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Tatort Schreibtisch ist eine Buchreihe, in der ausschließlich versierte Profis zu Wort kommen. Basierend auf ihren langjährigen Erfahrungen, geben Fachleute ihr Wissen weiter und ermöglichen einen grundlegenden und vor allem praxisorientierten Einblick in ihre Arbeit. Mehr Informationen und weitere Texte unter: www.tatort-schreibtisch.de

 

 

 

 

 

Mischa Bach, Raoul Biltgen,
Arnd Federspiel, Sebastian Fuchs,
Ralf Kramp, Stefanie Hoever,
Markus Stromiedel

 

 

Hört mir
jemand zu?

 

 

 

 

So gelingt die perfekte Autorenlesung

 

 

 

 

KICK Verlag

 

Inhalt

Ralf Kramp: Ich mag mein Publikum

Beglückendes und Verstörendes aus zwanzig kriminellen Lesejahren

 

Prolog

1. Das erste Mal tut nur ein kleines bisschen weh

2. Vom Versuch, einen ganzen Roman vorzutragen

3. Hier brauchen Sie kein Mikrofon

4. Wie steht das Spiel?

5. Aber man sieht doch genug

6. Lesung vor leeren Möbeln

7. Irgendwo da in der Deko sitzt der Autor

8. Ein Vorleser ist ein Vorleser ist ein Vorleser ist kein Missionar

9. Denkt dran, jeder nur zwanzig Minuten!

10. Von der Qual der Fragerunde

11. Ein kleines Fläschchen der lokalen Spezialität

Epilog

 

 

Markus Stromiedel: Autoren, traut euch!

Lesung als Marketing: Grundlegende Tipps auf dem Weg zum Erfolg

 

Prolog

1. Allein im Leseland

2. Lesungsakquise

3. Klassische Veranstaltungsmöglichkeiten

4. Die Veranstaltungsabteilungen der Verlage

5. Lesungsagenturen

6. Lesungsvereinbarung und Honorar

7. Lesungsvorbereitung

8. Tipps aus der Praxis

Epilog

 

 

Raoul Biltgen: Überleben vor Leuten

Wie man Lampenfieber und Angst überwinden und Bühnenpräsenz erreichen kann

 

Prolog

1. Angst

2. Bühnenpräsenz

3. Einstellungsmodulation

4. Paradoxe Intention

5. Selbstdistanzierung

6. Selbstbewusstsein

7. Körper und Geist

Übungen

1. Atemübungen

2. Lernen Sie sich kennen

Epilog

Literaturliste

 

 

Sebastian Fuchs: Mit der Stimme Bilder malen

Sprechtechnik für Anfänger und Profis

 

Prolog

1. Könnerschaft

2. Problemlösung

3. Sie steuern den Bus!

4. Übungen zur Strukturierung

5. Übungen zur Imagination

6. Der Weg zur Meisterschaft

7. Übungen zur Praxis

Epilog

 

 

Mischa Bach und Arnd Federspiel: Drama, Baby!

Tipps zur Dramaturgie einer spannenden Autorenlesung

 

Prolog

1. Wo lese ich? – Die Rahmenbedingungen klären

2. Was lese ich? – Den Raum mit Inhalt füllen

3. Wie lese ich? – Die Praxis des Vorlesens

4. Fortgeschrittenenkurs: Ballast abwerfen! Kürzen, aber richtig

5. Die Kür: Dialog findet nicht nur in der Geschichte statt

Anhang A: Die Checkliste zur Lesung

1. Was Sie Ihren Veranstalter fragen sollten

2. Textauswahl

3. Zuhause: Lesungsvorbereitung

4. Vor Ort: Stolperfallen vermeiden

Anhang B: Ein eingerichteter Lesetext

Vollmond, von Mischa Bach

 

 

Stefanie Hoever: Dem Buch die Bühne bereiten

Events und Veranstaltungen organisieren: Was Buch­händler, Bibliothekare und Autoren wissen müssen

 

Prolog

1. Im Dickicht der Angebote

2. Buchhandel: Grundlegende Überlegungen

3. Bibliotheken: Lesungen auch mit kleinem Etat

4. Autoren: Soll ich auf Lesereise gehen?

5. Die verschiedenen Veranstaltungsformen und ihre ­Besonderheiten

6. Autoren: Lesungsakquise

7. Autoren: Veranstaltungsvertrag

8. Kommunikation zur rechten Zeit ist alles!

9. Bibliotheken und Buchhandel: Wenn der Vorverkauf schlecht läuft

10. Bibliotheken und Buchhandel: Eine Lesung planen, vorbereiten, veranstalten, nachbereiten

11. Autoren: Ein paar Tipps zur Lesung aus Veranstaltersicht

12. Was Sie niemals tun sollten …

Epilog

Anhang: Checklisten und Adressen

 

Ich mag mein Publikum

Beglückendes und Verstörendes aus zwanzig ­kriminellen Lesejahren

von Ralf Kramp

 

 

 

Prolog

Versuchen Sie es. Trauen Sie sich. Werfen Sie alle Hemmungen über Bord und treten Sie vor das Publikum. Ich mache es seit ziemlich genau zwanzig Jahren und spüre immer noch, dass das Vergnügen daran stetig wächst. Man muss sie nur wagen, die wenigen Schritte über die zierlichen Stufen aus dem Elfenbeinturm hinaus. Im günstigsten Fall wird man vom einsamen Autor im stillen Kämmerlein zum versierten Vortragskünstler, zur herausragenden Vortragskünstlerin. Und auf diesem Weg kann man einiges erleben …

 

 

1. Das erste Mal tut nur ein kleines bisschen weh

Jeder Autor, der auf eine Laufbahn als vortragender Künstler zurückblickt, kann gar nicht anders, als sich mit einer Mischung aus ungläubigem Grausen und milder Scham an seine erste Lesungsveranstaltung zu erinnern.

 

Es war keine große Sache, dieses sprichwörtliche erste Mal. Aus heutiger Sicht jedenfalls nicht. Wenn ich mich recht entsinne, waren zwei Bibliothekarinnen anwesend und zwei oder drei freiwillige Zuhörer. Und meine damalige Ehefrau und meine Mutter waren ebenfalls aufgelaufen, um mir zur Seite zu stehen.

Mein Debütroman war gerade einen Monat auf dem Markt, und ich tastete mich Schritt für Schritt in mein neues Autorendasein hinein. Die Stadtbücherei meines Wohnorts Mechernich hatte schnell reagiert und mich zu einer Lesung eingeladen. Niemals hätte ich mich damals selbst angepriesen. (Das ist etwas, was ich übrigens noch heute kaum übers Herz bringe.)

Ich konnte wohl damals schon recht passabel vorlesen, da ich Mitglied einer Laienspielgruppe und somit deutliches Artikulieren gewohnt war. Meine Hoffnung, dieser Umstand prädestiniere mich zu einem unterhaltsamen Vortrag, trog leider.

Das war die erste Lektion, die ich lernte: Du stehst allein auf weiter Flur, zum Abschuss freigegeben. Du hast dich selbst da raus gewagt, und du musst da alleine durch. Kein Stichwortgeber, keine Souffleuse, keine Atempause während des Texts des Gegenübers und erst recht kein Vorhang, hinter den man sich im schlimmsten Fall der Fälle verziehen könnte.

Bevor Sie an dieser Stelle das Buch ärgerlich in die Ecke pfeffern und sich für meine Mut machenden Worte ganz herzlich bedanken, schnell die zweite Lektion, die ich am gleichen Abend lernte.

Die Lesung hat gegenüber dem Theater einen entscheidenden Vorteil: Der Text liegt schwarz auf weiß auf dem wackligen Lesepult. Man hat ihn im günstigsten Fall zusammengestrichen, farbig markiert, mit Hebungshäkchen versehen und all so was (was ich alles noch nie getan habe). Man hat etwas, an dem man sich festhalten kann. Man hat eine Geschichte, an der man lange gearbeitet hat und die man im besten Fall liebt. Und diese große Liebe (erlauben Sie mir kurz, pathetisch zu sein) wollen die Zuhörer kennenlernen. Ein beglückendes Gefühl. Seit jenem Abend in Mechernich möchte ich es nicht mehr missen.

 

 

2. Vom Versuch, einen ganzen Roman ­vorzutragen

Die Zwischenmoderationen! Die sinnstiftenden Erläuterungen und die eleganten Späße, die erforderlich sind, um von einer Romanpassage zur nächsten zu kommen! Ich hatte mir bei meiner Premierenlesung ein paar spannende Etappen zurechtgelegt, hübsch übers ganze Buch verteilt. Aber ich habe trotzdem einen unverzeihlichen Fehler gemacht: Während des Vortrages merkte ich, dass diese Bruchstücke keinesfalls einen geschliffen durchkomponierten Abend ergaben, und so eröffnete ich den Zuhörern nach dem ersten Auszug: „Ich erzähle Ihnen kurz, was zwischendurch passiert.“ Und das tat ich. Und zwar nach jeder Textpassage. Mit meinen eigenen, nervös gestammelten Worten. Ich bin sehr dankbar, dass mein Publikum das mit mir ausgehalten hat.

Ich habe später gesehen, wie beispielsweise meine Kollegin Carola Clasen solche Zwischentexte einflicht. Schriftlich fixiert, unterhaltsam vorformuliert und durchaus dazu geeignet, einen solchen Abend zu einem abwechslungsreichen Vergnügen werden zu lassen. Wer unsicher ist, sollte auf jeden Fall diese Vorgehensweise wählen, also die Zwischentexte in Ruhe zuhause vorbereiten und den Vortrag üben.

Zum Ende meiner ersten Lesung konnten meine Zuhörer jedenfalls mit Fug und Recht von sich behaupten, über meinen Roman voll und ganz im Bilde zu sein. Lediglich beim letzten Kapitel habe ich mich geheimniskrämerisch gegeben. Wer der Mörder war – so weit ging der Service dann doch nicht. Die letzten zehn Seiten mussten sie selbst lesen.

 

 

3. Hier brauchen Sie kein Mikrofon

Meine Stimme trägt. Ich bin auf der Bühne kein schüchternes Mäuschen, das in sein Buch wispert, sondern ich versuche, mit meinem Organ laut und deutlich bis in die hinterste Ecke des Raumes zu gelangen. Bei großen Sälen sind in dieser Hinsicht jedoch eines jeden Vorträgers Möglichkeiten begrenzt. Und auch in nicht so weitläufigen Räumlichkeiten möchte man nachdenkliche Passagen oder Heimlichkeiten nicht aus voller Brust deklamieren müssen.

Für so etwas hat der schottische Taubstummenlehrer Alexander Graham Bell vor etwa hundertfünfzig Jahren das Mikrofon erfunden. Leider gibt es noch immer Veranstalter, denen bei diesem Gerät die übliche Skepsis gegenüber dem Fremden angeraten scheint.

„Ein Mikrofon?“

„Ja, so ein Ding, in das man reinspricht, und …“

„Hier brauchen Sie kein Mikrofon.“

Aha, da scheint es ja mal wieder jemand ganz genau zu wissen.

Ich will aber ein Mikrofon benutzen. Am liebsten immer. Ich möchte ab und zu flüstern, raunen, säuseln und dabei auch in Reihe zwanzig verstanden werden. Und ich will kein Headset benutzen, denn dann kann ich nicht so gut modulieren, kann ich mich nicht bei Bedarf vom Mikrofon entfernen, kann nicht ungeniert brüllen. Und ich kann vor allem nicht husten, ohne dass es den Leuten in der Nähe des Lautsprechers das Toupet vom Kopf fegt.

 

Was aber tut man aber nun, wenn da gar nichts ist? Kein Mikro, kein Headset, nur eine leere Bühne? Verweigert man den Dienst, läuft man unweigerlich Gefahr, als Diva abgestempelt zu werden. Also liest man ohne technische Verstärkung. Es ist nicht unbedingt schön, es strengt enorm an, aber man tut es. Man hat es ja auch schon mal gemacht, als ein Mikrofon völlig ohne die Schuld des Gastgebers seinen Geist aufgegeben hat, oder als die Soundanlage wegen atmosphärischer Störungen, hervorgerufen durch Herzschrittmacher oder Handys, fortwährend ein wahres Silvesterfeuerwerk von lauten Knacksern produzierte.

Man liest eben laut und strengt sich an und hofft, dass der Veranstalter merkt, dass er einen Fehler gemacht hat, der ihm künftig nicht wieder unterlaufen darf.

Ein einziges Mal habe ich jemanden bewusst auflaufen lassen. Zweihundert Schüler in einem Rathaussaal in einem ­Städtchen am Rhein, und nichts, das auch nur annähernd aussah wie ein Mikrofon.

„Hier brauchen sie kein Mikrofon.“ Der Lehrer, der es gewohnt war, Schülermassen mit lautstarken Kommandos in Schach zu halten, musterte mich mit einem gehörigen Maß an Verachtung.

Nun gut, wenn ich unbedingt will, kann ich auch den leisen, vergeistigten Vortragskünstler geben, der sein Publikum völlig zu vergessen scheint. Auch wenn es sich dabei um zwei Hundertschaften von Heranwachsenden handelt, die schon nach zehn Minuten anfangen, das Gebäude abzureißen, weil sie kein Wort von dem, was auf der Bühne gesagt wird, verstehen …

Der Blick des Lehrers hinterher sprach Bände. Ich brauchte nichts zu sagen. Er würde nie wieder jemanden ohne Mikrofon vorlesen lassen.

 

 

4. Wie steht das Spiel?

Ich wüsste nicht, wie ich ohne mein Handy leben könnte. Gebe ich gerne zu. Es ist mein kleiner Computer, und ich nutze ihn, wo ich gehe und stehe. Meine fast krankhaft zu nennende Neugier, die ich gerne durch andauerndes Googeln befriedige, bemäntele ich notdürftig mit dem Zweck der Autorenrecherche. Aber im Konzert, im Kino oder bei einer Autorenlesung bleibt das Ding aus.

Eine Selbstverständlichkeit?

Ich bitte Sie …

Früher waren es simple metallische Tonfolgen, heute sind es polyphone Beats. Es gibt auch menschliche Stimmen, die Kommandos brüllen: „Geh ans Handy!“, oder so ähnlich. Es gibt schrille Pfiffe, Babylaute, Hundegebell, Lokomotiven­geheul. Ich will da nicht urteilen, die Geschmäcker sind verschieden.

In Krimilesungen kommt es erstaunlich häufig zur Darbietung der Miss-Marple-Melodie oder der Tatort-­Vorspann­musik.

Warum lässt man sein Handy an, wenn man einer Kulturveranstaltung beiwohnt? Vergessen? Gut, kann jedem passieren. Notfall? Einverstanden. Ich hatte mal in der Siegburger Gegend eine junge Mutter in Reihe eins, deren Mann zum allerersten Mal mit dem Säugling allein zuhause geblieben war und sich zwischendurch immer wieder vermittels gequälter Hilferufe meldete. Das war heiter. Nachdem es raus war, entwickelte sich ein schöner running gag, und alle zehn Minuten erkundigte ich mich nach dem Wohlergehen des Nerven­bündels.

Bei dem Kulturbeauftragten einer Stadt in Westfalen, der mich mit einer kurzen, belanglosen Einführungsrede begrüßt hatte und sich danach ausschließlich seinem Handy widmete, wusste ich, dass ihn kein Notfall, sondern vielmehr der Verlauf eines Pokalspiels in Atem hielt. Das konnte ich einfach nicht ungestraft geschehen lassen. Meine länger und länger werdende Kunstpause bemerkte er nicht. Das restliche Publikum hingegen schon. Der gesamte Saal hatte plötzlich nur noch ihn im Visier, und die Stille wurde bleiern.

„Und? Wie steht das Spiel?“, fragte ich schließlich auf dem Höhepunkt der Spannung.

Es war wirklich sehr peinlich. In der Pause ging er, ohne sich von mir zu verabschieden.

Man könnte sich trefflich über Handybenutzer aufregen. Wir Krimiautoren kanalisieren das gerne in unseren Texten. In der Story „Das Schweigen der Handys“ habe ich einmal einen Serienmörder auf diese Telefonierer angesetzt, die Kulturveranstaltungen stören. Großes Vergnügen.

Von einem Veranstalter habe ich mir den hübschen Einstiegsgag abgeguckt, der lautet: „Benutzen Sie ruhig Ihre Handys. Ich mache dann eine kurze Pause, in der Sie ungestört Ihr Telefonat führen können, und wir hören Ihnen alle aufmerksam zu.“

Solange es Handys gibt, werden sie bei Lesungen klingeln. Contenance! Nur nicht rausbringen lassen. Ein Klingeln ist sogar ab und an für einen Gag gut. „Über dem Friedhof lag nachtschwarze Stille …“ Düdelüdüdüdüdü! „… als ein Handy klingelte.“

Ich selbst warte immer noch darauf, dass ich irgendwann einmal vergesse, mein Telefon auszuschalten und dann während der Lesung angerufen werde. Ich werde sehr gefasst den Anruf entgegennehmen und erklären: „Ich bin gerade auf der Bühne. Können wir später sprechen?“

 

 

5. Aber man sieht doch genug

In meinen Lesungsverträgen steht nicht sehr viel drin. Datum, Veranstaltungsort, Honorar und ein paar klitzekleine Kleinigkeiten bezüglich der Anforderungen des Vortragenden. Da finden Sie keine bizarren Wünsche nach Catering gleich welcher Art. Ich brauche keine Künstlergarderobe, in der die Tapete ausschließlich horizontal verlaufende Muster aufzuweisen hat. Ich bin auch kein Obstjunkie – obwohl mich einmal ein Kollege beschworen hat, vor Lesungen nichts anderes als eine Banane zu essen! Die mache gerade mal satt genug, aber auch nicht zu satt, und erzeuge ansonsten keinerlei unerwünschte Nebeneffekte wie Geräusche oder Gerüche, war der Kollege überzeugt. Recht hat er. Trotzdem: Ich esse und trinke vor, während oder nach Lesungen so gut wie alles. Rotwein? Kein Problem. Kekse? Currywurst? Warum nicht? Einmal habe ich mit großem Genuss einen halben Aprikosenkuchen verputzt. Ist doch kein Problem bei einer anderthalbstündigen Lesung. Die Finger lasse ich nur von dem unaufhörlich perlenden Volle-Pulle-Sprudelwasser, das einem nur wirklich bösartige Veranstalter hinstellen, damit der Autor auch ordentlich mit den aufsteigenden Gasen zu kämpfen hat.

Nein, in meinem Vertrag ist die Rede von einer Lampe.

Das ist natürlich eine Bezeichnung für Leuchtmittel unterschiedlichster Art.

Ich habe sie alle gehabt.

Trübe Funzeln, bei denen mir nur Brailleschrift hätte helfen können, wenn ich sie beherrschte, grelle Scheinwerfer, die Autor und Publikum gleichermaßen blendeten und die Kanten des Papiers anzusengen schienen. Kerzen mit und ohne Duft, gedimmte Deckenlampen, die die Mikrofonanlage zum Surren bringen, Pechfackeln, Kaminfeuer … glauben Sie bloß nicht, ich übertreibe.

„Aber man sieht doch gut“, argumentierte die überraschte Veranstalterin, nachdem ich mich in den Lesungsraum getastet hatte, und ich fragte mich, ob ich das nur träumte oder ob ihr Gesicht tatsächlich ins Fledermaushafte spielte.

Das Absonderlichste, was mir in Sachen Beleuchtung widerfuhr, erlebte ich einmal mit meinem Kollegen Uwe Voehl nahe der belgischen Grenze. Im ganzen Haus fanden sich nur zwei Stirnlampen. Als wir diese schließlich um­geschnallt hatten, wurde die Lesung zum großen Gaudium. Wir wackelten unablässig mit den Köpfen und ließen die Licht­strahlen ungeniert durch den Zuschauerraum huschen. Wir haben eine wahrlich blendende Vorstellung abgeliefert.

 

 

6. Lesung vor leeren Möbeln

Es geht wohl auch dem bekanntesten Autor irgendwann mal so: Er liest vor Stühlen, auf die sich ein paar vereinzelte Zuhörer verirrt haben. Natürlich besetzen sie nicht die erste Reihe. Nein, die bleibt frei, denn es herrscht immer noch diese unerklärliche Furcht vor dem Vortragenden. Was ist es, das die Leute diesen Abstand suchen lässt? Mundgeruch? Feuchte Aussprache? Die Horrorvorstellung, in eine Mitmach-­Nummer miteinbezogen zu werden? Oder ist es am Ende gar so etwas wie Ehrfurcht? Ja, so kann man es sich schönreden. Die Leute zollen einem Respekt, sie wahren die Distanz aus einer gewissen Unterwürfigkeit heraus. Das klingt gut. Am liebsten würden sie vermutlich sogar knien.

Jedenfalls bleibt die erste Reihe frei, auch wenn von den hundert aufgestellten Stühlen gerade mal eine Handvoll besetzt ist. Im Laufe der Jahre lernt man alle gängigen Stuhlmodelle kennen.

Die Gründe des mangelnden Publikumszustroms versucht der Veranstalter stets wortreich zu ergründen: Zu gutes Wetter oder zu schlechtes Wetter, zu viele Konkurrenzveranstaltungen, Grippeepidemien oder Magen-Darm, WM-Endspiel, egal. Übrigens: einem Zuhörer, der eine prickelnde Krimilesung wegen eines schnöden Fußballspiels sausen lässt, konnte ich noch nie aus tiefstem Herzen hinterherweinen.

Man sollte sich jedenfalls in solchen Situationen zu keiner Diskussion mit dem Veranstalter hinreißen lassen, das ist vollkommen sinnlos. Da nützt kein Hinweis auf fehlerhafte Veranstaltungsankündigung, auf das völlige Fehlen derselben oder auf die Unauffindbarkeit des Veranstaltungsorts trotz Navigationssystems. Der Veranstalter hat keinen Fehler gemacht! Selbst nachts um halb vier auf der Rückseite des Mondes würde er beteuern: „Es ist alles bestens geplant! Unsere Schuld ist das nicht! Wir haben genug Werbung gemacht!“ Wie gesagt, bloß nicht lange die möglichen Gründe diskutieren, denn am Ende ist man noch selbst schuld: „Sie treten aber auch sehr oft hier in der Gegend auf.“

 

 

7. Irgendwo da in der Deko sitzt der Autor

Mit dem Thema Krimi kann jeder irgendetwas anfangen. Man hat eine ungefähre Vorstellung davon, was Krimi ausmacht, wie er sich anfühlt. Und bei jeder Lesung gibt es im Vorfeld mindestens einen Dekorationskünstler, der sich wie Bolle freut, dass er mal von der Kette gelassen wird.

Das fängt bei Totenköpfen und flatternden Betttuch­gespenstern an und endet bei Spinnweben und abgetrennten Gliedmaßen. Den Grenzbereich zwischen Krimi und Horror lässt manch einer ganz rasch hinter sich. Grusel ist Grusel, ob nun durch Mordtaten oder Vampirbisse hervorgerufen. Das mittlerweile ganzjährig verfügbare Halloween-Dekorationssortiment tut das Seine dazu. Überall sind Blutlachen, Tatort-Schildchen und Polizei-Absperrbänder, da liegen brutal erdolchte, aber dennoch entrückt lächelnde Schaufenster­puppen mit stocksteifen Gliedern in unnatürlicher Pose herum. Sei’s drum. Ich honoriere aufrichtig die viele Mühe, die man sich gegeben hat.

Was sich zur Qual entwickeln kann, sind riesige, menschenfressende Ohrensessel, in denen man sich in Klappmesserhaltung wiederfindet, was normales Atmen kaum zulässt. Vorlesen noch viel weniger. Es ist ja gut gemeint, aber tun es nicht auch ein Stuhl und ein Tisch?

Wahrscheinlich nicht. Ich mache, wie bei allen Fährnissen, das Beste draus. Dem Publikum soll suggeriert werden, dass dieser Krimiabend ein ganz, ganz, ganz besonderes Event ist. Wer bin ich, dass ich daran herummäkeln dürfte? Martin Walser?

Ich beuge mich tapfer dem, was mir abverlangt wird, solange ich keine böse Absicht oder grobe Fahrlässigkeit dahinter erkennen kann.

Und manchmal – ganz selten – überrascht man mich positiv. Da ist etwas anders in all den „ungewöhnlichen Lesungsorten“, an die man Krimiautoren und ihr Publikum ganz gerne verfrachtet. Da steht in all den Möbelhäusern, Kantinen, Friseursalons, Gefängniszellen, Kellerverliesen, Metzgereien, Scheunen, Sarglagern und Kinosälen plötzlich ein regelrechter Traum von einem Sessel. Hohe Lehne, stabile Sitzfläche in akzeptabler Höhe, und dazu noch von ausgesuchter Schönheit, sodass ich ihn einpacken und fortan mit ihm von Auftritt zu Auftritt reisen möchte. Aber dieser Sessel ist der ganz und gar private Lieblingssessel der Buchhänd­lerin, des Bürgermeisters oder sogar der Königin, in deren Land ich gerade zu Gast bin. Mindestens.

Bei den „ungewöhnlichen Orten“ muss ich unwillkürlich an die absurdeste Lesung meiner zurückliegenden zwanzig Jahre denken, die im Bewegungsbecken eines Schwimmbads im Westerwald stattfand. Die Autoren saßen während ihres Vortrags jeweils barfuß, mit hochgekrempelten Hosenbeinen, ausgerüstet mit Mikro und Schwimmflügelchen in einem Schlauchboot, das ein pensionierter Studienrat mit Badekappe schnaufend durch die Fluten schob. Nun mal ehrlich, wäre es nicht langweilig, wenn nicht ab und zu ein solches Juwel von einer Lesung vorbeikäme?

Ich weiß vorher, wo ich auftrete, und wenn der Veranstalter das Risiko einer ungewöhnlichen Performance eingeht, gehe ich mit.

 

 

8. Ein Vorleser ist ein Vorleser ist ein Vorleser ist kein Missionar

Es gibt Veranstaltungen, auf die sollte man sich nicht einlassen. Bei Geburtstagsfeiern beispielsweise begibt man sich auf vermintes Gelände. „Alle meine Freunde sind Krimifans.“ Wer Sie engagiert und das sagt, lügt. Ich will gar nicht mit der Wahrscheinlichkeitsrechnung argumentieren. Auf diesem Gebiet kenne ich mich nicht aus, wie mir meine Kollegin Sandra Lüpkes fortwährend beweist, wenn es sich ums Roulettespiel dreht. Es kann einfach nicht sein, dass eine dreißigköpfige Schar von Geburtstagsgästen ausschließlich aus Krimifans rekrutiert wurde. Zumindest die fünfjährigen Kinder sind keine Krimifans. Die plärren und springen durch die Gegend, während man versucht, sich auf den Text zu konzentrieren und eben wegen ihnen die schlüpfrigen Passagen, die darin lauern, zu umschiffen. Die alten Opas sind auch keine Krimifans. Denen hätten vielleicht einige Abschnitte aus „Steiner – Das eiserne Kreuz“ zugesagt. Auch ein paar gefährliche Intellektuelle haben sich vielleicht unter die Gäste gemischt, also jene Spezies, die unter Herta Müller oder Houellebecq gar nicht erst anfängt. Krimis haben bei ihnen keine Chance.

Firmenchefs, die es für eine glänzende Idee halten, zu einer Firmenfeier einen Krimiautor einzuladen, ist ebenso wenig zu trauen wie ihren Bürodamen, die nur ausführende Organe der Ersteren sind. Firmenpersonal setzt sich aus den unterschiedlichsten Temperamenten zusammen. Wer sich einen ganzen Abend lang den leeren Gesichtern der Angestellten eines Abfallentsorgungsunternehmens gegenübergefunden hat, weiß, wovon ich rede. Erst kürzlich durfte ich anlässlich einer Weihnachtsfeier die gesamte Belegschaft eines großen Direktvermarkterhofs beglücken. Direkt vor mir war ein großer Tisch mit zum Sterben gelangweilten osteuropäischen Erntehelfern positioniert, die sich, um nicht einzuschlafen, ganz ihren Mobiltelefonen widmeten. Ich hätte daraus keinen running gag machen können. Sie hätten ihn ebenso wenig verstanden, wie den Rest der Lesung.

Auch Altentage sind heikel, obwohl man mitunter positiv vom garstigen Witz der Senioren überrascht wird, die an den entsprechenden Stellen bösartiger lachen als andere.

Um Gewerbeschauen sollte man ebenfalls einen großen Bogen machen. Es ist so gut wie unmöglich, ein Publikum zu begeistern, wenn in der einen Ecke des Zelts ein Häcksler präsentiert wird, in einer anderen die Showtanzgruppe „Magic Stompers“ herumstampft und überhaupt ringsum lautstark Messersets, Trockenhauben und Flüssigseife angepriesen werden.

Natürlich gibt es Ausnahmen. Überall und immer wieder.

Schon häufig hat mir nach einem weiteren Waterloo der wunderschöne Satz „Ich war noch nie auf einer Lesung, aber das war so toll, das mache ich jetzt öfter!“ die Tränen der Rührung in die Augen getrieben.

Die Katastrophen sind die Ausnahmen. Mit meinen Kollegen Jürgen Alberts, Horst Eckert und Friedrich Emde durfte ich einmal einen Krimiabend in einem riesigen Freizeitpark in der Eifel bestreiten, in dessen Verlauf wir uns schließlich einfach gegenseitig unsere Texte vorlasen. Und nicht mehr den hundertfünfzig holländischen Pauschalurlaubern, die rund um uns herum in ihrer Muttersprache plaudernd ihr Abendessen einnahmen.

Aber selbst wenn es wieder einmal so furchtbar abläuft, wie man es schon von vornherein hätte ahnen können – Hey, was ist so schlimm daran? Wer bitteschön hat denn schon einen Beruf, der immer und ausnahmslos Spaß macht? Bin ich etwa was Besseres? Ich kann mein Honorar in solchen Fällen immerhin noch unter der Sonderrubrik „Schmerzensgeld“ verbuchen.

 

 

9. Denkt dran, jeder nur zwanzig Minuten!

Schon die zweite Lesung meines Lebens durfte ich an der Seite meines „Entdeckers“ und väterlichen Freunds Jacques Berndorf in meiner Heimatstadt Euskirchen bestreiten. Rückblickend kann ich wohl sagen, jedem Anfänger sei anempfohlen, die ersten Schritte erst einmal am Händchen eines alten Hasen zu machen, auch wenn ich damals das Gefühl hatte, nur noch aus einem wirren Bündel unkontrolliert zuckender Nervenstränge zu bestehen. Man fühlt sich ja nicht nur vom Publikum beobachtet, sondern auch von dem versierten Könner an seiner Seite. Jacques Berndorf hat das getan, was erfahrene Kollegen stets machen sollten: Er nahm mir die Furcht, er baute mich auf, er fand vor den Leuten überaus lobende Worte zu meinem Text. Und vor allem: Er hat mich bei sich abgucken lassen. Ich lernte von ihm den Umgang mit den Leuten, diese Art, kleine Scherze einzustreuen und ergänzende Informationen zu liefern, ohne lästig zu werden.

Man lernt buchstäblich von jedem Kollegen, mit dem man auftritt. Auch die Dinge, die man nicht tun sollte. „Denkt dran, jeder von uns hat nur zwanzig Minuten!“ Bei einer Gruppenlesung ist ganz klar, dass dieser Zeitrahmen strikt einzuhalten ist, da sonst alles aus den Fugen gerät und der Letzte dann dran ist, wenn im Publikum schon alles selig schlummert. Und die ältere, erfahrene Kollegin wusste ja schließlich auch, wovon sie sprach, als sie uns zur Kürze ermahnte. Was sie nicht davon abhielt, ihre eigene Lesezeit zu verdoppeln …

Zusammen auf der Bühne zu stehen, kann der pure Spaß sein. Als Verfasser komödiantischer Texte hat man es leichter als die Jungs und Mädels von der ernsthaften Fraktion. Wir lesen spontan mit verteilten Rollen, wir blödeln und werfen uns die Bälle zu. Es grenzt mitunter an Kindergeburtstag vor Zuschauern.

Ein Veranstalter hatte uns, die Autoren, gebeten, uns gegenseitig vorzustellen. Spontan, wie wir unter Umständen sein können, haben wir unserem Affen Zucker gegeben. Carsten-­Sebastian Henn erklärte dem staunenden Publikum „Ralf Kramp ist unheilbar karosüchtig, was man an seinen Hemden und Jacketts sieht.“ Und ich wusste zu berichten: „Carsten-­Sebastian Henn sammelt in seiner Freizeit überfahrene Tiere.“ Über Jürgen Ehlers erfuhren die Zuhörer schließlich: „Er ist der einzige deutsche Krimiautor, der den Amazonas im Faltboot durchpaddelte. Der Länge nach!“

Zunehmend gehen wir Autoren auch dazu über, Texte mit verteilten Rollen vorzulesen, was natürlich einen zusätzlichen Spaßfaktor mit sich bringt. Besonders dann, wenn man prima vista vorträgt. Es gibt ja den alten Spruch, dass „Üben was für Feiglinge“ sei.

Man darf seine mitwirkenden Kollegen übrigens durchaus um ihren rasenden Applaus beneiden. Neiden darf man ihn ihnen jedoch nicht. Vom Glanz eines gelungenen Abends rieselt etwas auf jeden der Beteiligten. Immer vorausgesetzt, man ist bei seinem eigenen Vortrag nicht völlig neben der Spur oder hat sich in Publikumsbeschimpfung geübt.

Es bietet sich im Übrigen stets an, humorige und ernste Beiträge im Wechsel zu platzieren. Außerdem ist es immer ein Gewinn, den Lokalmatador an das Ende des Abends zu setzen. Und es gibt diese magische Zeitspanne von 20 Minuten, die bestens dazu geeignet zu sein scheint, das Publikum ausreichend bei der Stange zu halten, bevor der nächste Programmwechsel wieder die nötige Bewegung in den Ablauf bringt.

Ein Abend mit mehreren Vorlesern bedarf einer gewissen Komposition. Man darf nicht von Anfang an glauben, das aus dem Ärmel schütteln zu können, aber man muss auch keine Religion daraus machen.

 

 

10. Von der Qual der Fragerunde

Das Publikum ist neugierig. Tausend Dinge will es wissen. Es will Fragen stellen.

… aber es traut sich nicht!

Da helfen weder freundliche Ermutigungen noch Betteleien, es gibt einfach niemanden, der es wagt, die erste Frage herauszulassen. Du beginnst mit Späßen, wenn alle Finger unten bleiben. Du zündest ein Feuerwerk aus Gags, wenn immer noch nichts geschieht. Du drohst irgendwann. Du wendest Gewalt an. Du nimmst Geiseln. Es tut sich nichts.

Wer glaubt, dieses Szenario sei ein wenig überspitzt, liegt nur teilweise falsch. Die Zuhörer werden tatsächlich von derselben Angst in den Bann geschlagen, die auch ich damals vor meiner ersten Lesung verspürt habe. Niemand will sich vor den anderen zum Affen machen.

Ich bin kein Freund dieser zwanghaften Fragestunden. All das Wissenswerte, was es über den Autor oder seinen Text zu erwähnen gäbe, habe ich bis zu dem Punkt, an dem gewöhnlich das Frage-und-Antwort-Spiel ansteht, ja ohnehin schon ausgeplaudert. Aber Fragen kommunizieren Interesse. Und das hat man gern. Die Zuhörerin in der dritten Reihe, die sich erkundigt, wie es mit einem bestimmten Protagonisten weitergeht, zeigt mir, dass sie Gefallen an meinen Texten findet, dass sie gespannt ist, wie sich etwas weiterentwickelt. Der Herr ganz links, der wissen will, warum Bücher nicht billiger sein können, fordert mein Fachwissen heraus und gibt mir Gelegenheit, Aufklärungsarbeit zu leisten. Fragen finde ich also nicht generell überflüssig.

Manche Veranstalter sind geradezu auf Fragestunden fixiert. Und manche haben dankenswerterweise auch ihre U-Boote im Publikum, denen vorab der Wissensdurst eingeimpft wurde. Andere spielen auch selbst den Eisbrecher, wenn wieder einmal überhaupt kein Finger nach oben schnellt.

Mein Plan für die Zukunft ist übrigens, eine Liste mit Fragen zusammenzustellen, die ich dann an die Anwesenden verteile. Das werden dann die Top Ten sein: „Wie kommen Sie auf Ihre Ideen?“, „Muss man kriminell veranlagt sein, um sich sowas auszudenken?“, „Wie hält Ihre Frau das mit Ihnen aus?“, und so weiter. Das müsste ich sie übrigens mal fragen …

 

 

11. Ein kleines Fläschchen der lokalen Spezialität

Manchmal ist es ein Blumenstrauß, den mir die Biblio­thekarin als Zeichen ihres Danks nach der Lesung überreicht. Eigentlich ein Frauenpräsent, aber über den freue ich mich tatsächlich, denn ich kann ihn voller Sorgfalt nach Hause tragen und an meine Frau weiterreichen. Der schenke ich nämlich nie Blumen, da man mir in einer früheren Beziehung eingeschärft hat, wer seiner Liebsten Blumen schenkt, habe ein schlechtes Gewissen wegen irgendeiner üblen Verfehlung.

Hin und wieder sind es andere kleine Kostbarkeiten. Eine Versteinerung, typisch für die versteinerungsreichen Böden der Region. Die Reproduktion einer römischen Münze, typisch für die antike Historie der Region. Eine Wurst, typisch für die landwirtschaftliche Qualität der Region.

Dann gibt es noch diese Bildbände mit alten Schwarzweißfotografien des Ruhrgebietsorts, den ich bislang nur von der Landkarte kannte und dem ich auch in Farbe nichts abgewinnen kann.

Und schließlich sind da die Alkoholika.

Häufig Schnäpse, typisch für … Sie ahnen es schon. Diese Spirituosen kommen in den absonderlichsten Gefäßen daher und tragen die bizarrsten Namen. Einer wurde mir einmal vor vielen, vielen Jahren im Westerwald überreicht. Ein wirklich übler Stoff, den man sicherheitshalber in eine solide Steingutflasche gesperrt hatte. Ich nehme ihn regelmäßig zu Dorffesten mit, in der Hoffnung, zu fortgeschrittener Stunde werde sich im Rausch keiner mehr vergegenwärtigen, dass er im Begriff ist, puren Brandbeschleuniger in sich hinein zu kippen. Allerdings kehrt die Flasche am nächsten Tag kaum leerer in unseren Haushalt zurück. Ich will ihn nicht in den Ausguss kippen, aus Furcht vor dem, was er mit den Rohren anstellen könnte.

Weißwein gibt es auch. Lieblichen, herben, genießbaren, untrinkbaren … Ich trinke allerdings so gut wie nie Weißwein. Daher betrachte ich meinen diesbezüglichen Trick mit meiner Homepage als nachgerade geniale Idee. Dort kann jeder, der sich auf den Autor Ralf Kramp, den er demnächst begrüßen wird, vorbereiten und lesen, dass ich mit meiner Frau gerne abends bei einem Glas Rotwein beisammensitze. Und was soll ich sagen? Es funktioniert!

 

 

Epilog

Sie werden sehen: Wie der Reiter, der mit der Zeit jede noch so kleine Zuckung des Pferdes unter seinem Hintern zu deuten weiß, wie der Hausmeister, der irgendwann jede Schraube seines Gebäudes festgezogen und jede Glühbirne ausgewechselt hat, kennen Sie sich irgendwann aus mit dem Publikum, mit den Veranstaltern und dem ganzen Drumherum. Sie werden frühzeitig erkennen, wo die Untiefen lauern und die Glücksmomente locken, Sie lernen mit der Zeit, die Dinge so vorzubereiten, dass die Lesung für alle Beteiligten zum großen Spaß werden kann.

Wenn Sie das große Geheimnis kennen. Und es beherzigen. Das Geheimnis für die perfekte Lesung.

Soll ich es Ihnen verraten? Es ist nicht schwer: Sie müssen Ihr Publikum mögen. Freuen Sie sich auf den Abend mit guten Freunden, seien Sie offen für das, was auf Sie zukommt.

Ich jedenfalls mag mein Publikum. Und manchmal, eigentlich gar nicht so selten, mag es mich auch.

 

 

Über den Autor:

ralf_kramp.jpgRalf Kramp, Verleger und Krimischriftsteller aus der Eifel, ist mit inzwischen mehr als 1500 Lesungen einer der profiliertesten Vorleser Deutschlands. Seine Auftritte sind legendär, und Veranstalter wie Publikum lieben ihn gleichermaßen. Kramp schreibt seit über 20 Jahren kriminelle und höchst vergnügliche Geschichten und gründete gemeinsam mit seiner Frau das weit über die Grenzen der Eifel hinaus bekannte Kriminalhaus, in dem nicht nur der KBV-Verlag sein Zuhause hat, sondern auch das Deutsche Krimi-Archiv mit 30.000 Titeln. Mehr Informationen: www.ralfkramp.de