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Konrad Carisi

Trouble in Tallinn

Ein Estland Krimi





BookRix GmbH & Co. KG
80331 München

Trouble in Tallinn

Krimi von Konrad Carisi

 

Der Umfang dieses Buchs entspricht 44 Taschenbuchseiten.

 

Alexander Samson besucht seinen Cousin in Tallinn. Auf der Fähre begegnet ihm eine geheimnisvolle Frau, die er später in der Stadt wiedertrifft. Damit beginnt eine aberwitzige Geschichte, in der die russische Mafia, Drogenkuriere und der Kampf ums Überleben eine Rolle spielen.

 

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1

Ich sehe sie das erste Mal auf der Fähre von Lübeck über Helsinki nach Tallinn. Sie steigt bei unserem Halt in Helsinki zu.

Es ist eine preiswerte Fährenfahrt über die Ostsee. Die Fahrt ist sehr viel länger als ein Flug mit dem Flugzeug, aber die Ostsee so vor sich zu haben ist einfach schön. Zudem sollte man, wenn man es kann, eine Stadt immer vom Wasser aus betreten, denke ich. Außerdem gibt es Livemusik: Dicke Finnen in über Bäuchen spannenden Anzügen spielen finnischen Tango. Sie stehen auf einer kleinen Bühne im Hauptsaal. Dazu wird immer mal etwas gespielt, das nach Pop oder von der Melodie nach Schlager klingt.

Ich sitze auf dem Vorderdeck der Fähre in der Bar Mare Nostre. Vor mir steht eine überteuerte Tasse schwarzen Tees auf dem kleinen runden Tisch. Er ist im Boden festgeschraubt. Das bedeutet, bei Seegang wird nur meine Tasse umfallen, das ist tröstlich. Der artdeco-artige Sessel ist mit Kunstleder bespannt, das bei jeder Bewegung knirscht, aber er ist bequem. Da setzt sich dieser Engel mit weißblonder Löwenmähne neben mich. Ihre schwarzen Augenbrauen bilden einen harten Kontrast zu den hellen Haaren. Ein fließend enges Kleid aus engmaschig gestrickter Wolle umfließt ihre fraulichen Rundungen. Ich bin sofort in den Bann geschlagen bei diesem Anblick. Es gibt diese seltenen Momente, wenn einen die Welt wirklich vor etwas stellt, was einen überwältigt. Für mich ist sie diese Überwältigung.

Die Band wechselt gerade vom Tango in irgendwas mit Vier-Viertel-Takt, das nach Uff-ta-ta klingt. Würde nicht auf Finnisch dazu gesungen werden, könnte es auch ein deutscher Schlager sein.

Die eisblauen Augen des Engels mustern mich flüchtig, dann wendet sie sich der grünblauen Ostsee zu. Ihre Lippen sind schwarz geschminkt, was sie bleicher wirken lässt, als sie sicher ist. Es ist eine kühle, fast noble Blässe, nicht kränklich. Das verstärkt den Eindruck von Distanziertheit, den sie ausstrahlt, wie von einem überirdischen Wesen. Ihre Präsenz wirkt doch irgendwie fehl am Platz.

Mit Mühe verkneife ich mir das Anstarren der Guten. Ich bin seit einigen Monaten Single. Hatte einfach nicht mit uns geklappt, sagt zumindest meine ehemalige Freundin. Nein, Ex-Freundin muss das ja jetzt heißen. Ich finde, sie hat einfach etwas am Rad gedreht und war zu prüde, um nur über einen Teil unserer Auseinandersetzung zu reden. Irgendwie war ein Streit eskaliert und sie war im wahrsten Sinne geflohen, um mir per Chat den Laufpass zu geben. Nicht mal eine SMS hat sie gesendet! Nicht mal das Ausgeben von Geld war ich wert?

Ich bin immer noch empört. Einen gewissen Wert messe ich mir schließlich auch zu.

Dem Schlagerrhythmus folgt etwas, das nach Rock-around-the-clock klingt, allerdings eben auf Finnisch. Man muss den dicken Männern in Schwarz auf der Bühne schon lassen, dass sie ganz schöne Ausdauer haben.

Die Musik ist laut und es gibt eine Tanzfläche vor der Bühne. Vor allem die Über-Vierzigjährigen frequentieren diese rege. Einige tanzen hingegen eher so, als wäre das nur eine Ausrede, mal wieder den Partner anfassen zu können, andere sind aber ziemlich gut für ihr Alter.

Was soll es, geht mir durch den Kopf. Beim Tanzen geht es ums Gefühl, nicht um perfekte Choreographie. Rhythmusgefühl ersetzt jeden vergessenen Tanzschritt. Umgekehrt erkennt man immer, wer nur die Schritte kann, aber nicht fühlt, was zu tun ist. Es wirkt immer hölzern. Es ist wie im Umgang mit Menschen, da gibt es auch die Theoretiker und die mit Gefühl.

Eigentlich gibt das ein schönes Bild für eine Beziehung: Wenn einer im Gefühl hat, was zu tun ist, muss der andere zum Gelingen wenigstens loslassen können und einfach folgen.

Immer mal nutze ich die Gelegenheit, um einen Blick auf den blonden Engel zu werfen. Sie sitzt noch immer an einem Tisch neben mir. Dann leider wird etwas von mir entfernt ein Tisch mit Blick aufs Wasser frei und sie entschwindet mit einem freundlichen Lächeln, um dort alleine zu sitzen.

Der Moment etwas zu sagen, etwas Unverfängliches zu tun, ist vergangen. Das sind diese Momente, wo man weiß, dass sie einem lange in Erinnerung bleiben.