Cover

OSWALD SPENGLER

DER UNTERGANG DES
ABENDLANDES

UMRISSE
EINER MORPHOLOGIE DER
WELTGESCHICHTE

Mit einem Nachwort
von Detlef Felken

VERLAG C. H. BECK MÜNCHEN

BECK’S HISTORISCHE BIBLIOTHEK

Zum Buch

Weltgeschichte ist die Geschichte der großen Kulturen.

Oswald Spengler

„Jetzt ist das Bewußtsein, mitten in einer heftigen, untergangsdrohenden Kulturkrise zu leben, bis in breite Schichten hindurchgedrungen. Spenglers ‚Untergang des Abendlandes‘ ist für Zahllose in der ganzen Welt das Alarmsignal gewesen. Dies bedeutet nicht, daß all die Leser des berühmten Buches sich zu den dort gebotenen Einsichten bekehrt hätten. Aber es hat sie vertraut gemacht mit dem Gedanken an die Möglichkeit eines Versinkens der heutigen Kultur, während sie vorher noch befangen waren in einem selbstverständlichen Fortschrittsglauben.“

Johan Huizinga

Über den Autor

Oswald Spengler (1880–1936) lebte von 1911 bis zu seinem Tod als Privatgelehrter in München. Neben seinem Hauptwerk veröffentlichte er vor allem politische Schriften, die ihn als antidemokratischen Gegner der Weimarer Republik, aber auch als Kritiker des Nationalsozialismus ausweisen.

Dr. Detlef Felken ist seit 1991 Lektor im Verlag C.H.Beck. 1988 veröffentlichte er eine Biographie über Oswald Spengler.

INHALTSVERZEICHNIS

VORWORT I

VORWORT II

ERSTER BAND – GESTALT UND WIRKLICHKEIT

EINLEITUNG

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VORBEMERKUNG

ERSTES KAPITEL – VOM SINN DER ZAHLEN

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ZWEITES KAPITEL – DAS PROBLEM DER WELTGESCHICHTE

I. Physiognomik und Systematik

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II. Schicksalsidee und Kausalitätsprinzip

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DRITTES KAPITEL – MAKROKOSMOS

I. Die Symbolik des Weltbildes und das Raumproblem

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II. Apollinische, faustische, magische Seele

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VIERTES KAPITEL – MUSIK UND PLASTIK

I. Die bildenden Künste

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II. Akt und Porträt

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FÜNFTES KAPITEL – SEELENBILD UND LEBENSGEFÜHL

I. Zur Form der Seele

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II. Buddhismus, Stoizismus, Sozialismus

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SECHSTES KAPITEL – FAUSTISCHE UND APOLLINISCHE NATURERKENNTNIS

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ZWEITER BAND – WELTHISTORISCHE PERSPEKTIVEN

ERSTES KAPITEL – URSPRUNG UND LANDSCHAFT

I. Das Kosmische und der Mikrokosmos

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II. Die Gruppe der hohen Kulturen

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III. Die Beziehungen zwischen den Kulturen

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ZWEITES KAPITEL – STÄDTE UND VÖLKER

I. Die Seele der Stadt

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II. Völker, Rassen, Sprachen

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III. Urvölker, Kulturvölker, Fellachenvölker

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DRITTES KAPITEL – PROBLEME DER ARABISCHEN KULTUR

I. Historische Pseudomorphosen

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II. Die magische Seele

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III. Pythagoras, Mohammed, Cromwell

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VIERTES KAPITEL – DER STAAT

I. Das Problem der Stände: Adel und Priestertum

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II. Staat und Geschichte

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III. Philosophie der Politik

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FÜNFTES KAPITEL – DIE FORMENWELT DES WIRTSCHAFTSLEBENS

I. Das Geld

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II. Die Maschine

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NACHWORT

I

II

III

IV

V

REGISTER I

REGISTER II

Fußnoten

Wenn im Unendlichen dasselbe

Sich wiederholend ewig fließt,

Das tausendfältige Gewölbe

Sich kräftig ineinander schließt;

Strömt Lebenslust aus allen Dingen,

Dem kleinsten wie dem größten Stern,

Und alles Drängen, alles Ringen

Ist ewige Ruh in Gott dem Herrn.

GOETHE

VORWORT I

zur 33.–47. Auflage 1922 (Neubearbeitung)

Am Schlusse einer Arbeit, die vom ersten kurzen Entwurf bis zur endgültigen Fassung eines Gesamtwerks von ganz unvorhergesehenem Umfang zehn Lebensjahre umfaßt, ziemt sich wohl ein Rückblick auf das, was ich gewollt und erreicht, wie ich es aufgefunden habe und wie ich heute dazu stehe.

In der Einleitung zur Ausgabe von 1918 – einem Fragment nach außen und innen – hatte ich gesagt, daß hier nach meiner Überzeugung die unwiderlegliche Formulierung eines Gedankens vorliege, den man nicht mehr bestreiten werden, sobald er einmal ausgesprochen sei. Ich hätte sagen sollen: sobald er verstanden sei. Denn dazu bedarf es, wie ich mehr und mehr einsehe, nicht nur in diesem Falle, sondern in der Geschichte des Denkens überhaupt einer neuen Generation, die mit der Anlage dazu geboren ist.

Ich hatte hinzugefügt, daß es sich um einen ersten Versuch handle, mit allen Fehlern eines solchen behaftet, unvollständig und sicherlich nicht ohne inneren Widerspruch. Diese Bemerkung ist bei weitem nicht so ernst genommen worden, wie sie gemeint war. Wer je einen tiefen Blick in die Voraussetzungen lebendigen Denkens getan hat, der wird wissen, daß eine widerspruchslose Einsicht in die letzten Gründe des Daseins uns nicht gegeben ist. Ein Denker ist ein Mensch, dem es bestimmt war, durch das eigene Schauen und Verstehen die Zeit symbolisch darzustellen. Er hat keine Wahl. Er denkt, wie er denken muß, und wahr ist zuletzt für ihn, was als Bild seiner Welt mit ihm geboren wurde. Es ist das, was er nicht erfindet, sondern in sich entdeckt. Es ist er selbst noch einmal, sein Wesen in Worte gefaßt, der Sinn seiner Persönlichkeit als Lehre geformt, unveränderlich für sein Leben, weil es mit seinem Leben identisch ist. Nur dieses Symbolische ist notwendig, Gefäß und Ausdruck menschlicher Geschichte. Was als philosophische Gelehrtenarbeit entsteht, ist überflüssig und vermehrt lediglich den Bestand einer Fachliteratur.

So vermag ich denn den Kern dessen, was ich gefunden habe, nur als „wahr“ zu bezeichnen, wahr für mich, und, wie ich glaube, auch für die führenden Geister der kommenden Zeit, nicht wahr „an sich“, abgelöst nämlich von den Bedingungen von Blut und Geschichte, denn dergleichen gibt es nicht. Aber was ich im Sturm und Drang jener Jahre schrieb, war allerdings eine sehr unvollkommene Mitteilung dessen, was deutlich vor mir stand, und es blieb die Aufgabe der folgenden Jahre, durch die Anordnung von Tatsachen und den sprachlichen Ausdruck meinen Gedanken die mir erreichbare eindringliche Gestalt zu geben.

Vollenden läßt sie sich nie – das Leben selbst vollendet erst der Tod. Aber ich habe noch einmal versucht, auch die ältesten Teile auf die Höhe anschaulicher Darstellung zu heben, die mir heute zu Gebote steht, und damit nehme ich Abschied von dieser Arbeit mit ihren Hoffnungen und Enttäuschungen, ihren Vorzügen und Fehlern.

DasErgebnis hat inzwischen seine Probe für mich bestanden, auch für andre, wenn ich nach der Wirkung urteilen darf, die es auf weite Wissensgebiete langsam auszuüben beginnt. Um so schärfer habe ich die Grenze zu betonen, die ich mir selbst in diesem Buch gesetzt habe. Man suche nicht alles darin. Es enthält nur eine Seite von dem, was ich vor mir sehe, einen neuen Blick allein auf die Geschichte, eine Philosophie des Schicksals, und zwar die erste ihrer Art. Es ist anschaulich durch und durch, geschrieben in einer Sprache, welche die Gegenstände und die Beziehungen sinnlich nachzubilden sucht, statt sie durch Begriffsreihen zu ersetzen, und es wendet sich allein an Leser, welche die Wortklänge und Bilder ebenso nachzuerleben verstehen. Dergleichen ist schwer, besonders wenn die Ehrfurcht vor dem Geheimnis – die Ehrfurcht Goethes – uns hindert, begriffliche Zergliederungen für Tiefblicke zu halten.

Da erhebt sich denn das Geschrei über Pessimismus, mit dem die Ewiggestrigen jeden Gedanken verfolgen, der nur für die Pfadfinder des Morgen bestimmt ist. Indessen habe ich nicht für solche geschrieben, welche das Grübeln über das Wesen der Tat für eine Tat halten. Wer definiert, der kennt das Schicksal nicht.

Die Welt verstehen nenne ich der Welt gewachsen sein. Die Härte des Lebens ist wesentlich, nicht der Begriff des Lebens, wie es die Vogel-Strauß-Philosophie des Idealismus lehrt. Wer sich nichts von Begriffen vormachen läßt, empfindet das nicht als Pessimismus, und auf die andern kommt es nicht an. Für ernste Leser, welche einen Blick auf das Leben suchen statt einer Definition, habe ich angesichts der allzu gedrängten Form des Textes in den Anmerkungen eine Anzahl von Werken genannt, die diesen Blick über fernliegende Gebiete unseres Wissens hinleiten können.

Zum Schlusse drängt es mich, noch einmal die Namen zu nennen, denen ich so gut wie alles verdanke: Goethe und Nietzsche. Von Goethe habe ich die Methode, von Nietzsche die Fragestellungen, und wenn ich mein Verhältnis zu diesem in eine Formel bringen soll, so darf ich sagen: ich habe aus seinem Ausblick einen Überblick gemacht. Goethe war in seiner gesamten Denkweise, ohne es zu wissen, ein Schüler von Leibniz gewesen. So empfinde ich das, was mir zu meiner eigenen Überraschung zuletzt unter den Händen entstanden ist, als etwas, das ich trotz des Elends und Ekels dieser Jahre mit Stolz nennen will: als eine deutsche Philosophie.

Blankenburg a.H., Dezember 1922

Oswald Spengler

VORWORT II

zur ersten Ausgabe des 1. Bandes

Dies Buch, das Ergebnis dreier Jahre, war in der ersten Niederschrift vollendet, als der große Krieg ausbrach. Es ist bis zum Frühling 1917 noch einmal durchgearbeitet und in Einzelheiten ergänzt und verdeutlicht worden. Die außerordentlichen Verhältnisse haben sein Erscheinen weiterhin verzögert.

Obwohl mit einer allgemeinen Philosophie der Geschichte beschäftigt, bildet es doch in tieferem Sinne einen Kommentar zu der großen Epoche, unter deren Vorzeichen die leitenden Ideen sich gestaltet haben.

Der Titel, seit 1912 feststehend, bezeichnet in strengster Wortbedeutung und im Hinblick auf den Untergang der Antike eine welthistorische Phase vom Umfang mehrerer Jahrhunderte, in deren Anfang wir gegenwärtig stehen.

Die Ereignisse haben vieles bestätigt und nichts widerlegt. Es zeigte sich, daß diese Gedanken eben jetzt und zwar in Deutschland hervortreten mußten, daß der Krieg selbst aber noch zu den Voraussetzungen gehörte, unter welchen die letzten Züge des neuen Weltbildes bestimmt werden konnten.

Denn es handelt sich nach meiner Überzeugung nicht um eine neben andern mögliche und nur logisch gerechtfertigte, sondern um die, gewissermaßen natürliche, von allen dunkel vorgefühlte Philosophie der Zeit. Das darf ohne Anmaßung gesagt werden. Ein Gedanke von historischer Notwendigkeit, ein Gedanke also, der nicht in eine Epoche fällt, sondern der Epoche macht, ist nur in beschränktem Sinne das Eigentum dessen, dem seine Urheberschaft zuteil wird. Er gehört der ganzen Zeit; er ist im Denken aller unbewußt wirksam und allein die zufällige private Fassung, ohne die es keine Philosophie gibt, ist mit ihren Schwächen und Vorzügen das Schicksal – und das Glück – eines Einzelnen.

Ich habe nur den Wunsch beizufügen, daß dies Buch neben den militärischen Leistungen Deutschlands nicht ganz unwürdig dastehen möge.

München, im Dezember 1917

Oswald Spengler

Anmerkungen und Änderungen, die mit H. K. gezeichnet sind, stammen von der Herausgeberin früherer Auflagen, Hilde Kornhardt.

ERSTER BAND

GESTALT UND WIRKLICHKEIT