meine Zauber-Auftritte. Ich bin Illusionist, ein mega-begabter Zauberer.«

Melanie: »Mein Bus kommt gleich. Ich habe Dich hier noch nie gesehen. Wohin fährst du?«

Melahel: »Ich habe es nicht nötig mit dem Bus zu fahren. Unsereins hat da ganz andere Möglichkeiten.«

Melanie: »Angeber! Du hast sicherlich noch nicht mal einen Führerschein. - Bist du wirklich ein Zauberer? Und erfolgreich?«

Melahel: »Ach, wenn ich auf der Bühne stehe vor meinem immer wieder in donnernden Applaus fallenden Publikum – das bläht mein Ego von Mal zu Mal immer weiter auf.«

Melanie: »Du wirst doch nicht platzen, so wie dein rosa Luftballon, wenn ich jetzt ein bisschen fest auf ihn drauf drücke.«

Melahel zog den Luftballon rasch von Melanie weg. Er sagte: »Tue ihm ja nichts! Das ist ein verzauberter Luftballon. Der beherrscht die Magie aus dem Effeff – ach, der kann das ganze Alphabet! Soll er dir mal etwas mitteilen, etwas Geheimnisvolles?«

Melanie gähnte. Dann sagte sie: »Mag sein, dass dein Publikum kaum zu bändigen ist bei deinen Vorführungen. Aber mein Bus kommt gleich – und ich hasse Möchtegern-Zauberer. Die versprechen alles Mögliche – und dann war alles nur heiße Luft.«

Melahel beugte sich zu ihr rüber: »Konnte noch kein Junge dich verzaubern? Tja, die Magie der Liebe beginnt nicht erst mit einem Kuss, sondern bereits viel früher: Wenn man sich wohlfühlt in der Nähe des anderen. Auch wenn der andere abweisend ist. - Ich finde dich bezaubernd.«

Er hielt ihr seine leere Hand entgegen. Plötzlich lag auf seiner Handfläche eine Visitenkarte. Melanie: »Wie unspektakulär! Na, als Zauberer hätte ich von dir erwartet, dass mir drei weiße Täublein die Visitenkarte in den Schoß legen.«

Melahel grinste. »Ist alles machbar. - Ich bin gerne Zauberer. Die Zauberei ist ideal geeignet, um anzubändeln.«

Melanie: »Dann gib mir mal das Band mit dem Luftballon.«

Melahel atmete tief ein. »Nur wenn du keine böswillige Attacke ausführst gegen meinen Luftballon.«

Melanie: »Ich dachte, der kann sich verteidigen mit Magie? Ist das auch nur so ein schwächlicher Ballon, den scharfe Krallen in ein Häufchen Elend verwandeln? Mehr Robustheit – das braucht man in der Liebe. - Ich zumindest. Ich bin tatsächlich sehr sensibel. - Und ich wundere mich über mich selbst, dass ich dir das gestehe!«

Melahel: »Mir ist auch so, als ob wir einander sehr ähnlich sind. Wie Seelenverwandte. - Ich kann diesen Schmus ganz gut rüberbringen – nicht wahr? - Ich werde sicherlich mal ein ganz großer Frauenheld.«

Melanie blickte auf seine Visitenkarte. »Auf Deiner Visitenkarte sind Wolken – und ein Schloss. Verkäufer für Luftschlösser? Nun ja, das sind Zauberer wohl. Meine Mutter ist auch an so jemanden geraten. Mein Vater hat Luftschlösser gebaut, wir haben eine Zeit lang drin gewohnt und dann hat er uns dort sitzen lassen. Und ich bin aus allen Wolken gefallen.«

Melahel: »Ich wirke doch so, als ob ich dir aufmerksam zuhöre? Mein Minenspiel zeugt von extremer Aufmerksamkeit. Und doch ist alles Illusion! Allem, dem ich meine Aufmerksamkeit widmen kann – das sind deine Augen, deine Lippen, deine schöne Gestalt. Und vor allem dein seidig-festes Haar! Mancher Engel wäre neidisch auf solches Haar!«

Melahel nahm einige Haarsträhnen von ihr zwischen seine Finger. Melanie ließ ihn gewähren. »Meine Eltern: Traumtänzer trifft Traumtänzerin – und ich bin deren unglückselige Tochter!«

Melahel drückte ihr den rosa Luftballon in die Hand. »Schau mal, der Luftballon will dir was sagen.«

Melanie drehte den Luftballon herum. Auf dem Luftballon standen schwarze Buchstaben: ‚I love you‘. Sie wollte ihm den Luftballon zurückgeben. Er hob abwehrend die Hände. »Oh! Man soll die Gunst eines genialen Zauberers nicht gering schätzen, nicht achtlos beiseiteschieben. Wir Zauberer können mächtig nützlich sein.«

Melanie: »Jaja, das ist wirklich originell. Sind die Männer allesamt so schlechte Aufreißer oder gerate nur immer ich an solche Typen?«

Melahel: »Ich bin steigerungsfähig. Ich fange immer harmlos an und dann wird es immer spektakulärerer. Das erhöht die Spannung bei meinen Shows bis ins Unerträgliche.«

Melanie: »Ist alles Show? Wird mein ganzes Leben auch Show sein?«

Sie nestelte an ihren bunten Stoff-Armbändern. Melahel: »Du bist unruhig. Ich könnte dich wunderbar beruhigen. Ich habe da raffinierte Techniken und Methoden.«

Melanie: »Bereits tausendfach bewährt? Du wirkst viel zu sympathisch, um wirklich dieser Draufgänger zu sein, für den du dich ausgibst. Zum Beispiel verleiht dir dieser rosa Luftballon eine sehr heitere Note.«

Melahel: »Das beruhigt mich. Ich befürchtete schon, es wirke lächerlich. Aber ich laufe gerne mit einem rosa Luftballon umher in der Stadt. Es erheitert die Menschen – und die Passanten lächeln mir zu.«

Melanie: »Weil sie sich einem wunderlichen Menschen überlegen fühlen dürfen für einen kurzen Moment. Darin bin ich Expertin. Ich erheitere meine Mitwelt regelmäßig mit meinen Missgeschicken. Du siehst, ich tue was für die Zufriedenheit der Menschheit.«

Sie strich Melahel über sein Haar. Sie sagte: »Du hast ebenfalls sehr schönes Haar. Es gleicht dem meinen. Sind wir verwandt?«

Melahel: »Sehr!

Seelen, die einander wiederfinden im Tumult der Welt.

Deinem Wesen bin ich gerne zugesellt.

Ich fühle deine Not und deine Sorge.

Bin bei dir, dass ich von meinem Mut dir reichlich borge.

Kann alles schenken meiner Seelenverwandten!«

 

Melanie: »Bin ich etwa eine von deinen Tanten?«

 

Melahel: »Es gibt noch andere Varianten.

Als dein Seelenverwandter bin ich dir gerne zugesellt.

Und nicht nur meine Brust in deiner Näh geschwellt.

Begier mischt sich zum Stolz, weil dein Anblick mir gefällt.

 

Sie lachte und warf ihr Haar zurück. »Es ist wahr, du steigerst dich in beachtlichem Tempo. Ein Flirt verkürzt die Wartezeit auf sehr angenehme Art.«

Melahel: »Ist nicht das ganze Leben eine Wartezeit? Warten auf den Bus ins Jenseits? Vielleicht sollte man mit dem Einsteigen etwas warten – den nächsten oder übernächsten Bus nehmen? - Ich muss dir etwas Wichtiges sagen.«

Er deutete auf den Luftballon. »Ich will dich nochmals verblüffen. Ich sehe deinen verblüfften Gesichtsausdruck so gern. Völlig unverstellt. Natur pur. Meine Melanie.«

Melanie: »Woher weißt du meinen Namen?«

Sie betrachtete den Luftballon. »Und woher weiß der Luftballon den Namen meiner Mutter?«

Sie kratzte mit ihrem Fingernagel vorsichtig über die schwarze Aufschrift des Luftballons. »Hier steht: ‚Deine Mutter: Eleonore«

Sie ließ den Luftballon auf das Straßenpflaster sinken. Melahel: »Wie bei jedem guten Zaubertrick ist die Erklärung ganz banal. Warum ich so viel über dich weiß? Ich bin dir schon seit geraumer Zeit gefolgt. Du gefällst mir sehr. Ich wollte dich unbedingt näher kennenlernen.«

Er hob den Luftballon auf und gab ihn ihr – dabei berührten sich ihre Hände. Melanie: »Wow! Da steht jetzt ein ganz anderer Spruch darauf. ‚Bus kommt später‘. Was der Luftballon alles weiß! Die Wirtschaftsweisen müssten solch einen Ballon haben, dann würde es nicht immer eine Wirtschaftsblase nach der anderen geben.«

Melahel: »Ich stehe bereits in Kontakt mit den wichtigsten Wirtschaftsbossen. Es gibt definitiv einen Markt für prognosesichere Luftballons. Eine Marktlücke, in die ich da vorstoße.«

Melanie gab ihm einen Kuss auf die Wange. Er deutete auf den Luftballon. Melanie: »Du bist unglaublich. Wie machst du das? Ein ganzer Satz steht hier: ‚Ich liebe dich unendlich‘. Das ist entweder der romantischste Luftballon, den ich je in meinen zarten Händen halten durfte, oder aber du bist der allerbeste Zauberer.«

Melahel: »Das Letztere ist zutreffend.«

Melanie drehte den Luftballon in ihren Händen. Sie sagte: »Die schwarzen Buchstaben verschwinden und erscheinen auf diesem Luftballon tatsächlich wie von Geisterhand. Es geht gar nicht um den Gehalt an Bildungsgut, was in diesen Worten steckt, aber dass sie überhaupt vorhanden sind!«

Melahel: »Das ist so wie mit einem sprechenden Esel oder einem sprechenden Pferd. Man ist ja froh, dass es überhaupt was sagt. Als Professor hingegen da musst du dir Mühe geben, dass es was Gescheites ist. Findest du das nicht auch ungerecht?«

Melahel betrachtete nachdenklich seinen Luftballon. »Er kann schreiben und Sprüche kreieren – so dümmlich, wie er mag – und wird immer bewundert werden dafür. Ich hingegen muss mir jetzt einen ganz gescheiten Spruch einfallen lassen, nur damit du nicht in den Bus steigst, der dort angefahren kommt.«

Sie stand auf und sagte: »Vergeblich, davon wird mich gar nichts abhalten. Weder du noch dein Luftballon – egal was ihr beide an Argumenten vorzubringen habt.«

Melahel sagte: »Die Liebe zum Leben sollte dich davon abhalten. Der Bus wird verunglücken. Du würdest sehr schwer verletzt werden. Ein Krüppel – dein Leben lang dann.«

Sie sah ihn starr an, dann haute sie ihm ihre Finger ins Gesicht. »Das ist so pervers und abscheulich mit solchen Ideen aufzuwarten. Völlig geschmacklos. Wie konnte ich mich in dir nur so täuschen. Eben erschienst du mir noch als supersympathisch. - Aber jetzt – vergiss es!«

Ein älterer Mann tippte sie von hinten auf die Schulter. Er sagte: »Verzeihen Sie, junge Dame, aber weshalb regen Sie sich so auf – und vor allem, mit wem reden Sie bloß um Himmels willen?«

Melanie wirbelte herum zu dem älteren Mann. »Ich kenne Sie! Herr Michaelis. Sie haben das Juwelier-Geschäft dort auf der anderen Straßenseite. Ich war bei Ihnen vor einiger Zeit und habe mir Diamantringe zeigen lassen. Sie waren sehr geduldig, obwohl sie wussten, dass ich mir keinen davon leisten konnte. Ich wollte einfach mal große Dame spielen. Und so tun, als gehörte mir die Welt.«

Herr Michaelis blickte hinüber zu seinem Juweliergeschäft und dann wieder zu Melanie. »Ich glaube, mich an dich erinnern zu können. Sollte ich auch. Denn hübsche Gesichter habe ich bislang nie vergessen. Das würde sonst bedeuten, ich würde alt.«

Herr Michaelis setzte sich auf die Straßenbank. Melanie drehte sich wieder um und ihre Augen suchten Melahel. Er war weg. Nur der rosa Luftballon lag auf dem Straßenpflaster. Sie blickte sich um. »Haben Sie gesehen, wohin der Junge gegangen ist? Er ist weg? - Komisch; eben war er noch so begierig darauf, sich mir aufzudrängen.«

Herr Michaelis schüttelte den Kopf. »Ich habe niemanden gesehen. Schon vorher nicht. Du standest wild gestikulierend und um dich schlagend hier vor dieser Straßenbank. Ich sah, wie du Selbstgespräche führtest – schon eine ganze Weile lang. - Ich mache gerade Mittagspause – und weil ich neugierig bin, wollte ich wissen, was das hier mit dir zu bedeuten hat. Übst du für ein Pantomimen-Theater? - Die jungen Leute denken sich ja alle möglichen und unmöglichen Sachen aus, um uns Ältere aus unserer selbstgefälligen, altvertrauten Lebensweise aufzurütteln. Meine Kinder versuchen das auch bei mir: Zerren mich doch tatsächlich letzten Samstag mit in eine Diskothek! - Aber was soll ich sagen, ich habe gar nicht mal so übel getanzt.«

Melanie ließ sich neben Herrn Michaelis auf die Straßenbank niedersinken. »Sie haben hier niemanden gesehen außer mir? - Seltsam. - Ich bin verrückt. Schade. Mein Leben fing so hoffnungsvoll an.«

Der Bus fuhr vor. Herr Michaelis betrachtete sie nachdenklich. »Geht es dir nicht gut. Schwindlig? Ich habe mein Handy dabei. Soll ich ein Taxi rufen – willst du zum Arzt?«

Der rosa Luftballon war durch den Fahrtwind des Busses zu ihr herangeflogen. Er lag nun direkt neben ihrem Bein. Sie hob den Luftballon auf. Auf dem Luftballon stand das Wort: ‚Taxi‘. Sie sagte zu Herrn Michaelis: »Das wird mir jetzt zu unheimlich.«

Sie reichte ihm den Luftballon. »Können Sie lesen, was da drauf steht – oder bilde ich mir das auch nur ein?«

Herr Michaelis schob sich seine Brille zurecht und blickte auf den Luftballon. »Da steht nichts. Ein schöner, völlig rosa-farbener Luftballon. Was soll denn da stehen?«

Einige Fahrgäste waren aus dem Bus ausgestiegen. Der Busfahrer rief zu Melanie: »Was ist nun? Willst du mitfahren? Ich würde für ein so hübsches Mädchen wie dich ja stundenlang warten, aber dann verliere ich meinen Job.«

Melanie schüttelte den Kopf. Sie rief: »Ich fahre nicht mit. - Ich nehme ein Taxi.«

Der Busfahrer nickte. »Okay. Ist aber schade.«

Er lächelte, schloss die Türen und fuhr mit seinem Bus los. Melanie sprang auf. Sie lief dem Bus einige Schritte hinterher. Der Bus fuhr davon. Sie ging zurück zu Herrn Michaelis, der ihr entgegen ging. »Also rufe ich dir jetzt ein Taxi?«

Melanie rief: »Ich hätte sie alle warnen sollen! Den netten Busfahrer und die zwei Dutzend Fahrgäste. Der Bus wird verunglücken – ein Unfall. Kann ich das noch verhindern?«

Sie blickte sich um. Herr Michaelis reichte ihr den rosa Luftballon. »Den hast du vergessen. - Atme tief durch. Morgen sieht die Welt wieder anders aus. Es gibt Tage, da ist man völlig verwirrt.«

Melanie: »Ja, das hoffe ich. Dass ich völlig verwirrt bin. Das wäre das Beste. An die andere Alternative mag ich gar nicht denken. - Dann wäre ich schuld an ...«

Sie drehte sich um und ging davon. Den rosa Luftballon hielt sie mit beiden Armen dicht an an ihren Körper gepresst.

 

***

Melanie erfuhr von dem Busunglück am nächsten Tag in der Zeitung. Sie fragte ihre Mutter: »Glaubst du an Schutzengel?«

Ihre Mutter sagte: »Erzähle es keinem – ich gelte jetzt schon für sonderbar. Ja, ich hatte mal einen Schutzengel. Ein wunderlicher und witziger Typ. Hatte einen rosa Luftballon bei sich. Er hat mich vor einem Flugzeug gewarnt. Bei der Passkontrolle stand er plötzlich neben mir und sagte, er sei Zauberer und er könne mir nur dringend davon abraten, dieses Flugzeug nach Mexiko zu nehmen.«

Melanie schob ihren Essensteller beiseite. »Und? Ist das Flugzeug heil in Mexiko gelandet?«

Ihre Mutter wandte sich ab und stellte den Geschirrspüler an. »Das Flugzeug ist abgestürzt. Ich hatte tatsächlich auf diesen skurrilen Typen gehört. Dem verdanke ich mein Leben. Ich weiß sogar noch, wie er heißt.«

Melanie sagte leise: »Melahel.«

Ihre Mutter blickte sie an. »Das kannst du nicht wissen! Woher ...«

Melanie umarmte ihre Mutter. Sie weinte.

 

ENDE

 

 

Die blaue Lokomotive


Bluette packt den Arm von Blanche. Blanche lässt ihren Korb mit den gesammelten Blaubeeren fallen. „Was ist denn? Was erschreckst du mich so?“


Sie blickt in die Richtung, in die Bluette mit ausgestrecktem Arm deutet. „Das da, meine liebe Blanche, ist mein Schicksal, meine Bestimmung! Mir wurde von einer Wahrsagerin prophezeit, dass ich in einer blauen Lokomotive meinen Traumprinzen finden werde.“


Blanche geht einige Schritte aus dem Wald auf die große Lichtung. „Das ist ein richtig zauberhafter Ort. Auch wenn graue Wolken über uns sind – man spürt, dass diese Lichtung mit Sonnenenergie aufgetankt ist. Sie strahlt Liebenswürdigkeit und Wärme aus.“


Bluette: „Ja, es stimmt alles. Die perfekte Kulisse, um meinem Traumprinzen hoheitsvoll entgegenzutreten.“


Sie rennt los. Sie stolpert über einen Ast und fällt hin. „Ich werde das langsamer angehen.“


Sie versucht, die Grasflecken von ihrem Kleid zu wischen. Blanche: „Ja, es ist schon seltsam. Dort drüben steht eine blaue Lokomotive. Mutterseelenallein. Ohne Gleise – alt, verwahrlost. Was macht die hier auf dieser Lichtung?“


Bluette: „Naja, davonfahren kann sie ja nicht mehr. Also wartet sie darauf, dass die Welt zu ihr kommt. - Die Lokomotive sieht nicht unbewohnt aus. Einige Tücher und Kleidungsstücke hängen dort. Wieso wohnen Traumprinzen in alten Lokomotiven?“


Blanche: „Mich erschreckt immer wieder deine Gutgläubigkeit: Eine Wahrsagerin prophezeit dir angeblich etwas und du glaubst das ohne Vorbehalte. Kein Wunder, dass dein Mann dich verlassen hat. Misstrauen ist die Basis jeder guten Ehe. Der Mann hat dir deine ganze Firma abgeluchst und du lächelst ihn treu an – dankbar, dass du zu seinen Füßen kauern darfst!“


Bluette: „Das war in unserer Skihütte vorm Kamin. Dieses Kauern zu Füßen von jemanden kannst du doch nicht übertragen auf mein gesamtes Leben!“


Blanche: „Doch, es scheint mir ein stimmiges Bild, eine passende Metapher für das zu sein, wie du vermeintliche Traumprinzen ansiehst: Mit Blick von unten – heischend nach Aufmerksamkeit und wohlwollender Betrachtung. Mensch Bluette, du bist dir deines wahren Wertes nicht bewusst: Du siehst dich irgendwo im Cent-Bereich und doch bist du Millionen Dollar wert!“


Bluette: „Ererbtes Kapital. Wie heißt es bei Goethes Faust: Erwirb es, um es zu besitzen! Ich steh auf zitterigen Beinen in dieser Welt – und das nicht nur, weil wir schon stundenlang durch diesen Wald gegangen sind. Blaubeersammeln! Wie kommst du nur immer auf so absonderliche Gedanken. - Aber ich gebe zu, dass deine Wege mich oftmals weggeführt haben von einer Klippe, auf die ich zusteuerte. - Ich sehe mich als Lemming. Immer auf der Suche nach der nächsten Klippe.“


Blanche: „Wir könnten hier tatsächlich noch ewig stehen und plaudern. Die Lokomotive wird sich nicht fortbewegen. Keine Gleise. Meinst du, sie ist ein Symbol auch für mein Leben? Ich habe nie Gleise benötigt. Ich habe mir selber meine Wege gebahnt. - Tja, wollen wir nun philosophieren oder wollen wir testen, was es auf sich hat mit der Wahrheit deiner Prophezeiung?“


Sie zupft sich einen Grashalm aus der Wiese. „Ich versuche mal, diesem Grashalm einen Signalton zu entlocken. Das kündigt unser Erscheinen bei Hofe an. Fanfarenstöße!“


Sie nimmt den Grashalm zwischen ihre beide Daumen und bläst gegen den Grashalm, so dass dieser in Schwingung gerät. Bluette: „Da bewegt sich nichts. Kein Hofmarschall tritt aus der verrosteten Lokomotive hervor und lädt uns zum Gala-Diner. Apropos. Ich habe Hunger.“


Sie nimmt sich eine Handvoll Blaubeeren aus ihrem Korb. „Wenn ich aufgeregt bin – dann ist es besser, wenn ich ihm mit vollem Magen gegenübertrete. Lass uns noch mehr Blaubeeren suchen.“


Sie wendet sich zum Wald. Blanche hält sie an ihrem Kleid fest. „Nur nicht schüchtern. Du bist Firmenchefin. Hast in kurzer Zeit eine neue Firma gegründet. Dreißig Männer hören auf dein Kommando. Besinne dich auf deine Stärken!“


Bluette: „Von diesen dreißig Männern ist aber keiner traumprinzenhaft. Mein Problem taucht erst dann auf, wenn sich Begehren ins Spiel mischt. Dann wischt irgendjemand mir sämtliche geistreichen Gedanken von meiner geistigen Sprechtafel und da stehen dann nur noch so alberne Sätze drauf, wie: ‚Na, wie geht‘s? Wohnst du auch auf diesem Planeten?‘“


Blanche: „Ich bin Psychotherapeutin und deine Freundin. Aber manches musst du alleine herausfinden. Ich gebe dir da keinerlei Rat. Und besser ist manchmal die Tat.“


Blanche ergreift die Hand von Bluette und zieht sie mit sich fort in Richtung der Lokomotive. Bluette: „Warte. Habe ich einen blaubeerverschmierten Mund? Ich will sofort kussbereit sein. Es ist womöglich Liebe auf den ersten Blick.“


Blanche tupft ihr mit einem Taschentuch über die Lippen. „Okay. Du bist voll einsatzbereit.“


Bluette: „Könntest du mir mein Haar noch flechten zu einem schönen dicken Zopf? Dann ...“


Blanche schuppst Bluette in den Rücken und schiebt sie vor sich her in Richtung der Lokomotive. „Man könnte meinen, du wärest ein Güterwaggon, der nicht ankoppeln will an diese Lokomotive.“


Bluette: „Hat sie denn was zum Ankoppeln die Lokomotive? Ich hoffe etwas Großes, Brauchbares?“


Sie grinst. Blanche streckt ihren Arm aus. „Es fängt an zu regnen. Prima. Dann haben wir einen Grund, Unterschlupf zu suchen in der Lokomotive. Siehst du, der Himmel ist unser Freund und hilft uns nach besten Kräften.“


Bluette: „Der Himmel strengt sich zu doll an. Es gießt!“


Dicke Regentropfen fallen plötzlich herab. Blanche und Bluette rennen zu der blauen Lokomotive. Bluette rüttelt an der Tür der Lokomotive. „Sie klemmt. Hilf mir mal.“


Zusammen ziehen die beiden Frauen die Tür mit einem Ruck auf. Sie blicken hinein. „Du, Bluette, du hast recht: Da liegt tatsächlich dein Traumprinz und wartet auf dich. - Allerdings wenn ich ihn mir so genauer ansehe, würde ich eher sagen, das ist der Stallknecht deines Prinzen. Der ist ziemlich verwahrlost.“


Bluette beugt sich weit nach vorne und blickt in die offene Lokomotive hinein. „Das wird schon. Märchen haben immer anfangs Hindernisse. Darauf muss ich gefasst sein. Das tut meiner Prophezeiung keinen Abbruch.“


Blanche: „Apropos Abbruch: Der Wolkenbruch will, dass wir hineinsteigen ins Abenteuer, in die Lokomotive. Los, Bluette, ich bin schon völlig durchnässt.“


Blanche schiebt Bluette in die Lokomotive hinein. „Lass uns drinnen weiter über Märchen, Feen und Prinzen-Frösche uns unterhalten.“


Ein Mann liegt ausgestreckt auf dem Boden der Lokomotive. Ein Strohhut bedeckt sein Gesicht. Blanche stupst den schlafenden Mann mit ihrer Fußspitze gegen sein Bein. Er rührt sich nicht. „Also mit verzauberten Fröschen ist die Kuss-Prozedur empfehlenswert.“


Bluette: „Das hat bei Schneewittchen auch funktioniert: Eintritt ins Zauberschloss mittels Kuss-Therapie. - Nimm ihm mal den Strohhut weg. Ich werde ihn wachküssen und ...“


Blanche unterbricht sie. „Was ist, wenn hier seine sieben Zwerge auftauchen? Könnte doch sein, dass er ein Räuberhauptmann ist. Und die haben hier ihren Unterschlupf mitten im Wald auf dieser Lichtung.“


Blanche: „Sag mal, hat ein Traumprinz normalerweise nicht ein dazugehöriges schickes Schloss?“


Der Mann wirft den Strohhut von sich und springt auf. „Ein Schloss habe ich – ich habe leider vergessen, es anzumachen an die Lokomotivtür.“


Der Mann schließt die Lokomotivtür mit einem Ruck. Er reibt sich die Augen. „Soso, ich sei also eine Mischung aus Räuberhauptmann und Schneewittchen. Vielleicht bin ich auch einfach nur ein Eremit, der der Weisheit hinterherjagt im Rückwärtstempo.“


Bluette: „Den Zustand kenne ich: das Gefühl der Hirn-Leere, wenn ich Mister Perfect in meiner Nähe spüre. - Doch von diesem Zustand bin ich momentan weit entfernt. Völlige Gedankenklarheit. - Und genau das gibt mir Anlass zur Sorge: Hier sollte eigentlich mein Traumprinz, mein persönlicher Mister Perfect, auf mich warten.“


Der Mann fährt sich mit seinen Händen durch sein strubbeliges Haar. „Denkt an Aschenputtel. Der hat auch keiner zugetraut, wie verwandlungsfähig sie ist. Ich verwandle mich unter Feen-Einfluss. Dann komm ich ganz groß raus mit gläsernen Stiefeln, Glitzer-Klamotten und diese schäbige Lokomotive verwandelt sich in ein futuristisches Stahlross, was ohne Mühe Warp-Beschleunigung erreichen kann, um damit in zukünftige Welt-Dimensionen einzutauchen mittels der üblichen Zeit-Tunnel. - Das passiert, wenn mir eine Fee beisteht. Doch wenn gar zwei bezaubernde Feen in meiner Nähe sind, dann wird es noch ein wenig spektakulärer.“


Bluette nickt. „Verstehe. Dann war meine Anfangs-Vermutung berechtigt, dass hier demnächst Magisches geschieht. - Ich könnte sehr gut ein bisschen Magie gebrauchen in meinem Leben. Mein Ex-Mann hat mir sämtliche Illusionen geraubt und ich stehe ein bisschen nackt in meiner kargen, desillusionierten Welt.“


Der Mann betrachtet sie – taxiert sie längere Zeit. „Du hast keinerlei Sorge, dass ich in völlig unmagischer Manier euch beiden die Kleider vom Leibe reiße, weil ich in dieser Einsamkeit Herr des Waldes bin?“


Bluette: „Ein bisschen Risiko ist immer dabei, wenn man so ganz abseits der üblichen Wege unterwegs ist. Keine Gleise. Ich versuche, mich neuerdings mit der Lebens-Maxime meiner Freundin Blanche anzufreunden: Und diese gleislose Lokomotive scheint mir ein sehr aussagekräftiges Symbol zu sein für diesen neuen Weg.“


Der Mann gießt sich aus einer verbeulten Kanne kalten Kaffee ein. „Möchtet ihr auch einen Schluck? Ich hätte auch noch getrocknete Pilze anzubieten. Alle Köstlichkeiten des Waldes.“


Blanche blickt hinaus aus den Fenstern der Lokomotive. „Die Regenwolken verziehen sich. Es pladdert gleich nicht mehr auf das Lokomotiven-Dach. Diese alte, ausrangierte Lokomotive schützt uns. Sie ist doch noch wertvoll.“


Der Mann blickt gleichfalls nach draußen. „Ja. Diese Lokomotive ist sogar sehr wertvoll. Ich glaube, ich verdanke ihr mein Leben. - Vor einiger Zeit rannte ich ziellos in diesem Wald umher. Wie von müden Furien gejagt. Meine Familie wollte, dass ich die Firma übernehme – alles war seit Langem so geplant. Jura und Wirtschaft studiert. Hat mich nie begeistert. Eine schnurgerade Strecke, die sich mir vor meinem gelangweilten Auge darbot. Ja, und dann sah ich diese gleislose Lokomotive – und dachte mir: Hej, so in etwa stelle ich mir auch mein Leben vor. Keine Gleise. Freiheit. Und ich beschloss, hier bei der Lokomotive zu bleiben und von ihr zu lernen.“


Der Mann deutet auf einige Gemälde, die aneinandergereiht an der Lokomotivwand lehnen. „Ich habe fleißig gemalt hier im Wald. Und auf dieser großen Lichtung. Es ist, als ob in mir selbst eine Lichtung entstanden ist. Ich konnte wieder frei atmen. Das Enge, Bedrückende – es war so, als steuerte ich auf eine Schlucht zu, eine Klamm, die immer schmäler, enger wird. Das Licht des Himmels – kaum noch zu erkennen. Verhangen von überstehendem Bergmassiv.“


Er seufzt. Bluette: „Glaubst du an Prophezeiungen? Nach meiner Prophezeiung müsstest du Jean heißen.“


Der Mann lässt seinen Kaffeebecher fallen. „Nun verblüffst du mich tatsächlich. - Ja, ich heiße Jean. - Aber es ist besser, wenn ihr beiden jetzt geht. Der Regen hat aufgehört. - Ich habe mich an die Einsamkeit gewöhnt. Sie ist mir zu einer treuen Freundin geworden. Ich möchte sie nicht betrügen mit ...“


Bluette unterbricht ihn. „Ach, dürfen wir noch eine Weile bleiben?. Bitte. Nur solange, bis sich meine Prophezeiung erfüllt hat und wir beide verheiratet sind.“


Sie lächelt. Der Mann öffnet die Lokomotivtür und geht hinaus. Bluette blickt ihm nach. „Er hat einen sehr männlichen Gang. Kraftvoll. Wie ein Tiger.“ Blanche fasst das Kinn von Bluette und dreht ihren Kopf in Richtung der Kaffeekanne. „Schau mal, da liegt ein Koffer – ebenfalls blau. Das könnte ein Indiz sein, eine Fährte, der du folgen sollst. Eine Prophezeiungs-Schnitzeljagd. Wertvolle Hinweise befinden sich hier sicherlich zuhauf.“


Blanche kniet sich neben den blauen Koffer. „Denk dir, er heißt tatsächlich Jean!- Mir wird das jetzt selber ein bisschen unheimlich. Ich habe der Wahrsagerin nur 100 Dollar bezahlt. Stell dir vor, welche Genauigkeit möglich gewesen wäre, wenn ich ihr 1000 Dollar gegeben hätte.“


Sie klappt den Kofferdeckel hoch. Blanche: „Ich hoffe nicht, das wird jetzt wie bei Blaubart und wir entdecken düstere Geheimnisse in der verbotenen Kammer. - Aber solch eine verbotene Kammer hat eigentlich jeder. Hab ich festgestellt während meiner Tätigkeit als Psychotherapeutin und bei genauerer Betrachtung meiner Seelenkammern. Da ist nicht alles adrett und vorzeigbar. Dann kommt die Scham, die Scheu, dass andere Menschen Einblick erhalten in ...“


Bluette unterbricht sie. „Schau mal: ein Fotoalbum. Und Jean auf den Fotos. - Also, so in Anzug und rasiert, da sieht er sehr vorzeigbar aus. Sogar mächtig vorzeigbar.“


Sie nimmt vorsichtig eines der Fotos aus dem Album heraus. „Den Mann, der neben ihm steht, den kenne ich. Den habe ich irgendwo schon mal gesehen.“


Blanche nimmt ihr das Foto aus der Hand. „Wir stöbern hier auf unbefugtem Terrain. Man liest ja auch nicht die Tagebuch-Einträge von anderen. Auch wenn die Neugierde einen verleiten will, den anderen ganz zu durchschauen. Doch ihm nichts Verborgenes zu lassen – wo bliebe Platz für das Vertrauen? Tilgt man es nicht aus, wenn man wissen muss, statt nur zu glauben?“


Bluette nimmt das Foto und legt es wieder in das Fotoalbum. Dann schließt sie den Kofferdeckel. „Okay. Geben wir dem Vertrauen den gebührenden Raum. Soll sich Vertrauen ausbreiten – ich will es zulassen.“


Sie kratzt sich am Kopf. „Aber woher kenne ich nur den Mann auf dem Foto? - Ich weiß es!“


Bluette springt auf. Sie deutet mit dem Finger auf Blanche. „Das ist dein Freund Simon!“


Blanche setzt sich auf den Koffer. „Setz dich zu mir. Ich muss dir ein Geständnis machen. Ja, Simon ist der Cousin von Jean. Und Simon hat mir erzählt, dass Jean hier alleine im Wald haust. Er meinte, es sei eine gute Idee, wenn du und Jean – naja, dass eure Umlaufbahnen sich einmal kreuzen sollten. Dann würde die gegenseitige Anziehungskraft bewirken, dass ihr wie zwei Planeten voneinander angezogen werdet.“


Bluette: „Sehr poetisch formuliert dieser Hochverrat. - Was ist mit der Wahrsagerin? Ist das eine Cousine von Simon? - Ach, sag‘s mir nicht, ich bin enttäuscht. Wenn mein Leben sich mittels einer Prophezeiung zum Wunderbaren gewandelt hätte – das wäre Romantik pur. Ich hatte noch nie in meinem Leben Romantik. Nur Verrat. Und jetzt hast du – meine allerbeste Freundin – mich auch verraten!“


Bluette springt aus der Lokomotive heraus. Sie wendet sich um und blickt nah oben. „Da sitzt Jean oben auf der Lokomotive.“


Jean: „ Wie gut, dass ich die Anschleich-Techniken aus meinen Kindheits-Tagen noch beherrsche, als ich Cowboy und Indianer gespielt habe. Gelernt ist gelernt.“


Bluette: „Es gibt gar keine Prophezeiung. Alles Schwindel. Dein Cousin Simon wollte uns beide nur verkuppeln.“


Jean: „Und? Wird es ihm gelingen?“


Bluette: „Ich will kein Hindernis sein für eine gutgemeinte Prophezeiung. - Dürfen wir dich zum Essen einladen?“


Jean nickt. „Ja, Appetit wäre da.“


Bluette: „Und vielleicht gibt es dann auch noch Nachtisch. Aber versprechen kann ich nichts.“


Jean: „Ich könnte jede Menge versprechen. Tue ich aber auch nicht. Obwohl ich meine, dass meine Zukunft auf einmal sehr vielversprechend aussieht.“


Er strahlt sie an.



ENDE




Sandro Botticelli und seine Venus



Sandro Botticelli betrachtete das Bild, was er vor 24 Jahren gemalt hatte. Es war ihm, als würde Venus nun tatsächlich aus ihrer kippeligen Stellung hinüberpurzeln in seine Arme; er stand bereit; aber wer ihm da entgegenkommen sollte, wen er nur zu gerne in seine Arme zu schließen begehrte, das war nicht die Dargestellte, Venus, sondern ihr Vorbild im Irdischen: Simonetta Vespucci. Er war der Mittler, der Künstler: Ihm oblag es, das Unsichtbare erkennbar zu machen mittels dem Passenden, was er hier vorfand auf Erden. Und wer wäre geeigneter, würdiger gewesen als Simonetta, um der antiken Schönheits-Liebes-Göttin mittels ihrer Anmut, ihres Jungseins zu erneuter Frische zu verhelfen? Wiederbeleben das, was vom Vergessenwerden bedroht ist allezeit. Botticelli trat dichter an sein Gemälde heran, verlagerte sein Körpergewicht auf seinen linken Fuß, imitierte die Bewegung der auf der riesigen Muschel stehenden Venus. Unwillkürlich blickte er zu seinen Füßen, ihm war, als schwankte er, als plätscherte das Küstenwasser auch vor dem Bild und der weiche Sandstrand würde nachgeben.



“Simonetta, bald werde ich auch in anderer Welt zu Deinen Füßen liegen; hoffe es zumindest, hoffe auf Parallelität der Welten: lasse mich bestatten zu Deinen Füßen in der Ognissanti Kirche. Florenz bleibe ich treu. Dir wäre ich treu geblieben - aber so hoch hinaus reichte unsre Beziehung nicht; begnügte mich mit Anbetung und mit Deiner Nähe und Deinen Gesprächen. Die seltenen Berührungen verwahre ich allesamt in meiner Erinnerung; gebe ich die ab beim Eintritt ins Jenseits? Kleidet Dich dort noch die Schönheit - und mich mein Talent? Als was stehen wir uns dann gegenüber, wenn wir in Wahrheit unbeweglich liegen in der Kirche? Könnte körperliche Nähe die Jenseitigen überzeugen, dass man uns auch als Geisterwesen in unmittelbarer Nähe belässt - uns beieinander - möglicherweise für mehrere Ewigkeiten?”



Botticelli strich sanft über die raue Oberfläche des Gemäldes; er strich über ihren gemalten linken Arm, mit dem sie ihr langes kupferfarbenes Haar festhielt, sich daran festhielt, als ob es das Einzige sei, was sie habe. Und wie sie so dastand, nackt, nur ein Haarband in ihrem kräftigen, wehenden Haar - sie gerade geboren aus dem Meer - und er hier vor dem Gemälde sich verabschiedend vom Leben - von seiner Liebsten. Als Venus würde sie weiterbestehen - wenn er Glück hatte, dann würden die Menschen sein Bild auch in Hunderten von Jahren noch betrachten. Verwandlung ins Göttliche: Simonetta Vespucci als Venus; wer leiht hier wem Gestalt, Idee? Wer war wessen Vorbild? Hier kreuzten sich das Oben und das Unten - wie zwei Pyramiden, die sich spiegelten, Spitze an Spitze übereinander stehend. Das war möglich, da das Unwirkliche anderen Gesetzen zu folgen hatte als das Wirkliche. Er war neugierig auf diese anderen Bedingungen.



“Drängt es mich tatsächlich hier Genaueres zu erfahren? Jagdleidenschaft? Soll diese mich darüber hinwegtäuschen, dass ich einen elenden Tausch mache? Hier das wunderschöne Leben - welches zugegebenermaßen nur mit vielerlei Gedankenakrobatik und eigentlich unzulässigen Zugeständnissen als stets vorteilhaft und belebenswert gilt - und im Dort: Finito? Wie lebendig wäre Venus, wenn nicht Andenken und Erinnerung sie stärken würden? Sind’s Opfergaben? Nähren Götter sich als Hauptmahlzeit von der Verbindung zu den Menschen - und nur so als Beigabe, als Nachtisch und Aperitif fungieren Ambrosia und Nektar?”



Simonetta trat aus dem Bild; sie stützte sich bei ihm ab. Der riesigen Muschel gab sie einen Stoß dabei, so dass diese nach hinten ins Bild schaukelte. Botticelli wollte ihr noch sagen, dass sie die Muschel doch noch brauche - wenn man an Land geht, so wie man ein Boot doch recht vertäuen müsse -, aber dann ergriff ihn die Gesamtheit des Absurden wie eine Monsterwelle. Er wollte das Schöne dieser Situation retten, es hochhalten, aber ihm war, als brächen über ihm zwei Meere aufeinander. Simonetta küsste ihn auf die Wange. “So ist das mit den Anbetern und ihren Werken. Sie werden immer lebendiger.”



Sie nahm sich einen der Äpfel aus der Obstschale, sah sich im prächtigen Raum um. “Soso, wir sind also wieder bei den Medicis. War öfters hier. Beide Brüder waren verliebt in mich. Aber was erzähle ich’s Dir? Du hattest ja sein Turnier-Banner versehen mit meinem Gemälde; wie oft wolltest Du mich noch malen? Und da hat uns jemand ein Schnippchen geschlagen; wie bedauerlich, mit 23 Jahren Bescheid zu bekommen, dass man von der Lebensbühne zu verschwinden habe. War ein nettes Stück. Hatte sehr gute Rolle. Als schönste Dame weit und breit. Als ob ich Venus jemals tatsächlich das Wasser reichen könnte! Absurd. Ist es nicht absurd?” Botticelli nickte. Er sah zu ihr und dann wieder auf das veränderte Gemälde. Die Muschel dümpelte - wie es schien, betrübt darüber, dass sie ihrer edlen, kostbaren Fracht verlustig gegangen war - und auch Zephyr konnte sie nicht weiter in den Bildhintergrund pusten. Schien so, als hielte sie etwas zurück. “Du bist die Perle!” Simonetta entgegnete: “Ach, hör auf mit den Vergleichen und Gleichsetzungen. Momentan bin ich eine Kreuzung zwischen Venus und Simonetta - und mag gar nicht auseinander klabüstern, wie sich die Elemente zweier Welten in mir durchmengen.” Sie betrachtete sich selber im großen Wandspiegel. “Ei! Wie unzüchtig! Da stolziere ich hier völlig nackt im Zimmer umher - aber ist es nicht gleich? Alle Welt sieht mich ja auf Deinem, unserem Gemälde nackt, nur meine üppigen Haare kann ich nutzen wie einen Vorhang und Entscheidendes dahinter verbergen, so ich möchte - aber an sich hast Du mir ja die Haltung vorgegeben, bin Dein Modell. Du bist verantwortlich für meinen Eintritt ins Bild - und auch für mein Heraustreten aus dem Zweidimensionalen. - Überhaupt, Du malst sehr flächig. Hat sich das gebessert mittlerweile?” Sie trat dicht an Botticelli heran - und Botticelli streckte einen Arm aus - machte dieselbe Bewegung, als er soeben übers Bild gestrichen hatte - da war es gemalter Arm, nun traf er auf Leben. “Leben - es ist alles gemalt, ein großer Künstler hat uns in Szene gesetzt und pinselt munter darauf los. - Ach. Simonetta, Du bist jung geblieben, schau mich an. 65 Jahre. Abgelaufen. Sanduhr hat oben nur noch wenige Sandkörner für mich übrig. Ich gestatte mir nicht die Wahrhaftigkeit dieses Momentes näher zu betrachten; stattdessen betrachte ich Dich. Erfreue mich daran, Dich wieder zusehen - hier im Lebendigen.” Ihm rannen die Tränen übers Gesicht. Sie trocknete ihm mit ihren Haaren sein Gesicht, kitzelte dabei seine Nase und seinen Mund. Er ließ es geschehen. “Wie oft habe ich Dich gemalt - Du warst mir, solltest mir sein der Schlüssel zu jenen Regionen, zu denen Menschen kaum Zutritt haben: Nenne es Olymp, Himmelreich, Anderswelt ... lugen, erhaschen, was das alles soll, die Kulissenschieberei erkennen. Solche Sehnsucht ... dass ich manchmal vergaß, was wirklich wichtig ist: Besondere Menschen, Menschen, die man wertschätzt, lieb hat, liebgewonnen hat, von denen man wünscht, dass sie ewiglich bei einem sein mögen auf der Welt und sich nicht viel zu früh verabschieden müssen wie davoneilende Gäste; wo gäbe es Wichtigeres? Was ich gefunden habe an Wert, das ist das Gemeinsame mit liebenswerten Menschen. Kostbarster Schatz. Unendliche Einsamkeit - schon hier ... mag sein, dass wir einander wiederfinden, auch wenn Zeiträume uns trennen oder ob der Eine momentan nur als Gemälde vorhanden ist.” Botticelli lächelte und weinte.



Simonetta ging rückwärts zum Bild. “Es zieht mich wieder hinein. Habe hier keine Aufenthaltsgenehmigung - und außerdem ist das Bild nun bedeutend; ich sage Venus, dass sie mit Dir bald rechnen kann? Sie wird Dir danken wollen, dass Du in Zeiten, da kaum einer ihrer gedenkt, sie vortrefflich in Szene gesetzt hast, quasi in den Vordergrund gerückt hast.” Sie griff in das Bild hinein - und die riesige Muschel hüpfte über die Wellen zu ihr heran wie ein übermütiger Hund. Botticelli griff nach Simonetta. “Lass mich mit Dir gehen! Alle meine Bilder sind gemalt ... und der wertvollste Mensch, der, der mich am meisten beeindruckt, mir am allermeisten gegeben hat, der verschwindet nun in dieses Gemälde - allein?! Lasse mich Dir folgen. - Ich weiß, Du hattest jeden Mann in Florenz und in der weiten Umgebung zu Füßen liegen - hoch und herrlich überstrahlte Deine Schönheit uns mit einer Kraft, als würden wir von mächtigerer Sonne gewärmt als dieser ferne Punkt dort oben irgendwo am Himmel. Du aber warst bei uns, greifbar - zumindest beinahe. Denn du entzogst Dich uns, mir. Beinahe jedem. Man munkelt, wer Deine Gunst zur Gänze besaß.” Sie gab ihm einen Klaps mit ihrer Hand. “Begehrte Schönheit - gleichwohl tugendsam - ich meine doch, es ist mir die meiste Zeit über gelungen. Mag sein, Venus war neidisch - ich bin mir nicht sicher, ob sie in meiner Situation so hohe Zucht aufgebracht hätte wie ich als Mensch. Man behauptet, die Olympischen würde aus der Liebe olympische Disziplin machen. Mag sein, wir werden das demnächst auf Wahrheitsgehalt untersuchen können.” Botticelli blickte zu Zephyr, der ihn aus dem Gemälde anblies. Er blies so kräftig, dass Botticelli sich nach vorne beugte, um nicht umzufallen.



“Jaja, der Zephyr, hat er mich auf seine milde Art hier an die Küste getrieben, gedrängt. Auf Dein Bitten hin hat sich neue Küstenlinie in neue Dimension erstreckt: hinein ins Wirkliche. - Doch, wie Du zurecht vermutest, ist hier lediglich der Maler ein anderer. Wieder ein Bild. Bilder in Bildern. Unbedeutend wäre das alles - wenn es nicht diese besonderen Verbindungen gäbe zu interessanten Menschen, die es gerechtfertigt erscheinen lassen, vom Leben als etwas Interessantem, Berichtenswertem, Erinnerungswertem, Malenswertem zu sprechen. - Genug gesprochen.” Sie legte sich selber einen Finger auf den Mund.



“Nicht schweigen!” Botticelli hatte erneut seine Muse, seine Traumfrau in ihren, seinen Traum, in einen Gottes-Traum gehen lassen müssen. Venus stand wieder unbeweglich auf ihrer Muschel - das Lebendige ausstrahlend - doch erstarrt im Moment - in einem ewigen Moment.



ENDE



Isadora Duncan zu Besuch bei Kasperl



“Du Gretl, kannst aufhören. Der Zuschauerraum ist leer. Sag mal, verjagen wir die Kinder mit unserem Theater?! Ich sehe mich nach wie vor als Publikums-Magnet. Altes Eisen?” “Du vielleicht, Kasperl. Wir müssen attraktiver werden, eigenständiger.” “Eigenständiger!!? Das magst du mir als Handpuppe sagen?” Kasperl setzt sich auf das Krokodil. “Kroko macht zu viel Siesta. Insgesamt: Wir sind ein müder Laden geworden! Die Kinder werden immer aufgeweckter. Happenings. Performances. Radikales Künstlertum! Ich bin rückständig, stehe hinter rotem Samtvorhang ... das ist meine Welt ... und fragst du noch, warum dein Herz sich bang in deinem Busen klemmt ...” “Was ist mit meinem Busen?” fragt Gretl. “Ich bin doch nicht das Gretchen. Faust könnten wir allerdings mal wieder spielen. Die Faust im Nacken ... mir ist so, als würde ich die da spüren.” Kasperl massiert Gretl den Nacken. “Handpuppen-Schicksal. Wusstest du, dass Faust als Marionette triumphalste Erfolge feiern durfte? - Doch irgendwie müssen wir freier werden. Ach, einen Befreiungsschlag!!” Kasperl haut mit seinem Schlagstock gegen den Bühnen-Vorhang und Staubwolken hüllen ihn ein. “Verstaubt! Flieh! Auf! Hinaus ins weite Land! Und dies geheimnisvolle Buch, von Nostradamus’ eigner Hand, ist dir es nicht Geleit genug ... Moment, das ist ja gar nicht von Nostradamus, das ist von Isadora Duncan.” Gretl nickt. “Ja, habe ich gerade drin gelesen: Das ist ihre Autobiografie.” Kasperl legt sich mit dem Buch aufs Krokodil. “Bin doch keine Chaiselongue; lümmel dich woanders!” Das Krokodil bockt und versucht Kasperl abzuwerfen.



Der Zauberer kommt auf die Bühne. “Ich könnte uns Isadora Duncan herbeizaubern. Die Frau hat unglaublichen Zauber. Tänzerin. Merveilleuse.” Kasperl blättert in dem Buch. “Sie trägt Tunika, durchsichtige Flattergewänder; das sieht sehr apart aus. Wenn ich nicht schon so rote Bäckchen hätte, passend zu meiner Standard-Grinse-Mimik, dann würde mir jetzt wohl vor Begeisterung die Röte ins Gesicht steigen. Was kann ich verändern?! Baseballkappe statt roter Zipfelmütze? Doktorhut? Den Faust mimen - ach, das würde man mir nicht abkaufen; bin zu sehr festgelegt auf mein Rollenfach.” “Apropos Rollen.” Das Krokodil rollt mit Schwung gegen Kasperls Beine und haut ihn um. “Ich trudel so vor mich hin, aber Tanzen wär auch in meinem Sinn.” Das Krokodil zottelt aus Großmutters Kleiderschrank einen Smoking. Gretl nimmt das Buch an sich. “Was habe ich bloß angerichtet? Aber vielleicht ganz gut, wenn wir ein Tänzchen wagen mit flotten Ideen. Kasperl, du bist recht unflott neuerdings. Mehr Elan!” Gretl tanzt Tango vor Kasperl ... doch dieser flieht zur Großmutter. “Wahh! Gretl mutiert zum Vamp!” Gretl greift sich aus der Vase eine Rose und will darauf beißen. “Nicht mal meine Zähne kriege ich auseinander! - Zauberer,, tu was dagegen!” Der Zauberer setzt seinen großen spitzen Zauberhut ab und zieht daraus eine Pralinenschachtel hervor. “Zauberpralinen?” “Nein, ich wollte nur galant sein. Alle Welt erwartet von mir adäquate Sprüche; gewappnet sein jedem Unbill durch billige Tricks?! Ich bin es so leid auf eine Welt beschränkt zu sein, die bis zu einem roten Samtvorhang reicht! Faust hat sich Helena herbeigezaubert ... Tatsache ignoriert, dass sie seiner Welt nicht angehört. Zur Antike sich gewendet, in die Frühe der Zeit; Urbilder suchen. Quell jeglicher Magie: Die Idee erhaschen, die Phänomene durchschauen.” Das Krokodil hat sich in den Smoking gezwängt. “Ach, Zauberer, rede nicht so geschwollen! ... Verdammt, ich habe zugenommen!” Der Smoking-Knopf knallt gegen den großen Spiegel. “Trotzdem, das sieht sehr elegant aus; also ich wäre bereit, wenn die weltberühmte Tänzerin Isadora Duncan die Krokodil-Bude beehrt.” “Das heißt Kasperl-Bude!! Und wieso verfügst du über so immens viel Bildung, dass ich mit einem Mal das Bedürfnis verspüre, meinen Doktor-Titel zu machen in sämtlichen Fakultäten - auf dass ich sagen kann:

Habe nun, ach! Philosophie,

Juristerei und Medizin

Und leider auch Theologie!

Durchaus studiert, mit heißem Bemühn.

Da steh ich nun, ich armer Tor!

Und bin so kasperlich als wie zuvor.”