AUSTRIA – A SOLDIER’S GUIDE

ÖSTERREICH – EIN LEITFADEN FÜR SOLDATEN

herausgegeben von
Philipp Rohrbach und Niko Wahl

übersetzt von
Evelyn Steinthaler

Federschwert

AUSTRIA – A SOLDIER’S GUIDE

ÖSTERREICH – EIN LEITFADEN FÜR SOLDATEN

herausgegeben von
Philipp Rohrbach und Niko Wahl

übersetzt von
Evelyn Steinthaler

Czernin Verlag, Wien

Produziert mit Unterstützung der Kulturabteilung­ der Stadt Wien,
MA7 / Literaturförderung und des Zukunftsfonds der Republik Österreich

Rohrbach, Philipp; Wahl, Niko: Austria – A Soldier’s Guide /
Österreich – Ein Leitfaden für Soldaten
Philipp Rohrbach, Niko Wahl
Wien: Czernin Verlag 2017
ISBN: 978-3-7076-0612-6

Erstveröffentlichung: Information & Education Section MTOUSA
Sämtliche Abbildungen sind dem Originalbuch entnommen.

Alle Rechte vorbehalten, auch das der auszugsweisen Wiedergabe
in Print- oder elektronischen Medien

Für Godrick James Williams

INHALT – CONTENTS

VORWORT

FOREWORD

ÖSTERREICH

Zu Beginn

Das Gebiet Österreichs

Vor der deutschen Okkupation

Der Anschluss und danach

Was der Krieg Österreich angetan hat

Wie die Österreicher sind

Ein paar nützliche Hinweise

Do’s

Don’ts

Machen Sie sich verständlich

Sicherheit

LIST OF PHRASES

AUSTRIA

To Begin With

The Austrian Land

Before The German Occupation

The Anschluss And After

What The War Has Done To Austria

What The Austrians Are Like

Some Practical Hints

Do’s

Don’ts

Making Yourself Understood

Security

ÜBER DIE HERAUSGEBER

VORWORT

„Österreicher und Deutsche sprechen zwar die gleiche Sprache, Österreicher sind aber in vielerlei Hinsicht ein anderes Volk“ – so steht es in dem handlichen „Soldier’s Guide“, den US-amerikanische Besatzungssoldaten ab 1945 als Vorbereitung auf ihre Dienstzeit in Österreich erhielten. Das Büchlein sollte den GIs während ihres Aufenthalts in der Alpenrepublik als Orientierungshilfe dienen, die Geschichte des Landes vorstellen und Erläuterungen zu den Charaktereigenschaften der österreichischen Bevölkerung geben, und so den Dienstalltag der amerikanischen Soldaten erleichtern: „Es hat keinen Sinn, von den Österreichern Pünktlichkeit und Verlässlichkeit zu erwarten, so wie wir diese Begriffe verstehen. So sind sie nicht gestrickt. Sie meinen es wirklich ehrlich, wenn sie versprechen, etwas zu tun. Sie meinen es genauso ehrlich, wenn sie sich dafür entschuldigen, es nicht getan zu haben. Dafür haben sie Sinn für ‚Stil‘.“

Herausgegeben wurde das Büchlein von der „Information & Education Section“ des „Mediterranean Theater of Operations, United States Army“ (MTOUSA). So wurde der Einsatzstab der amerikanischen Armee bezeichnet, der für Militäroperationen im Mittelmeerraum inklusive Südeuropa und Österreich zuständig war. Ab Anfang 1945 wurden im MTOUSA auch amerikanische Truppen für den Einsatz in Österreich zusammengezogen und ausgebildet. Wer den Guide verfasst hat, ist nicht bekannt.

Eine frühe Version des Büchleins ist wahrscheinlich bereits 1942 als Teil einer Serie von „pocket-sized soldier’s guides“ der „Psychology Division“ des US-Nachrichtendienstes OSS verfasst worden. Die Arbeit an diesen Soldatenführern wurde jedoch 1943 eingestellt; die weitere Geschichte von „Austria. A Soldier’s Guide“ bis zum Zeitpunkt seiner Veröffentlichung im Jahre 1945 liegt im Dunkeln.

Bei den Autoren des Heftes könnte es sich um ehemalige Österreicher handeln, die nach dem „Anschluss“ der Alpenrepublik an Hitlerdeutschland vor rassischer beziehungsweise politischer Verfolgung durch das NS-Regime fliehen mussten.

Gerade in den Propaganda- und Informationsabteilungen der Alliierten engagierten sich viele Emigranten im Kampf gegen den Nationalsozialismus. Die Aufgabe, das ehemalige Heimatland zu analysieren, war – nicht zuletzt auch der widersprüchlichen Haltung wegen, die die Alliierten Österreich gegenüber an den Tag legten – kompliziert. Bereits der erste Satz des Guides macht dies deutlich: „SIE kommen als Mitglied der alliierten Streitkräfte nach Österreich, als Sieger und Befreier.“ Diese Doppelfunktion gestaltete die Einstimmung auf den neuen Standort für die Soldaten nicht gerade einfach. Österreich dürfte das einzige „befreite“ Land gewesen sein, in dem die GIs zumindest anfänglich an ein Fraternisierungsverbot gebunden waren. Dieses bedeutete für die GIs ein Verbot privater, freundschaftlicher oder gar intimer Kontakte zur österreichischen Bevölkerung, um die Truppen vor befürchteten Anschlägen nationalsozialistischer Freischärlergruppen beziehungsweise vor nationalsozialistischer Indoktrinierung zu schützen. Wie weit das Misstrauen der österreichischen Bevölkerung gegenüber reichte, kann dem Guide an verschiedenen Stellen entnommen werden, etwa wenn die Verfasser meinen: „Auch wenn Sie die Österreicher ohne Zweifel im Großen und Ganzen als Befreier empfangen werden, heißt das nicht zwangsläufig, dass sie alle unsere Freunde sind. Denn viele von ihnen haben 1939 [sic!] die Deutschen ebenfalls als Befreier empfangen.“ – Eine knappe, treffende Beschreibung der Doppelbödigkeit der österreichischen Haltung, die sich in der Zweiten Republik auch im jahrzehntelangen Festhalten an der „Opferthese“, in der „Waldheim-Affäre“ und in personellen nationalsozialistischen Kontinuitäten in fast allen politischen Parteien, speziell aber im „Verband der Unabhängigen“ (VdU), der späteren „Freiheitlichen Partei Österreichs“ (FPÖ), widerspiegelt.

Darüber hinaus konnten die Autoren auch ganz schwer einschätzen, wie sich die Österreicher angesichts der nationalsozialistischen Niederlage verhalten würden. Um die Soldaten auf eventuelle Gefahren vorzubereiten, schreiben sie: „Zu dem Zeitpunkt, zu dem Sie [in Österreich] ankommen, werden die Führer der österreichischen Nazis wahrscheinlich beseitigt sein, aber das Fußvolk wird noch da sein. Einige von ihnen waren ausgesprochen widerwärtige Charaktere.“ Und: „Man kann mit Sicherheit davon ausgehen, dass in Österreich noch immer eine Nazi-Untergrundbewegung existiert. Es wird versucht werden, einen neuen Nazismus voranzutreiben. […] Seien Sie auf der Hut vor Nazi-Propaganda.“

Trotz dieser expliziten Hinweise und Warnungen entsteht bei der Lektüre des Guides der Eindruck, dass die Autoren bis zu einem gewissen Grad emotional an Österreich gebunden waren. So bemühen sie sich vehement um eine klare Unterscheidung zwischen „befreiten“ Österreichern und „besiegten“ Deutschen. Lokalpatriotismus scheint hier immer wieder die Erlebnisse der Verfolgung und Vertreibung zu überlagern. So stellen die Verfasser zwar fest, dass die Österreicher „die gleiche Sprache“ wie die Deutschen sprechen, weisen aber sogleich darauf hin, dass sie sich durch „Geschichte und Denkweise“ von diesen unterscheiden. Während den Österreichern ein ausgeprägtes Stilbewusstsein und ein großer Charme nachgesagt werden, wird ihre Beteiligung an den nationalsozialistischen Verbrechen an mehreren Stellen kleingeschrieben. An einer Stelle des Textes schildern die Autoren sogar ein leichtlebig-sorgloses Alpenvolk, das von deutschen Nazis in eine Form gepresst, ja, von den Deutschen zu NS-Robotern umfunktioniert werden sollte – eine Geschichtsdarstellung, die die Österreicher in überproportionalem Ausmaß von Schuld befreit.

Auch an anderen Stellen liegen die Verfasser mit ihren Einschätzungen falsch: Die Aussage, dass Engelbert Dollfuß, der Begründer des austrofaschistischen Ständestaates, keinen „großen Gefallen am Faschismus gefunden hatte“, kann sich aus der Kürze des Textes ergeben haben, das Statement, dass nur wenige Folterknechte des Regimes aus Österreich kamen, muss als völlig falsch zurückgewiesen werden.

Generell ist der von MTOUSA herausgegebene „Soldier’s Guide“ aus der Entstehungszeit heraus zu verstehen. Noch während der Kriegshandlungen verfasst, wird in ihm nicht nur ein österreichisches Nachkriegsszenario skizziert, sondern er ist als Publikation der US-Armee in seinen Darstellungen von den offiziellen Leitlinien alliierter Politik mit der Zielsetzung der Reeducation und Entnazifzierung, den Plänen der Alliierten, nach dem Krieg ein unabhängiges freies Östereich zu errichten, und den Ansichten, die seine Verfasser von Österreich hatten, geprägt.

Wie stark zeitgebunden der Guide ist, zeigt sich auch in den zahlreichen Hinweisen auf Engpässe im Land, auf die die GIs mithilfe des Büchleins vorbereitet werden sollten, beispielsweise wenn es heißt: „[Sie werden] rasch herausfinden, dass es so gut wie nichts zu kaufen gibt. Lebensmittel, Kleidung und Tabak werden strikt rationiert. Es gibt keine Kleinigkeiten, die Sie als Geschenke nach Hause schicken können, die Geschäfte werden leer sein. […] Fürs Erste gibt es also wenig, was Sie mit Ihrem Sold tun können, außer sparen.“

Trotz der zahlreichen Hinweise, die die GIs vor Enttäuschungen bewahren sollen, liest sich das Büchlein gelegentlich wie der erste Reiseführer der Zweiten Republik. Analog zu einem regulären Reiseführer verfügt der Guide über ein Kompendium mit nützlichen deutschsprachigen Phrasen, die den Soldaten bei ihrem Österreich-Aufenthalt behilflich sein sollten. Darunter finden sich unverdächtige Sätze wie „Ich habe mich verlaufen“ oder „Ich möchte essen“, aber auch Vokabeln wie „Deckung!“, die den heutigen Lesern die Unsicherheit im Umgang mit den Österreichern und die Situation nach dem eben erst beendeten Krieg klar vor Augen führen.