Cover

FRANKFURT am Main

image

DIE AUTORIN

Hannah Glaser ist Absolventin der Deutschen Journalistenschule in München und schreibt als freie Autorin über Reiseund Kulturthemen. Frankfurts wilde 1970er Jahre hat sie als Lokalredakteurin der Frankfurter Rundschau hautnah miterlebt. Am Mainhattan von heute mag sie die Mischung aus Dorf und Weltstadt, das kreative Chaos aus Kaff und Kapitale.

Inhalt



Willkommen in Frankfurt am Main

Top 10 & Mein Frankfurt

image Top 10: Das müssen Sie gesehen haben

image Mein Frankfurt: Lieblingsplätze der Autorin

Stadttour

Frankfurts Zentrum mit dem Museumsufer

Streifzüge

Die Nachbarschaft ist eine Glaubensfrage – Frankfurts Stadtteile

Höchster Altstadt

Bad Homburg

Wandern im Stadtwald

Vista Points – Sehenswertes

Museen und Galerien

Architektur und andere Sehenswürdigkeiten

Erleben & Genießen

Übernachten

Essen und Trinken

Nightlife

Kultur und Unterhaltung

Shopping

Mit Kindern in der Stadt

Erholung und Sport

Chronik

Daten zur Stadtgeschichte

Service von A bis Z

Service von A bis Z

Register

Bildnachweis und Impressum

image

   Zeichenerklärung

image Top 10
Das müssen Sie gesehen haben
image Mein Frankfurt
Lieblingsplätze der Autorin
image Vista Point
Museen, Galerien, Architektur und andere Sehenswürdigkeiten
image Kartensymbol: Verweist auf den Link zu den offline Karten im Buch sowie zu Google Maps.


Willkommen in Frankfurt am Main

Früher gehörte Mut dazu, sich anderswo als Frankfurter zu outen, denn die Metropole am Main galt im ganzen Land als unattraktive Adresse, als öde und unpersönlich, und ihre damalige Lebensqualität offenbarte sich höchstens der einheimischen Subkultur. Damals war die berühmte Shoppingmeile Zeil eine nackte Kaufhausreihe mit Container-Charme, und das Nachtleben reduzierte sich auf das trostlose Puff-Milieu rund um den Hauptbahnhof. Wenn Frankfurt in die Schlagzeilen kam, dann wegen Demonstrationen und Krawallen.

Alles lange vorbei. Längst haben Designer die Demonstranten verdrängt, lassen Straßenfeste die Sit-ins vergessen: Die ehedem als Krankfurt und Gestankfurt verrufene Stadt wurde aufpoliert und in postmodernem Bau-Design neu möbliert. Mit dem höchsten Kulturetat aller deutschen Städte kaufte der Magistrat in den reichen 1980er- und 1990er Jahren all das dazu, was Metropolen-Flair und City-Chic versprach: Kunst, Kultur und große Namen. Inzwischen ist die Bankenstadt bis auf wenige Randregionen und soziale Biotope neu durchgestylt und luxusmodernisiert. Aus der grauen Maus wurde ein Paradiesvogel, der auch dem Frankfurter Lebensgefühl Flügel wachsen ließ.

Längst ist das Herz der Stadt, der historische Römer mit seinen historisierenden Fachwerknachbauten, zum Flanierplatz der Einheimischen und zur liebsten Fotokulisse der Touristen avanciert. Kulturelle Segnungen wie das Museumsufer auf der Sachsenhäuser Mainseite, das Prachtensemble der Alten Oper mit dem Lucae-Brunnen, die postmoderne Kunsthalle Schirn und das Museum für Moderne Kunst des Wiener Star-Architekten Hans Hollein haben die Einheimischen mit dem Modernisierungswahn mehr als versöhnt.

Heute wird Frankfurt von vielen Besuchern beneidet: um die markante Hochhaus-Skyline, die attraktiven Kunstausstellungen und die prachtvollen Museumsvillen am Mainufer. Doch auch wenn die Mieten inzwischen ins Astronomische steigen und das schicke Mainhattan auch sonst kaum einen Superlativ auslässt, so bleibt die Großstadt Frankfurt doch nach wie vor ein provinzielles Pflaster, mehr Kaff als Kapitale – ein Blick in den Lokalteil der örtlichen Zeitungen wird jeden überzeugen.

Diese Mischung macht den neuen Charme des heutigen Frankfurt aus: der Kontrast zwischen Großmannssucht und Dorfidylle, das latente Chaos aus urbanem Schick und quirligem Miteinander vieler Kulturen und Lebensentwürfe, das auf einer langen und liberalen Tradition aus Geschäft und Toleranz beruht.

image

Blick auf den Römer in der Frankfurter Altstadt (Vordergund) und die Frankfurter Hochhaus-Skyline

Top 10 & Mein Frankfurt

Top 10: Das müssen Sie gesehen haben

image

Café Hauptwache

S. 8, 33, 53 image aC4/Google Map
Das Wahrzeichen der Stadt und ihre geografische Mitte war einst ein Wachlokal mit Gefängnis unterm Giebel, heute ist das Caféhaus ein beliebter Treffpunkt.

image

Goethe-Haus

S. 11, 29 image aD4/Google Map
Hier wurde der größte deutsche Sprachmagier am 28. August 1749 geboren. Der Spülstein in der Küche stammt noch aus dem Originalhaushalt, genauso wie Schreibtisch und Arbeitspult.

image

Römerberg

S. 11 f., 41 image aD5/Google Map
Auf dem weiten Hügel über dem Main schlägt das Herz der Stadt mit Rathaus, Gerechtigkeitsbrunnen, viel Fachwerk und im Winter dem Weihnachtsmarkt.

image

Dom

S. 13, 33 f. image aD6/Google Map
Bischofssitz war er nie, dafür wurden hier deutsche Könige und Kaiser gewählt und gekrönt. Vom Turm (328 Stufen) hat man einen famosen Blick auf Stadt und Fluss.

image

Eiserner Steg

S. 13 image aE5/Google Map
Max Beckmann hat die Fußgängerbrücke über den Main gemalt, den Frankfurtern ist sie ans Herz gewachsen. Von der anderen Main seite hat man den schönsten Blick auf die Skyline.

image

image

Museumsufer

S. 13 f., 26 ff. image aG3–aE5/Google Map
In alten Bürgervillen und postmodernen Neubauten entstand am linken Mainufer eine Reihe kulturgeschichtlicher Museen mit Parks und Cafés, am Ende kommt man über den eleganten Holbeinsteg wieder zurück ans andere Mainufer.

image

Alte Oper

S. 16 f., 32, 61 f. image aB3/Google Map
1944 von Bomben zerstört und 1981 als Bühne für glanzvolle Konzerte und Veranstaltungen wieder eröffnet, mit prachtvollem Café und Blick auf die Bankentürme im nahen Westend.

image

image

Fressgass

S. 17 image aC3/4/Google Map
Die Flaniermeile zwischen Zeil und Alter Oper ist kaum 500 Meter lang, trotzdem kann man in dieser begrünten Fußgängerzone mit vielen Cafés und Feinkostläden problemlos den halben Tag vergammeln.

image

Alt-Sachsenhausen

S. 19 image aF/aG6/7/Google Map
Vor 100 Jahren wohnten die Fischer und Färber, die Winzer und Marktweiber »dribbdebach«. Das alte Viertel blieb im Krieg verschont und ist mit seinen kopfsteingepflasterten Gassen und »Ebbelwoi«-Wirtschaften erste Touristenadresse.

image

Palmengarten

S. 19, 39 f., 75 image C/D5/Google Map
Frankfurts Central Park mit Wiesen und Weiher, mit Booten, Restaurants, Tropicarium, mit Kakteengarten und dem namensgebenden Palmenhaus. Das jährliche Lichterfest ist der gefühlte Höhepunkt des Frankfurter Sommers.

image

Mein Frankfurt
Lieblingsplätze der Autorin

Liebe Leser,
dies sind einige besondere Orte dieser Stadt, an die ich immer wieder gern zurückkehre. Eine schöne Zeit in Frankfurt wünscht Ihnen

Hannah Glaser

image

Berger Straße

S. 21, 64 image E10–B13/Google Map
Zwischen Merianplatz und Saalburgallee herrscht eine unangepasste, lebendige Kleinstadtszenerie mit Läden aller Art. Hier ist auch noch Platz für Krempel und Skurriles – Off-Off-Goethestraße sozusagen.

image

Kleinmarkthalle

S. 35 f., 67 f., 70 image aC5/6/Google Map
Nirgendwo ist Frankfurt bunter und appetitlicher: Seit über 100 Jahren wird hier auf zwei Etagen alles verkauft, was man essen kann, vom Frankfurter Würstchen bis zum türkischen Baklava – zum Mitnehmen, aber auch zum Gleichessen.

image

Leonhard’s

S. 52 image aC5/Google Map
Frühstück, Lunch, Kuchenpause: Schickes Selbstbedienungsrestaurant mit der schönsten Aussicht über die Dächer der Stadt. Sommers Skylounge unter weißen Segeln.

image

Landungsbrücken

S. 61 image K4/Google Map
Auf der freien Bühne in den Landungsbrücken im »wilden Frankfurter Westen«, wie die Gründer es nennen, sorgen eigene Produktionen und Gastspiele für begeisternde und verstörende Theatererlebnisse in einer ehemaligen Lagerhalle.

image

Schwanheimer Düne

S. 75 image bC4/Google Map
Frankfurt liegt zwar nicht am Meer, hat aber eine Düne aus der letzten Eiszeit mit bizarr gewachsenen Kiefern und einsamen Sandwegen. Man fährt mit der Straßenbahnlinie 11 zum »Bolongaro Palast«, läuft fünf Minuten zum Main und setzt mit der kleinen Fähre über. Von dort sind es noch zehn Fußminuten zum Naturschutzgebiet.

Stadttour

Frankfurts Zentrum mit dem Museumsufer

image

Vormittag
Hauptwache – Rossmarkt – Goetheplatz – Rathenauplatz – Biebergasse – Börse – Eschenheimer Turm – Zeil – Liebfrauenberg – Goethe-Haus – Paulskirche – Römer – Schirn.

Nachmittag
Dom – Saalgasse – Alte Nikolaikirche – Historisches Museum – Haus Wertheim – Eiserner Steg – Museumsufer am Schaumainkai – Holbeinsteg – Kaiserstraße – Taunusanlage – Alte Oper – Fressgass oder Goethestraße – Hauptwache.

Das zentral gelegene image Café Hauptwache image aC4/Google Map ist der beliebteste Treffpunkt der Stadt. Früher kam hier allerdings kaum einer freiwillig her, denn das markige Gebäude (Baujahr 1729) war die längste Zeit seines Bestehens ein Gefängnis. Im Gewölbekeller saßen die Schwerverbrecher ein, während die leichteren Fälle, die »honnetten Personen«, in der Beletage unter dem Dach der Mansarde unfreiwillig Kost und Logis hatten. Auch der berühmte Räuberhauptmann »Schinderhannes« wurde 1802 bis zu seiner Auslieferung an Frankreich hier gefangen gehalten.

1905 wurde die Hauptwache zum Kaffeehaus, 1953 nach der Beschädigung im Zweiten Weltkrieg aufgebaut und 13 Jahre später Stein für Stein wieder abgetragen: 25 Meter tiefer entstand damals Frankfurts unterirdischer Verkehrsknotenpunkt. Auch heute treffen sich hier fast alle U- und S-Bahnen, seit 1968 steht die Hauptwache wieder an ihrem angestammten Ort. Gegenüber zeigt sich mit der Katharinenkirche image aC4/5/Google Map gleich ein historisches Schwergewicht der Frankfurter Geschichte: Hier wurde Johann Wolfgang von Goethe getauft und konfirmiert.

image

Die Katharinenkirche und die Hauptwache vor der Frankfurter Skyline

image

Wer sich jetzt nach Süden wendet und auf Frankfurts höchsten Bankenturm, die 259 Meter hohe Commerzbank, zusteuert, sieht auf den wenigen Metern bis zur Ecke Rossmarkt ein wechselndes Panorama aus Hochhausspitzen hinter der geschlossenen Fassade der sechsstöckigen Stadthäuser. Der Rossmarkt image aC/aD4/Google Map bildet mit dem Goetheplatz und dem Rathenauplatz eine städtebaulich mäßig gelungene Einheit mit dunklem Basalt und schütteren Baumreihen. Die vier Türme, die hier auf dem ehemaligen Areal der Deutschen Bank bis zu 228 Metern in die Höhe wachsen, werden das Flair nicht gerade verbessern. Vorbei am Gutenberg- und am Goethedenkmal geht es am Ende des Rathenauplatzes über die Biebergasse linker Hand hinein in die Fußgängerzone der Schillerstraße.

Nach wenigen Metern markieren die Bronzegiganten Bär und Bulle den Standort der Frankfurter Wertpapierbörse image aB4/Google Map. Die beiden symbolisieren steigende und fallende Kurse und haben 1985 zur Feier des 400-jährigen Jubiläums der Börse hier Stellung bezogen. Im Innern des 43 Meter hohen Kuppelbaus am Börsenplatz werden die amtlichen Kurse für 17 Währungen täglich neu festgesetzt. Gehandelt wird hier übrigens nur elektronisch, die schreienden, wild gestikulierenden Aktienhändler auf dem Börsenparkett gibt es nur noch im Kino. Am Ende der Fußgängerzone der Schillerstraße steht der Eschenheimer Turm image aB5/Google Map mit einem verglasten Café im Tordurchgang. Er gilt als schönster gotischer Torturm Deutschlands und entging in seiner Geschichte oft nur knapp dem Abriss.

Richtung Stadtmitte ist das PalaisQuartier image aB/aC5/Google Map 2010 komplett neu entstanden: Das knapp eine Milliarde Euro teure Bauprojekt gibt der Großen Eschenheimer Straße und der Zeil ein neues Gesicht. Das 136 Meter hohe Bürohochhaus Nextower und das 99 Meter hohe Jumeirah Hotelhochhaus sehen von Weitem aus wie filigrane Papierkonstruktionen. Das barocke Palais Thurn und Taxis an der Großen Eschenheimer Straße wurde in seiner historischen Form präzise, aber verkleinert rekonstruiert – die Meinung über dieses Ensemble gehen bei den Einheimischen ziemlich auseinander.

Hinter dem Kaufhof beginnt die Zeil image aC5/Google Map, eine Einkaufsmeile, die vor zwei Jahrzehnten noch den Flaniercharme einer Trabantenstadt hatte. Das änderte sich mit der verglasten 1992 eröffneten Zeilgalerie, die jedoch 2016 entkernt wurde und jetzt mit neuer Fassade zum Kaufhof gehört. Ein paar Schritte weiter scheint das von dem italienischen Stararchitekten Massimiliano Fuksas spektakulär gestaltete Einkaufszentrum MyZeil die Besucher durch einen geschwungenen, gläsernen Trichter geradezu ins Shopping-Mekka einzusaugen. Unter einem Wolkengebirge aus Glas gibt es nicht nur Europas längste freischwebende Rolltreppe, sondern auf acht Ebenen tatsächlich Neues, nämlich Labels, die bislang in Frankfurt noch nicht vertreten waren. Wer zwischendurch Kalorien oder Kaffee braucht: In der vierten Etage lockt ein Gastro-Boulevard mit Bars und Ethno-Restaurants. 70 000 Gäste besuchen täglich das 2009 eröffnete Einkaufs- und Freizeitzentrum.

Unten auf der Zeil protzt ein behelmter, monumentaler Bronzekämpfer im Baseball-Look, der David-und-Goliath-Brunnen image aC5/Google Map. Gegenüber beginnt die Fußgängergasse Neue Kräme, die zum Liebfrauenberg führt. Vor der Zerstörung 1944 erstreckte sich hier das Gewirr der Frankfurter Altstadtgassen. Die Nachkriegsbauten ringsum sind eher unschön, trotzdem hat der Platz rund um den spätbarocken Liebfrauenbrunnen einen feinen Charme.

image

Das »Symbol der deutschen Demokratie«: die Paulskirche

Goethe-Fans, deren Frankfurtbild ohne den Besuch in Goethes Geburtshaus unvollständig ist, machen hier einen Abstecher. Durch die Bleidenstraße geht es weiter geradeaus und direkt in den Großen Hirschgraben, wo schon andere Touristen anstehen: Nummer 23 beherbergt das image Goethe-Haus image aD4/Google Map, in dem der Dichter von seiner Geburt an 26 Jahre lang lebte.

image

Der Gerechtigkeitsbrunnen auf dem Römerberg, rechts die Nikolai-Kirche

Die Neue Kräme führt über die potthässliche Verkehrsachse der Berliner Straße, die mit ihrer trostlosen Häuserzeile direkt nach dem Krieg entstand. Und noch ehe man auf der anderen Straßenseite angelangt ist, hat man sie schon im Blick: die Frankfurter Paulskirche image aD5/Google Map, das »Symbol der deutschen Demokratie«. Und tatsächlich sieht sie so aus, wie der Volkswitz die Bauform schon vor 140 Jahren beschrieb: eine Pastete mit einer Flasche Wein. 1849 entstand hier die erste demokratisch legitimierte Reichsverfassung für Deutschland.

In den 1970er Jahren war der image Römerberg Frankfurts zentraler Platz, der mindestens so hässlich wie historisch war. Zwischen den Rathausgiebeln und dem Dom klaffte damals eine gewaltige freie Fläche, aus der die Betonhöcker der Tiefgaragenpfeiler wie faule Pilze in die Höhe ragten. Das Ganze war an Scheußlichkeit kaum zu toppen. Also beschloss der Magistrat 1978 »stadtbildwirksame Verschönerungen«, schließlich wollte sich die Stadt auch optisch international als Wirtschaftsmetropole empfehlen. So entstand die sogenannte Ostzeile, der historisch getreue Wiederaufbau von sechs Gebäuden auf der Ostseite des Römerbergs. Natürlich war das Projekt umstritten und wurde als verlogene Heimattümelei verurteilt. Tatsächlich bekam der Platz dadurch aber eine geschlossene Form zurück: Die dreifache Staffelgiebelreihe des Römers findet seitdem wieder ein Echo in der sechsgiebeligen Reihe der Bürgerhäuser.

Fotomotiv Nummer eins ist der Gerechtigkeitsbrunnen, der im Sommer mit weißen und roten Blumen in den Frankfurter Stadtfarben geschmückt ist. Im Unterschied zu ihren Schwestern in aller Welt trägt diese Justitia keine Augenbinde. Der Römer, den die Justitia anblickt, ist mit den markanten Zackengiebeln der drei Hauptbauten seit dem Spätmittelalter ein Markenzeichen für Reichtum und politische Stellung der Stadt. In den Hallen im Erdgeschoss boten zu Messezeiten die Kaufleute ihre Waren an. Ein Stockwerk darüber im Kaisersaal feierten die deutschen Kaiser ihre Wahl und ihre Krönung, die ab 1562 in Frankfurt stattfand.

image

Die Alte Nikolaikirche am Römerberg

Im März 1944 wurde mit der mittelalterlichen Altstadt auch der Frankfurter Römer zerstört; nur die Dreigiebelfront blieb als Trümmerfassade stehen. Sie wurde samt den gewölbten Erdgeschosshallen restauriert, die beiden rechten Häuser baute man in moderner Form über den historischen Erdgeschossen neu auf – ein gelungener Versuch, die Erinnerung an zerstörte historische Bauformen durch eine moderne Variante wach zu halten. Heute residiert hier im Obergeschoss der Oberbürgermeister. Hinter den drei Giebeln kann man schemenhaft den Kaisersaal erkennen. Der Weg zum Kaisersaal führt quasi hintenherum durch die Limpurger Gasse und durchs sogenannte Römerhöfchen, einen wiederhergestellten mittelalterlichen Innenhof mit dem zierlichen Herkulesbrünnchen und offener Wendeltreppe.

Vom Römer hinüber zum Dom geht es vorbei am Steinernen Haus image aD5/Google Map, dem einzig erhaltenen spätmittelalterlichen Patrizierhaus der Altstadt mit Ecktürmchen und Zinnenkranz. Dahinter verschandelte seit 1972 das Technische Rathaus das Stadtzentrum; es wurde 2010 abgerissen. An seiner Stelle entstand hier ein neues Wohnquartier der Luxusklasse, auch Neue Frankfurter Altstadt genannt, ein Ensemble aus 35 Bauten, 15 davon exakte Rekonstruktionen einstiger Altstadthäuser.

Auf dem Weg zum Dom sieht man rechterhand das Haus »Goldene Waage« mit der Adresse Markt Nr. 5, dahinter versetzt das Stadthaus am Markt, das den Blick auf den östlichen Teil der Kunsthalle Schirn image aD6/Google Map freigibt, die als gelungenes Exemplar der Postmoderne gilt.

image

Der Eiserne Steg verbindet die Frankfurter Altstadt mit Sachsenhausen

Hier unter Markt 5 und Stadthaus lag auch der Historische Garten, der 1953 freigelegte, älteste Teil Frankfurts mit Bauresten aus römischer, karolingischer und mittelalterlicher Zeit, dessen Überbauung durch die Neue Altstadt für hitzige Diskussionen sorgte. Frankfurts image Dom ist gar keiner, denn die Stadt war niemals Bischofssitz. Die korrekte Bezeichnung als Stifts- und Hauptpfarrkirche war den Bürgern des 18. Jahrhunderts nicht imposant genug, schließlich handelte es sich um die Wahl- und Krönungsstätte der deutschen Kaiser. Die Kirche wurde mehrfach zerstört, 1867 brannte der Dom und 1944 wurde er bombardiert. Für Architekturfreaks interessant: Unter den deutschen Einzeltürmen der Gotik ist der Frankfurter eine Ausnahme, weil nur hier der quadratische Unterbau in eine steile Kuppel übergeht, die in eine achteckige Spitze mit Kreuzblume ausläuft – ein bauliches Unikat, das gerne als architektonisches Zitat der mittelalterlichen Kaiserkrone interpretiert wird.

image

Haus Wertheim: Es überstand als einziges Fachwerkhaus in der Altstadt den Krieg

Der sogenannte Maria-Schlaf-Altar in der ersten Seitenkapelle links vom Chor ist als einziger unversehrt geblieben und auch der interessanteste. Er entstand 1434, der Annen-Altar links daneben ist eine fränkische Arbeit von 1520. Sehenswert ist auch die Kreuzigungsgruppe (1509) des Bildhauers Hans Backoffen in der Turmhalle.

In der kleinen spätgotischen Kapelle wählten im Mittelalter die sieben Kurfürsten den deutschen König bzw. Kaiser. In der Eingangsvorhalle kann man Reste des ehemaligen Kreuzgangs sehen, durch den der Neuerwählte zur Krönung in den Dom einzog. Heute zeigt hier das Dommuseum gotische Kelche, alte Messgewänder, Barockleuchter und eine Kopie der alten deutschen Kaiserkrone.

Hinter dem Dom geht es rechter Hand hinab und entlang der postmodernen Häuserzeile Saalgasse image aD5/6/Google Map zurück Richtung Römer. Die unterschiedlich gebauten 13 zeitgenössischen Häuser sollen den früheren Altstadtcharakter mit den unterschiedlichen Fassaden- und Giebelformen widerspiegeln. Am Ende der Zeile sind wir wieder an der unteren Mainseite des Römerberges bei der Alten Nikolaikirche image aD5/Google Map angelangt, die dreimal täglich ihr 47-stimmiges Glockenspiel hören lässt. 1290 wurde sie als kaiserliche Hofkapelle geweiht und war schon im 14. Jahrhundert den Mitgliedern des Rates vorbehalten.

Mit Blick zum Fluss folgen linker Hand das Historische Museum image aD/aE5/Google Map, dessen sanierte Altbauten seit 2013 wieder für Besucher geöffnet sind: Im Saalhof befindet sich das älteste Bauwerk der Stadt, der Stauferbau aus der Zeit um 1200. Zum Römer hin wird 2017 der Neubau des Museums eingeweiht, ein elegantes Ensemble aus Sandstein und Naturputz. Rechts befindet sich das Haus Wertheim, das einzige original erhaltene Fachwerkhaus der Altstadt – mit Café.

Über den image Eisernen Steg geht es zum image Museumsufer am Schaumainkai image aG3–aE5/Google Map. Anders als Paris, Köln oder München hat Frankfurt nicht auf monumentale Kunstzentren gesetzt, sondern eine individuelle, spannungsreiche Museenlandschaft geschaffen. Die schönsten Museen entstanden aus umgebauten Patriziervillen in ihren angestammten Parks am Sachsenhäuser Mainufer. Der spektakulärste Bau ist gleich das erste Haus, das sich in gleißendem Weiß jenseits der Sachsenhäuser Mainuferstraße zeigt: das Museum für Angewandte Kunst image aF5/6/Google Map. Der New Yorker Architekt Richard Meier integrierte hier die klassizistische Villa Metzler (in deren Räumen die Kunstsammlung vorher untergebracht war) und legte einen neuen Bau winkelförmig um den alten Kern. Das ganze lichtdurchflutete Gebäudeensemble ist mit Spazierwegen, Eingangstoren und Brunnenanlage so in den Park eingebettet, dass Innen- und Außenräume fast unmerklich ineinander übergehen.

image

Das Deutsche Architekturmuseum: Oswald Mathias Ungers baute »ein Haus im Haus«

Das Deutsche Filmmuseum image aF4/Google Map an der Ecke zur Schweizer Straße, das zeigt, wie mühsam die Bilder das Laufen lernten, wurde bis 2011 komplett umgebaut und modernisiert. Das Deutsche Architekturmuseum ist schon wegen seiner eigenen Architektur im Inneren einen Besuch wert. Der Architekt Oswald Mathias Ungers baute ein Haus im Haus und füllte die entkernte Hülle der gründerzeitlichen Doppelvilla mit einem fünfstöckigen Raumprogramm. Die Grundfarbe Weiß sorgt für leichte, fast schwerelose Raumerlebnisse.

image

Schätze des Städel: »Weibliches Idealbildnis« von Bartolomeo Veneto (um 1520/25) und …

Nächster Stein in der Kette ist das Museum für Kommunikation, das die Mediengeschichte witzig, interaktiv und aufschlussreich nachzeichnet, vom Schrifttäfelchen in Mesopotamien bis zur Welt der neuen Medien. Das Städelsche Kunstinstitut, kurz Städel image aG3/Google Map genannt, gilt mit seiner Gemäldesammlung aus sechs Jahrhunderten als der Frankfurter Louvre. Weil dieses Kunstinstitut von Weltrang mehr Platz brauchte, wurde es erweitert – unterirdisch und oberirdisch. Die Ausstellung »Monet und die Geburt des Impressionismus« im Jahr 2015 zog Tausende Besucher an.

Das Liebieghaus image J7/Google Map liegt ein kurzes Stück hinter dem Holbeinsteg in einem schönen Park und ist die letzte Perle in der Kette des Museumsufers. Es empfiehlt sich nicht nur mit seiner Sammlung der Bildhauerei, sondern auch mit seinem kleinen Café, das unter Frankfurtern als Geheimtipp gilt. Über die elegante Hängebrücke des Holbeinstegs image aF/aG3/Google Map geht es über den Main und geradeaus weiter über die Verkehrsachsen Leuschner-, Gutleut- und Münchner bis in die Kaiserstraße. Hier hat sich im Schatten pompöser Gründerzeitfassaden ein widersprüchliches und reizvolles Flair erhalten. Immer noch finden sich in dem Viertel einfache Läden für Lebensmittel und Bedarfsartikel der Wohnbevölkerung. Besonders in der Nähe des Hauptbahnhofs ist die Kaiserstraße aber auch Bummelmeile angekommener Touristen, Wartezone für Flüchtlinge und nicht zuletzt tägliche Rennstrecke von zigtausend Pendlern.

Auf der Kaiserstraße Richtung Innenstadt erreichen wir in Höhe der fünfspurigen Gallusanlage die ersten Wolkenkratzer. Rechter Hand ragt der 148 Meter hohe Eurotower auf, seit 2014 der Sitz der zentralen europäischen Bankenaufsicht. Der flache verglaste Bau dahinter im Stil der 1950er Jahre ist die Theaterdoppelanlage mit Schauspiel und Oper.

image

… Gustave Courbets »Blick auf Frankfurt am Main« (1858)

Unser Rundweg führt hinein ins Grün der alten Wallanlagen image aE3–aC3/Google Map. Der fünf Kilometer lange Anlagenring umschließt die Innenstadt in einem weiten Halbkreis, der auf beiden Seiten am Mainufer endet. Ursprünglich erstreckte sich hier die alte Stadtmauer, und nachdem die Festungswälle geschleift worden waren, entstand um 1800 eine weite Garten- und Parkanlage. Nach wenigen Metern zeigt sich zur Linken eine Trias aus dem Bankgebäude Gallileo (mit zwei »l« wegen der Adresse Gallusanlage, 136 m), dem Silver Tower der Deutschen Bahn (166 m) und dem Skyper (153 m) mit seiner typischen halbrunden Fassade. Auf der rechten Seite steht der aparte Taunustum in blendend hellem Stein (170 m) samt der kleinen Schwester, dem Wohnturm (63 m), überragt nur vom Commerzbank-Giganten (259 m), dessen Form an ein altes Sprechfunkgerät erinnert, tatsächlich aber wohl Frankfurts erstes umweltgerechtes Hochhaus ist, das nachhaltig bewirtschaftet wird. Hat man die Straße Taunustor überquert, ragt rechterhand das Bürohaus Japan Center image aD3/Google Map mit fernöstlicher Eleganz in den Himmel (115 m), dann folgt die Sechseckkonstruktion des Bürohochhauses Garden Towers (126,5 m), die dicht daneben in den Himmel strebt, nebenan der Maintower, einziges Hochhaus mit Aussichtsplattform (200 m) und das Eurotheum (110 m) mit Bar im 22. Stock.

Der Bau mit dem leuchtend weißen, runden Aufsatz ist das Bürogebäude »Alte Oper«. Hinter dem Schiller-Denkmal aus dem Jahr 1895 steigen die im Volksmund Soll und Haben genannten, 158 Meter hohen Doppeltürme der Deutschen Bank image aC2/Google Map in den Himmel, die seit 2010 offiziell Greentowers heißen, denn im Rahmen der größten Gebäudesanierung Europas wurden sie für 200 Millionen Euro ökologisch nachhaltig umgerüstet. Die beiden Türme werden mittlerweile überragt vom Bankgebäude Trianon (186 m) image aC1/2/Google Map mit seinem Dreiecksdach. Davor setzt die Chase Bank (75 m) im dunklen Braun der 1970er-Jahre-Optik einen scharfen Kontrast. In gleicher Blickachse sind im Hintergrund zwei weitere, gelungene Elemente der Skyline auszumachen: das Frankfurter Büro-Center (140 m) image aD1/Google Map und das Bürohaus Westendstraße 1 image G6/Google Map mit seinem aparten Strahlenkranz (208 m).

Die Spazierwege der einstigen Wallanlagen biegen nun nach rechts ab, wir nähern uns der Alten Oper image aB3/Google Map. Mit diesem Prestige-Projekt begann Anfang der 1980er Jahre die Stadterneuerung, die Alte Oper war das hart umkämpfte Symbol der Wende. In der Längsachse der Alten Oper ist das Denkmal Marshallbrunnen image aC3/Google Map als Dank für die humanitäre Hilfe beim Europäischen Wiederaufbau in den Spazierweg eingelassen.

image

Die Wallanlagen: In der Untermain-Anlage vor den städtischen Bühnen steht der Märchenbrunnen von Ernst Friedrich Hausmann, einer der wenigen Jugendstil-Brunnen in Frankfurt

Der heutige Platz vor der image Alten Oper war 1869 noch Teil der Wallanlagen, als der damalige Oberbürgermeister hier ein »den Anforderungen des guten Geschmacks entsprechendes Theatergebäude« sehen wollte. Die Gesamtbaukosten kalkulierte man damals auf zwei Millionen Mark, doch als Kaiser Wilhelm I. im Oktober 1880 den Prunkbau mit der Inschrift »Dem Wahren, Schönen, Guten« eröffnete, hatte man das Zehnfache investiert. Frankfurts liebster Nationaldichter Friedrich Stoltze reimte damals bissig im hessischen Slang »Dem Wahre, Scheene, Gute, die Berjerschaft muss blute«.

image

Die Alte Oper am Opernplatz, dahinter ragt der Opernturm empor

Hundert Jahre später war der Spruch genauso aktuell. Jahrzehntelang hatten die Frankfurter gestritten, ob die Kriegsruine wieder aufgebaut oder besser in die Luft gesprengt werden sollte. Bis zur Einweihung der neu erbauten Alten Oper 1981 stiegen die Kosten von den veranschlagten 60 Millionen Mark auf weit über 200 Millionen. Die Galagäste mussten bei der Einweihung noch durch ein Polizeispalier hetzen, um den faulen Eiern der Demonstranten zu entgehen. Heute gilt der Prunkbau mit seiner historischen Optik und der Hightech-Funktionalität im Innern als städtisches Schmuckstück und erste Konzertadresse. Links von der Alten Oper ist ein weiterer Skyscraper zu sehen: der elegante Opernturm image aB2/Google Map, 170 Meter hoch und durch einen Manufactum-Laden im Erdgeschoss veredelt.

Mittelpunkt des Opernplatzes ist der Lucae-Brunnen image aB3/Google Map, der mit seiner hohen Wasserfontäne im Sommer sanfte Kühlung versprüht. Frankfurts schönster Brunnen hat keine historische Vorlage, sondern wurde mit der riesigen Granitschale und dem Becken von 17 Meter Durchmesser neu gebaut und nach dem einstigen Architekten der Alten Oper benannt.

Für den zehnminütigen Rückweg an den Ausgangspunkt unseres Rundganges gibt es zwei parallel verlaufende Möglichkeiten: den Flanierweg durch die im Volksmund image Fressgass image aC3/4/Google Map genannte Fuß-gängerzone der Großen Bockenheimer Straße mit Cafés, Edelmetzgern und Feinkostläden oder – ein paar Meter weiter rechts – Frankfurts Nobelstrecke für den exklusiven Einkauf, die Goethestraße. Beide Wege enden wieder an der guten alten Hauptwache image aC4/Google Map, wo U- und S-Bahnen im Untergrund und Dutzende von Taxen bereitstehen, um den Weg nach Hause oder ins Hotel zu übernehmen.