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Schau nicht hin, schau nicht her


Schau nicht hin, schau nicht her


1. Auflage

von: Steffen Mohr, -ky -ky

7,99 €

Verlag: Edition Digital
Format: EPUB
Veröffentl.: 17.05.2015
ISBN/EAN: 9783956553868
Sprache: deutsch
Anzahl Seiten: 316

Dieses eBook enthält ein Wasserzeichen.

Beschreibungen

Die Astrologin hielt Goyatz noch einmal zurück.
„Moment mal, ich muss Ihnen noch etwas sehr Wichtiges sagen ... Widder-Menschen sind wegen ihrer Ungeduld und Impulsivität eigentlich immer anfällig für Unfälle aller Art ... Schließlich noch, und das ist nicht gut, Uranus im Widder: Sie bringen oft Ihr Leben und das Ihrer Familie in Gefahr, vor allem dann, wenn Sie Auto fahren ...“
„Gott, nein...“ Goyatz war zusammengezuckt.
Ricarda hatte die Hände vor die Augen gepresst. „Ich sehe in einigen Tagen Schreckliches mit Ihrem Auto passieren. Sie sitzen am Steuer, und da ...! Lassen Sie es in der Garage, treten Sie auf keinen Fall eine geplante Reise an!“
Eigentlich ist Günther Goyatz ein stahlharter Bauunternehmer, doch bei seinen anstehenden Investitionen verlässt er sich nicht nur auf objektive Finanzdaten, sondern er geht auch zu einer Astrologin, um sich beraten zu lassen. Die warnt ihn vor einer drohenden Katastrophe. Doch die Familie will die Geburtstagsfeier des berühmten Onkels in der DDR nicht versäumen. Also fährt man auch hin. Alles verläuft höchst harmonisch. Doch dann bricht das Unheil über sie herein ...
Dieser Roman war ein Ereignis: Es war der erste deutsch-deutsche Kriminalroman und erschien 1989 bei Rowohlt und im Mitteldeutschen Verlag in Halle. Der BRD-Autor -ky und der DDR-Autor Steffen Mohr haben sich einen spannenden Kriminalfall ausgedacht, in den Westberliner und DDR-Bürger verwickelt sind, -ky schildert die Seite der Berliner, Mohr die Ermittlungsarbeit in der DDR. Anschaulicher kann man die Gegensätze in der damaligen deutschen Wirklichkeit nicht geboten bekommen.
Steffen Mohr wurde am 24. Juli 1942 in Leipzig geboren, wo er auch aufgewachsen und bis heute geblieben ist. Nach dem Abitur studierte er sowohl (katholische) Theologie als auch Theaterwissenschaften, welche er 1966 mit einem Diplom abschloss. Nach seiner Ausbildung am Leipziger Literaturinstitut kam 1975 ein zweites Diplom hinzu. Davor hatte Mohr unter anderem als Hilfsarbeiter und Hilfsschauspieler, als elektrischer Prüfer und als Redakteur beim „Sächsischen Tageblatt“ sowie als Regieassistent beim Jugendtheater und als Dramaturg beim DDR-Fernsehen (Krimi-Genre), aber auch als Briefträger und Leiter wilder Theatergruppen gearbeitet. Seine erste Kriminalstory hatte Mohr 1966 unter dem Pseudonym „Harald Eger“ in der bekannten „Blaulicht“-Reihe veröffentlicht – „weil mir sonst als Student das Honorar vom Stipendium abgezogen worden wäre“. Weitere Bücher folgten und schließlich 1989 gemeinsam mit dem West-Berliner Autor -ky (Hinter diesem Kürzel verbirgt sich der erfolgreiche Kriminalschriftsteller und Soziologieprofessor Dr. Horst Bosetzky, Jahrgang 1938) der erste und zugleich letzte deutsch-deutsche Krimi „Schau nicht hin, schau nicht her“ – erschienen zwei Monate vor dem Mauerfall. Eine literarische Spezialität des Leipziger Künstlers, der auch als Dozent für kreatives Schreiben tätig ist und der Freien Literaturgesellschaft Leipzig e.V. vorsteht, sind seine Rätselkrimis, die bundesweit in Zeitungen mit einer wöchentlichen Auflage von etwa 1 Million Exemplaren veröffentlicht werden. Darin lässt Mohr nicht nur den Leipziger Kommissar Gustav Merks ermitteln, sondern vor allem seine kriminalistisch veranlagten Leserinnen und Leser.
Julian erzählte ihm, dass man in Kladow eine Wasserleiche geborgen hätte, „... und auszuschließen ist ja nicht, dass sich Nico da irgendwie in ’ner Schiffsschraube verfangen hat und dann ...“
Goyatz, der sich gerade ein Schultheiß eingegossen hatte („Wenn alles getan ist ...“), knallte die Flasche auf die Tischplatte. „Was hab ich euch gesagt ...?! Dass es idiotisch ist, ihn ins Wasser zu werfen, bei dieser Rökk-Villa da!“
„Wie hätten wir ihn denn vergraben sollen: ohne Spaten und alles, und dazu noch am Sonntag, wo es überall von Menschen gewimmelt hat ...!?“ Inge Goyatz war in der Küchentür erschienen. „Das Schriftstellerheim, das war doch der einzige Platz weit und breit, wo keine Menschenseele war. Der Hausmeister weg ...“
„Und außerdem sind wir nur da ans Wasser rangekommen“, fügte Julian hinzu.
„Ich war von Anfang an dagegen!“ Goyatz leerte sein Glas, ohne einmal abzusetzen. „Bis 24 Uhr hatten wir ja Zeit: Da hätten wir noch durch die halbe DDR fahren können und ihn irgendwo verbuddeln ...!“
Julian hatte Mühe, sich nicht ostentativ an die Stirn zu tippen. „Du weißt doch genau, dass westliche Autos alle naselang angehalten werden: <Die Reisedokumente bitte!>“ Er sächselte dabei.
„Meinste nicht, dass der Hausmeister sich ganz genau an uns erinnern kann!?“
„Lass ihn doch!“, widersprach ihm seine Frau. „So genau wird er sich Nico bestimmt nicht gemerkt haben ...“
„... zumal wir ihm ja alle Sachen ausgezogen haben!“ Julian fühlte sich nun wieder besser. „Und außerdem: warum sollte er ausgerechnet uns die Leiche zuordnen, wenn sie wirklich da gefunden werden sollte ...?“
„Ihr habt ihr doch extra noch ’n Stoß gegeben, dass sie ...!“
„Bis nach Kladow, ja!“, höhnte Goyatz, gekränkt darüber, dass man ihn so einfach überstimmt hatte, und er setzte gerade an, noch ein paar passende Bemerkungen über den Geisteszustand seiner Familie nachfolgen zu lassen, als die Türglocke zu lärmen anfing, draußen Sturm geklingelt wurde.
Die Polizei!
Alle dachten es. War das also in Kladow doch Nico gewesen, und irgendwie hatten sie ihn identifizieren können und die Spur hierher gefunden. Eine Bemerkung bei sich in der WG über die Familienfeier in Ferch; und nun wurden die Verwandten alle abgeklappert.
... the time stood still ... Aus einer rätselhaften Assoziationsschaltung seines Gehirns heraus hatte Julian plötzlich diesen Fats-Domino-Titel im Ohr, als sie regungslos verharrten, wie in Kunstharz gegossen. Draußen wieherte ein Pferd, Ninas „Torro“ wahrscheinlich. Eine grün schillernde Fliege versuchte, das Fensterglas zu durchbohren, machte, als sie immer mehr in Panik geriet, fast Bohrmaschinengeräusche. Nebenan ballerten die Jungen mit ihren Knallplätzchenpistolen herum. Ihr Schäferhund, King, war zum Gartentor gesprungen und verbellte diejenigen, die dort immer wieder auf den Klingelknopf drückten.
Goyatz hatte sich als erster gefangen, war böse darüber, wie waschlappenschlapp und lächerlich sie in dieser Szene alle wirkten, stand auf und ging hinüber zur Gegensprechanlage. „Scheiße, dass wir noch keine Kamera draußen zu hängen haben und hier in’er Küche ’n Bildschirm drin ...!“ Damit griff er sich einen weißen Telefonhörer und schnauzte ein unfreundliches „Ja, bitte ...!?“ hinein.

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